Yu-Gi-Oh! Season 6: Triskelion



  • Zitat

    Der Trailer
    Ein kleiner Trailer gibt euch ein paar Hinweise darüber, was euch in der neuen Staffel erwartet: Bitte hier klicken :)





  • Spiele geben uns die Chance, über uns selbst hinauszuwachsen und wenn wir in angenehmer Gesellschaft spielen, macht es uns nicht mal etwas aus, wenn wir verlieren. Schließlich sind wir während des Spiels in den Genuss angenehmer Gesellschaft gekommen.
    – Gary Gygax –
    Mit-Erfinder von Dungeons & Dragons


    ~ * ~



    “Die Zeremonie ist vollendet! Das Auge des Horus, welches die Pforten zur Unterwelt bewacht, hat die wahre Seele des Pharaos erkannt. Es wartet darauf, die Seele zu begrüßen, welche über dreitausend Jahre lang in der Dunkelheit umherirren musste. Seele des Pharaos! Sagt dem Wedjat, dem Auge des Horus, Euren wahren Namen!“


    “Mein Name lautet Atum!“


    Die mächtigen Torflügel öffneten sich. Strahlendes Licht erfüllte die unterirdischen Kammern. Es war so hell, dass er für einen Moment lang geblendet die Augen schließen musste. Als er sie wieder öffnete, war sein anderes Ich, nein, Atum schon dabei, auf das Tor zuzuschreiten. Trotz aller Zurufe seiner Freunde setzte er unbeirrt seinen Weg fort, wandte sich nur noch ein letztes Mal um, um ihnen zuzulächeln, als sie von ihm Abschied nahmen. Aber dann ging er immer weiter und blieb nicht stehen, bis er eins mit dem Licht geworden war.


    ’Er ist fort, er ist tatsächlich fort. Fort für immer!’


    Den ganzen Rückweg zum Schiff hatte er sich immer wieder vorgesagt, dass es Schicksal war, dass man es nicht ändern konnte, dass die Seele des Pharaos nun in der Unterwelt war, wo sie hingehörte. Er hatte seine Tränen hinuntergeschluckt, ja hatte sogar auf die etwas hilflosen Versuche seiner Freunde reagiert, ein Gespräch anzufangen. Anzu, Bakura und Großvater versuchten es mit tröstenden Worten, Honda, Jônouchi und Otogi dagegen mit Witzen, um die Stimmung aufzulockern, während die Lippen von Isis, Malik und Rishid sich leise im Gebet bewegten. Kaiba und Mokuba waren gar nicht erst mitgekommen, sie würden auf eigene Faust zurückkehren.


    Wobei Mokuba’s Blicke verrieten, dass er nur zu gern länger bei den anderen geblieben wäre.


    Yûgi selbst war jedoch froh, als er endlich die Tür seiner Kajüte schließen und sich auf sein Bett fallen lassen konnte. Vor den anderen wollte er nicht mehr weinen. Sie alle waren traurig genug, da musste er es nicht noch schlimmer machen. Aber jetzt, da er allein war, rutschte die Maske der Zuversicht von seinem Gesicht und seine Tränen brachen hervor wie eine Sturmflut.


    ’Ich bin jetzt allein. Wirklich allein.’


    Seine Hände krallten sich in sein Kopfkissen, als er von einem erneuten Schluchzen geschüttelt wurde. Wenn wirklich alles so war, wie es sein sollte, warum musste er sich dann so unglaublich leer fühlen? Keine andere Präsenz, keine tröstende Stimme in seinem Geist. Nur diese furchtbare Leere und ein rasender Schmerz, welcher ihn zu zerreißen drohte.


    Wie sollte es jetzt weitergehen? Wie sollte er zu seinem ganz normalen Leben zurückkehren und in Zukunft all die Dinge, die sie gemeinsam getan hatten, alleine tun? Schon bei dem Gedanken daran drohte etwas in ihm zu zerbrechen. Sein anderes Ich würde bestimmt nicht wollen, dass er so verzweifelt war, aber im Moment hatte er keine Ahnung, was er dagegen tun konnte. Sicher, er war ein Kämpfer, ein Duellant, aber jetzt war er einfach nur am Ende seiner Kräfte.


    Um den Hals trug er immer noch die Kartusche, die Anzu ihm geschenkt hatte. Nein, nicht ihm, Atum. Und Atum’s Name war es auch, der in Hieroglyphen darauf eingraviert war. Er hatte kein Recht, den Namen eines anderen zu tragen. Kurzerhand streifte er die Kette über seinen Kopf und öffnete die Schublade seines Nachttisches, um die Kartusche darin zu verstauen.


    Und dann hielt er mitten in der Bewegung inne. In der Schublade lag ein Briefumschlag mit seinem Namen darauf.


    Mutô Yûgi. Geschrieben von seiner eigenen Hand.


    Nur, dass er sich nicht erinnern konnte, diesen Brief jemals geschrieben zu haben. Hastig riss er den Umschlag auf und begann zu lesen.



    Aibô,


    ich habe diesen Brief in unsere (jetzt deine) Kajüte gelegt, da ich sicher sein konnte, dass du ihn dort finden würdest, wenn du nach unserem Duell aufs Schiff zurückkehrst. Und dass du allein zurückkehren wirst, daran habe ich nie gezweifelt. Ich habe immer gewusst, dass du der bessere Duellant von uns beiden bist und es war nur eine Frage der Zeit, wann du dein Können perfektionieren und mich besiegen würdest.


    Ich weiß, ich kann nicht einmal ansatzweise nachempfinden, was du jetzt durchmachen musst. Wenn du diese Zeilen liest, hat meine Seele ihren Frieden gefunden und ist dort angekommen, wo sie hingehört. Aber du bist in der diesseitigen Welt und musst mit deinem ganz normalen Leben weitermachen. Somit bist du derjenige von uns beiden, welcher die schwerere Bürde zu tragen hat.


    Vergiss niemals, dass du sie nicht allein tragen musst. Vergiss niemals, dass Freunde dich auf deinem Weg begleiten, Freunde, die dir zur Seite stehen und dir Halt geben, wenn du glaubst, es geht nicht mehr weiter. Ihr folgt der Straße der Duellanten gemeinsam und wenn ihr zusammensteht, werdet ihr jedes Hindernis überwinden können.


    Natürlich ist mir klar, dass das im Moment nur ein geringer Trost für dich sein kann. Aber wenn du an all die Schwierigkeiten zurückdenkst, die wir zusammen gemeistert haben, wirst du spüren, dass es immer die Gefühlsbande zwischen uns und unseren Freunden waren, die uns die Kraft gegeben haben, weiterzugehen.


    In den letzten Wochen habe ich mir darüber Gedanken gemacht, was ich tun kann, damit auch ich dazu beitragen kann, dich bei deinem Weg in die Zukunft zu unterstützen. Auch ich zähle mich schließlich zu deinen Freunden und deshalb möchte ich, dass das Band zwischen uns dir Stärke verleiht und nicht stattdessen Schmerz und Traurigkeit bedeutet. Ich kann jetzt nicht mehr auf die selbe Art bei dir sein wie bisher. Aber ich kann trotzdem für dich da sein


    Erinnerst du dich an diesen koreanischen Film, in den Anzu uns geschleppt hat? Ja, genau der, wo wir nicht mal die Untertitel richtig lesen konnten. Dieser Film hat mich auf eine Idee gebracht. Und nicht, dass ich mich selber loben möchte, aber ich glaube, sie ist gar nicht so schlecht.


    Aibô, du hast mir einmal gesagt, wenn ich meine Erinnerungen nicht zurückbekomme, möchtest du mir all deine Erinnerungen schenken. Das ist nicht mehr notwendig, da ich nun wieder weiß, wer ich bin. Aber trotzdem möchte ich in gewisser Weise auf dein Angebot zurückkommen: Lass uns all diese Erinnerungen noch ein letztes Mal miteinander teilen.


    An Orten, die von unseren gemeinsamen Erinnerungen erfüllt sind, habe ich dir Briefe von mir hinterlassen. Zerbrich dir jetzt nicht den Kopf darüber, wo und wie du sie finden kannst, sie werden dich finden. Diese Briefe sollen dir den Abschied von mir erleichtern und dir dabei helfen, die Leere in deiner Seele zu füllen.


    Ich wünsche mir, dass du wieder voller Zuversicht in die Zukunft blicken kannst. Auf dich wartet ein wunderbares Leben mit deiner Familie und deinen Freunden. Dieses Leben ist ein kostbares Geschenk. Vielleicht siehst du das im Moment noch nicht so, aber glaub’ mir, du wirst es sehen.



    Bis dann,
    Atum



    P.S. Da ich diesen Brief erst nach unserer Reise in meine Erinnerungen geschrieben habe, kann ich ihn als einzigen auch mit meinem Namen unterschreiben. Das erfüllt mich mit Stolz.



    ~ * ~



    Opening Song


    Der Weg war endlos lang,
    Das Ende scheint so nah.
    Gefunden, was so lang verloren war.


    Der Wind weht über kalten Stein,
    Wo einst mein Herz das Deine fand,
    Und sich auf ewig an dich band,
    Doch hier stehst du allein.


    Erinnerung brennt heiß,
    Wie das Feuer in der dunkelsten Nacht.
    Solange dein Herz den Weg noch weiß,
    Spürst du meine Seele, die über dich wacht.
    Du hörst mich rufen durch die Zeit,
    So nah und doch so endlos weit.
    Solange du mich nicht vergisst,
    Solang dein Herz mich noch vermisst,
    Ich werde immer bei dir sein,
    Du trägst mein Bild in dir.
    Darum trau dich,
    Erinner’ dich
    An mich.


    Schritt für Schritt gehst du den Weg,
    So steinig er auch ist und weit,
    Fällt es auch schwer wieder aufzusteh’n.
    Der Sand verrinnt im Stundenglas der Zeit.


    Dein Herz, es mag dich weiterführen,
    Denn ich vertrau auf deine Kraft,
    Und du wirst seine Stärke spüren,
    Sie erinnert dich, dass du es schaffst.


    Erinnerung brennt heiß,
    Wie das Feuer in der dunkelsten Nacht.
    Solange dein Herz den Weg noch weiß,
    Spürst du meine Seele, die über dich wacht.
    Du hörst mich rufen durch die Zeit,
    So nah und doch so endlos weit.
    Solange du mich nicht vergisst,
    Solang dein Herz mich noch vermisst,
    Ich werde immer bei dir sein,
    Du trägst mein Bild in dir.
    Darum trau dich,
    Erinner’ Dich
    An mich.



    Zitat

    Opening Credits


    Disclaimer: Alles Takahashi-sensei, nix unser. We don’t have money, but we screw the rules anyway.
    Rating:PG-13 oder FSK-12.


    Author’s Note: Herzlich willkommenzur ersten Folge. Viel Spaß beim Lesen wünscht euch euer Staffel-6-Team.




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    Episode 225: Letter Part I - Mô hitori no boku kara tegami
    (Episode 225: Letter Part I - Briefe vom anderen Ich)


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    August


    Es war bereits dunkel in den Straßen von Domino als sich Yûgi, seine Mutter und sein Großvater auf den Weg zum Ginawa Schrein machten. Heute war der letzte Abend des Obon, des buddhistischen Allerseelenfestes, welches zum Andenken an die Verstorbenen gefeiert wurde. An diesem Abend fand das Tôrônagashi statt, eine Zeremonie bei der man bunte Laternen schwimmen ließ. Die Lichter symbolisierten die Seelen der Verstorbenen, welche in den großen Kreislauf der Ewigkeit eingingen.


    Solange Yûgi sich erinnern konnte, waren sie jedes Jahr hierher gekommen, um eine Laterne für Großmutter anzuzünden. Da er noch sehr klein gewesen war, als sie diese Welt verlassen hatte, besaß er leider nicht viele Erinnerungen an sie, aber zumindest ihre Kochkunst und ihre Schlaflieder waren ihm im Gedächtnis geblieben. Und Großvater wurde es nie müde, die Geschichte zu erzählen, wie er ihr Herz mit einem Liebesbrief in Form eines Puzzles erobert hatte.


    Aber in diesem Jahr würde Yûgi zum ersten Mal noch eine zweite Laterne schwimmen lassen. Großvater wusste natürlich über alles Bescheid, aber Mutter hatte er nur erzählt, dass ein Freund von ihm gestorben sei. Was ja im Grunde genommen auch stimmte.


    Der Schrein lag direkt an der Flussbiegung, und als die Familie durch das Eingangstor in den heiligen Bereich eintrat, schaukelten bereits die ersten Laternen auf den Wellen. Wie eine muntere Schar kleiner Glühwürmchen sahen sie aus, die durch das schwarze Wasser tanzten. Schon bald würde es ein richtiges Meer aus Lichtern sein.


    Yûgi warf einen Blick in die Menge und suchte nach bekannten Gesichtern. Honda würde das Fest bei Verwandten auf dem Land verbringen, Jônouchi feierte es gar nicht mehr, seit seine Eltern sich getrennt hatten, und Anzu würde vermutlich keine Zeit haben. Beim Obon-Fest fanden sehr viele traditionelle Tanz-Veranstaltungen statt und sie war garantiert noch mit ihrer Gruppe unterwegs.


    Lediglich Honda’s große Schwester lief ihnen über den Weg, zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen Sohn an der Hand. Die Familien begrüßten einander höflich, und die beiden Frauen waren sofort in ein Gespräch vertieft. Yûgi entschuldigte sich nach einer Weile und ging auf die kleine Brücke hinauf, von wo aus er eine bessere Sicht auf den Fluss hatte. Er wandte den Blick wieder dem endlosen Strom an bunten Lichtern zu, welcher langsam in die Dunkelheit trieb.


    “Haben Sie denn gar keine türkisfarbenen Laternen?“ unterbrach plötzlich eine bekannte Stimme seine Gedankengänge.


    Es war Ryô Bakura, der mit einer Miko, einem Schrein-Mädchen sprach, welche an einem Stand Laternen verkaufte. Als Antwort auf seine Frage schüttelte das Mädchen bedauernd den Kopf: “Leider nicht. Ich kann Ihnen nur grün oder blau anbieten.“


    In diesem Moment wandte Ryô den Kopf und entdeckte Yûgi, der am Brückengeländer lehnte. “Yûgi-kun!“ Er nickte ihm freundlich zu und wandte sich dann wieder an die Verkäuferin. “Dann bekomme ich eine grüne und eine blaue, bitte.“


    Mit den Laternen unter dem Arm trat er einen Moment später zu Yûgi ans Geländer. “Wahrscheinlich wirst du mich jetzt für albern halten,“ meinte er ein wenig verlegen, “aber türkis war die Lieblingsfarbe meiner Schwester.“


    “Das ist ganz und gar nicht albern,“ versicherte Yûgi. “Du hast nur nie über deine Schwester gesprochen... ich wusste das mit dem Unfall deiner Mutter, aber...“


    “Amane war meine Zwillingsschwester.“ Bakura holte ein Feuerzeug aus seiner Tasche und begann die Kerzen anzuzünden. “Sie saß bei meiner Mutter im Auto als...“ Er brach plötzlich ab. “Entschuldige mich bitte.“ Mit einem hastigen Kopfnicken wandte er sich um und ging hinunter zum Fluss.


    Einen Moment lang überlegte Yûgi, ihm zu folgen, falls Bakura vielleicht reden wollte, aber letztendlich entschied er sich dagegen. Vermutlich wollte sein Schulkamerad jetzt wirklich ein wenig allein sein und nicht gestört werden.


    “Uhm... Entschuldigung?“ Vor ihm stand das Mädchen vom Laternenstand und strich verlegen ihre lange rote Schärpe glatt. “Ich hörte, wie Ihr Bekannter Sie vorhin Yûgi nannte. Sind Sie zufällig Mutô Yûgi-san?“


    “Ja.“ Yûgi war so überrascht, dass es ihm die Sprache verschlug. Was hatte das zu bedeuten?


    Das Mädchen holte einen Umschlag aus der Tasche ihres Kimonos hervor. “In unserem Schrein wurde ein Brief für Sie abgegeben, Yûgi-san. Mit einer Notiz, dass Sie zum Obon-Fest hier wären, und ihn abholen könnten.“


    “Ein Brief?“


    Yûgi’s Gedanken überschlugen sich, als er den Umschlag entgegennahm. Konnte es wirklich sein? War es möglich? Letztes Jahr waren sie beide gemeinsam zum Fest hier gewesen und sein anderes Ich wusste, dass er jedes Jahr hierher kam. Also hatte er davon ausgehen können, dass Yûgi auch dieses Jahr wieder hier sein würde.


    Es gab nur eine Möglichkeit, die Antwort herauszufinden.



    Aibô,


    stehst du gerade am Fluss und siehst den Lichtern zu?


    Als ich letztes Jahr mit dir hier war, hab’ ich nicht damit gerechnet, dass bald auch meine Laterne diesen Fluss hinuntertreiben würde, aber trotzdem ist dieser Gedanke ein sehr tröstender. Obwohl ich nicht weiß, was uns in Ägypten erwartet, weiß ich, dass ich in euren Herzen und euren Erinnerungen unvergessen bleiben werde und somit kann ich mit Recht sagen, dass ich ein erfülltes Leben hatte. Selbst wenn ich die letzten dreitausend Jahre davon in einem Puzzle verbringen musste.


    Ist es nicht seltsam, dass in fast allen Kulturen dieser Erde das Wasser sowohl für das Leben als auch für den Tod steht? Fast immer müssen die Seelen einen Fluss überqueren, um ins Jenseits zu gelangen oder auf einem Fluss reisen. Andererseits symbolisiert Wasser auch die Mutter, die einem Kind das Leben schenkt. Wenn man der Evolution Glauben schenken kann, sind wir alle aus dem Wasser gekommen.


    Vielleicht liegt es daran, dass sich das Wasser in einem endlosen Kreislauf bewegt. Es wandert von der Quelle bis zum Meer und nimmt dann als körperlose Wolke den Weg zurück durch den Himmel zur Quelle. Auch Leben und Tod sind ein solcher Kreislauf. Wir werden geboren, wir sterben und werden auf andere Weise wiedergeboren. Es passt zusammen, es ergibt alles ein großes Ganzes. Nur wir mit unserem kleinen menschlichen Verstand können es eben nicht erfassen.


    Aber im Grunde genommen müssen wir das auch nicht. Entscheidend ist nur, was wir mit der Zeit anfangen, die die Götter uns gegeben haben.


    Da fällt mir ein, habt ihr euch wieder die Tänze angesehen, bevor ihr zum Schrein gegangen seid? Anzu sieht süß aus im Kimono, nicht wahr? Wie eine Prinzessin aus alter Zeit. Vielleicht solltest du dir endlich mal einen Ruck geben und sie fragen, ob sie mit dir ausgeht.


    Nein, natürlich nicht jetzt. Jetzt möchte ich, dass du zu der niedlichen Miko zurückgehst, die diesen Brief für dich aufbewahrt hat, ihr eine Laterne abkaufst und sie für mich schwimmen lässt. (die Laterne, nicht die Miko!) Gib’ der Kleinen ein ordentliches Trinkgeld, hörst du? Und widme mir ein paar glückliche Gedanken, wenn du mein Licht auf die Reise schickst. Betonung liegt auf glücklich. Wir haben so viel Schönes zusammen erlebt, da wird sich bestimmt was finden.


    Bis dann,


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    ~ * ~


    September


    “Da bist du ja endlich, Yûgi! Wir sollten uns beeilen, schließlich wollen wir nicht gleich am ersten Schultag nach den Ferien zu spät kommen.“


    Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder in das geschäftige Treiben der Schule zurückzukehren. Anzu wurde sofort von einer Schar Mädchen angesprochen, die sie mit sich zogen, Jônouchi stöhnte und jammerte über die zu erwartenden Hausaufgaben und Honda stolzierte wie üblich durch die Gänge und hielt den Schülern Standpauken, weil sie mit ihren Straßenschuhen die Eingangshalle und den Korridor vor den Schließfächern dreckig machten.


    Auf den ersten Blick schien alles wie üblich und doch würde ab jetzt alles anders sein. Yûgi fragte sich, wie er all diese langweiligen Schulstunden ohne geheime Zwiegespräche mit seinem anderen Ich überstehen sollte. Obwohl es um ihn herum von lachenden und schwatzenden Schülern nur so wimmelte, schien alles seltsam leer ohne Atum’s vertraute Stimme in seinem Geist.


    Aber auch daran würde er sich jetzt gewöhnen müssen. An die Stille.


    Er seufzte leise, als er vor sein Schließfach trat und seine Straßenschuhe auszog. Als er jedoch die Tür öffnete, um die Hausschuhe herauszuholen und einige Bücher zu verstauen, die er in den ersten Stunden nicht brauchen würde, fiel ihm ein kleiner weißer Umschlag entgegen.


    An Orten, die von unseren gemeinsamen Erinnerungen erfüllt sind...


    Ja, ganz genau das hatte mô hitori no boku, sein anderes Ich im ersten Brief geschrieben. Und die Schule war definitiv ein solcher Ort, so vieles hatten sie hier gemeinsam erlebt. Hier hatte damals ihre gemeinsame Freundschaft mit Jônouchi und Honda begonnen, als Yûgi die beiden vor Ushio in Schutz genommen hatte. Hier hatten sie Bakura und Kaiba kennen gelernt. Hier hatten sie auch zum ersten Mal Duel Monsters gespielt... sein anderes Ich musste den Brief wohl am letzten Schultag vor den Sommerferien ins Schließfach gelegt haben, damit Yûgi ihn heute hier finden würde. An diesem Tag war der Flug nach Ägypten bereits gebucht gewesen. Atum hatte gewusst, dass er von dieser Reise nicht wiederkehren würde.


    Und wenn Yûgi ehrlich zu sich selbst war, hatte er es ebenfalls gewusst.



    Aibô,


    Heute hat also die Schule wieder angefangen. Anzu wird Jônouchi treten, seine Hausaufgaben zu machen (dich muss sie ja nicht treten, du machst sie freiwillig), Honda wird wieder die Schüler rumscheuchen. (wir wissen ja, wie ernst er seine Aufgabe als Vorsitzender des Sauberkeitskomitees nimmt, und in der Pause werdet ihr dann miteinander Duel Monsters spielen, (falls ihr’s nicht heimlich unter der Bank tut, wenn der Unterricht wieder mal zum Einschlafen ist.)


    Tja, noch ein halbes Jahr Schonfrist, nicht wahr? Nächstes Jahr im April, wenn das neue Schuljahr beginnt, seid ihr alle in der Abschlussklasse. Honda wird die Nase noch höher tragen, ich seh’s schon kommen!


    Und, hast du dich schon entschieden, was du nach der Schule machen wirst? Ich erinnere mich, du hast mir einmal erzählt, dass du gern auf die Uni gehen möchtest, aber noch nicht weißt, was du studieren willst! Die Aufnahmeprüfungen für die guten Unis sind ja nicht einfach, aber ich bin mir sicher, du packst das. Ich werd’ dir jedenfalls die Daumen halten, wenn du mit zerrauften Haaren und müden Augen vor Bergen von Papier brütest.


    Na, dann beeil dich mal, sonst lässt Miike-sensei dich draußen vor der Tür Habt-Acht stehen.


    Bis dann,


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    ~ * ~


    Oktober


    “Sie sind da! Sie sind tatsächlich da!“ Aufgeregt hüpfte Yûgi zwischen den Kartons hin- und her, während Großvater noch damit beschäftigt war, den Lieferschein zu überprüfen. “Jî-chan, darf ich auspacken helfen?“


    “Nix da,“ brummte Großvater, der wie immer ganz genau zu wissen schien, worauf Yûgi es abgesehen hatte. “Die Päckchen bleiben zu. Der offizielle Erscheinungstermin der neuen Edition ist erst morgen und vorher werden keine Karten ausgepackt. Das gilt auch für dich.


    “Och nö!“ Yûgi verzog das Gesicht.


    Eine ganze lange Nacht warten? Er würde kein Auge zutun können, während die Päckchen da unten im Laden nur darauf warteten, geöffnet zu werden. Das grenzte an seelische Grausamkeit, was Großvater da von ihm verlangte!


    Er warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die Kartons und wandte sich dann ab. Großvater hatte gerade damit begonnen, die heißersehnten Kartenpäckchen zu zählen, um ihre Anzahl mit den Angaben des Lieferscheins zu vergleichen. Wahrscheinlich war es besser...


    Mô hitori no boku...


    Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Jedes der kleinen Päckchen im Karton und in Großvater’s Händen trug Atum’s Bild.


    Yûgi wandte das Gesicht ab, es versetzte ihm einen Stich, Atum’s Gesicht so plötzlich und unvermittelt vor sich zu sehen. Nun, eigentlich war es sein eigenes Gesicht. Aber der Ausdruck darauf war so unverkennbar Atum, dass auch die moderne Kleidung nicht darüber hinwegtäuschen konnte. Für die Welt mochte es Yûgi sein, der König der Duellanten, der auf der Packung abgebildet war, ein Yûgi mit wilden Augen und einem dunkleren Teint. Aber für Eingeweihte gab es keinen Zweifel, Pegasus hatte seine neueste Kartenedition dem Pharao gewidmet.


    “Yûgi.“ Großvater’s Stimme klang plötzlich sehr viel sanfter als zuvor. Hatte er etwa gemerkt, dass sein Enkel traurig war? Bevor Yûgi reagieren konnte, wurden ihm plötzlich zwei Dinge in die Hand geschoben, ein Päckchen Karten und ein Brief. “Aber...“


    “Jetzt nimm schon.“ Großvater’s Stimme hatte wieder ihren üblichen Tonfall angenommen. “Auf ein Päckchen mehr oder weniger kommt es auch nicht an.“


    “Ja, aber eigentlich meinte ich...“


    Großvater nickte langsam. “Er hat mir diesen Brief gegeben, bevor ihr nach Ägypten abgereist seid. Und mich gebeten, dass ich ihn dir aushändige, sobald im Oktober die neue Edition da ist. Ich weiß zwar nicht, was der Brief mit der Edition zu tun hat, aber um das herauszufinden, wirst du ihn wohl lesen müssen.“


    “Ja, das mach’ ich.“ Aber zuerst würde er das Päckchen öffnen, denn das Beste hob man sich immer für den Schluss auf.


    Die erste Karte, welche unter der Folie auftauchte, war MokeMoke, ein winziges Engelchen, das aussah wie ein Bonbon. Es war Level eins, und seine Werte waren noch schlechter als die von Kuribô, aber als Duellant wusste Yûgi natürlich, dass man kleine Monster nicht unterschätzen durfte. Er hatte sich bereits entschieden, was er mit dieser Karte anstellen würde, er würde sie Anzu schenken. Anzu sammelte Engel und Feen und diese Karte war genau nach ihrem Geschmack.


    Auch als zweites kam eine Monsterkarte zum Vorschein, Sand Gambler, der Spieler im Wüstensand. Wenn er offen auf dem Feld lag, konnte man drei Münzen werfen. Dreimal Kopf bedeutete, dass alle gegnerischen Monster zerstört wurden, dreimal Zahl bedeutete, dass alle eigenen Monster zerstört wurden. In sein eigenes Deck würde die Karte nicht so recht passen, selbst wenn sie ein Hexer war, ein Kartentyp, den Yûgi recht häufig verwendete. Aber Jônouchi spielte viele Karten, die auf Glück beruhten, und er würde sich sicher darüber freuen.


    Nummer drei war kein Monster, sondern eine permanente Magiekarte. Nile no Megumi, der Segen des Nils verlieh seinem Spieler 1000 Lebenspunkte für jede durch gegnerischen Effekt verlorene Handkarte. Diese Karte konnte äußerst nützlich sein, denn es gab immer wieder mal Angriffe auf Handkarten. Yûgi musste an Jigokushijin Hellpoemer denken, den furchtbaren Höllenpoeten, welchen Malik’s dunkle Seite damals beim Battle City Halbfinale gegen Jônouchi eingesetzt hatte. Oder Hino-Kagu-Tsuchi, den mächtigen Feuergeist, den Noah in der virtuellen Welt gegen Atum in die Schlacht geschickt hatte. Wenn er könnte, würde er Atum die Karte schenken, allein schon wegen ihres Namens. Aber das war ja nicht mehr möglich, also würde sie vermutlich irgendwo in seinem Schrank landen.


    ‘Nein, ich werd’ jetzt nicht weinen...’


    Die vierte Karte im Päckchen war eine Falle. Yomigaerishi Tamashî, die Seelen-Auferstehung. Man konnte damit ein normales Monster vom Friedhof spezial beschwören, zwar im Verteidigungsmodus, aber das musste nicht unbedingt ein Nachteil sein, wenn man sie richtig einsetzte. Eigentlich wäre es eine passende Karte für Kaiba gewesen, denn sie stellte für ihn eine weitere Möglichkeit da, seine weißen Drachen vom Friedhof zurückzuholen. Allerdings konnte er auch Kaiba keine Karte schenken, denn dieser würde sie niemals annehmen.


    Die fünfte und letzte Karte stellte sich als ganz besondere Überraschung heraus. Black Magic, der Angriff mit Dunkler Magie war eine Supportkarte für den Schwarzen Magier. Diese Magiekarte konnte man einsetzen, um alle gegnerischen Magiefallenkarten zu zerstören, wenn man einen Schwarzen Magier kontrollierte. Yûgi betrachtete sie glücklich, er hatte soeben die erste neue Karte für sein Deck gefunden.


    Oh, vor lauter Karten und Strategieplanungen hätte er jetzt beinahe das Wichtigste vergessen.



    Aibô,


    den Tag der neuen Edition möchte ich auf gar keinen Fall verpassen, deshalb bin ich mal so frech und nehme mir die einzige Möglichkeit, die mir bleibt, um diesen Tag mit dir gemeinsam erleben zu können. Ich würde dein Deck jetzt zu gerne sehen, dein eigenes Deck, das du ohne meine Hilfe gebaut hast, und noch viel lieber als es zu sehen, würde ich dagegen antreten.


    Wir beide bevorzugen teilweise ähnliche Karten und Strategien, aber dennoch gibt es Unterschiede. Du spielst weniger offensiv als ich und ich glaube, dein Talent gegnerische Strategien zu durchschauen und zu durchkreuzen, wird von Tag zu Tag besser. Irgendwann wirst du mich schlagen, ich bin mir sicher.


    Was gibt’s wohl für neue Karten, die Pegasus sich hat einfallen lassen? Werden bestimmte Monstertypen unterstützt? Komplett neue Typen erfunden? Was ist dran an dem Gerücht, dass normale Monster wieder besseren Support bekommen sollen? Und die Turniere selbst, wie haben sie sich verändert? Hah, ich möchte wetten, sie sind noch pompöser und glamouröser als früher mit Gaststars und Cheerleadern und Feuerwerken. Irgendwann werden die ganzen Schaulustigen noch vergessen, dass es das Duell selbst ist, worauf es ankommt.


    Duellieren – was bedeutet es für dich, Aibô? Für mich war es anfangs nur eine Möglichkeit meine Kräfte mit anderen zu messen. Aber dann wurde soviel mehr daraus. Ich konnte neue Freunde finden, ich habe gelernt, Feinden mit Ehre und Respekt entgegenzutreten und ich konnte die Menschen schützen, die mir am Herzen liegen. Ich habe gelernt, anderen zu vertrauen, aber ich habe auch gelernt, an mir selbst zu arbeiten. Denn niemand ist perfekt und wenn man nicht immer hinterfragt, wer man ist und was man tut, dann bleibt man irgendwann stehen und entwickelt sich nicht weiter.


    Denn das Deck eines Duellanten ist seine Seele und ebenso wie man immer an seinem Deck weiterbaut, so baut man auch an seiner Seele. Um stärker zu werden, um an den eigenen Problemen zu wachsen, um ein besserer Mensch zu werden.


    So, Schluß mit den Vorträgen. Was mindestens ebenso wichtig ist, ist der Spaß am Spiel. Deshalb hab’ ich jetzt eine Aufgabe für dich. Sobald du fertig bist mit Karten auspacken, schnappst du dir dein Deck und deine Duel Disc, gehst raus und duellierst dich. Mit irgendjemandem, den du auf der Straße triffst und zwar um überhaupt nichts. Nicht um Karten, nicht ums Rechthaben, nicht um das Schicksal der Welt. Einfach nur um den Spaß an der Sache. Auf geht’s!


    Bis dann,


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    ~ * ~



    November


    “So, Leute, dann wollen wir doch mal testen, ob ihr euch irgendwas von meinem ganzen Gelaber gemerkt habt.“ Der junge braunhaarige Student schaltete den Planetariumsprojektor aus und das Licht an, während die Jungen und Mädchen auf den Sitzen leicht befremdliche Blicke wechselten. Diese Amerikaner hatten manchmal eine etwas seltsame Ausdrucksweise.


    “Also. Aoiboshi – der blaue Stern. Wie nennen wir Astronomen ihn? Ja, das hübsche Mädchen da vorne!“


    Anzu errötete leicht. “Sirius.“


    “Ganz genau. Und der Typ neben dir kann uns bestimmt was über Sirius erzählen.“


    “Tja, also... uhm.“ Jônouchi raufte sich die Haare. “Irgendwas mit einem Hund... Sirius war ein Hund.“


    “Der einzige Hund hier bist du, Jônouchi!“ Grinsend verpasste Honda seinem Freund eine Kopfnuss und wandte sich dann mit betont höflicher Miene dem Studenten zu. “In der griechischen Mythologie war Sirius ein Hund, der von den Göttern an den Himmel gestellt wurde.“


    “Genau das wollte ich sagen,“ knurrte Jônouchi und verzog wütend das Gesicht.


    “Beide Kandidaten haben hundert Punkte,“ grinste der Amerikaner. “Aber diese Hundegeschichte gilt nicht nur für die griechische Mythologie. In fast allen Kulturkreisen wird Sirius mit einem Hund oder Wolf assoziiert. Bei vielen Stämmen der amerikanischen Ureinwohner, beispielsweise den Pawnee, ist Sirius der Geisterwolf, der zwischen der Welt der Geister und der Sterblichen hin- und herwandert. Aber für manche Völker hatte Sirius noch eine ganz andere Bedeutung. “ Er ließ den Blick über die Klasse schweifen und sah eine einzelne erhobene Hand. “Ja, möchtest du etwas dazu ergänzen?“


    Yûgi nickte. “Im alten Ägypten galt Sirius als der Ka der Göttin Isis und sein jährlicher Aufgang im Juli lag zeitgleich mit Achet, der Jahreszeit der Überschwemmung, wenn der Nil über seine Ufer trat und die Felder fruchtbar machte. So wurde mit dem Aufgang des Sirius das neue Jahr eingeleitet.“


    “Ach ja, das alte Ägypten. Damit hat alles angefangen.“ Einen Augenblick lang sah der Student fast nostalgisch aus, bevor er seine Ausführungen über Sterne und Planeten fortsetzte. Als die elfte Klasse jedoch einige Zeit später das Planetarium verließ, spürte Yûgi plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. “Du, wart mal, Kleiner...“


    “Was gibt es denn?“ Yûgi wandte sich um.


    “Kann es sein, dass wir uns kennen? Ich hatte – vor einem halben Jahr war das, glaub’ ich – eine Diskussion mit einem Schüler und ich denke, das könntest du gewesen sein. Es ging dabei ebenfalls ums alte Ägypten.“


    “Tatsächlich?“ Yûgi konnte sich nicht an dieses Gespräch erinnern. Es musste einen Grund gegeben haben, warum sein anderes Ich diese Erinnerung verschlossen hatte. “Dieser Schüler hieß nicht zufällig Mutô Yûgi, oder?“


    “Seinen Namen hat er nicht genannt.“ Der Student musterte Yûgi und plötzlich hellte sich seine Miene auf. “Aber er hat erzählt, dass ein gewisser Yûgi Mutô im November mit seiner Klasse einen Schulausflug ins Planetarium unternehmen würde. Dann bist du Yûgi-kun, stimmt’s? Er hat mir eine Nachricht für dich mitgegeben.“


    “Tatsächlich?“ Yûgi konnte die Aufregung in seiner Stimme kaum verbergen. Er hätte nie gedacht ausgerechnet hier im Planetarium einen Brief vorzufinden. Gut, das Datum des Schulausfluges stand schon seit Frühjahr in seinem Kalender, also hatte Atum gewusst, dass er hier sein würde. Aber was für eine Erinnerung verband sich mit dem Planetarium?


    Nein, es ging gar nicht ums Planetarium. Es ging um die Sterne.



    Aibô,


    Weißt du noch, wie viele Abende wir gemeinsam durch das Dachfenster in deinem Zimmer den Sternenhimmel betrachtet haben? Du hast mir die Namen der Sterne und Sternbilder verraten, die da über uns leuchteten. Seiryû, der Azur-Drache im Osten, Suzaku der Feuervogel im Süden, Byakko, der weiße Tiger im Westen und Genbu, die schwarze Schildkröte im Norden.


    Aber am allerbesten gefiel mir die Geschichte von Hikoboshi und Orihime, die nicht zusammenkommen konnten, weil der breite Fluss der Milchstrasse sie trennte. Nur einmal im Jahr bauen die Elstern eine Brücke über den Himmelsfluss und die beiden können einander sehen. Deshalb wird auch jedes Jahr am siebten Tag des siebten Monats Tanabata gefeiert. Leider hatte ich nie wirklich Gelegenheit dieses Fest mitzuerleben. Dieses Jahr werden wir in Ägypten sein und das Jahr davor waren wir zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.


    Da meine Erinnerung an Ägypten immer nur bruchstückhaft war, konnte ich mich leider nicht wirklich revanchieren. Aber zumindest ein bisschen konnte ich dir auch von den Geschichten unserer Sterne erzählen. Von Nut, der Göttin der Nacht, die ihren Mantel über die Welt breitet und von Isis, deren leuchtender Ka am Horizont aufgeht, um das neue Jahr anzukünden. Von Thoth, dem Gott des Mondes und von Atum-Ra, dem Sonnengott, der jede Nacht durch die Unterwelt reist und jeden Morgen als Horus wiedergeboren wird.


    Ich muss dir etwas gestehen, Aibô, jedes Mal wenn ich eine Geschichte nicht mehr genau wusste, hab’ ich munter drauflos erfunden. Ich hoffe, du kannst es mir verzeihen, aber wenn ich den gespannten Blick in deinen Augen sah, dann konnte ich dich nicht mit einem ’Ich kann mich nicht erinnern’ abspeisen. Und du musst zugeben, meine Geschichten waren spannend. Vielleicht nicht immer wahr, aber spannend. Und das ist es, worauf es bei einer Geschichte ankommt, nicht wahr?


    Ist es nicht seltsam, dass ich vor dreitausend Jahren denselben Sternenhimmel betrachtet habe wie du jetzt? Auch wenn der Blickwinkel sich durch die Bewegungen von Sonne und Erde ändert, die Sterne selbst leben Millionen von Jahren. Sie sind nahezu zeitlos und erinnern uns daran, dass es etwas Ewiges gibt. Durch sie können wir daran glauben, dass Gefühle wie Freundschaft oder Erinnerung den Tod überdauern. Vielleicht sind menschliche Seelen ebenso zeitlos wie die Sterne und ebenso wie Hikoboshi und Orihime sind wir manchmal voneinander getrennt, finden uns aber immer wieder. Uns mag die Zeit lang vorkommen, aber was sind schon hundert oder tausend Jahre im Vergleich zur Ewigkeit? Eine Magiekarte im Vergleich zu einer Konterfalle vielleicht.


    Mach dir das mal bewusst, wenn du heute Abend nach Hause kommst und durch dein Dachfenster unseren Sternenhimmel betrachtest. Manchmal ist die Ewigkeit nur ein Wimpernschlag.


    Bis dann,


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    ~ * ~



    Dezember


    Schritt für Schritt tastete er sich durch die Finsternis voran. Immer einen Fuß vor den anderen setzen. Stückchen für Stückchen. Immer nur an den nächsten Schritt denken.


    Er hatte fest daran geglaubt, dass es irgendwann aufhören würde, dieses Herumirren im Dunkeln. Irgendwann würde es besser werden. Irgendwann würde er wieder Freude und Glück und Spaß am Leben empfinden und sich nicht mehr zu jedem einzelnen Schritt zwingen müssen. Und noch ein Schritt, Yûgi. Einer noch, dann wird alles besser. Mô hitori no boku würde es so wollen. Er möchte, dass du weiterkämpfst, Yûgi. Du bist ein Duellant!


    ’Aber ich will nicht mehr kämpfen. Ich will mich nicht mehr abends in den Schlaf weinen und morgens mit dieser furchtbaren Stille in meinem Geist aufwachen. Mô hitori no boku hatte Unrecht, ich bin nicht stark genug. Ich bin schwach. Viel zu schwach.’


    Ein Wimmern gellte durch die Nacht und steigerte sich zu einem Heulen, so laut und schmerzvoll, dass es unmöglich der Wind sein konnte. Nein, hier waren andere Kräfte am Werk. Er konnte ihre Gefühle spüren, die seinen eigenen so ähnlich waren. Schmerz, Wut, Verzweiflung, Trauer. Und Einsamkeit.


    ’Ich will doch nur mit ihm reden. Ganz kurz nur. Ihn fragen, was ich tun soll...’


    Diese Briefe, sie halfen nicht. Tote Worte auf Papier. Er wollte den echten Atum, den lebenden Atum. Aber Atum war tot. Er war eigentlich schon immer tot gewesen, selbst dann, als er noch da war. Der Geist des Pharao.


    ’Ich bin damals hierher gekommen, weil du mit mir reden wolltest, mô hitori no boku. Ich bin durch das Dunkel und den Schmerz und die Einsamkeit gegangen, weil ich wusste, du brauchst mich. Aber jetzt brauche ich dich. Bist du etwa nicht bereit, das Gleiche für mich zu tun?’


    Gesichter umgaben ihn, blass und durchsichtig wie silberner Nebel. Nein, nein, das war unfair, so etwas durfte er nicht einmal denken. Aber war es nicht auch unfair, was Atum getan hatte? Er war fortgegangen, einfach fortgegangen.


    “Du hast mich im Stich gelassen. Ich hab’ dich gebraucht und du hast mich im Stich gelassen!“


    Seine Stimme klang dünn und schrill, und der Schmerz ließ sie mitten im Satz brechen. Hände griffen nach ihm, kalte körperlose Hände, die ihn nicht berühren konnten und ihn dennoch noch schaudern ließen. Die Geister – sie waren ihm jetzt schon so nahe. Wo war Atum?


    “Wo bist du, mô hitori no boku? Wo bist du? Warum antwortest du nicht?“


    Er hatte jetzt angefangen zu rennen, stolperte blindlings den Abhang hinunter ins Tal. Diese Stimmen, sie riefen ihn. Auch Atum’s Stimme war dabei. Musste dabei sein. Er war sich sicher, so musste es sein. Bald, schon bald würde er wieder bei ihm sein. Noch ein paar Schritte dann würde er das Innere des Steinkreises erreicht haben...


    “Halt!“


    Dies war keine Geisterstimme. Wie ein Dröhnen durchschnitt sie die Luft, so warm, so unangenehm so lebendig. Wer stellte sich ihm in den Weg? Wer nahm sich einfach so das Recht, ihn aufzuhalten? Jetzt, wo er sein Ziel beinahe schon erreicht hatte?


    “Ich kann nicht zulassen, dass du diesen Kreis betrittst, Yûgi, nicht in deinem Zustand. Einen Ort der Geister darf man, wenn überhaupt, nur mit ruhigem Herzen betreten. Sonst verliert man seinen Weg und findet nicht mehr ins Diesseits zurück.“


    Yûgi blieb stehen und hob müde den Kopf. “Ich bin nicht zum erstenmal hier,“ brachte er mühsam heraus. “Ich war selbst einer dieser Geister, wie du nur allzu gut weißt. Und deshalb hab’ ich auch keine Angst vor ihnen. Alles, was ich will, ist, mein anderes Ich wiederzusehen.“


    “Glaubst du wirklich, dass du den Pharao hier finden kannst?“ In der Dunkelheit war die schattenhafte Gestalt kaum zu erkennen. “Warum suchst du ihn an einem dunklen Ort voller einsamer verlorener Seelen? Er ist zu Hause, er hat im Licht seinen Frieden gefunden. Auch du solltest nach Hause zurückkehren und versuchen, deinen Frieden mit seinem Tod zu machen. Meinst du nicht, dass er sich das gewünscht hätte?“


    Wie einfach das alles in den Worten eines anderen klang! Nach Hause gehen, seinen Frieden machen, alles vergessen und normal weiterleben. “Ich hab’s doch versucht,“ schluchzte Yûgi, “ich hab’s immer wieder versucht, aber es geht nicht! Ich werde nicht umkehren. Ich werde jetzt den Steinkreis betreten und nach ihm suchen! Bitte geh’ beiseite!“


    “Du weißt, dass ich das nicht tun kann.“ Die Stimme klang mitfühlend aber bestimmt. “Ich verdanke dem Pharao sehr viel und er würde es mir nie verzeihen, wenn ich dich so einfach in dein Unglück rennen ließe. Ich bin es ihm schuldig, dich zu beschützen, notfalls auch gegen deinen Willen.“


    “Ich brauche keinen Schutz.“ Mit dem Handrücken wischte Yûgi sich die Tränen ab. “Ich bitte dich zum letzten Mal, mir aus dem Weg zu gehen. Ich möchte nicht gegen dich kämpfen, aber ich werd’s tun, wenn du mich nicht vorbei lässt. Verstehst du denn nicht, dass ich dorthin muss? Verstehst du nicht, dass er dort drinnen auf mich wartet?“


    Die Geister riefen nach ihm, wieder konnte er ihre lockenden Stimmen hören. Er musste nur zu ihnen gehen, dann würde der Schmerz aufhören und alles würde gut werden. Nur noch ein paar Schritte.


    Und er würde Atum wiedersehen...


    “Dort im Steinkreis wartet nichts außer Finsternis, Wahnsinn und Tod. Auch ich hege nicht den Wunsch gegen dich zu kämpfen, aber offenbar ist ein Duell die einzige Möglichkeit, dich vor einem furchtbaren Fehler zu bewahren. Macht dich bereit, Yûgi.“


    Um die beiden Kontrahenten war es dunkel, aber im Osten rötete sich bereits der Himmel und tauchte die mächtigen Gesteinsbrocken in ein feuriges, geradezu apokalyptisches Licht. Noch war der Boden in Schatten getaucht, doch der Horizont stand bereits lichterloh in Flammen.


    Im nächsten Augenblick erhob sich die Sonnenscheibe über den Horizont und goldenes Licht flirrte durch die Luft. Es umrahmte auch den Mann, der vor ihm stand, strahlte um ihn herum wie ein Paar leuchtender Schwingen. Doch als Yûgi für einen kurzen Moment geblendet die Augen schloss und sie gleich danach wieder öffnete, war er sich ziemlich sicher, sich diese Schwingen nur eingebildet zu haben.


    Ziemlich.


    Zwei Paar Augen musterten einander abschätzend. Zwei Duel-Discs fuhren surrend in Angriffsposition.


    Zwei Stimmen riefen im selben Atemzug: “Duell!“



    ~ * ~



    Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 225: Letter Part I - Mô hitori no boku kara tegami



    Der zweite Teil von Episode 225 folgt im nächsten Post

  • Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 225: Letter Part I - Briefe vom anderen Ich



    ~ * ~



    [Yûgi LP 4000 / Raphael LP 4000]


    “Watashi no turn – Draw!”


    Raphael zog als Erster – auch wenn er in diesem Moment alles andere lieber getan hätte, als sich mit dem unglücklichen Jungen vor ihm zu bekriegen. Verzweifelte Trauer und wilde Entschlossenheit blickten ihm aus den großen Augen seines Gegners entgegen. Er konnte diese Gefühle nur allzu gut nachvollziehen und er wusste genau, wohin sie einen Menschen führen konnten. Aber dieses Schicksal würde er Yûgi ersparen. Um jeden Preis.


    “Zuerst aktiviere ich meine Magiekarte Shugoshin no Hôsatsu, den Schatz des Wächtergottes. Ich muss meine Hand abwerfen, darf aber ab sofort in meiner Draw Phase zwei Karten ziehen, anstatt nur einer. Zwei Karten darf ich sofort nehmen.“


    Nacheinander verschwanden verschiedene Ausrüstungszauberkarten in Raphael’s Friedhof. Glücklicherweise hatte er kein Monster gezogen, sonst wäre es ihm gar nicht erst möglich gewesen, diese Karte zu aktivieren.


    “Als Nächstes beschwöre ich Backup Gardna [500/2200] im Verteidigungsmodus.“


    Eine mächtige blaue Gestalt materialisierte sich auf dem Feld. Seine feuerrote Mähne bauschte sich weit über seinen Rücken. Er blickte mit grimmigen Augen in Yûgi’s Richtung und nahm anschließend eine defensive Haltung ein.


    “Turn shûryô suru.“


    [Yûgi LP 4000 / Raphael LP 4000]


    “Boku no turn – Draw!”


    Yûgi betrachtete sein Blatt und wandte den Blick anschließend wieder zurück zum Feld. Noch hatte Raphael kein Angriffsmonster dort stehen, aber das konnte sich mit dem nächsten Zug ändern. Wobei, Raphael hatte nur eine Handkarte und seine Wächter benötigten üblicherweise ihre passenden Ausrüstungskarten, um beschworen zu werden. Würde er bereits im nächsten Zug ein neues Monster rufen können?


    “Ich beschwöre Red Gadget [1300/1500] im Angriffsmodus. Dadurch kann ich seinen Spezialeffekt aktivieren und Yellow Gadget von meinem Deck auf die Hand nehmen.“


    Ein kleiner roter Roboter kam aufs Feld marschiert, seine bunten Lichter blinkten und das Zahnrad auf seinem Rücken begann sich knarrend zu drehen. Mit einem Surren wandte er den Kopf hin und her, als wüsste er nicht genau, was er tun solle, bevor er schließlich ebenfalls seinen Platz auf dem Feld einnahm..


    “Jetzt setze ich noch zwei Magiefallenkarten verdeckt.“


    Gut, damit war er vorerst vor Angriffen sicher. Mit etwas Glück würde er bald seine Gadgets auf dem Feld versammelt haben.


    “Turn end desu.“


    [Yûgi LP 4000 / Raphael LP 4000]


    “Watashi no turn – Draw!”


    Wie es schien, hatten seine Monster seinen Ruf erhört. Raphael konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als sein Blick auf die elfenhafte Gestalt von Wächterin Elma fiel. Ihren Dolch hatte er bereits seit dem letzten Zug auf der Hand.


    “Ich rüste Backup Gardna mit der Magiekarte Chô no Tanken - Elma aus. Gerufen von der Kraft ihres Schmetterlingsdolches beschwöre ich Guardian Elma [1300/1200].“


    Windböen bauschten die zarten blauen Schleier, welche Elma’s zierliche Arme umspielten. Ihre kristallklaren Augen funkelten. Sie erhob die Hände, als wolle sie etwas in Empfang nehmen.


    “Jetzt verwende ich den Spezialeffekt meines Backup Gardna, um Elma mit ihrem Schmetterlingsdolch auszurüsten. Ihre Angriffskraft wird um 300 Punkte erhöht und steigt somit auf 1600. Battle! Guardian Elma greif’ Yûgi’s rotes Gadget an!“


    Mit einem grazilen Sprung hechtete Elma übers Feld und hob ihren Dolch zum tödlichen Stoß. Der kleine Roboter gab ein ängstliches Fiepen von sich, doch im nächsten Moment hatte der Dolch ein neues Ziel gefunden. “Kuri, Kuri,“ quietschte ein kleines pelziges Fellknäuel, bevor es sich in Tausende kleiner Pixel auflöste. Das rote Gadget fiepte ein weiteres Mal, aber diesmal klang es eher nach Protest als nach Angst. Es schüttelte eine geballte Robofaust in Elma’s Richtung.


    Yûgi starrte immer noch auf die Stelle, wo der Fellball verschwunden war. “Ich habe Kuribô abgeworfen, um damit den Schaden auf null zu reduzieren.“


    Raphael nickte langsam. “Es war mir bewusst, dass du etwas gegen den Angriff unternehmen würdest, und dein Kuribô ist ein tapferer kleiner Bursche. Aber ist dir eigentlich klar, dass er sich völlig umsonst für dich geopfert hat? Dieses ganze Duell hat keinen Sinn, überhaupt keinen. Du kämpfst für nichts.“


    “Wie kannst du so etwas sagen!“ schrie Yûgi zurück. “Ich kämpfe dafür, dass ich mô hitori no boku wiedersehen kann!“


    Mit einem Seufzer schüttelte Raphael den Kopf. “Das kannst du nicht. Nicht auf diese Weise.“ Er legte seine letzte Handkarte auf die Duel-Disc. “Ich setze eine Magiefallenkarte verdeckt. Turn shûryô da.“


    [Yûgi LP 4000 / Raphael LP 4000]


    “Boku no Turn – Draw!”


    Sinnlos? Sinnlos war das Duell nur deshalb, weil Raphael es überhaupt erst angefangen hatte. Er hätte auch einfach aus dem Weg gehen können, und es gäbe überhaupt kein Problem zwischen ihnen. Dass gerade Raphael nicht verstehen konnte, wie er sich jetzt fühlte, war ihm absolut unbegreiflich. Raphael müsste doch am besten wissen, wie schrecklich es war, jemanden zu verlieren.


    “Ich beschwöre Yellow Gadget [1200/1200] im Angriffsmodus. Sein Effekt besagt, dass ich damit Green Gadget auf die Hand nehmen darf.”


    Ein gelber Roboter gesellte sich zu dem roten und sofort begannen beide in ihrer Fiep- und Blink-Sprache miteinander zu kommunizieren. Yûgi’s Blick verweilte allerdings nur kurz auf dem Feld, er starrte sehnsuchtsvoll auf eine seiner Handkarten. Es war Black Magic, die er in der letzten Edition gezogen und seinem Deck hinzugefügt hatte. Aber solange er keinen Schwarzen Magier auf dem Feld hatte, konnte er diese Karte auch nicht einsetzen. Er musste sich auf das beschränken, was er verwenden konnte.


    “Magic Card Hatsudô! Von meiner Hand aktiviere ich die Magiekarte Mahô Jokyo, das Entfernen von Magie. Mit Hilfe dieser Karte kann ich eine Magiekarte auf dem Feld zerstören. Ich zerstöre Elma’s Schmetterlingsdolch.“


    Raphael’s Gesicht blieb unbewegt. “Selbst wenn du den Dolch zerstörst, bleiben Elma immer noch 1300 ATK. Ihre Angriffkraft ist damit ebenso hoch wie der Angriffswert deines roten Gadgets. Willst du schon wieder eines deiner Monster opfern?“


    “Ich müsste das nicht tun, wenn du dieses Duell nicht angefangen hättest. Warum verstehst du mich nicht, Raphael?“


    “Wie dem auch sei, ich werde nicht zulassen, dass du eines meiner Monster zerstörst. Reverse Card Open! Mit meiner Fallenkarte Guardian Force kann ich die Zerstörung meiner Karte negieren und stattdessen deine Magiekarte zerstören. Elma behält ihren Dolch und ist durch ihre höhere Angriffskraft vor deinem Gadget geschützt.“


    Mutlos ließ Yûgi die Schultern sinken. Raphael’s gesamte Strategie beruhte darauf, seine Monster zu schützen, notfalls sogar mit den eigenen Lebenspunkten. Es würde nicht einfach sein, an diesen Monstern vorbei zu kommen. Aber er musste es schaffen. Und wenn seine Gadgets versagten, dann musste ihm eben sein Schwarzer Magier dabei helfen.


    “Turn end.“


    [Yûgi LP 4000 / Raphael LP 4000]


    “Watashi no turn – Draw!”


    Raphael zog seine beiden Karten und stellte mit Erleichterung fest, dass sie ihm beide sofort nützlich sein würden. Ab jetzt würde er nicht nur durch den Schatz des Wächtergottes zusätzliche Karten bekommen, sondern auch durch den Effekt seiner Wächterin Elma. Elma konnte nämlich Ausrüstungskarten aus dem Friedhof zurückholen, und fast alle Magiekarten, die er für den Schatz des Wächtergottes abgeworfen hatte, waren Ausrüstungskarten gewesen. Allerdings würde er darauf acht geben müssen, dass die Anzahl der Magie- und Fallenkarten in seinem Friedhof nicht unter fünf fiel.


    “Ich verwende Elma’s Spezialeffekt um Seijaku no Rod – Kay’est vom Friedhof aufs Feld zu holen. Gerufen von ihrem Zauberstab der Stille beschwöre ich Guardian Kay’est [1000/1800] im Verteidigungsmodus.


    Eine schillernde Meerjungfrau erschien, ihr silbriger Fischschwanz wand sich unter dem langen gelben Gewand. Sie fuhr sich spielerisch durch ihr meergrünes Haar, bevor sie erwartungsvoll die Hände erhob.


    “Nun verwende ich den Spezialeffekt meines Backup Gardna, um meine Wächterin Kay’est mit ihrem Zauberstab der Stille auszurüsten. Dadurch erhöht sich ihr Verteidigungswert um 500 Punkte, liegt also bei 2300. Außerdem setze ich noch eine Karte verdeckt.“


    Jetzt wurde es ernst. Einen Moment lang spielte Raphael mit dem Gedanken, eine Warnung auszusprechen, aber als er in Yûgi’s Augen sah, wusste er, dass es zwecklos sein würde. Diese Augen waren so voller Schmerz, dass seine Ohren für jegliche Worte taub sein würden.


    “Battle! Guardian Elma, Attacke auf Red Gadget!“


    Mit einem Kriegsschrei schoss die Wächterin nach vorne, und als ihr Dolch den kleinen roten Roboter berührte, zerschellte dieser in tausend Stücke. Yûgi zuckte zusammen, als seine Lebensanzeige um 300 Punkte nach unten kletterte, blieb aber trotz der Wucht des Angriffs auf den Beinen. Das gelbe Gadget blickte sich verwirrt nach seinem Gefährten um.


    “Turn...“


    Yûgi deutete auf eine seiner beiden verdeckten Karten. “Trap Card Hatsudo! In deiner Endphase aktiviere ich Kidôtoride Stronghold, die mobile Festung Stronghold. Wenn diese Falle aktiviert wird, kann ich sie als Monster vom Typ Maschine [0/2000] in die Verteidigungsposition beschwören.”


    Dampf stieg auf, als sich die Fallenkarte auf dem Feld erhob, ein lautes Rattern und Pfeifen erklang und plötzlich schob sich ein mächtiger Android aus den Schwaden hervor. Er stapfte nach vorn in die Monsterzone und positionierte sich neben dem noch übrigen gelben Gadget.


    “Turn shûryô desu.“


    [Yûgi LP 3700 / Raphael LP 4000]


    “Boku no Turn – Draw!”


    Eine weitere Supportkarte für den Schwarzen Magier, hoffentlich ließ dieser nicht mehr allzu lange auf sich warten. Seltsam – im Duell gegen Atum war Yûgi so stolz auf seine Gadgets gewesen. Sie waren Teil seiner Strategie, seiner ganz eigenen Strategie, die er ohne die Hilfe seines anderen Ichs entwickelt hatte. Aber nun erschien ihm diese Strategie sinnlos und leer, und alles, was er sich wünschte, war, sich wieder auf den Schwarzen Magier zu verlassen. Der Schwarze Magier hatte ihn immer beschützt, als Atum noch bei ihm gewesen war.


    “Zuerst drehe ich Yellow Gadget in den Verteidigungsmodus. Danach beschwöre ich Green Gadget [1400/600] ebenfalls im Verteidigungsmodus und kann so seinen Spezialeffekt aktivieren und mein zweites Red Gadget auf die Hand nehmen.“


    Der kleine grüne Roboter stapfte in die noch freie Zone zwischen Stronghold und dem gelben Gadget. Gerne hätte Yûgi Stolz für ihn empfunden, hätte sich gewünscht, dieselbe Bindung zu seinen Monstern zu spüren wie bei all seinen anderen Duellen. Aber alles, was er im Augenblick empfand, war Mutlosigkeit.


    ’Ich darf nicht aufgeben,’ ermahnte er sich selbst. ’Ich muss dieses Duell gewinnen und dazu muss ich an meine Karten glauben. An alle Karten, nicht nur an den Schwarzen Magier!’


    “Ich drehe Stronghold in Angriffsposition.“


    Raphael blickt ihn ungläubig an. Vermutlich fragte er sich gerade, warum jemand ein Monster mit einem Angriffswert von null in den Angriffsmodus setzen würde. Aber es war an der Zeit, eine Magiekarte einzusetzen, die er seit dem ersten Zug auf der Hand hielt. Und diese Karte würde dafür sorgen, dass die Angriffskraft von Stronghold nicht länger bei null blieb.


    “Mahô Card Hatsudô! Ich aktiviere die Magiekarte Dual Summon von meiner Hand. Mit dieser Karte kann ich eine zusätzliche Normalbeschwörung durchführen. Ich beschwöre mein zweites Red Gadget [1300/1500] im Verteidigungsmodus.“


    Als das rote Gadget aufs Feld marschierte, geschah es. Alle drei Gadgets vereinigten sich mit Stronghold und begannen die gewaltige Festung anzutreiben. Die Masse an Zahnrädern drehte sich immer schneller und die Rohre stießen heftigen Dampf aus. Für jedes Gadget, das in ihren Antrieb kletterte, schob sich der Angriffswert von Stronghold um 1000 Punkte nach oben. Aber erst als alle drei Gadgets an ihrem Platz waren, begann die Festung loszumarschieren.


    “Wenn sich alle drei Gadgets auf dem Feld befinden, so sind sie in der Lage, die Festung anzutreiben,“ erklärte Yûgi dem verwundert dreinblickenden Raphael. “Sie erhält dadurch einen Angriffswert von 3000. Und jetzt wird sie eines deiner Monster angreifen.“


    Das bedrohlichste Monster schien im Moment Elma zu sein, denn weder Kay’est noch Backup Gardna besaßen genügend Angriffskraft, um den Gadgets gefährlich zu werden. Andererseits, gegen Angriffe hatte er immer noch seine verdeckte Karte liegen. Vielleicht war es an der Zeit, Raphael’s Verteidigung zu durchbrechen? Wächterin Kay’est konnte nicht als Ziel eines Angriffs gewählt werden, wohl aber Backup Gardna, welcher Raphael die Möglichkeit verlieh, seine Ausrüstungskarten beliebig zu verteilen. Und da Raphael keine Handkarten besaß, konnte er den Angriff auch nicht durch den Abwurf einer solchen annullieren.


    Die Gelegenheit war zu gut, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen: “Battle! Stronghold, Attacke auf Backup Gardna!“


    “Nein, du wirst keines meiner Monster zerstören. Nicht, solange ich noch lebe!“


    Ein schützendes Licht hüllte Backup Gardna ein. Es kam einerseits von der verdeckten Karte, welche sich auf dem Feld erhoben hatte, andererseits auch von Raphael selbst. ’Es ist genau wie damals,’ schoss es Yûgi durch den Kopf, ’damals, als Raphael gegen mô hitori no boku gekämpft hat. Er setzt seine eigenen Lebenspunkte ein, um seine Monster zu schützen.’


    “Ich aktiviere die Magiekarte Self-Sacrifice und kann dadurch die Zerstörung meines Monsters verhindern. Backup Gardna bleibt unverletzt.“


    Mit einem Lächeln blickte Raphael zu seinem Monster hinüber und rang nach Luft. Dass er gerade 1000 Lebenspunkte verloren hatte, schien ihn nicht weiter zu kümmern, angesichts der Tatsache, dass er Backup Gardna gerettet hatte.


    “Turn Owari desu.“


    [Yûgi LP 3700 / Raphael LP 3000]


    “Watashi no Turn – Draw!”


    Über den Rand seiner beiden Karten blickte er zu Yûgi hinüber und hatte beinahe das Gefühl mit einer jüngeren Ausgabe seiner selbst konfrontiert zu werden. Es war sein eigener Schmerz, den er in den Augen seines Gegners reflektiert sah, aber damals war niemand da gewesen, der ihn davon abgehalten hatte, sich Hals über Kopf in die Dunkelheit zu stürzen.


    “Mit Hilfe von Elma’s Spezialeffekt, der mir einmal pro Zug eine Ausrüstungskarte wiederbringt, hole ich Jûryoku no Ono - Grarl vom Friedhof aufs Feld!“


    Ganz im Gegenteil, er hatte die Dunkelheit mit offenen Armen empfangen. In dem verzweifelten Versuch, einen Sinn in seinem Schicksal zu erkennen, hatte er sich Doma angeschlossen. Etwas solch Drastisches würde Yûgi vermutlich nicht tun, dafür war nicht genügend Dunkelheit in ihm. Aber in seinem gegenwärtigen Zustand war er ganz besonders anfällig für die Verlockungen der Geister im Steinkreis. Möglicherweise würde er sich darin verlieren und nicht mehr wiederkehren.


    “Gerufen von der Macht seiner Axt der Schwerkraft beschwöre ich Guardian Grarl [2500/1000] aufs Feld. Mit dem Effekt von Backup Gardna rüste ich Grarl mit seiner Axt aus. Dadurch steigt sein Angriffswert um 500 Punkte auf 3000.“


    Knurrend materialisierte sich die massige Gestalt des Wächters Grarl in der Monsterzone. Genau wie Elma stand der menschenähnliche Dinosaurier auf einem der inneren Felder, während die beiden äußeren von den Verteidigungsmonstern Backup Gardna und Wächterin Kay’est okkupiert waren. Die zentrale Position war noch frei.


    “Battle! Guardian Elma, du greifst das rote Gadget an! Guardian Grarl, Attacke auf Stronghold!”


    Yûgi würde einsehen müssen, dass er hier nicht weiterkam. Sobald Elma eines der drei Gadgets zerstört hatte, würde die Angriffskraft der mobilen Festung wieder auf null zurückfallen. Somit würde Grarl’s Angriff 3000 Schadenspunkte anrichten und Yûgi mit nur 700 übrigen Lebenspunkten zurücklassen.


    Gut, da war noch die verdeckte Magiefallenkarte. Aber wenn diese Karte gegen Angriffe half, warum hatte Yûgi sie dann nicht schon längst eingesetzt? Zum Beispiel vor zwei Zügen, als das erste rote Gadget zerstört wurde?


    Weil Yûgi ja noch ein zweites rotes Gadget besessen hatte...


    “Reverse Card Open! Ich aktiviere die Fallenkarte Waboku no Shisha, die Botschafter der Harmonie. Ich nehme keinen Kampfschaden in diesem Zug und auch meine Monster werden nicht zerstört.“


    Keine Frage, Yûgi war eine Kämpfernatur. Es war mehr als tragisch, dass er diesen Kampfgeist ausgerechnet für ein solch falsches Ziel einsetzen musste.


    “Ich setzte eine Magiefallenkarte verdeckt.“


    Aber auch wenn er versuchte, Yûgi vor einem Fehler zu bewahren, über ihn zu urteilen stand ihm nicht zu. Er selbst hatte lange genug für ein falsches Ziel gekämpft.


    “Turn shûryô desu.“


    [Yûgi LP 3700 / Raphael LP 3000]


    “Boku no Turn – Draw!”


    Yûgi blickte auf sein Blatt. Die beiden Karten für den Schwarzen Magier halfen ihm immer noch nicht weiter, aber die dritte Karte, die, welche er soeben gezogen hatte, konnte er sofort einsetzen und sein Instinkt riet ihm, genau das zu tun. “Magic Card Hatsudô! Ich aktiviere Chiryô no Kami Dian Keto, Dian Keto, den Gott der Heilung. Dadurch erhalte ich 1000 Lebenspunkte zurück.“


    Als Nächstes wandte er den Blick seinem Feld zu. Sollte er mit Stronghold angreifen? Da er vermutlich im nächsten Zug eines oder mehrere seiner Gadgets einbüßen würde, wäre dies vermutlich die letzte Gelegenheit, Stronghold als Angriffsmonster zu verwenden. Allerdings würde er damit seine Verteidigung völlig offen lassen und hätte im nächsten Zug ein Monster mit null Angriffspunkten.


    Nein, es sah wirklich nicht gut für ihn aus. Seine Strategie war gescheitert, besser gesagt, sie war von vornherein nutzlos gewesen. Er hätte sich lieber auf Atum’s alte Strategien verlassen sollen, anstatt diesen kümmerlichen Versuch einer eigenen Strategie zu wagen.


    ’Irgendwas stimmt doch nicht mit mir...’


    “Ich drehe Stronghold in die Verteidigungsposition.“


    Aber die Festung bewegte sich keinen Millimeter. “Solange die Axt der Schwertkraft offen auf dem Feld liegt, kannst du die Positionen deiner Monster nicht wechseln,“ erklärte Raphael. “Erinnerst du dich nicht mehr daran?“


    Ach ja richtig, der Spezialeffekt der Axt. Wie hatte er das nur vergessen können? Also blieb ihm nichts weiter als die Flucht nach vorn. “Battle! Stronghold, Angriff auf Guardian Grarl!“


    Die Festung setzte sich in Bewegung. Da Grarl’s Attackenwert durch die Axt ebenfalls bei 3000 lag, würden beide Monster vernichtet werden. So konnte Stronghold im nächsten Zug zumindest nicht zum Risiko werden.


    “Trap Card Hatsudô! Ich aktiviere meine Fallenkarte Guardian Formation. Sollte eines meiner Guardian Monster als Ziel eines Angriffs gewählt werden, so kann ich diesen Angriff negieren. Ebenso wie ich meine Monster beschütze, so stehen meine Monster füreinander ein.“


    Hatte er ernsthaft erwartet, dass sein Angriff funktionieren würde? Yûgi fühlte eine neue Welle der Mutlosigkeit durch seinen Körper rauschen. Nur Atum konnte ihm jetzt noch helfen.


    “Aber damit ist der Effekt meiner Karte noch nicht beendet. Ich darf eine Ausrüstungszauberkarte aus meinem Deck wählen und eines meiner Monster damit ausrüsten.“


    Doch Atum war nicht hier. Er war im Steinkreis, so wie alle Geister. Nur dort drinnen konnte man mit ihm sprechen. Um in den Kreis zu gelangen, musste Yûgi...


    “Ich wähle Megami no Seiken – Eatos!


    ...Raphael besiegen. Erst dann würde der Weg frei sein. “Turn end.“


    [Yûgi LP 4700 / Raphael LP 3000]


    “Watashi no Turn – Draw!”


    Endlich. Er hatte ihren sanften Flügelschlag bereits gespürt, als sie noch tief in seinem Deck verborgen lag. Alle seine Wächter waren ihm lieb und teuer, aber sie war mehr als eine Wächterin, sie war die Hüterin seiner Seele. Er brauchte sie nur anzublicken, um wieder das Lachen von Sonia und Julien zu hören, um ihre neugierigen Augen zu sehen, während er langsam die Verpackung seines Geburtstagsgeschenks öffnete. Sie war die Verbindung zur Vergangenheit, zu einem alten Leben, das es längst nicht mehr gab, und dennoch wurde es auf ihren Schwingen wieder lebendig, beinahe so als wäre es niemals fort gewesen.


    “Gerufen von der Macht des heiligen Schwertes der Göttin beschwöre ich Guardian Eatos [2500/2000]!


    Ein Licht erstrahlte am Himmel, ein Adlerschrei erklang, weiße Federn schwebten durch die Luft und formten sich zu mächtigen Schwingen. Langsam fächerten die Flügel sich auf, um den Blick auf eine leuchtende Gestalt freizugeben. Aber sie war kein sanfter Engel wie die Steinstatuen an den Kirchen zu Hause. Sie war wild, stolz, und frei, und sie flog mit dem Sturmwind.


    “Dank des Effekts von Backup Gardna kann ich Eatos mit dem heiligen Schwert ausrüsten. Dadurch steigt ihr Angriffswert von 2500 auf 2800. Danach aktiviere ich ein weiteres Mal den Effekt von Guardian Elma, um mir eine Ausrüstungskarte aus dem Friedhof zurückzuholen. Ich wähle Senkô no Sôken -Tryce Da aber alle fünf Zonen für Magiefallenkarten belegt sind, muss ich die Karte auf die Hand nehmen. Eatos, Grarl und Elma, macht euch bereit zum Angriff.“


    Yûgi hatte keine verdeckte Karte, die er diesem Angriff entgegen setzen konnte. Er starrte mutlos auf seine beiden Handkarten, als ob dort die Lösung verborgen läge. Aber offenbar konnte er keine davon einsetzen.


    “Wenn sie mit ihrem heiligen Schwert ausgerüstet ist, darf Wächterin Eatos jedes deiner Monster der Reihe nach angreifen. Eatos, Attacke auf das rote Gadget!“


    Eatos erhob ihr Schwert und der kleine Roboter zerschellte. Da er sich im Verteidigungsmodus befunden hatte, erhielt Yûgi jedoch keinen Kampfschaden.


    “Eatos, Attacke auf das gelbe Gadget!“


    Mit etwas Glück würde dieses furchtbare Duell bald vorbei sein. Vielleicht hatte er dann endlich Gelegenheit, Yûgi zu beruhigen und mit ihm über den Pharao zu sprechen. Und über die Vorkommnisse im Steinkreis.


    “Eatos, Attacke auf das grüne Gadget!“


    Nachdem auch das dritte Monster zerstört war, blieb es eine Weile still. Raphael zögerte einen Moment, der nächste Angriff würde direkt an Yûgi’s Lebenspunkte gehen. Aber um Yûgi zu helfen, musste er ihn zuerst besiegen.


    “Da die Festung Stronghold nicht nur ein Monster, sondern auch eine Fallenkarte ist, gilt der Effekt des Schwertes nicht für sie. Eatos kann sie also nicht mehr angreifen. Aber ich habe noch zwei weitere Monster im Angriffsmodus, die beide noch nicht gekämpft haben. Guardian Grarl, greif Yûgi’s mobile Festung an!“


    Brüllend schwang der Dinosaurier seine Axt und Stronghold zerschellte in tausend Stücke. Sprungfedern, Rohre und Zahnräder flogen durch die Luft, bevor auch sie sich in Pixel auflösten. Yûgi wurde von der Gewalt des Angriffs zurückgeschleudert und zu Boden geworfen. Dreitausend Lebenspunkte auf einen Schlag, nein, das war wirklich keine Kleinigkeit. Mühsam rappelte der Junge sich wieder auf die Füße.


    “Yûgi, bitte versteh doch! Die Seele des Pharaos ist nicht hier. Es bringt dir nicht das Geringste, in diesen Steinkreis zu gehen!“


    “Das kannst du doch überhaupt nicht wissen!“ schrie Yûgi zurück. “Außerdem habe ich seine Stimme gehört. Er ist hier, er ruft mich! Ich muss zu ihm!“ Ohne jedes weitere Wort versuchte er nach vorne zu stürmen.


    “Guardian Elma, greif Yûgi direkt an!“


    Die rothaarige Wächterin sprang Yûgi in den Weg und er wurde erneut zurückgeworfen. Mit einem Schrei stürzte er zu Boden, krallte die Hände in den Staub. Seine Lebensanzeige kletterte um weitere 1600 Punkte nach unten.


    “Yûgi, das ist nicht der Pharao, der zu dir spricht. Es sind Geister, wütende Geister, verzweifelte Geister, die dich in ihr Reich locken wollen. Die Energie des Steinkreises ist in der letzten Zeit ungewöhnlich stark. Irgendetwas passiert hier, etwas, das wir noch nicht verstehen können. In der letzten Nacht schien es, als ob die Steine in Flammen stehen würden. Das Feuer zog sich über den ganzen Boden und formte das Symbol einer Triskele. Das ist ein altes keltisches Zeichen Bei euch in Japan gibt es ein ähnliches Symbol, es nennt sich Tomoe. Wir haben es hier vielleicht mit einer besonders mächtigen Kraft zu tun, die versucht, sich zu materialisieren...“


    Er wusste nicht, ob Yûgi im Augenblick in der Lage war, seine Worte zu begreifen. Im Moment lag er einfach nur am Boden und schluchzte Atum’s Namen in den Sand.


    “Komm, Yûgi, lass dir helfen!“ Es war eindeutig der falsche Zeitpunkt für Worte. Raphael ging auf Yûgi zu, um ihm die Hand zu reichen und ihm bei Aufstehen zu helfen.


    Mühsam hob Yûgi den Kopf, als Raphael’s Schatten auf ihn fiel. Er griff nicht nach der ausgestreckten Hand, sondern stemmte sich mit der Faust vom Boden hoch. “Ich hab’ noch hundert Lebenspunkte übrig,“ keuchte er und griff nach der obersten Karte seines Decks.


    “Yûgi, lass es doch gut sein! Du quälst dich nur!“


    “Ist dein Zug beendet?“


    “Ja, aber...“


    [Yûgi LP 100 / Raphael LP 3000]


    “Boku no Turn – Draw!”


    Er war wieder auf den Beinen, auch wenn er immer noch schwankte. Seine Knie zitterten. Warum kam Atum nicht und half ihm? Er konnte doch nur wenige Schritte entfernt sein, dort hinter den Felsen...


    ’Ich brauche dich, mô hitori no boku. Hilf mir... bitte hilf mir!’


    Yûgi senkte den Kopf und sein Blick fiel auf die Karte, die er soeben gezogen hatte. Ein Gefühl der Wärme durchströmte ihn. Jetzt würde alles gut werden.


    “Ich aktiviere die Magiekarte Kuromajutsu no Curtain, den Vorhang der Schwarzen Magie. Indem ich die Hälfte meiner Lebenspunkte bezahle, kann ich eine Spezialbeschwörung aus meinem Deck vornehmen.”


    Zum erstenmal erschien ein Lächeln unter all den Tränen. “Komm hervor, Black Magician [2500/2100]!


    Der dunkle Vorhang bauschte sich und einen Augenblick später materialisierte er sich auf dem ansonsten leeren Feld. Der Schwarze Magier, sein Beschützer und Seelenwächter. Seine Lieblingskarte und seine untrennbare Verbindung zu Atum. Fast fühlte er sich in der Zeit zurückversetzt, es schien, als wäre sein anderes Ich nie fortgegangen. Doch leider währte das Glücksgefühl nur einen Moment, dann erinnerte er sich wieder an die Stille in seinem Geist.


    “Raphael, das Blatt hat sich gewendet. Ich stehe jetzt unter dem Schutz meines Schwarzen Magiers und mit ihm an meiner Seite werde ich nicht verlieren. Bitte tue dir selbst und deinen Monstern einen Gefallen und geh’ beiseite. Du glaubst mir nicht, dass Atum hier ist, also lass’ es mich doch einfach selbst herausfinden!“


    “Nein, Yûgi. Es ist im Augenblick zu gefährlich. Hast du nicht gehört, was ich dir erzählt habe?“


    “Magic Card Hatsudô! Von meiner Hand aktiviere ich eine weitere Magiekarte, die Karte Black Magic. Wenn ich einen Schwarzen Magier kontrolliere, kann ich diese Karte verwenden und alle gegnerischen Zauberfallenkarten zerstören!“


    Nacheinander verschwanden der Dolch, der Zauberstab, die Axt und schließlich das heilige Schwert aus den Händen ihrer Besitzer. Die Wächter auf dem Feld blickten sich verwirrt nach ihren Waffen um, und ihre Gestalten schienen sogar ein wenig zu schrumpfen als ihre Angriffs- bzw Verteidigungspunkte wieder auf die ursprünglichen Werte zurückfielen. Auch der Schatz des Wächtergottes war zerstört, in Zukunft würde Raphael wieder nur eine Karte pro Drawphase ziehen können.


    “Keiner deiner Wächter hat jetzt noch irgendeinen Schutz, Raphael. Ich könnte jetzt einfach angreifen und mir aussuchen, welches Monster ich zerstöre. Ich möchte aber nicht, dass es dazu kommt. Bitte geh beiseite und lass’ mich vorbei.”


    “Nein, Yûgi. An meiner Entscheidung hat sich nichts geändert.”


    “Ich denke, das liegt daran, dass du noch einen Trumpf auf der Hand, oder sollte ich besser sagen, im Friedhof hast. Black Magician, Angriff auf Guardian Eatos! ”


    Der Magier hob sein Zepter und eine Wolke aus dunkle Energie sammelte sich darin. Worte formten sich auf seinen Lippen, eine leise Beschwörung wurde gemurmelt und nur Augenblicke später schoss ein gleißender violetter Strahl in Eatos’ Richtung.


    Eatos und Black Magician waren beide genau gleich stark. Alles was Raphael hätte tun müssen, wäre die Zerstörung seiner Wächterin ohne jede Gegenwehr hinzunehmen. Dann hätte er im nächsten Zug ein freies Feld gehabt, um Yûgi mit seinen anderen Monstern anzugreifen und ihm den Rest zu geben.


    “Mahô Card Hatsudô! Ich aktiviere Maibotsu Kami no Kyûsai, die Rettung durch den Friedhofsgott. Indem ich fünf Magiefallenkarten aus meinem Friedhof entferne, kann ich deine Battlephase beenden.”


    Aber Raphael konnte nicht über seinen Schatten springen. Die Verbindung zu seinen Monstern war zu stark. Er würde sie immer beschützen. Immer.


    Deshalb war Yûgi sich auch so sicher, dass Raphael jetzt aufgeben und ihm aus dem Weg gehen würde. Das ganze Duell hindurch hatte er immer eine Möglichkeit gefunden, seine Monster vor der Zerstörung zu bewahren. Mit Magiekarten, mit Fallenkarten, ja sogar mit seinen eigenen Lebenspunkten. Selbst im Friedhof hatte er noch einen Trumph verborgen gehabt.


    Yûgi hob den Blick über den Rand seiner letzten Handkarte hinweg und sah zu Raphael hinüber. “Es ist vorbei, Raphael. Wenn ich diese Karte jetzt einsetze, dann stirbt eines deiner Monster. Aber das möcht’ ich nicht tun, verstehst du? Ich weiß, dass der Gedanke an den Friedhof für dich unerträglich ist. Du solltest das nicht noch einmal durchmachen müssen, am allerwenigsten für einen so sinnlosen Grund. Rette deine kostbaren Wächter und lass mich zu meinem anderen Ich gehen. Damit ist uns beiden geholfen.”


    “Yûgi, wenn es dir solchen Schmerz bereitet, meine Wächter zu zerstören, dann tu es einfach nicht und setze diese Karte nicht ein. Niemand zwingt dich dazu, gegen mich und meine Wächter zu kämpfen. Es ist deine freie Entscheidung.”


    “Du willst nicht beiseite gehen?” Fassungslos blickte Yûgi seinen Gegner an. “Ich verstehe dich nicht, Raphael. Was kann es Wichtigeres geben, als deine geliebte Eatos zu beschützen?”


    Raphael hielt seinem Blick stand. “Einen Freund zu beschützen.”


    Yûgi’s Hand begann zu zittern. Sie zitterte so sehr, dass die Karte beinahe zu Boden gefallen wäre. Er fühlte sich seltsam berührt, hin- und hergerissen zwischen Raphael’s Worten und dem Wunsch Atum wiederzusehen. Er war sich so sicher gewesen, auf dem richtigen Weg zu sein, aber plötzlich zweifelte er. Was, wenn dieser Steinkreis wirklich nur Lug und Trug war? Was wenn...


    Aibô...


    Mô hitori no boku! Ja, ich komme, mô hitori no boku. Ich bin gleich bei dir!“


    Seine Augen verengten sich und seine Hand klatschte die Karte auf die Duel Disc. “Ich aktiviere die Magiekarte Thousand Knife. Wenn ich einen Schwarzen Magier kontrolliere, kann ich diese Karte verwenden und ein Monster meines Gegners zerstören. Ich zerstöre Guardian Eatos!“


    Tausende winziger Messer formten sich wie eine tödliche Aura um den Schwarzen Magier herum und als er sein Zepter erhob, sausten sie zischend durch die Luft auf Eatos zu. Die Wächterin stieß einen schrillen Schrei aus und erhob sich in die Lüfte, aber die schwirrenden Klingen umgaben sie wie ein Hornissenschwarm, zerfetzten ihre Flügel, begruben sie unter blitzendem Silber. Ein letztes Mal konnte Yûgi ihre Augen sehen, diese hellen klaren Falkenaugen, die sie Raphael zugewandt hatte. Aber im nächsten Moment war sie verschwunden, nur das Geräusch der Messer gellte immer noch in seinen Ohren und wurde irgendwann eins mit dem Heulen der Geister.


    Alle Farbe war aus Raphael’s Gesicht gewichen. Durch seinen Körper lief ein Zittern, als er stumm auf die Stelle starrte, an der Eatos verschwunden war. Seine Lippen bewegten sich, aber es drang kein Laut hervor. Vielleicht ein stummes Gebet, vielleicht der Versuch einer Entschuldigung, vielleicht einfach nur die pure Verzweiflung, die kein Ventil fand.


    Yûgi wollte etwas sagen, irgendetwas, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Was bei allen Göttern hatte er getan?



    Tsuzuku... (to be continued)



    Ending Song



    Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.
    Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Keiner weiß, warum du heute spielst.
    Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.


    Dein Herz, ist allen stets ein Zeichen,
    ein strahlend goldnes Licht
    Wahrheit, schaut dir in deine Seele,
    und tief in dein Gesicht.


    Deine Hand, hält alles Schöne fest,
    wir greifen nach den Sternen.
    So komm mit mir, es ist soweit, wir glauben an die neue Zeit
    Unser Weg ist noch unendlich weit...


    Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.
    Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Keiner weiß, warum du heute spielst.
    Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.


    Dein Blick, lässt mich tiefer schauen
    als jeder Ozean
    Hoffnung sagt, wir können's schaffen,
    wir fangen es gemeinsam an.


    Freundschaft weiß genau, wie du dich fühlst.
    Freundschaft weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Freundschaft weiß, warum du heute spielst.
    Freundschaft weiß, was dich durchs Leben trägt.
    Freundschaft ist’s, was dich durchs Leben trägt.






    In der nächsten Folge erwartet uns...


    Raphael! Warum versuchst du mich aufzuhalten? Verstehst du denn nicht, dass dies der Weg ist, den ich gehen muss?


    Die Stimmen der Geister rufen bereits nach mir. Dort, im magischen Steinkreis werden sie zu mir sprechen. Dort werde ich mein anderes Ich wiedersehen.


    Ich habe meinen Weg verloren, und nur er kann mir dabei helfen, ihn zu finden...



    Nächstes Mal bei Yu-Gi-Oh:



    Episode 226: Letter Part II – Shiryô no Su
    (Episode 226: Letter Teil II – Der Ort der Geister)



    Duel Standby!

  • Warum tun die Karten in der Serie nicht das, was sie im echten Spiel tun?
    Weil die Karten das tun, was nötig ist, um den Plot voranzutreiben.

    – Kazuki Takahashi –
    Erfinder von Yu-Gi-Oh


    ~ * ~


    In der letzten Folge von Yu-Gi-Oh! Duel Monsters...


    Das zeremonielle Duell ist vorbei und mein anderes Ich ist in die Unterwelt zurückgekehrt. Doch was ist das... Briefe? Er hat mir Briefe hinterlassen. Sie kommen unerwartet, von vielen verschiedenen Menschen, aber immer an Orten, die von unseren Erinnerungen erfüllt sind.


    Trotzdem, ich vermisse dich, mô hitori no boku. Und ich glaube, dass es einen Ort gibt, an dem ich dich wiedersehen kann. Im Steinkreis, dort wo der Kontakt zu den Geistern möglich ist. Wir haben uns schon einmal dort getroffen, du und ich, damals als das Orichalcos-Siegel meine Seele geraubt hatte. Wirst du dort auf mich warten? Ich hoffe es so sehr.


    Raphael-san, bitte versuch’ nicht, mich aufzuhalten! Ich muss dorthin!



    ~ * ~



    “Ich aktiviere die Magiekarte Thousand Knife. Wenn ich einen Schwarzen Magier kontrolliere, kann ich diese Karte verwenden und ein Monster meines Gegners zerstören. Ich zerstöre Guardian Eatos!“


    Tausende winziger Messer formten sich wie eine tödliche Aura um den Schwarzen Magier herum und als er sein Zepter erhob, sausten sie zischend durch die Luft auf Eatos zu. Die Wächterin stieß einen schrillen Schrei aus und erhob sich in die Lüfte, aber die schwirrenden Klingen umgaben sie wie ein Hornissenschwarm, zerfetzten ihre Flügel, begruben sie unter blitzendem Silber. Ein letztes Mal konnte Yûgi ihre Augen sehen, diese hellen klaren Falkenaugen, die sie Raphael zugewandt hatte. Aber im nächsten Moment war sie verschwunden, nur das Geräusch der Messer gellte immer noch in seinen Ohren und wurde irgendwann eins mit dem Heulen der Geister.


    Alle Farbe war aus Raphael’s Gesicht gewichen. Durch seinen Körper lief ein Zittern, als er stumm auf die Stelle starrte, an der Eatos verschwunden war. Seine Lippen bewegten sich, aber es drang kein Laut hervor. Vielleicht ein stummes Gebet, vielleicht der Versuch einer Entschuldigung, vielleicht einfach nur die pure Verzweiflung, die kein Ventil fand.


    Yûgi wollte etwas sagen, irgendetwas, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Was bei allen Göttern hatte er getan?



    ~ * ~



    Opening Song, TV-Version


    Schritt für Schritt gehst du den Weg,
    So steinig er auch ist und weit,
    Fällt es auch schwer wieder aufzusteh’n.
    Der Sand verrinnt im Stundenglas der Zeit.


    Dein Herz, es mag dich weiterführen,
    Denn ich vertrau auf deine Kraft,
    Und du wirst seine Stärke spüren,
    Sie erinnert dich, dass du es schaffst.


    Erinnerung brennt heiß,
    Wie das Feuer in der dunkelsten Nacht.
    Solange dein Herz den Weg noch weiß,
    Spürst du meine Seele, die über dich wacht.
    Du hörst mich rufen durch die Zeit,
    So nah und doch so endlos weit.
    Solange du mich nicht vergisst,
    Solang dein Herz mich noch vermisst,
    Ich werde immer bei dir sein,
    Du trägst mein Bild in dir.
    Darum trau dich,
    Erinner’ Dich
    An mich.



    Zitat

    Opening Credits


    Yamato und das Staffel-6-Team bedanken sich bei allen fleißigen Lesern. Wir freuen uns über Reviews, wir freuen uns über Quietschkommies, und wir freuen uns auch über Schwarzleser. Viel Spaß mit der nächsten Folge.




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    Episode 226: Letter Part II – Shiryô no Su
    (Episode 226: Letter Teil II – Der Ort der Geister)


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    30. Dezember
    Kaibaland USA
    Hotel-Lobby


    “Und dir hat Yûgi auch nicht erzählt, wohin er gefahren ist?“ Verwundert zog Anzu die Brauen zusammen und suchte in Jônouchi’s Gesicht nach irgendeinem Anzeichen, dass er vielleicht schwindelte.


    “Nein, kein Wort.“ Entschieden schüttelte Jônouchi den Kopf und nahm einen weiteren Schluck von seiner Cola. “Er sagte nur, das er noch was erledigen muss, und dass er spätestens morgen abend zur Eröffnungszeremonie wieder hier ist.“


    “Vielleicht möchte er jemanden besuchen,“ überlegte Honda. “Wo macht Miho noch mal ihr Austauschjahr? Chikadee?“


    “Das heißt Chicago.“ Anzu wandte ihren Blick in Richtung Eingang, als erwarte sie, dass Yûgi jeden Moment durch die Tür käme. “Aber erstens hätte er uns dann Bescheid gesagt und zweitens wäre es doch sehr unwahrscheinlich, dass er einfach so in ein Flugzeug steigt und mal eben von Kalifornien nach Illinois fliegt.“


    “Huh?“ fragte Jônouchi. “Ich dachte, du sagtest, sie wäre in Chicago?“


    Anzu stieß einen tiefen Seufzer aus und bedachte die beiden Jungen mit einem hoffnungslos genervten Blick. Die jedoch zuckten nur mit den Schultern. “Was sollen wir uns hier mit Erdkunde rumstressen? Die Amerikaner sind doch auch nicht besser. Die eine Hälfte macht uns für Pearl Harbor verantwortlich und die andere Hälfte will, dass wir ihnen Kung-Fu beibringen.“


    Anzu versuchte vergeblich, sie weiter strafend anzusehen, doch das Grinsen hatte sich schon auf ihr Gesicht geschlichen. “Ihr habt die Toyota-Fahrerin vergessen, die uns gestern gefragt hat, ob wir denn in Japan schon Autos hätten.“


    “Ach richtig, die Toyota-Fahrerin!“ Während die beiden eifrig begannen, über den Vorfall zu diskutieren, blickte Anzu erneut zur Tür. Wo steckte Yûgi nur, und warum war er fortgegangen? Und wann würde er zurückkehren?



    ~ * ~



    Stone Wilderness, der Ort der Geister
    Selbe Zeit


    [Yûgi LP 50 / Raphael LP 3000]


    “Watashi no Turn – Draw!”


    Nahezu ausdruckslos kamen die rituellen Worte über Raphael’s Lippen. Auch seine Hand fühlte sich wie taub an, als er nach der nächsten Karte griff.


    Er wusste nicht, was ihn schlimmer traf, die Tatsache, dass er soeben seine geliebte Seelenwächterin verloren hatte, oder die Tatsache, dass Yûgi sich hoffnungslos in ein Duell für eine falsche Sache verrannt hatte. Ausgerechnet Yûgi, der von allen Duellanten denen Raphael bisher begegnet war, das reinste Herz besaß. Ausgerechnet Yûgi befand sich auf einem Weg in die Dunkelheit, weil er mit seinem Schmerz nicht umgehen konnte. Konnte man denn nur ein reines Herz besitzen, solange man nicht mit Schmerz konfrontiert wurde? Gab es keine Möglichkeit, gegen Verzweiflung und Verbitterung anzukommen?


    Raphael wollte das nicht glauben. Der Pharao hatte ihm damals gezeigt, dass es einen anderen Weg gab, aber auch er hatte diesen Weg erst durch Yûgi, seine sanftmütigere Seite, kennen gelernt. Wären Yûgi und der Pharao nicht gewesen, hätte die Finsternis vollkommen die Kontrolle über Raphael’s Herz übernommen. Voller Abscheu dachte er an Guardian Death Scythe zurück, den abscheulichen Dämon in den sich Eatos damals verwandelt hatte. Er würde dieses Geschöpf um keinen Preis zurückholen, selbst wenn er nun die Möglichkeit dazu hatte, nachdem Eatos zerstört worden war. Doch diese Zeiten waren vorbei. Endgültig vorbei.


    Er blickte auf sein Blatt. Elma’s Dolch war, wie sein Effekt es besagte, auf seine Hand zurückgekehrt, als Yûgi die Ausrüstungskarten zerstört hatte. Auch die blitzenden Zwillingsschwerter von Tryce, die er sich in seinem letzten Zug mit Elma’s Effekt geholt hatte, befanden sich dort. Ebenso Ceal’s Bogen, den er soeben gezogen hatte. Also fehlte nur noch...


    “Ich benutze Elma’s Effekt, um Haja no Taiken - Baou vom Friedhof aufs Feld zurück zu holen.


    Baou’s mächtiger Zweihänder erschien auf dem hinteren Feld, die Flamberge, die das Böse zerstörte. Im Moment konnte Raphael keine der Waffen wirklich einsetzen, da die dazugehörigen Monster sich nicht auf dem Feld befanden. Auf dem Feld standen noch Grarl, Elma, Kay’est und Backup Gardna. Lediglich Elma, die Wächterin des Windes könnte er also mit ihrem Dolch ausrüsten, aber gegen den Schwarzen Magier würden die dreihundert zusätzlichen Angriffspunkte nicht viel helfen.


    Eine Möglichkeit würde es allerdings geben, um das Duell in diesem Zug zu gewinnen. Er konnte Guardian Grarl gegen Yûgi’s Magier in den Kampf schicken, die beiden Monster hatten den selben Angriffswert. Sie würden beide zerstört werden, aber danach war das Feld frei und er könnte mit Elma direkt angreifen.


    Dazu musste er allerdings Grarl vorsätzlich in den Tod schicken. Und das würde er nicht tun, niemals. Damals, als die Finsternis sein Herz übermannt hatte, hatte er gedankenlos seine Monster geopfert und sie lediglich als Mittel zum Zweck gesehen, ohne Respekt vor ihrem Opfer. So etwas würde er nicht noch einmal tun.


    Neben den Waffen für seine Monster besaß Raphael noch eine weitere Handkarte, er hatte sie in seinem vorigen Zug gemeinsam mit Eatos gezogen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er, dank des Effektes von seinem Schatz des Wächtergottes zwei Karten pro Runde ziehen können. Bei dieser Karte handelte es sich um die Magiekarte Izumi no Seirei, den Geist der Quelle.


    Als er die Karte betrachtete, musste er unwillkürlich an Eatos denken und plötzlich wurde ihm eines bewusst. Es würde nicht ausreichen, Yûgi einfach nur zu besiegen. Er musste ihm begreiflich machen, dass der Weg, den er gewählt hatte, falsch war.


    Und da Yûgi ihm nicht zuhörte, konnte er das nicht mit Worten tun.


    “Zunächst einmal wechsele ich Elma von der Angriffs- in die Verteidigungsposition.“ Grarl würde im Angriff bleiben, das bot ihm besseren Schutz vor dem Magier. “Als Nächstes setzte ich meine Magiekarte Izumi no Seirei ein. Sie erlaubt mir, eine Ausrüstungskarte vom Friedhof auf die Hand zu nehmen. Und nachdem ich die meisten von ihnen aus dem Spiel entfernt habe, wähle ich natürlich die Einzige, die sich jetzt noch dort befindet: Megami no Seiken - Eatos.


    Yûgi blickte ihn ungläubig an. “Warum holst du dir ausgerechnet diese Karte zurück? Sie wird dich doch nur an Eatos erinnern und dich traurig machen.“


    Raphael schüttelte jedoch den Kopf. “Ja, sie wird mich an Eatos erinnern, genauso wie Eatos mich immer an meine Familie erinnern wird. Aber das muss mich nicht unglücklich machen. Es kann auch sehr tröstend sein, wenn wir uns an diejenigen erinnern, die von uns gegangen sind. Turn End.“


    [Raphael: LP 3000/ Yûgi: LP 50]


    “Boku no Turn – Draw!”


    Das war doch vollkommener Unsinn, den Raphael da redete. Erinnerungen taten nur weh, nichts weiter. Yûgi wollte sich nicht erinnern, er wollte Atum zurückhaben. Er wollte der Stimme folgen, er wollte in den Steinkreis. Was nutzte ihm die Erinnerung! Er besaß auch ein Erinnerungsstück an Atum, ein einziges, bevor er die Briefe gefunden hatte. Die ägyptische Kartusche mit seinem Namen. Er hatte sie eigentlich nicht mehr tragen wollen, aber dann hatte er sie doch wieder angelegt.


    Als Erinnerung. Als nutzlose, sinnlose, wertlose, schmerzhafte Erinnerung! Und ohne jeden weiteren Gedanken zog er die Kette über den Kopf und ließ die Kartusche zu Boden fallen.


    Was geschah hier mit ihm? Irgendwas geschah hier mit ihm...


    Er senkte den Blick auf die Karte, die er gezogen hatte. Gôyokuna Tsubo, der gierige Topf. Seit wann hatte er diese Karte überhaupt in seinem Deck? Egal, sie war ihm jetzt sehr nützlich, da er sonst keine Karten mehr auf der Hand hatte. “Ich aktiviere die Magiekarte Gôyokuna Tsubo. Durch ihren Effekt darf ich zwei neue Karten ziehen.“


    Makyû no Wairo? War das wirklich seine Karte? Wieso hatte er sie dann noch nie in seinem Deck gesehen?


    Aber die zweite, die kannte er und sie ließ sofort Wärme in sein Herz strömen. “Ich aktiviere die permanente Magiekarte Black Kizuna, der Bund mit dem Schwarzen Magier. Ich kann sie einsetzen, wenn ich Black Magician offen auf dem Feld liegen habe, und ihr Effekt besagt, dass ich die ATK des Magiers zu meinen Lebenspunkten dazu erhalte. Wird die Karte allerdings vom Feld entfernt, oder mein Magier durch Kampf zerstört, verliere ich diese 2500 Lebenspunkte wieder.”


    “Du bindest also dein eigenes Schicksal an das des Schwarzen Magiers,” ließ sich Raphael vernehmen.


    Yûgi nickte. “Ja, das tue ich. Ohne ihn kann ich nicht siegen, denn er ist die einzige Verbindung zu Atum, die mir noch geblieben ist. Er wird mir dabei helfen, Atum wiederzufinden.”


    Schon wollte Yûgi den Angriffsbefehl geben, da lief plötzlich ein Schauder durch seinen Körper und er musste an das furchtbare Bild denken, als Eatos zerstört wurde. Irgendwas lief hier falsch, etwas lief hier ganz gewaltig falsch und er wusste nicht, was. “Ich setze eine Magiefallenkarte verdeckt,” brachte er mit zitternder Stimme heraus. ”Turn shuryô suru.”


    [Raphael: LP 3000/ Yûgi: LP 2550]


    “Watashi no Turn – Draw!”


    ‘Gerade zur rechten Zeit,’ dachte Raphael, als er die Karte anblickte, die er soeben gezogen hatte. “Ich spiele die Ausrüstungskarte Ryûsei no Yumi – Ceal. Gerufen von seinem Sternschnuppenbogen beschwöre ich Guardian Ceal [1700/1400] im Angriffsmodus aufs Feld. Mit dem Effekt von Backup Gardna kann ich Ceal mit seiner Waffe ausrüsten. Zwar sinkt seine Angriffskraft dadurch um 1000 Punkte, aber er ist in der Lage, dich direkt anzugreifen. Battle! Greif an, mein Wächter des Feuers!”


    Wie Schiffstaue spannten sich die Muskeln unter der kobaltblauen Haut des drachenähnlichen Humanoiden, als er seinen Bogen erhob. Sein langer Hals neigte sich nach vorne, und während sein Drachenkopf wütend in Yûgi’s Richtung fauchte, setzte der Wächter zum Schuss an. Kleine Flammen züngelten aus seinem Maul hervor und tanzten über seine prächtige rote Rüstung mit den Goldbeschlägen.


    Dann sauste sein feuriger Pfeil auch schon in Yûgi’s Richtung und traf dessen Brust. Der Junge wurde ein paar Schritte zurückgeworfen, hielt sich jedoch tapfer. Als er den Kopf hob, um in Raphael’s Richtung zu blicken, sahen seine Augen wild entschlossen aus.


    “Yûgi, mir ist durchaus bewusst, dass deine Verbindung zum Schwarzen Magier für dich wichtig ist, aber meist du nicht, dass du dich zu sehr auf ihn verlässt? Auch meine Verbindung zu Eatos ist stark, aber nun, da ich sie verloren habe, darf ich mich nicht nur hinter meiner Trauer verkriechen, sondern muss mich auch um meine anderen Wächter kümmern, die mir ebenso lieb und teuer sind. Ein echter Duellant sollte jedes seine Monster wertschätzen, nicht nur ein einziges.”


    “Du versuchst doch nur, mich aus dem Konzept zu bringen,” Raphael zuckte zusammen, eine solch’ unfaire Anschuldigung passte überhaupt nicht zu Yûgi.


    “Ich fürchte, du wirst deinen Magier jetzt verlieren. Zwar tut mir das leid, aber vielleicht gelingt es dir dann, endlich klarer zu sehen. Im Moment klammerst du dich einfach nur an ihn. Was ist bloß aus dem starken Duellanten geworden, der sein anderes Ich vor dem Siegel des Orichalcos bewahrt hat? Guardian Ceal, bring’ deinen Bogen zur Explosion!”


    Ceal’s Bogen schien plötzlich Feuer zu fangen. Flammenzungen hüllten ihn ein, rasten seine Sehne entlang. Sie formierten sich zu einem brennenden Pfeil, welcher sich auf den Schwarzen Magier richtete. “Als Wächter des Feuers besitzt Ceal eine besondere Spezialfähigkeit. Er kann seine eigene Ausrüstungskarte zerstören und zerstört dadurch zusätzlich ein Monster auf der gegnerischen Seite.”


    “Nein, ich werde niemals zulassen, dass du meinen Magier zerstörst. Trap Card Hatsudô! Ich negiere die Zerstörung indem ich meine Fallenkarte Makyû no Wairo aktiviere. Mein Magier bleibt unverletzt!”


    Makyû no Wairo, eine finstere Bestechung mit einem kleinen funkelnden Ball. Diese Karte war äußerst ungewöhnlich für Yûgi, sie passte eigentlich gar nicht zu ihm.


    Oder vielleicht doch, zumindest im Moment. Auch Yûgi wurde gerade von etwas auf den falschen Weg geführt, etwas das ebenso flüchtig und tückisch war wie dieser funkelnde Ball. Ein Versprechen, das nicht eingehalten werden konnte.


    “Als Nebeneffekt dieser Falle darf mein Gegner eine Karte ziehen.” Yûgi’s Blick ruhte nicht auf Raphael, sondern auf dem Schwarzen Magier, den er, zumindest für diesen Zug gerettet hatte. Raphael griff nach der obersten Karte seines Decks und lächelte kurz, als er seinem nächsten Wächter entgegenblickte. Im Moment brauchte er ihn nicht, da seine Monsterzonen belegt waren, aber es war trotzdem ein gutes Gefühl zu wissen, dass er da war.


    “Turn End.“


    [Raphael: LP 3000/ Yûgi: LP 1850]


    “Boku no Turn – Draw!”


    Yûgi spürte eine seltsame Kälte in sich hochkriechen, als er die Hand hob, um seine nächste Karte zu ziehen. Sein Blick fiel auf seinen Schwarzen Magier, der jetzt wieder fünf Wächtern gegenüberstand. Offensichtlich hatte Raphael den Verlust von Eatos verschmerzt, wenn er ihre Zone mit einem anderen Monster belegt hatte. Hatte er sie einfach vergessen?.


    Du würdest mich nicht so einfach vergessen, nicht wahr?


    Er hatte es gewusst, die ganze Zeit gewusst. Er war hier, er war ganz sicher hier. Diesmal war es keine Einbildung, er hatte ganz deutlich Atum’s Stimme gehört, oh, was sollte er tun, wenn Atum plötzlich wieder verschwand... “Nein, ich könnte dich niemals vergessen, mô hitori no boku! Wir sind doch ein Team und gehören zusammen. Bitte geh’ nicht wieder fort! Bitte komm’ zurück!“


    Aber ich bin doch hier. Ich bin immer hier. Und jetzt, da du zu mir gekommen bist, kann ich diesen Ort endlich verlassen.


    Hatte Atum die ganze Zeit hier auf ihn gewartet? Natürlich, wo sonst? Der Steinkreis war die einzige ihnen bekannte Möglichkeit wie Geister mit den Lebenden in Kontakt treten konnten. Er selbst hatte diese Möglichkeit ebenfalls genutzt, um mit Atum zu sprechen. Und Atum hatte Ironheart, Chris und Sunny hier getroffen. Verlorene Geister aus Atlantis...


    “Was meinst du mit verlassen? Willst du fortgehen? Bitte, du musst bei mir bleiben!“


    “Yûgi, mit wem sprichst du?“ fragte Raphael alarmiert. “Du darfst nicht auf die Stimmen der Geister hören, sie wollen dich nur in eine Falle locken!“


    Klar, dass Raphael so etwas sagen würde. Aber was, wenn er sich irrte? Er ließ Yûgi ja nicht einmal die Chance, es herauszufinden.


    Nein, ich möchte diesen Ort mit dir gemeinsam verlassen. Alles, was du dazu tun musst, ist mir deinen Geist zu öffnen Dann kann ich zu dir zurückkommen und alles wird wieder sein wie früher. Du und ich - zusammen.


    Atum war zu ihm zurückgekehrt. Er hatte gesagt, sie würden wieder zusammen sein, genau wie früher. Natürlich besaß er als Geist keinen Körper, aber Yûgi hatte kein Problem damit, seinen eigenen wieder mit ihm zu teilen. Die ganze Zeit davor hatte es ja auch funktioniert.


    Und als Yûgi den Kopf hob, blieb ihm fast das Herz stehen.


    Eine verschwommene Gestalt materialisierte sich zwischen den Felsen. Sie flackerte wie ein unscharfes Fernsehbild, aber trotz der verwischten Konturen war sie unverkennbar. Weiße Leinengewänder, braune Haut, blitzender Goldschmuck, ein flatternder blauer Königsumhang...


    Ich hab’ dich vermisst...


    “Ich dich auch. Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr.“ Nichts wünschte Yûgi sich sehnlicher, als einfach loszustürzen, sich fallenzulassen, um wieder bei seinem Beschützer zu sein. Aber erstens standen ihm noch fünf Wächter im Weg und zweitens – etwas war seltsam an der ganzen Sache. Er durfte nicht unvorsichtig handeln, er musste sich ganz sicher sein, er...


    “Hör zu...“


    Nein, du musst mir nichts erklären, ich versteh’ dich. Pass auf, ich werde dir etwas erzählen, was nur wir beide wissen können, damit du dir absolut sicher sein kannst, dass ich es auch wirklich bin. Damals, als wir auf Pegasus’ Insel gegen den falschen Seto Kaiba kämpfen mussten, habe ich meine magischen Fähigkeiten verwendet, um den falschen Kaiba in die Welt der Finsternis zu verbannen. Ich habe den Mind Crush benutzt, erinnerst du dich? Ich bin nicht stolz darauf, dass ich mich zu so etwas habe hinreißen lassen, aber das war vor langer Zeit und inzwischen hab’ ich mich verändert.


    Ja, er hatte sich verändert und ja – es war Beweis genug. Zwar waren auch Anzu und seine anderen Freunde bei dem Kampf dabei gewesen, aber sie hatten nicht wirklich verstanden, was dort vor sich gegangen war. Yûgi hatte es ja selbst kaum verstanden. Atum war der einzige, der wirklich darüber Bescheid wusste, was er damals getan hatte.


    Jetzt kann uns nicht mehr trennen.


    Die flackernde Gestalt verschwand und Yûgi spürte wie etwas in seinen Geist eindrang. Er wartete auf Atum’s bekannte Präsenz, aber stattdessen fühlte er nur Kälte und Dunkelheit. Er hatte einen Fehler gemacht, einen furchtbaren Fehler und jetzt...


    “Ich beschwöre Akuma no Chie [1250/800], die Weisheit des Teufels im Angriffsmodus. Battle! Akuma no Chie vernichte Guardian Elma!


    Ein schwarzes Gehirn materialisierte sich auf dem Feld, eine widerliche wabernde Masse. Yûgi hatte diese Karte noch nie im Duell gesehen, geschweige denn in sein Deck gepackt. Bevor er überhaupt verstand, was hier geschah, schossen lange Tentakel aus den rot-schwarzen Windungen und rissen Elma zu Boden. Sie stieß einen Schrei aus, welcher plötzlich abriss, als sie sich zu einem Haufen kleiner bunter Pixel dematerialisierte.


    “Das ist es doch, was du wolltest, nicht wahr, Yûgi? Dass ich deine Schlachten für dich schlage und du dich wieder hinter deiner Angst verkriechen kannst, so wie früher. Sei mir dankbar, dass ich deinen Wunsch erfüllt habe!


    Wer bist du? Du bist nicht Atum! Verschwinde aus meinem Kopf!


    Black Magician, vernichte Guardian Ceal!


    Nein!


    “Turn End.”



    ~ * ~



    Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 226: Letter Part II – Shiryô no Su


    Der zweite Teil der Episode folgt im nächsten Post.

  • Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 226: Letter Part II – Der Ort der Geister



    ~ * ~



    [Raphael: LP 2200/ Yûgi: LP 1850]


    “Watashi no turn – Draw!”


    Achthundert Lebenspunkte waren kein hoher Verlust, aber die Zerstörung von Elma und Ceal ließ Raphael das Herz bluten. Trotzdem war er es seinen Monstern schuldig, dass er weiterkämpfte. Er brauchte nur auf das leuchtende Schwert der Göttin blicken, welches immer noch über dem Feld schwebte und schon fühlte er, wie neuer Mut ihn durchströmte.


    Und auch Yûgi zuliebe musste er es tun, denn irgendetwas stimmte nicht mit dem Jungen. Ein seltsames Glühen war in seine Augen getreten und tiefe Schatten lagen darunter, als hätte er nächtelang nicht geschlafen. Auch seine Stimme klang verändert und diese seltsamen Karten, die plötzlich in seinem Deck auftauchten, passten überhaupt nicht zu ihm.


    Es musste der Einfluss der Geister sein, anders konnte Raphael es sich nicht erklären. Schon in den Zügen davor hatte ihre Präsenz gefährliche Auswirkungen auf Yûgi gehabt, aber nun war es ungleich schlimmer geworden. Hoffentlich war es nicht zu spät, Yûgi ihrer finsteren Beeinflussung zu entziehen.


    Raphael blickte die soeben gezogene Karte an und ein kleines Lächeln huschte über sein sonst so ernstes Gesicht. Vielleicht konnte der Wächter der Finsternis Yûgi die Sinnlosigkeit seines Handelns vor Augen führen. “Yûgi, die Traurigkeit in unserem Herzen führt uns manchmal ins Dunkel. Auch unter meinen Wächtern gibt es einen, der voller Finsternis ist, er repräsentiert die Wut und den Schmerz, den ich in mir trage. Aber er ist keine grauenvolle Pervertierung wie Guardian Death Scythe, er ist einfach nur ein Teil meiner Seele und als solchen akzeptiere ich ihn.“


    Der Zweihänder, der sich seit Raphael’s vorletztem Zug auf dem Feld befand, begann rötlich zu schimmern. “Gerufen von seiner Flamberge, die das Böse zerstört, beschwöre ich Guardian Baou [800/400]. Da ich Baou mit seiner Waffe ausrüste, erhält er 500 ATK dazu, somit steigt seine Angriffskraft auf 1300. Das ist genug, um deine teuflische Weisheit vom Feld zu verbannen, damit sie nicht länger deinen Geist vergiftet. Battle!”


    Ein katzenhafter Dunkelelf erschien in Raphael’s Monsterzone; seine spitzen Ohren ragten aus einer Masse grünlichen Haares hervor. Das Schwert schien fast so groß wie er selbst und doch führte er es mit Präzision und Anmut.


    “Guardian Baou mag der Dunkelheit entstammen, doch sein Schwert ist ein Schwert des Lichts, es dient dazu, das Böse zu zerstören,“ versuchte Raphael zu erklären. “Wie du siehst, Yûgi, ist es auch in Ordnung, etwa Dunkles in sich zu tragen, wenn man es mit der Kraft des Lichts unter Kontrolle hält. “Baou, zerstöre die Weisheit des Teufels mit deiner Flamberge!“


    Weitere Tentakel schossen aus dem wabernden Gehirn hervor, doch der Elf wich ihnen geschickt aus und stieß sein Schwert in die breiige Masse, welche daraufhin sofort zerfiel. Yûgi’s Lebensanzeige kletterte um weitere 50 Punkte nach unten.


    Er selbst jedoch rührte sich kaum und blickte gleichmütig aufs Feld hinaus. In seine Augen war eine seltsame Kälte getreten. Auf dem Feld allerdings wurde der dunkle Elf von einer Energiewolke eingehüllt und begann zu wachsen. Sein Angriffswert wurde um 500 Punkte angehoben.


    “Da Baou ein gegnerisches Monster zerstört hat, tritt nun sein Spezialeffekt in Kraft,“ erklärte Raphael. “Für jedes zerstörte Monster gewinnt er 500 Punkte dazu. Turn End“


    [Raphael: LP 2200/ Yûgi: LP 1800]


    “Ore-sama no turn – Draw!“


    Hör auf damit! Raus aus meinem Kopf, hör’ auf damit!”


    Verzweifelt versuchte Yûgi die Kontrolle über seinen Körper zurück zu erlangen. Irgendwie musste es ihm gelingen, dieses Wesen wieder loszuwerden, es aus seinem Geist zu verbannen. Es hatte ihn in sich selbst eingesperrt. Zwar bekam er alles mit, was um ihn herum geschah und was sein Körper tat, aber er konnte sich nicht dagegen wehren.


    Die soeben gezogene Karte verschwamm vor seinen Augen, als seine Hand unkontrolliert damit hin- und herwedelte. “Mein Sieg ist schon zum Greifen nahe, du Narr!“ Ein Lachen drang aus seiner Kehle, ein hämisches, gackerndes Lachen, das kein Ende zu nehmen schien. Es bahnte sich seinen Weg durch Stimmbänder und Lippen, stieg hoch in die Luft auf und hing unheilvoll über dem Duellplatz wie ein düsterer Nebel.


    “Battle! Black Magician, vernichte Guardian Baou!


    Der Magier schwang seinen mächtigen Stab und eine Energiewolke zerstörte Raphael’s Wächter der Dunkelheit. Raphael selbst wurde durch die Wucht des Angriffs einige Schritte zurückgeworfen und als Yûgi seinen traurigen Blick sah, wünschte er sich verzweifelt, er könnte hinausschreien, dass es nicht seine Schuld war. Doch letztendlich hätte das nicht gestimmt, es war seine Schuld. Er hatte dieses unglückselige Duell begonnen und er hatte zugelassen, dass dieses Wesen, was immer es war, in seinen Geist eingedrungen war.


    Er war schwach gewesen und dieses Geschöpf hatte seine Schwäche gnadenlos ausgenützt.


    “Ich setzte eine Magiefallenkarte verdeckt. Turn End.“


    [Raphael: LP 1000/ Yûgi: LP 1800]


    “Watashi no turn – Draw!”


    ‘Eatos gib’ mir Kraft,’ dachte Raphael voller Sorge. Er wusste nicht, wer diese Präsenz war, die sich dort drüben auf der anderen Seite des Feldes eingenistet hatte, aber er hatte einen Verdacht, der sich hoffentlich nicht bestätigen würde. In den drei Jahren, die er fern jeder Zivilisation auf einer Insel verbracht hatte, nur von seinen Wächtern beschützt, hatte er mehrmals die Schwelle der Realität überquert, hatte Einblicke bekommen in die anderen, dunkleren Welten, die dahinter lagen. Und es war keine Frage, dass dieses Wesen aus einer dieser Welten stammte.


    Dieses Lachen... dieses furchtbare Lachen...


    “Ich aktiviere Senkô no Sôken – Tryce Um das zu tun, muss ich eine Karte abwerfen.” Raphael legte Elma’s Dolch in den Friedhof. Da der Dolch dieses Mal nicht auf dem Feld zerstört worden war, kehrte er auch nicht wieder auf die Hand zurück. “Gerufen von der Macht seiner blitzenden Zwillingsschwerter...”


    “Oh nein, mein lieber Freund.” Yûgi’s Lippen verzogen sich zu einem so breiten dreckigen Grinsen, wie Yûgi selbst es vermutlich gar nicht fertiggebracht hätte. “Dein Wächter Tryce hat fünf Sterne. Du wirst eines deiner Monster opfern müssen, um ihn zu beschwören. Los, zeig mir, wie du Blut vergießt, Mr. Ach-meine-Monster-sind mir so-teuer! Ich will sehen, wie du dein eigenes Monster in den Friedhof schickst!


    “Du wirst nichts dergleichen sehen, Geist!” Raphael legte die soeben gezogene Karte in die Magiefallenzone seiner Duel Disc. “Magic Card Hatsudô! Die Magiekarte Guardian Delta Combination erlaubt es mir einen dritten Wächter spezial zu beschwören, falls sich zwei weitere Wächter – und natürlich seine passende Waffe – auf meinem Feld befinden. Gerufen von der Macht seiner blitzenden Zwillingsschwerter beschwöre ich Guardian Tryce [1900/1700], den Wächter des Lichts!”


    Die beiden Schwerter begannen zu strahlen, erhoben sich und wirbelten über das Feld. Inmitten der funkelnden Lichter materialisierte sich ein junger, menschlich aussehender Krieger in leuchtend blau-gelber Rüstung. Er schwang die beiden Schwerter um sich herum und sie hinterließen leuchtende Spuren in der klaren Morgenluft.


    “Geist? Aber ich bin doch nur der kleine Yûgi,” entgegnete das Wesen mit geheuchelter Unschuld. “Mich würdest du doch nicht angreifen, oder?”


    Natürlich würde er das, schon allein, um dem echten Yûgi zu helfen.”Dank Guardian Delta Combination kann mein Wächter des Lichts dich sogar direkt angreifen, ohne sich zuerst um deinen Magier kümmern zu müssen. Allerdings sinkt sein Angriffswert um 500 Punkte, da er mit seinen Schwertern ausgerüstet ist. Battle! Guardian Tryce! Kougeki!


    Die Luft flirrte, als das erste Schwert auf Yûgi hernieder sauste. Trotz des hohen Verlustes von 1400 Lebenspunkten wurde dieser kaum zurückgeworfen. “Es reicht nicht, es reicht nicht! Nana-nana-nah-nah!” Er hüpfte von einem Bein aufs andere und drehte Raphael eine lange Nase.


    “Es reicht. Da er mit zwei Schwertern ausgerüstet ist, darf mein Wächter nämlich noch ein zweites Mal angreifen. Und dir bleiben nur noch 400 Lebenspunkte. Attacke!”


    “Und meine verdeckte Karte.” Yûgi blieb gelassen stehen, während der Wächter nun auch das zweite Schwert hob. “Trap Card Hatsudô! Mein Drain Shield absorbiert nicht nur den Angriff deines Wächters, er gibt mir seine Angriffspunkte auch als Lebenspunkte dazu. Ich sagte dir doch, dass es nicht reichen wird.”


    Mit einem lauten ‘Klonk’ schlug das zweite Schwert auf dem Enkräftungsschild auf. Seine Energie wurde abgesaugt und Yûgi’s Anzeige kletterte wieder nach oben. Erschöpft taumelte Tryce zurück und lehnte sich schwer atmend auf sein Knie.


    “Es ist nicht deine Schuld, mein tapferes Monster. Ich hätte vorhersehen müssen, dass dieses gefährliche Wesen noch ein As im Ärmel hat. Turn end desu.”


    [Raphael: LP 1000/ Yûgi: LP 1800]


    “Ore-sama no turn – Draw!“


    Yûgi hatte aufgehört zu schreien und überlegte fieberhaft, was er tun konnte. Ganz am Anfang ihrer Verbindung hatte er sich auch nicht dagegen wehren können, dass Atum die Kontrolle über seinen Körper übernahm, aber irgendwann hatte er gelernt, es zu kontrollieren. Dieses Wesen war nicht Atum, doch vielleicht konnte er es mit der selben geistigen Technik niederringen.


    “Was für eine schöne Karte wir da gezogen haben,“ spottete die Stimme, die seine eigene war und auch wieder nicht.. “Und wie treffend sie doch deine momentane Situation beschreibt.“


    Es war nicht ganz klar, ob es seine Worte an Yûgi oder an Raphael gerichtet hatte, aber es lachte jetzt nicht mehr, sondern begann hektisch zu atmen, beinahe schon ein Hecheln. Geriet es in Schwitzen? Yûgi wusste es nicht, aber er machte sich nicht die Mühe, innezuhalten, um darauf zu achten. Er konzentrierte seine ganze geballte Kraft nur auf eines, auf seine rechte Hand. Er musste seine rechte Hand bewegen...


    “Battle! Black Magician, zerstöre Guardian Tryce!


    Seine rechte Hand. Nein, nur sein Handgelenk. Komm schon, beweg dich!


    Der Ausdruck in Raphael’s Augen, als er seinem verschwindenden Wächter nachsah, war kaum zu ertragen. Er musste endlich etwas dagegen tun. Er musste dieses unselige Duell beenden. Und dazu gab es nur eine Möglichkeit, er musste die Hand auf sein Deck legen...


    “Ich lege eine Zauberfallenkarte verdeckt. Turn end.“


    [Raphael: LP 100/ Yûgi: LP 1800]


    “Watashi no Turn – Draw!”


    Noch ganze hundert Lebenspunkte, inzwischen sah es wirklich nicht gut für ihn aus. Von den drei Wächtern auf seinem Feld konnte nur Grarl dem Schwarzen Magier die Stirn bieten, Kay’est und Back-up Gardna waren beide Verteidigungsmonster. War die einzige Möglichkeit dieses Duell zu gewinnen, die, seine Ideale zu verraten?


    Grarl, der Wächter der Erde stand vor ihm, stark und unerschütterlich. Yûgi würde ihn nicht so einfach angreifen können, denn wenn er seinen Magier verlor, würde er auch die zusätzlichen 2500 Lebenspunkte verlieren, die er durch den Effekt von Black Kizuna erhalten hatte. Auch Kay’est, die Wächterin des Wassers würde er nicht angreifen können, denn diese Karte konnte nicht als Ziel eines Angriffs gewählt werden. Vermutlich würde also Back-up Gardna sein nächstes Ziel sein.


    Eatos, Elma, Ceal, Baou, Tryce... schon fünf seiner Wächter hatte er in diesem Kampf verloren. Aber vielleicht war die Karte, die er soeben gezogen hatte, die Möglichkeit, doch noch alles zu ändern.


    “Ich lege eine Magiefallenkarte verdeckt.“


    Und vor ihm auf dem Feld leuchtete Eatos’ Schwert. Auch wenn sie selbst nicht hier war, so würde die Verbindung zu ihr doch immer bestehen bleiben.


    “Turn shuryô suru.“


    [Raphael: LP 100/ Yûgi: LP 1800]


    “Ore-sama no turn – Draw!“


    “Oh, sieh nur, Yûgi-boy, das ist doch tatsächlich wieder eine von deinen Karten. Wonderful, dann wollen wir sie doch gleich mal setzen.“ Sein Mund grinste und seine Hand legte den magischen Zylinder auf die Duel Disc. “Du glaubst, du könntest gegen mich ankämpfen, nicht wahr? Du glaubst, du könntest mich aus deinem Geist und Körper verbannen und wieder selbst die Kontrolle übernehmen. Aber das kannst du nicht. Und um ehrlich zu sein, willst du es auch gar nicht. Du willst nicht in dieses Leben aus Verlust und Schmerz zurück. Du hast schon den Pharao verloren und irgendwann wirst du alle verlieren, die du liebst, einem nach dem anderen.


    Wer weiß, vielleicht ist dein Großvater der Nächste? Er ist schon alt. Oder einer von deinen Freunden hat einen Unfall? Jungs in eurem Alter sind doch immer so draufgängerisch und unvorsichtig. Willst du diesen Schmerz, den du jetzt fühlst, noch einmal fühlen? Willst du das wirklich alles noch mal durchmachen müssen?“


    Ein Zittern lief durch Yûgi’s Geist und er spürte, wie die Kraft, die er in den letzten Minuten gesammelt hatte, wieder zerrann.


    “Yûgi, hör nicht auf ihn!“ schrie Raphael von der anderen Seite des Feldes. “Schmerz ist ein Teil unseres Lebens. Wenn wir ihn nicht fühlen, dann gibt es auch kein Glück.“


    “Ein Teil unseres Lebens?“ Langsam, ganz langsam hob sich sein Kopf und blickte zu Raphael hinüber. “Wie wahr, wie wahr. Schon diese wenigen Züge haben mir gezeigt, dass Schmerz mit Sicherheit ein Teil deines Lebens ist. Warum schmerzt es dich so sehr, wenn du deine Monster verlierst? Es geht gar nicht allein um die Monster, nicht wahr? Du hast Menschen verloren, die dir nahe stehen und jedes Mal, wenn eines deiner Monster stirbt, erlebst du den Verlust noch einmal? Sieh hin, Yûgi, sieh genau hin! Sieh, dass ich recht habe!“


    Raphael zog verwirrt die Brauen zusammen. “Dartz? Aber das ist doch nicht... “


    “Trap Card Hatsudô! Ich aktiviere die Fallenkarte Muryoku no Shômei, den Beweis der Machtlosigkeit. Wenn ich ein Monster mit mindestens Level sieben kontrolliere, und der Magier hat genau Level sieben, darf ich alle offenen gegnerischen Monster bis zu Level fünf zerstören. Stirb, Guardian Grarl! Stirb, Guardian Kay’est! Stirb, Back-up Gardna!


    Machtlosigkeit. Hilflosigkeit. Ganz genau diese Gefühle waren es, die in diesen Moment durch Yûgi’s Herz rauschten und es erfüllten. Hilflos musste er mitansehen, wie die Monster sich eines nach dem anderen auflösten.


    Dann war das Feld leer. Alle Wächter waren vernichtet worden, jeder einzelne von ihnen.


    Raphael’s Gesicht war aschfahl. Yûgi wollte auf ihn zustürzen, ihn um Verzeihung bitten, irgendwas, aber er konnte sich noch immer nicht bewegen. Zu der Hilflosigkeit kam noch ein weiteres Gefühl: Schuld. Zwar hatte er diesen Schlag gegen Raphael’s Monster nicht selbst ausgeführt, aber er hatte zugelassen, dass es soweit gekommen war. Er hatte zugelassen, dass ein anderer die Kontrolle übernahm, obwohl er eigentlich stark genug hätte sein müssen, um seine eigenen Kämpfe auszufechten. Atum wäre enttäuscht von ihm gewesen, wenn er das miterlebt hätte. Sehr enttäuscht.


    “Yûgi, ich habe, die ganze Zeit versucht, dich davor zu schützen und ich wünschte immer noch, ich hätte es dir ersparen können. Aber um mit einem Problem fertig zu werden, muss man sich ihm zuerst stellen. Trap Card Hatsudô! Ich aktiviere die Fallenkarte Shiryô no Su, das Lager der Geister.“


    Trotz des hellen Morgenlichts um sie herum wurde es plötzlich wieder so dunkel, als wäre die Nacht erneut hereingebrochen. Nur war dies nicht die sanfte tiefblaue Dunkelheit der Nacht und auch nicht das warme beschützende Dunkel der Erde. Es war eine unnatürliche Dunkelheit, tiefschwarz und finster, von eisiger Kälte erfüllt.


    Und Yûgi merkte schon sehr bald, dass er hier nicht allein war. Die ganze Zeit hatte er versucht, den Ort der Geister zu betreten, aber nun war dieser Ort durch Raphael’s Karte zu ihm gekommen.


    “Mô hitori no boku...“ Einerseits wünschte er sich so sehr, seinem anderen Ich wieder zu begegnen, andererseits wollte er nicht, dass Atum sich an einem solch furchtbaren Ort befand. Aber was, wenn er tatsächlich hier war? Wenn die Reise in die Unterwelt nicht funktioniert hatte und er nicht bei den Göttern und den Seelen seiner Freunde sein durfte? Wenn er irgendwo allein in der Dunkelheit umherirrte?


    So wie Yûgi es jetzt tat.


    Er machte einen Schritt vorwärts, tastete vorsichtig herum. Im Moment konnte er immer noch nicht viel erkennen, aber ab und zu huschte etwas an ihn vorbei. Schatten, die ihm noch schwärzer erschienen, als die Finsternis selbst. Und er hörte Stimmen. Stimmen, die nicht mit Worten sprachen, aber leise wimmerten und schluchzten.


    Sie alle waren erfüllt von Verzweiflung und er konnte deutlich spüren wie ihre Verzweiflung auch sein eigenes Herz durchströmte. Er schlang die Arme um seinen Körper und verbarg das Gesicht darin. Wozu denn noch weitergehen? Es hatte doch alles keinen Sinn.


    “Wir sind auf dem Friedhof.“ Raphael’s Stimme klang so lebendig in Yûgi’s Ohren, dass es schon beinahe schmerzte. “Ich bin schon einmal hier gewesen, gemeinsam mit dem Pharao, deinem anderen Ich. Er hat mir den Schmerz vor Augen geführt, den ich durch den Verlust meiner Familie erlitten habe. Es stimmt, was der Geist gesagt hat, meine Monster sind mir zur zweiten Familie geworden und deshalb konnte ich es nicht ertragen, sie sterben zu sehen. Die einzige Möglichkeit für mich, den Schmerz zu ertragen, war an die Macht des Schicksals zu glauben und mich Dartz anzuschließen. Und es war der falsche Weg. Ich möchte nicht, dass du ebenso einen falschen Weg einschlägst.“


    Während Raphael sprach, erschienen hinter ihm die schemenhaften Gestalten seiner Monster. Sie wirkten blass, geradezu durchsichtig und sie schienen nicht besonders glücklich zu sein, sich an einem solchen Ort zu befinden.


    “Der Effekt meiner Fallenkarte besagt, dass ich eine beliebige Anzahl von Monstern vom Friedhof aus dem Spiel entfernen kann. Ich entferne alle meine Monster, denn ich werde nicht zulassen, dass sie noch weiter im Lager der Geister gefangen sind. Ich lasse ihre Seelen frei. So wie du die Seele des Pharao freigelassen hast.“


    Ja, richtig, das hatte er getan. Er hatte Atum’s Seele freigelassen. Atum konnte gar nicht hier sein.


    “Aber ist das richtig? Ist das richtig, so etwas zu tun? Ich habe die Verbindung zwischen mir und ihm für immer durchtrennt. Ich bin schuld daran, dass er nicht mehr hier ist. Und du, du durchtrennst die Verbindung zu deinen Monstern... “ Yûgi konnte es nicht verstehen.


    Eins nach dem anderen lösten die Monster sich auf, aber zuvor konnte Yûgi noch sehen wie der traurige Ausdruck auf ihren Gesichtern verschwand. Raphael blickte ihnen noch einen Augenblick nach, dann wandte er sich wieder an Yûgi.


    “Irgendwann ist es an der Zeit loszulassen. Wenn ich mich verzweifelt an etwas klammere, dann hindert es mich daran, mein Leben weiterzuführen. Ich trete auf der Stelle. Wenn ich aber loslassen kann, dann weiß ich , dass die Verbindung zu denen die ich liebe, dadurch nicht wirklich durchtrennt wird. Ich glaube an das Band zwischen mir und meinen Monstern. Und ich glaube an das Band zwischen mir und meiner Familie.


    Yûgi, nun tritt der letzte Effekt meiner Fallenkarte in Kraft. Ich kann ein gegnerisches Monster zerstören, dessen Level der Anzahl der aus dem Spiel entfernten Monster entspricht. Yûgi, wenn du jemanden liebst, dann lass’ ihn frei!“


    “Ich möchte ja daran glauben,“ schrie Yûgi zurück. “Ich möchte daran glauben, dass es ihm gut geht und dass ich ihn irgendwann wiedersehe! Aber er fehlt mir einfach so sehr!“


    Vor ihm erschien... der Schwarze Magier.


    Im ersten Moment lang verstand Yûgi nicht, was geschehen war, aber dann ergab es plötzlich alles einen Sinn. Black Magician war hier auf dem Friedhof, weil Raphael ihn soeben mit seiner Fallenkarte zerstört hatte. Yûgi hatte seinen Beschützer verloren.


    Er blickte den Magier an, Atum’s Lieblingskarte und Seelenwächter. War es das, was Raphael gemeint hatte. Er klammerte sich so verzweifelt an diesen Magier, dass er keine eigene Strategie mehr entwickeln konnte. Und was für sein Deck galt, das galt auch für seine Seele.


    Yûgi begriff, dass er nun vor einer Wahl stand. Er konnte sich hier in der Dunkelheit vergraben, konnte auf dem Friedhof bei seinem Magier bleiben. Oder er konnte zum Duell zurückkehren und weiterkämpfen.


    Eigentlich war dies die Wahl, die er schon die ganze Zeit gehabt hatte.


    Würde es irgendwann besser werden? Würde es irgendwann aufhören, so weh zu tun? Oder lohnte es sich überhaupt nicht, in diese Welt zurückzukehren, in der weiterer Schmerz auf ihn wartete?


    Aber dort warteten auch seine Freunde und seine Familie auf ihn. Dort wartete das Leben.


    “Ich möchte mich bei dir bedanken, dass du mich immer beschützt hast.“ Yûgi trat vor den Schwarzen Magier hin und verneigte sich. “Du wirst immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen. Aber jetzt muss ich meine eigene Strategie finden, verstehst du? Ich kann mich nicht immer nur an der Strategie von mô hitori no boku festklammern. Ich habe dich benutzt, anstatt dir den Respekt entgegenzubringen, den du eigentlich verdient hättest. Und das möchte ich nicht mehr.“


    Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Magiers und er verneigte sich ebenfalls vor Yûgi. Offenbar hatte er genau verstanden, was dieser ihm sagen wollte.


    Es war an der Zeit zurückzukehren und Yûgi wusste auch schon wie er das bewerkstelligen würde. “Turn...


    “Du willst doch nicht etwa schon gehen, Yûgi? Dabei wolltest du doch die ganze Zeit hierher... “


    Yûgi erstarrte. Bei allem, was in den letzten Minuten geschehen war, hatte er gar nicht mehr an das seltsame Wesen gedacht, welches versucht hatte, sich in seinem Körper einzunisten. Vermutlich war das Wesen ebenso wie Yûgi’s Geist von der Magie der Karte hierhergebracht worden. Und jetzt wollte es Yûgi nicht gehen lassen. Vielleicht wollte es selbst Yûgi’s Körper übernehmen. Oder es hatte einfach Spaß daran, andere zu quälen. Er wusste es nicht und es war ihm auch gleichgültig. Dieses Geschöpf würde ihn nicht weiter kontrollieren!


    “Mag sein, dass ich hierher wollte, weil ich es nicht besser wusste,“ erklärte er entschieden. “Aber ich habe mich geirrt und meinen Irrtum eingesehen. Ich möchte ins Leben zurückkehren. Und genau das werde ich auch tun. Und nein – du brauchst mir nicht zu erzählen, dass dort nicht nur schöne Dinge auf mich warten. Ich weiß das und bin bereit mich ihnen zu stellen. Ich bin bereit, mich dem Leben zu stellen. Denn dort warten meine Freunde und meine Familie auf mich.“


    “Bist du sicher?“ fragte die Stimme verschlagen. “Bist du sicher, dass sie auf dich warten? Bist du sicher, dass es nicht der andere Yûgi ist, den sie sich insgeheim zurückwünschen? Du Schwächling! Du langweiliger Versager!“


    “Jônouchi... Honda...“ Einen Moment lang war Yûgi verwirrt, aber dann verhärtete sich sein Blick.


    Dieses Wesen war weder Jônouchi noch Honda. Es benutzte lediglich Tricks, um seine Stimme zu verstellen. “Du nennst mich Schwächling und willst mir erzählen, dass ich mich vor dem Leben verstecke? Dabei bist du doch derjenige, der sich hinter Masken und falschen Persönlichkeiten versteckt. Komm endlich raus und zeig’ dich mir in deiner wahren Gestalt!“


    Ein leises Lachen war die einzige Antwort, die er bekam. Es begann mit einem tiefen Dröhnen und wurde langsam heller und heller, steigerte sich schließlich bis hin zu einem mädchenhaften Kichern.


    “Yûgi? Yûgi, bist du hier drin?“


    Obwohl es dunkel war, obwohl er nichts als Schatten erkennen konnte, obwohl die einzige Lichtquelle eine Art phosphoreszierender Nebel zu sein schien, der sich zwischen eben diesen Schatten hin- und herwand, so gab es doch diesen einen Schatten, der aus der Finsternis herausstach. Ein schlanker, zierlicher Schatten, gerade mal einen Kopf größer als Yûgi selbst.


    “Yûgi! Bitte, wenn du hier bist, dann sag’ was!“


    Anzu? Nein, sie konnte es nicht sein, sie konnte überhaupt nicht hier sein. Sie war zusammen mit den anderen in Kaibaland. Dies war wieder nur ein Trick und er würde nicht noch einmal darauf hereinfallen.


    Andererseits, wie konnte dieses Wesen wie Anzu aussehen? Von woher kannte es sie überhaupt? Und von woher kannte es Honda und Jônouchi? Konnte es einfach jeden Menschen problemlos nachäffen? Musste es ihm nicht zuvor begegnet sein oder etwas in der Richtung?


    “Du bist nicht Anzu,“ entgegnete Yûgi. “Versuch’ gar nicht erst, mich zu verwirren.“


    Das Mädchen trat einen Schritt näher und nun konnte er tatsächlich Anzu’s Gesicht erkennen. Ihre Haut war fahl, ihre Wangen eingefallen und es lagen tiefe Ringe unter ihren Augen. Anstatt mit ihm zu sprechen, erhob sie langsam ihre Hand und zeigte mit dem Finger auf ihn. Ein spitzer Schrei entrang sich ihrer Kehle.


    Unwillkürlich wich Yûgi einen Schritt zurück. “Du bist nicht Anzu,“ wiederholte er mit zitternder Stimme.


    Der Schrei brach ab. “Nein, du bist nicht Yûgi,“ flüsterte sie, und ihre Stimme klang wie das Zischen einer Schlange. “Du bist nicht der echte Yûgi. Dich wollen wir nicht. Dich will ich nicht. Du bist ein Nichts, ein unbedeutendes Nichts. Ich will den richtigen Yûgi zurück.“


    Sie blickte ihn anklagend an: “Du hast ihn sterben lassen.“


    “Nein, hab’ ich nicht!“ Yûgi ballte die Hand zur Faust. “Ich hab’ mir nichts vorzuwerfen! Du willst mir nur Schuldgefühle einreden, aber das wird dir auf keinen Fall gelingen.“


    “Sei doch einfach ehrlich mit deinen Gefühlen.“ Dieser Satz klang ausnahmsweise wie etwas, das Anzu tatsächlich gesagt hätte und deshalb schmerzte er auch weitaus mehr als die falschen Anklagen zuvor. “Aber ich frage mich... wenn du dich nicht an seinem Tod schuldig fühlst, warum bist du dann hier? Kommt dir nicht manchmal der Gedanke, dass du vielleicht hier sein solltest? Fragst du dich nicht manchmal, ob der Tod nicht aus einer Laune heraus den Falschen getroffen hat? Lebst du vielleicht ein Leben, das dir überhaupt nicht zusteht?“


    Bei jeder Frage war die Gestalt einen Schritt näher gekommen und obwohl ihre Stimme immer noch den süßen unschuldigen Tonfall imitierte, welchen Yûgi von Anzu kannte, lag unter ihren Worten eine seltsame Kälte. Oder bildete er sich das nur ein, und die Kälte war in Wirklichkeit in ihm, in seinem eigenen Herzen?


    “Und was ist mit deinen Freunden? Fragst du dich nicht, ob sie sich nicht insgeheim den anderen Yûgi zurückwünschen? Das Mädchen, dessen Gesicht ich jetzt trage, sie hat ihn geliebt, nicht wahr? Wie kann sie jetzt in dein Gesicht blicken, ohne ihn darin zu sehen?“


    “Wir alle haben ihn geliebt, auf die eine oder andere Weise.“ Überrascht stellte Yûgi fest, dass seine Stimme nicht mehr zitterte. “Und wir alle leiden darunter, dass er nicht mehr bei uns ist. Aber wir werden mit diesem Schmerz leben und wir werden es gemeinsam tun. Unsere Freundschaften werden daran nicht zerbrechen, im Gegenteil, das Band zwischen uns wird nur noch stärker werden. Und deine falschen Anschuldigungen werden es nicht zerreißen. Ich glaube an meine Freunde und ich glaube auch an mich selbst. Turn...“


    “Verflucht, du bist zu stark,“ zischte die Stimme und Anzu’s Gestalt begann sich aufzulösen. “Wie kann es sein, dass jemand, der soviel durchlitten hat, immer noch ein so reines Herz besitzt? Ich kann nichts sehen in diesem ganzen verdammten Licht!“


    “...end.“


    [Raphael: LP 100/ Yûgi: LP 1800]


    “Watashi no Turn – Draw!”


    Nur langsam gewöhnten sich Yûgi’s Augen wieder an das helle Sonnenlicht. Im ersten Moment sah er das Duell-Feld noch ganz verschwommen, ein Feld welches nun ziemlich leer erschien. Alle seine beschworenen Monster befanden sich im Friedhof. Raphael’s Monster dagegen hatten das gesamte Spiel verlassen. Nur das Schwert der Göttin leuchtete immer noch in Raphael’s Magiefallenzone und der verdeckte magische Zylinder befand sich in Yûgi’s.


    “Endlich...“


    Raphael lächelte, als er zu Yûgi hinüber blickte. Es war wieder Yûgi, den er dort vor sich sah, der echte und einzige Yûgi ohne die Kontrolle irgendeines Geistes. Was auch immer am Ort der Geister auf ihn gewartet hatte, er hatte es besiegt. Er hatte seine alte Stärke wiedergefunden. Und nicht nur das, Raphael konnte ihm jetzt auch endlich zeigen, dass Loslassen nicht gleich Verlust bedeutete. “Mahô Card Hatsudô! Von meiner Hand aktiviere ich die Magiekarte Umarekawari no Cycle, den Zyklus der Wiedergeburt. Mit ihr kann ich ein Monster aufs Feld rufen, das im vorherigen Zug vom Friedhof aus dem Spiel entfernt wurde. Und nun, da mein Friedhof wieder frei von Monstern ist und sich das heilige Schwert auf dem Feld befindet, kann wohl kein Zweifel daran bestehen, wer dieses Monster sein wird.


    Guardian Eatos [2500/2000] wo Kôgeki-hyôji de shôkan! “


    Ungläubig folgten Yûgi’s Blicke den schimmernden weißen Federn, welche plötzlich vom Himmel fielen und spielerisch umherwirbelten. War dies immer noch eine Illusion der Karten? War er vielleicht gar nicht in die wirkliche Welt zurückgekehrt? Aber der Ausdruck in Raphael’s Augen war Beweis genug, er täuschte sich nicht. Auch wenn es unmöglich schien, Raphael hatte die richtige Karte gezogen und sie war zurückgekehrt. Das Band zwischen Raphael und seiner Wächterin war stärker als alles andere.


    “Guardian Eatos... sie ist es wirklich.“


    “Allerdings, Yûgi, und vielleicht verstehst du jetzt, warum es notwendig war, sie und auch meine anderen Monster gehen zu lassen. Wenn sich jetzt auch nur ein einziges im Friedhof befände, dann hätte ich sie jetzt nicht rufen können. Ich habe auf meine Verbindung zu ihr vertraut, selbst dann als sie nicht bei mir war. Ich wusste, dass wir niemals wirklich voneinander getrennt sein würden.“ Raphael erinnerte sich daran, dass es der Pharao gewesen war, der ihm zu dieser Erkenntnis verholfen hatte und hoffte, dass er diese Zuversicht mit Yûgi teilen konnte. “Und nun wollen wir auch deine Monster freilassen. Ich aktiviere Eatos’ Spezialeffekt und entferne die Monster in deinem Friedhof aus dem Spiel!“


    Eatos’ heiliges Schwert erstrahlte und nacheinander schwebten die geisterhaften Gestalten der Monster auf die Wächterin zu. Die vier Gadgets kamen zuerst, zwei rote, ein gelbes und ein grünes, und selbst in ihrer durchsichtigen Form schienen sie sich mit leisen Fieptönen zu unterhalten. Die Weisheit des Teufels wäre als nächstes gekommen, aber seltsamerweise schien sie verschwunden, mitsamt allen anderen Karten, die nicht wirklich Yûgi gehört hatten. Und dann erschien...


    “Black Magician.“


    Yûgi hatte leise gesprochen, aber Raphael hatte dennoch gehört, wie er den Namen seines Lieblingsmonsters flüsterte. Wehmut lag in seinem Blick als der Magier sich zu Eatos gesellte, gebunden an die Kraft ihres Schwertes. Diese Kraft war mit jedem herannahenden Monster um 500 Punkte gewachsen und Eatos’ Angriffswert betrug nun ganze 5000, anstatt der ursprünglichen 2500 Punkte. Yûgi dagegen hatte nur noch 1800 Lebenspunkte übrig und kein Monster, um sich zu verteidigen.


    “Battle! Guardian Eatos Yûgi ni Direct Attack!“


    Die Wächterin spreizte ihre mächtigen Schwingen und erhob ihr leuchtendes Schwert. Nicht nur sie stand nun zwischen Yûgi und dem Steinkreis der Geister, auch seine eigenen Monster wollten ihn daran hindern, diesen Ort zu betreten. Sie alle waren nun auf Eatos’ Seite, aber nicht als Feinde, sondern als Wächter, die ihrer Pflicht nachkamen und ihn beschützten. Dies war der letzte Angriff.


    Eine Sache gab es allerdings, die Raphael nicht bedacht hatte und das war die verdeckte Fallenkarte auf Yûgi’s Seite des Feldes. Sie war nicht verschwunden, denn es handelte sich eindeutig um seine Karte und nicht die irgendeines fremden Wesens. Im Gegenteil, er hatte sie mit seiner eigenen Kraft diesem Wesen abgetrotzt und sie konnte trotz seiner momentanen schwierigen Lage noch alles ändern. Nur eine einzige Handbewegung würde genügen, um seine Niederlage doch noch in einen Sieg zu verwandeln.


    Yûgi lächelte. Als er seine Hand erhob und sie über die Duel-Disc gleiten ließ, war er sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.



    Tsuzuku... (to be continued)



    Ending Song, TV-Version


    Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.
    Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Keiner weiß, warum du heute spielst.
    Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.


    Dein Herz ist allen stets ein Zeichen,
    ein strahlend goldnes Licht
    Wahrheit schaut dir in deine Seele,
    und tief in dein Gesicht.


    Dein Blick lässt mich tiefer schauen
    als jeder Ozean
    Hoffnung sagt, wir können's schaffen,
    wir fangen es gemeinsam an.


    Freundschaft weiß genau, wie du dich fühlst.
    Freundschaft weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Freundschaft weiß, warum du heute spielst.
    Freundschaft weiß, was dich durchs Leben trägt.
    Freundschaft ist’s, was dich durchs Leben trägt.






    In der nächsten Folge erwartet uns...


    Es ist meine Entscheidung, die eine Niederlage in einen Sieg verwandeln wird, und letztendlich führt mich diese Entscheidung an weitere Orte der Erinnerung.


    Kaibaland... Kaiba-kun und Mokuba-kun’s großer Traum. Duelist Kingdom… auch Pegasus-san veranstaltet wieder ein neues Turnier. Das Museum in Domino… hier stand damals die Stele, die mô hitori no boku als Pharao zeigte und Kaiba-kun als seinen Hohepriester.


    Isis-san, wusstest du damals schon, was geschehen wird? Ihr wusstet es alle, nicht wahr? Nur ich sollte es nicht erfahren. Aber jetzt bin ich froh um jede Erinnerung, die mich mit meinem anderen Ich verbindet. Das Band zwischen uns wird niemals reißen!



    Nächstes Mal bei Yu-Gi-Oh:


    Episode 227: Letter Part III – Boku no monogatari hajimaru
    (Episode 227: Letter Teil III – Meine Geschichte beginnt)



    Duel Standby!

  • Enkel (Ungläubig): Ein Buch?
    Großvater: Richtig. Als ich in deinem Alter war, hieß das Fernsehen noch Bücher. Und dies ist ein ganz besonderes Buch. Mein Vater hat es mir immer vorgelesen, wenn ich krank war. Und ich hab’ es deinem Vater vorgelesen. Und heute werd’ ich’s dir vorlesen.
    Enkel: Kommt denn da auch Sport drin vor?
    Großvater: Machst du Witze? Fechten, Kämpfen, Reiten, Folter, Rache, Riesen, Monster, Verfolgungsjagden, Gefängnisausbrüche, wahre Liebe, Wunder...
    Enkel: Klingt ja mal nicht so schlecht. Also gut, ich werd’ versuchen, nicht einzuschlafen.
    Großvater: Oh, vielen Dank, sehr freundlich. Dein Vertrauen ist ja äußerst beruhigend.

    – The Princess Bride, 1987 –



    ~ * ~



    In der letzten Folge von Yu-Gi-Oh! Duel Monsters...


    Meine Sehnsucht nach meinem anderen Ich und mein Schmerz haben mich an einen düsteren Ort geführt – den Ort der Geister. Er ist von Dunkelheit erfüllt, und dort lauert auch ein böses Wesen, das sich als mô hitori no boku ausgegeben hat, um meinen Körper zu übernehmen.


    Zuerst war ich naiv genug, um den Worten dieses Wesens zu glauben, aber dann konnte ich mich von seiner Macht befreien, auch wenn es meine ganze Kraft gekostet hat.


    Ich habe mich entschieden. Ich will in die Welt der Lebenden zurückkehren.



    ~ * ~



    “Battle! Guardian Eatos Yûgi ni Direct Attack!“


    Die Wächterin spreizte ihre mächtigen Schwingen und erhob ihr leuchtendes Schwert. Nicht nur sie stand nun zwischen Yûgi und dem Steinkreis der Geister, auch seine eigenen Monster wollten ihn daran hindern, diesen Ort zu betreten. Sie alle waren nun auf Eatos’ Seite, aber nicht als Feinde, sondern als Wächter, die ihrer Pflicht nachkamen und ihn beschützten. Dies war der letzte Angriff.


    Eine Sache gab es allerdings, die Raphael nicht bedacht hatte und das war die verdeckte Fallenkarte auf Yûgi’s Seite des Feldes. Sie war nicht verschwunden, denn es handelte sich eindeutig um seine Karte und nicht die irgendeines fremden Wesens. Im Gegenteil, er hatte sie mit seiner eigenen Kraft diesem Wesen abgetrotzt und sie konnte trotz seiner momentanen schwierigen Lage noch alles ändern. Nur eine einzige Handbewegung würde genügen, um seine Niederlage doch noch in einen Sieg zu verwandeln.


    Yûgi lächelte. Als er seine Hand erhob und sie über die Duel-Disc gleiten ließ, war er sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.



    ~ * ~



    Opening Song, TV-Version


    Schritt für Schritt gehst du den Weg,
    So steinig er auch ist und weit,
    Fällt es auch schwer wieder aufzusteh’n.
    Der Sand verrinnt im Stundenglas der Zeit.


    Dein Herz, es mag dich weiterführen,
    Denn ich vertrau auf deine Kraft,
    Und du wirst seine Stärke spüren,
    Sie erinnert dich, dass du es schaffst.


    Erinnerung brennt heiß,
    Wie das Feuer in der dunkelsten Nacht.
    Solange dein Herz den Weg noch weiß,
    Spürst du meine Seele, die über dich wacht.
    Du hörst mich rufen durch die Zeit,
    So nah und doch so endlos weit.
    Solange du mich nicht vergisst,
    Solang dein Herz mich noch vermisst,
    Ich werde immer bei dir sein,
    Du trägst mein Bild in dir.
    Darum trau dich,
    Erinner’ Dich
    An mich.


    Zitat

    Opening Credits


    Wie ihr wahrscheinlich schon gemerkt habt, waren einige Karten im letzten Duell, unter anderem <i>Black Kizuna</i> und <i>Umarekawari no Cycle</i> von uns erfundene Karten.


    Karten werden in der Serie immer dann erfunden, wenn im Duell etwas ganz Bestimmtes passieren soll, es im Canon aber keine passende Karte gibt, um genau diesen Effekt zu erreichen. Wir handhaben das auch so, bemühen uns aber, soweit der Plot das zulässt, uns an die Canon-Karten und soweit möglich an ihre Originalfunktionen zu halten. Auch wenn wir hier und da ein klein wenig tricksen.^^



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    Episode 227: Letter Part III – Boku no monogatari ga hajimaru
    (Episode 227: Letter Teil III – Meine Geschichte beginnt)


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    Raphael, Guardian Eatos und die geisterhaften Gestalten der anderen Monster blickten zu Yûgi hinüber dessen Hand jetzt nicht mehr über der Duell-Disc schwebte. Sie hatte sich gesenkt, aber nicht auf die verdeckte Karte in seiner Magiefallenzone. Diese Karte war noch immer unberührt und das würde sie auch bleiben.


    Denn das Duell war zu Ende. Yûgi hatte seine Hand auf sein Deck gelegt.


    Guardian Eatos hielt mitten im Angriff inne und schien plötzlich zu lächeln. Auch Yûgi’s eigene Monster schienen sich zu freuen. Es tat gut zu wissen, dass sie immer noch auf seiner Seite waren, dass die Verbindung zu ihnen erhalten geblieben war.


    Eine Karte nach der anderen verschwand, als sich die Duel-Disc abschaltete und zurück in den Ruhemodus fuhr. Yûgi sammelte sein Deck zusammen und steckte es ein. Jetzt blieb ihm nur noch eins zu tun.


    Er ging auf Raphael zu, bis sie direkt voreinander standen und verbeugte sich so tief, dass sein Haarschopf beinahe den Sand berührte. “Ich möchte mich in aller Form bei dir entschuldigen, Raphael-san. Ich habe falsch gehandelt.“


    “Wir sind nur Menschen, Yûgi. Wir können nicht perfekt sein.“


    Als Yûgi sich wieder aufrichtete, sah er, dass Raphael ihm die Hand entgegengestreckt hatte. Etwas verlegen ergriff er sie, er erinnerte sich wieder daran, dass Händeschütteln in Europa üblicher war, als Verbeugen. Raphael’s Händedruck war fest und sicher, offenbar schien er nicht böse auf Yûgi zu sein. “Wie ich schon sagte, Schmerz kann einen Menschen manchmal bis zum Äußersten treiben. Aber du hast das jetzt verstanden und das ist das Wichtigste. Du hast sogar auf einen Sieg verzichtet und das ist echte Größe. Ich erkenne wieder den Duellanten in dir, der damals den Pharao vor dem Siegel des Orichalcos bewahrt hat.“


    Auf einen Sieg verzichtet? Konnte Raphael das wissen oder vermutete er es nur? Die verdeckte Fallenkarte war Magic Cylinder gewesen. Damit hätte er nicht nur den Angriff von Eatos negieren, sondern auch ihre gesamte Angriffskraft auf Raphael zurückprallen lassen können.


    Aber Yûgi wollte keinen Sieg für eine falsche Sache. Er hatte seine Lektion gelernt.


    Doch es gab etwas, worüber er dringend mit Raphael sprechen musste. “Hör zu, ich muss dir sagen, dass ich während dieses Duells eine Zeitlang nicht ich selbst war. Ich weiß, es klingt verrückt, aber bitte glaub’ mir, ich sage das nicht, um die Verantwortung von mir wegzuschieben, sondern um dich zu warnen.. Etwas ist in diesem Steinkreis und es ist sehr mächtig und gefährlich. Es kann die Gestalt von anderen Menschen annehmen, um jemanden zu manipulieren und es kann auch von einem Körper Besitz ergreifen. Es hat von mir Besitz ergriffen, weil es mich glauben machte, es wäre Atum.“


    Raphael nickte. “Nein, das klingt nicht verrückt. Ich habe dieses Wesen bemerkt, als es dich kontrolliert hat. Für einen Moment glaubte ich, es wäre...“


    Er machte eine abwehrende Handbewegung. “Nein, das ist jetzt nicht so wichtig. Wichtig ist nur, dass es auch mich einen Augenblick lang getäuscht hat. Wie hast du es geschafft, es wieder loszuwerden?“


    Yûgi zog die Brauen zusammen und dachte angestrengt nach. “Ich weiß es nicht genau, aber ich habe gegen das Wesen angekämpft. Vielleicht war es Willenskraft, vielleicht auch der Gedanke an meine Freunde. Das Wesen wollte mir einreden, dass das Leben nur aus Schmerz besteht und ich meine Freunde verlieren werde. Aber ich hab’ versucht, nicht darauf zu hören.“


    Raphael blickte zum Steinkreis hinüber, der jetzt wieder vollkommen ruhig war. Die Sonne schien friedlich auf das Tal hinunter und nichts deutete daraufhin, dass hier vor wenigen Minuten noch seltsame Kräfte am Werk gewesen waren. Aber Yûgi wusste genau, dass der Schein trog und er war sich sicher, dass Raphael es ebenfalls wusste.


    Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass Raphael während des Duells über den Steinkreis gesprochen hatte. War da nicht irgendwas mit einer Triskele aus Feuer gewesen? Er konnte sich nicht genau erinnern, er war während des Duells zu aufgewühlt gewesen, um auf Raphael’s Worte zu achten. “Du sagtest, es geschehen seltsame Dinge im Steinkreis...“


    “Allerdings. Ich weiß leider nicht mehr als das, was ich dir schon gesagt habe, dass vor wenigen Tagen der Sand zu brennen schien und das Zeichen einer Triskele formte. Das ist ein altes keltisches Symbol. Diese Triskele war aber ein wenig verändert, ihre drei Kurven sahen ein wenig wie feurige Drachen aus. Warte, ich zeichne es dir auf.“


    Drei Drachen? Einen Augenblick lang musste Yûgi an die drei weißen Drachen in Kaiba’s Deck denken, und im nächsten Moment an Timaeus, Critias und Helmos die legendären Beschützer von Atlantis. Ob dieses Zeichen irgendwas mit ihnen zu tun hatte? Er konnte sich das aber nicht vorstellen, denn er hatte in Bezug auf Atlantis nie ein solches Zeichen gesehen.


    Raphael reichte Yûgi die Zeichnung. “Mehr konnte ich bisher nicht herausfinden, aber nach der Begegnung mit diesem Wesen sehe ich das alles in einem anderen Licht. Ich hoffe, dass ich mich irre, aber vielleicht werden schon sehr bald neue Gefahren auf uns zukommen.“


    “Ich werde natürlich alles tun, um zu helfen,“ versicherte Yûgi. “Leider kann ich nicht mehr lange in Amerika bleiben, da in einer Woche die Schule wieder anfängt, aber ich werde von Japan aus versuchen, etwas über dieses Zeichen herauszufinden und dir Bescheid geben. Wenn uns eine neue Gefahr droht, dann werden wir uns ihr stellen.“


    “Wieso bist du eigentlich in Amerika?“ wollte Raphael wissen. “Besuchst du deine Freundin, diese kleine blonde Duellantin?“


    “Rebecca? Ja, aber hauptsächlich bin ich wegen des Turniers hier. Letztes Jahr, als wir das erste Mal in Amerika waren, hat Kaiba-kun doch Kaibaland USA, seinen zweiten Freizeitpark eröffnet und ein großes Duel Monsters Turnier, den KC Grand Prix. veranstaltet. Dieses Turnier ist jetzt zu einer regelmäßigen Veranstaltung geworden und findet immer in der ersten Januarwoche statt, weil dann in vielen Ländern Schulferien sind. Jônouchi wurde eingeladen, am Turnier teilzunehmen und wir anderen sind mitgekommen, um ihn anzufeuern.“


    “Wurdest du denn nicht eingeladen?“ Raphael schien verwundert. “Immerhin bist du der König der Duellanten und Kaiba’s alter Rivale.“


    “Doch, aber mir ist nicht nach einem Turnier.“ Auf die Sache mit der Rivalität ging Yûgi jetzt nicht ein, es würde zu lange dauern, das zu erklären. “Ich habe mich lediglich dazu verpflichtet, am Ende des Turniers in einem Ehrenduell gegen den Sieger anzutreten. Aber das findet außer Konkurrenz statt. Der Sieger bleibt Sieger, selbst wenn ich gewinnen sollte.“ Natürlich hoffte Yûgi insgeheim darauf, dass Jônouchi dieser Sieger sein würde.


    Eine Weile lang herrschte Schweigen. Yûgi hob die Kartusche mit Atum’s Namen auf, die er vorhin so achtlos in den Sand geworfen hatte. Raphael mochte ihm verziehen haben und der Schwarze Magier ebenfalls, aber die Last der Schuld drückte trotzdem schwer auf seiner Seele. Er hatte für eine falsche Sache gekämpft, er hatte seine Monster schlecht behandelt und er hatte einem Freund Schmerzen zugefügt. Und er hatte die Erinnerung an den Pharao in den Schmutz gezogen, indem er durch dieses Duell sein Andenken besudelt hatte.


    Als wäre der Schmerz um seinen Verlust nicht schlimm genug, kamen nun auch die Schuldgefühle dazu.


    “Ich weiß, es klingt abgedroschen, aber es wird irgendwann leichter werden.“ Raphael legte eine Hand auf Yûgi’s Schulter. Offenbar war ihm nicht entgangen, dass Yûgi sich schlecht fühlte, auch wenn er es wohl eher auf Atum’s Tod zurückführte, als auf die Schuldgefühle.


    “Es wird leichter, aber es braucht Zeit. Viel Zeit. Und wenn die Trauer kommt, dann lass sie zu. Versuche nicht, sie zu betäuben, oder wegzuschieben. Sprich mit deinen Freunden darüber, wenn es dir hilft, aber nimm dir auch Zeit, um allein zu sein, wenn du sie brauchst. Es ist vollkommen in Ordnung, dass es dir im Moment schlecht geht, auch wenn die Gesellschaft uns ständig vorspiegelt, wir müssten um jeden Preis funktionieren.“


    Das stimmte, dieses Funktionieren war manchmal das Schlimmste. Er musste morgens aufstehen, er musste zur Schule, er musste sich um seine Freunde und seine Familie kümmern. Und trotzdem, manchmal war es auch tröstend, dass es diese Routine gab. Sie zeigte ihm, dass sein Leben noch nicht vollkommen auseinander gefallen war.


    “Und noch was,“ fügte Raphael hinzu, “versuch deine ganz persönliche Strategie zu finden, die dir gut tut. Manche Menschen gönnen sich regelmäßig was Schönes, andere sprechen mit einem Psychologen, und wieder andere suchen sich eine bestimmte Zeit am Tag aus, in der sie an den Verstorbenen denken. Es gibt viele Möglichkeiten und sie sehen für jeden Menschen anders aus, denn jeder trauert auf andere Weise.“


    “Dir haben deine Monster geholfen, nicht wahr?“ Yûgi erinnerte sich daran, dass Raphael darüber mit Atum gesprochen hatte. “Ganz besonders Guardian Eatos.“


    “Ja, das stimmt. Guardian Eatos war ein Geschenk von meinen beiden Geschwistern. Sie ist für mich eine Verbindung zu meiner Familie.“


    “Ich habe geglaubt, dass der Schwarze Magier mir vielleicht helfen könnte.“ Der Magier war für Yûgi immer die Verbindung zu Atum gewesen. “Aber im Augenblick ist das nicht so. Im Duell gegen dich hat er mich dazu verleitet, mich nur auf die Strategien von mô hitori no boku zu verlassen, anstatt meine eigenen zu entwickeln. Für mich war das ein Rückschritt, weil ich eigentlich schon meine eigenen Strategien entwickelt hatte. Außerdem habe ich ihn in einem Duell für eine falsche Sache eingesetzt.“


    Yûgi zog die Karte aus seinem Deck und betrachtete sie. Sie war ihm unglaublich teuer und kostbar, aber im Moment fühlte es sich so an, als habe er das Recht verwirkt, den Magier zu verwenden. Er musste sich seiner erst wieder würdig erweisen, musste seinen Fehler wieder gut machen. Auch Jônouchi hatte damals für eine ganze Weile auf seinen Red Eyes Black Dragon verzichtet. Wie sagte Raphael doch vorhin? ’Wenn du jemanden liebst, lass’ ihn frei!“


    “Ich möchte dich um etwas bitten.“ Yûgi merkte wie rau seine Stimme klang, doch er würde die Worte aussprechen und auch nicht zurücknehmen. Es fühlte sich richtig an, das zu tun. “Ich möchte dich darum bitten, dass du für eine Zeitlang meinen Schwarzen Magier für mich verwahrst. Solange, bis ich ihn wieder mit gutem Gewissen spielen kann.“


    Raphael blickte ihn verwundert an, dies schien nicht die Antwort zu sein, die er erwartet hatte. “Bist du dir auch ganz sicher? Natürlich würde ich diese Karte wie meinen Augapfel hüten, aber ich möchte dir nicht etwas nehmen, das dich an den Pharao erinnert und dich vielleicht trösten könnte. Ich könnte Eatos niemals aus der Hand geben.“


    “Ich weiß. Aber wie du schon sagtest, wir haben alle unterschiedliche Wege. Und dies ist meiner.“


    Raphael nickte langsam, dann streckte er die Hand aus und nahm die Karte entgegen. “Ich werde gut auf ihn Acht geben. Du hast mein Wort.“


    “Ich danke dir.“ Es tat weh, die Karte aus der Hand zu geben, aber dennoch fühlte es sich immer noch richtig an.


    Raphael steckte die Karte ein, und achtete dabei sorgfältig darauf, dass sie keinen Schaden nahm. Dann zog auch er eine Karte aus seinem Deck und reichte sie Yûgi. “Es ist eigentlich nur fair, dass du ebenfalls eine Karte für mich verwahrst, denn ich möchte das Vertrauen, das du mir geschenkt hast, gern erwidern.“


    “Elma’s Schmetterlingsdolch? Aber brauchst du sie nicht? Und ich spiele doch gar keine Guardians, also könnte ich sie auch gar nicht verwenden.“ Yûgi zweifelte nicht an Rapahael’s gutem Willen, er verstand nur nicht, warum der Anführer der drei Schwertkrieger ausgerechnet diese Karte gewählt hatte.


    “Nein, im Moment brauche ich sie nicht.“ Raphael zwinkerte Yûgi zu. “Und du wirst merken, dass diese Karte einiges mehr kann, als nur ihre Wächterin zu rufen. Aber das wirst du selbst herausfinden müssen.“


    Yûgi war bereit dazu. Seine eigene Strategie zu finden, das hieß auch, Karten auszuprobieren, die man noch nicht gut kannte und deren Fähigkeiten sich nicht auf den ersten Blick erschlossen. Eigentlich gehörte das sogar zu spannendsten Dingen im Leben eines Duellanten.


    Plötzlich musste er an Jônouchi und die anderen denken, die sich sicher schon Sorgen um ihn machten. Es war an der Zeit, zu ihnen zurückzukehren. Schließlich hatte er versprochen, rechtzeitig zur Eröffnung wieder zu sein und die war schon heute Abend.


    “Yûgi.“ Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte Raphael’s Lippen. “Auch der Pharao selbst hat sich Gedanken darüber gemacht, wie er dir helfen kann mit deinem Schmerz klar zu kommen, wenn er nicht mehr bei dir sein kann. Ich weiß nicht, woher er wusste, dass du im Dezember hier in Amerika sein würdest, aber er hat mir etwas für dich gegeben.“


    Das Turnier. Atum hatte über das Turnier Bescheid gewusst, anders konnte Yûgi es sich nicht erklären. Dass er zum Steinkreis kommen würde, konnte Atum nicht gewusst haben, oder doch? Immerhin war auch dies ein Ort der Erinnerungen.



    Aibô,


    Such mich nicht unter den Geistern, denn ich bin keine einsame, verirrte Seele. Ich bin dort, wo ich hingehöre, bei meiner Familie, meinem Volk und meinen Göttern.


    Wenn das Schicksal es will, werden wir uns irgendwann wiedersehen, aber dieser Tag kann nicht heute sein. Ich fürchte, du wirst noch ein wenig Geduld aufbringen müssen.


    Trotzdem bin ich dir niemals fern, denn eine kleine Unpässlichkeit wie der Tod kann eine echte Freundschaft nicht zerstören.


    Such’ mich in deinen Gedanken und Erinnerungen.


    Bis dann,


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    ~ * ~



    Januar


    “Und nun begrüßen wir gemeinsam unseren amerikanischen Vize-Champion, Bandit Keith Howard!“


    Die Zuschauermassen im kalifornischen Kaiba-Dome brachen in wilden Applaus aus, während die Metal-Band auf der Bühne enthusiastisch in die Saiten griff und das Stadion mit einem fetzigen Song erfüllte. Begleitet von einigen Typen in schwarzen Anzügen, die offenbar Manager und/oder Bodyguards darstellen sollten, marschierte Bandit Keith den Mittelgang hinunter, blickte mit wildem Gesichtsausdruck in die Menge und ließ seine Muskeln spielen.


    “Offenbar hat er immer noch nicht kapiert, das er die zum Duellieren nicht braucht,“ kicherte Rebecca und hängte sich vertraut an Yûgi’s Arm. Sie schien ihre gestrige Niederlage gegen Jônouchi inzwischen überwunden zu haben. “Darling, hast du seinen Gesichtsausdruck gesehen, als die Sprecherin ’Vize-Champion’ sagte? Zu komisch!“


    Sie kicherte erneut und lehnte sich dabei gegen Yûgi’s Schulter. Ihm schoss die Röte ins Gesicht und er wandte verlegen den Kopf. Er konnte sich immer noch nicht so recht daran gewöhnen, wie offen die amerikanischen Mädchen mit ihren Gefühlen umgingen.


    Auch wenn er zugeben musste, dass es ihm ein ganz klein wenig schmeichelte.


    “Er ist nicht der Einzige hier mit einem seltsamen Gesichtsausdruck,“ entgegnete Anzu kühl und warf Rebecca einen missbilligenden Blick zu. Hatten sich die beiden gestritten? Oder warum war sie sonst so komisch zu Rebecca?


    “Und jetzt einen mächtigen Applaus für die japanische Prinzessin der Duelle, Mai Kujaku!“


    Die Metal-Band verstummte und auf der anderen Seite des Stadions begann eine japanische Rockband zu spielen. Seit diesem Jahr hatte jeder Finalist des KC Grand Prix seinen eigenen Einmarsch-Song, teilweise sogar mit eigener Band. Kein Wunder, dass manche Duellanten sich inzwischen Manager zulegen mussten. Yûgi war froh, dass er zu seiner Zeit dieses ganze Tamtam nicht hatte mitmachen müssen. Schon das allein war Grund genug, nicht mehr an Turnieren teilzunehmen. Er würde lediglich sein Ehrenduell gegen den Sieger spielen, so wie letztes Jahr.


    Mai kam nicht durch den Mittelgang herein. Sie erschien oben auf der Galerie, welche sie lächelnd und winkend entlangstolzierte, bis zu einer Hebebühne, die sie nach unten in den Ring beförderte. “Ich bin gespannt, gegen wen von beiden Jônouchi morgen im Finale antreten darf,“ überlegte Honda und lehnte sich über die Brüstung der Tribüne, damit ihm auch ja nichts entging. Jônouchi selbst sagte nichts, aber dazu hätte er auch erst mal den Mund bewegen müssen, welcher aus nicht näher bekannten Gründen weit offen stand.


    “Also, ich tippe ja auf Mai,“ entgegnete Anzu und Rebecca stimmte ihr freudig zu: “Dann kann ich Bandit Keith wenigstens im Spiel um Platz drei fertig machen.“


    “Ich werd’ bei dem Duell zusehen und dir die Daumen halten,“ lächelte Anzu. Ihre vorherige Feindseligkeit schien plötzlich wie weggewischt.


    Yûgi hatte es inzwischen aufgegeben, sich über die Mädchen zu wundern. Jede gegnerische Kampfstrategie war leichter zu durchschauen als weibliche Gedankengänge


    “Dankeschön.“ Mit ungewohnter Schüchternheit lächelte Rebecca zurück und wandte sich dann wieder an Yûgi. “Darling, wenn das Duell vorbei ist, könnte ich dich dann vielleicht kurz sprechen? Ich meinte, allein sprechen. Weißt du... ich suche schon seitdem du hier bist nach einer Gelegenheit, aber es hat sich bisher nicht ergeben und morgen nach dem Finale fliegt ihr ja wieder nach Japan zurück, also...“


    “Natürlich.“ Sie schien wirklich etwas sehr Dringendes auf dem Herzen zu haben und etwas Privates musste es auch sein. Hoffentlich nicht zu privat, denn Yûgi hatte nicht die geringste Ahnung, was er dann tun sollte. Sich in Luft aufzulösen oder sich in einem Mauseloch zu verkriechen klang jedenfalls äußerst verlockend.


    Umso überraschter war er, als Rebecca ihn nach dem Duell beiseite zog und ihm einen Brief in die Hand drückte. “Der andere Yûgi hat mich gebeten, dies hier für dich aufzubewahren und es dir zu geben, wenn ihr zum nächsten KC Grand Prix in die USA kommt.“


    Nein, eigentlich gab es keinen Grund für ihn überrascht zu sein. Auch dies war schließlich ein Ort der Erinnerungen. Das amerikanische Kaibaland, das Turnier, Professor Hopkins und Rebecca, Leon und Siegfried, Großvater mit seinem kühnen Auftritt als Mask the Rock – er hätte die Liste noch endlos weiter führen können. Selbst die Bedrohung durch Siegfried’s Pläne erschien im Nachhinein wie ein spannendes Abenteuer.



    Aibô,


    wieder mal ist es Zeit für den KC Grand Prix. Und, hatt’ ich Recht, was das Feuerwerk und die Cheerleader angeht? Ha, ich wette sie wedeln mit blau-weißen Pompoms herum, passend zu den KC Farben. Aber noch viel wichtiger: Hat es Jônouchi ins Finale geschafft? Auf alle Fälle werd’ ich ihm ganz fest die Daumen halten. Bei dir kann ich mir nicht vorstellen, dass du am Turnier teilnimmst, aber solltest du es wider Erwarten doch tun, gilt das Daumendrücken natürlich auch für dich.


    Eine Sache, die mich am Duellieren immer besonders begeistert hat, ist, dass es so viele Menschen von ganz unterschiedlicher Herkunft und Nationalität zusammen bringt. Draußen im Leben sind wir alle verschieden, aber wenn wir einander im Ring gegenüberstehen, sind wir uns gleich. Wir sind keine Japaner, Ägypter, Amerikaner, Könige oder Schüler mehr, wir sind Duellanten. Wir können uns nur auf unsere Karten und unser Geschick verlassen. Und wir starten durch!.


    Für jeden einzelnen ist die Straße der Duellanten ein steiniger Weg, aber zusammengenommen ist es ein ganzes Netzwerk an Straßen, das uns alle miteinander verbindet. Und während wir an uns selbst arbeiten, um besser zu werden, helfen wir dadurch auch den anderen, sich zu verbessern und ihre Straße weiterzugehen.


    Auch du gehst auf deiner Straße weiter. Und sollte ich im jenseitigen Leben irgendwelche Pompoms auftreiben, werd’ ich sie heute und bei allen deinen zukünftigen Duellen für dich wedeln. Go Yûgi! Go Yûgi! Go!


    Bis dann,


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    ~ * ~



    Februar


    “Dieser Wagen muss rüber ins andere Gebäude, das sind alles Gegenstände von Pharao Ramses. Die Stele mit der Krönungszeremonie von Pharao Set kommt mit den anderen Kisten rüber in Raum zwei. Oh nein, dieses Kästchen nicht, das ist Schmuck von Königin Téana. Der muss in Raum sieben, ach warten Sie, ich nehm’ ihn selbst.“


    Isis hatte dem Museumswärter das kleine Kästchen kaum abgenommen, als Malik und Rishid schon herangestürmt kamen, es ihr geradezu aus der Hand rissen und in einem wütenden Wortschwall auf sie einredeten. Yûgi verstand natürlich kein Wort Arabisch, also hielt er sich dezent im Hintergrund und wartete darauf, dass der Sturm vorüber zog.


    Die Räume des Domino Museums wirkten ganz anders als sonst, aber das lag vermutlich daran, dass die neue Ägyptenausstellung noch nicht fertig ausgepackt und aufgestellt war. Damals, vor beinahe zwei Jahren hatten die Steinstatuen und Glaskästen voller Schmuck, Waffen und Gerätschaften von der 18. Dynastie der Pharaonen erzählt. Hier hatte sein anderes Ich mit Anzu die Stele entdeckt, auf welcher Atum als Pharao abgebildet war. Ein Pharao im Kampf gegen seinen Hohepriester, der später selbst den Thron bestiegen hatte. Akhenaden hatte nie erfahren, dass sein Wunsch am Ende doch noch in Erfüllung gegangen war.


    Dieses Mal würde die Ausstellung, wenn Yûgi richtig verstanden hatte, von der 19. Dynastie handeln. Pharao Set war der erste König dieser Dynastie gewesen, gefolgt von seinem Stiefsohn Ramses.


    Leugnete Kaiba sein früheres Leben immer noch oder glaubte er inzwischen daran? Selbst wenn, es würde ihm herzlich egal sein. Die Vergangenheit hatte für ihn keinerlei Bedeutung, er lebte nur für die Gegenwart und die Zukunft. Vermutlich würde er nicht einmal einen Fuß in diese Ausstellung setzen.


    “Entschuldige bitte, Yûgi.“ Mit einem verlegenen Lächeln kam Isis auf ihn zu. “Ich musste nur meinen werten Herrn Brüdern begreiflich machen, dass ich nicht krank bin und somit durchaus in der Lage, ein Kästchen zu tragen. Die beiden sind mit ihrer Fürsorglichkeit noch schlimmer als mein Mann.“


    Ach richtig, Isis hatte ja geheiratet. Yûgi hatte voriges Jahr auf der Glückwunschkarte mit unterschrieben. Er wusste nicht viel über Isis’ Ehemann, nur dass dieser für die Kaiba Corporation arbeitete und dass Isis ihn vorletztes Jahr beim Battle City Turnier kennen gelernt hatte. Aber da waren so viele KC Mitarbeiter mit dunklen Anzügen und Sonnenbrillen herumgelaufen, dass Yûgi sie ohnehin nicht alle auseinander halten konnte. Mit Namen kannte er nur Isono und Fuguta und von den beiden war es keiner.


    “Nun, natürlich gibt es einen Grund, weshalb ich dich gebeten habe, hierher zu kommen.“ Isis zog einen Briefumschlag aus ihrer Tasche. “Wir sehen uns ja alle übermorgen bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung, aber der Pharao hatte mich um einen Gefallen gebeten, bevor er seine letzte Reise antrat und deshalb wollte ich dich gerne allein sprechen.“ Sie überreichte Yûgi den Umschlag. “Möchtest du dich vielleicht ins Büro setzen, um ihn in Ruhe zu lesen?“



    Aibô,


    es gibt etwas, wofür ich mich bei dir entschuldigen möchte.


    Du weißt, dass ich dich nie absichtlich belügen würde. Aber manchmal hab’ ich dir Dinge verschwiegen, wenn ich Angst hatte, dich mit der Wahrheit unglücklich zu machen. Und auch Verschweigen ist eine Form von Lügen.


    Wenn du diesen Brief erhältst, ist es fast zwei Jahre her, dass Isis mit ihrer Ägyptenausstellung nach Domino-chô kam. Ich bin mit Anzu dort gewesen, an jenem Tag, als wir beide zusammen auf das Date gingen, (das Date, vor dem du dich gedrückt hast, aber darum geht es jetzt nicht). Wir haben dort zum ersten Mal die Stele gesehen, auf der ich als Pharao abgebildet bin. Zusammen mit dem Hohepriester, welcher eine solche Ähnlichkeit mit Kaiba hat, dass ein Zufall in meinen Augen ausgeschlossen ist.


    Aber ich habe dir nichts davon erzählt und ich habe auch Anzu gebeten, zu schweigen. Mach’ ihr da bitte keinen Vorwurf draus. An diesem Tag hab’ ich zum erstenmal gespürt, woher ich komme und wo ich hingehöre. Du dagegen hast es erst sehr viel später durch Isis und Malik erfahren.


    Verzeih mir, aber ich konnte dir nichts sagen. Der Gedanke, dass wir bald nach Ägypten gehen werden und dass ich dann von dir fort muss, ist für mich ebenso schwer zu ertragen wie für dich. Ich musste erst selbst damit klarkommen, bevor ich mit dir darüber sprechen konnte. Und ich hoffe, dass du mein Handeln irgendwie nachvollziehen kannst.


    Entschuldige bitte, wenn dieser Brief dich in eine traurige Stimmung versetzt, aber ich musste mir das einfach von der Seele reden. Auch wenn ich falsch gehandelt habe, ich möchte, dass du weißt, dass ich dich durch mein Schweigen nicht verletzen, sondern schützen wollte.


    Bis dann,


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    ~ * ~



    März


    “Eigentlich hätte er ruhig ein paar VIP-Karten lockermachen können, der olle Angeber,“ murrte Jônouchi und drängte sich an Honda und Anzu vorbei, um einen besseren Blick auf das Innere des Kinos zu erhaschen. “Schließlich ist Yûgi der König der Duellanten und ich bin immerhin Jônouchi Katsuya-sama, einer von den Battle-City-Best-Four, und der Vize-Sieger des letzten KC Grand Prix von vor zwei Monaten. Und überhaupt. Na, wenigstens haben wir Freikarten bekommen.“


    Yûgi verzichtete darauf, Jônouchi darauf hinzuweisen, dass heute, am Eröffnungstag des neuen 3-D Kinos der Eintritt für alle Besucher frei war. Er war schon eine ganze Weile nicht mehr im Kaibaland gewesen und staunte über die ganzen Neuerungen, die sich vor ihm auftaten. Zwar war Kaibaland Domino aufgrund des mangelnden Platzes nicht ganz so groß wie sein Gegenstück in Kalifornien, aber der Park war längst über die Spielhallen und Grünanlagen hinausgewachsen. Es gab Shows und diverse Fahrgeschäfte, darunter auch ein Haunted House und eine Schwebebahn, mit der man das Gelände von oben betrachten konnte. Auch eine neue Achterbahn war in Planung, zumindest hatte Mokuba freudestrahlend davon erzählt, als er die Freunde vorhin begrüßt hatte.


    Bis zu Eröffnungsrede und Filmvorführung war noch genügend Zeit, also bat Yûgi die anderen kurz auf seinen Platz acht zu geben, damit er für ein paar Minuten aus dem stickigen überfüllten Kino flüchten und stattdessen ein wenig Frischluft atmen konnte.


    Nachdenklich betrachtete er die drei großen Drachenstatuen, die vor dem Eingang des Kaiba Dome standen. Dieser ganze Park war Seto’s und Mokuba’s großer Traum gewesen und es war ihnen letztendlich gelungen, ihn zu verwirklichen.


    “Warten Sie, Sie sind doch Mutô Yûgi, der König der Duellanten! Könnte ich bitte ein Autogramm bekommen?“


    “Ich... uhm..“ begann Yûgi verlegen, doch bevor er weiterstammeln konnte, meldete sich eine zweite Stimme zu Wort. “Jetzt lass doch den Blödsinn, Haruko. Wir sind nicht hier, um Autogramme von berühmten Duellanten einzusacken, wir sind hier um Unterschriften für unsere Petition zu sammeln!“


    “Was für eine Petition?“ erkundigte sich Yûgi, sichtlich erleichtert über den Themenwechsel.


    “Wir sammeln Unterschriften für ein Vuvuzela-Verbot in den Stadien. Man versteht ja sein eigenes Wort nicht mehr bei den ganzen Blödtröten! Wie sollen die Duellanten sich da noch auf das Duell konzentrieren? Selbst berühmte Star-Duellanten wie Insect-Haga und Dinosaur-Ryuzaki haben nur wegen dieses furchtbaren Lärms ihre letzten Turniere verloren!“


    “Und außerdem wird dadurch die gesamte Fankultur zerstört,“ fiel das andere Mädchen eifrig ein. “Keine Gesänge mehr, keine Sprechchöre! Eine Duell-Arena soll schließlich eine Duell-Arena sein und kein Hornissennest.... ahhhh!“


    Beide Mädchen ergriffen kreischend die Flucht, als hinter ihnen plötzlich ein lautes Tröten zu hören war. Yûgi konnte ihnen nur noch verwundert nachblicken.


    “Ich dachte schon, die werden wir nie los.“ Ein grinsender Mokuba kam hinter den Drachenstatuen hervor, zusammen mit einer Vuvuzela in den KC Farben, welche größer war als er selbst. “Die können sammeln, soviel sie wollen, bei Nii-sama werden sie damit keinen Erfolg haben. Er sagt, ein Duellant, der sich von einem bisschen Lärm am Duellieren hindern lässt, ist kein echter Duellant! Außerdem hat er jetzt ganz andere Probleme. Wir wollen nämlich ein drittes Kaibaland in Europa bauen, aber darüber darf ich noch nicht reden, das ist streng geheim. Jetzt bin ich erst mal froh, dass ich dich gefunden habe, Yûgi.“


    “Was gibt es denn, Mokuba-kun?“ fragte Yûgi, der sich darüber wunderte, wie plötzlich Mokuba’s Wortschwall versiegt war.


    Mokuba schluckte. “Vor... vor einer Weile hat der andere Yûgi mich gebeten, dir etwas zu geben, wenn wir im März das neue Kino aufmachen werden...“


    Als Yûgi den Umschlag in Mokuba’s Händen erblickte, stahl sich ein leises Lächeln auf sein Gesicht. Auch Kaibaland war ein Ort der Erinnerungen. Nicht alle davon waren glücklich, schließlich hatte hier das erste Duell zwischen Atum und Kaiba stattgefunden, als Kaiba Großvater entführt und seinen blauäugigen weißen Drachen gestohlen hatte. Auch der Verrat der Big 5 und die anschließende Odyssee in der virtuellen Welt waren ihm nur allzu gut im Gedächtnis geblieben.


    Aber das Entscheidende war doch, dass Mokuba seinen großen Bruder wiederhatte, und dass Kaiba endlich Freunde gefunden hatte, auch wenn er nach wie vor sein Bestes gab, um diese Tatsache zu leugnen.



    Aibô,


    Ich hoffe, das Kino im Kaibaland ist rechtzeitig fertig geworden, dann müsste es jetzt März sein, wenn du diesen Brief erhältst.


    Es ist gut zu wissen, dass Kaiba und Mokuba immer noch so eifrig an ihrem großen Traum arbeiten. Jeder braucht Träume, um im Leben voranzukommen, und die Schwierigkeiten zu überwinden, die auf ihn warten. Mein Traum war es immer, etwas über mich selbst und meine Vergangenheit herauszufinden und auch ich bin diesem Traum schon ein ganzes Stück näher gekommen. Wenn du diesen Brief liest, werde ich ihn erfüllt haben.


    Was hast du für Träume, Yûgi? Und nein, damit meine ich nicht nur die Universität, die du besuchen möchtest? Träumst du davon, die Welt zu bereisen? Oder sind es kleine Dinge wie schöne Nachmittage mit deinen Freunden und deiner Familie? Jeder Traum ist wichtig. Man kann vielleicht nicht jeden einzelnen davon erfüllen, aber wer nicht aufgibt und seine Ziele nicht aus den Augen verliert, wird am Ende nicht mit leeren Händen dastehen.


    Du schaffst das, Yûgi! (An dieser Stelle bitte wieder die Cheerleader einfügen :-) )



    Bis dann,


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    ~ * ~



    Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 227: Letter Part III – Boku no Monogatari hajimaru


    Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 227: Letter Part III – Meine Geschichte beginnt


    Der zweite Teil der Episode folgt dieses Wochenende (25-27 Nov.) :)

  • 2. Teil der Episode:



    Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 227: Letter Part III – Boku no Monogatari hajimaru


    Yu-Gi-Oh! Duel Monsters Episode 227: Letter Part III – Meine Geschichte beginnt



    ~ * ~



    April


    Das Rauschen des Windes übertönte das Lachen und Schwatzen aufgeregter Duellanten, die sich scharenweise unten im Burghof tummelten. Klein sahen sie von hier oben aus, viel zu klein. Und doch schlug in jedem von ihnen ein tapferes Duellantenherz und alle waren sie voller Träume, Wünsche und Hoffnungen auf dieses Turnier gekommen.


    Wie damals vor zwei Jahren, hatte Pegasus die Ansammlung von Feiertagen in der Goldenen Woche dazu benutzt, um auf seiner Insel ein Turnier zu veranstalten. Genau wie der KC Grand Prix sollte dieses Turnier jetzt regelmäßig einmal im Jahr stattfinden. Doch in Zukunft würden keine finsteren Pläne dahinterstecken. Ab jetzt war es nur noch ein ganz normales Turnier, um den besten Duellanten zu ermitteln.


    Unter all den Duellanten befanden sich viele bekannte Gesichter. Jônouchi war natürlich da, auch Bandit Keith und Rebecca hatten die weite Reise aus America auf sich genommen, um ihre alte Rivalität zu erneuern. Insect Haga redete wichtigtuerisch auf eine Schar kleinerer Jungen ein, die ihm gebannt lauschten, Dinosaur Ryuzaki lieferte sich ein Spaßduell mit Esper Roba, Kajiki Ryota verspeiste genüsslich ein Fischsandwich, und Vivian Wong, die neben Mai und Rebecca die einzige weibliche Teilnehmerin zu sein schien, genoss die Sonne und die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde.


    Es überraschte Yûgi nicht besonders, dass Kaiba nicht antrat. Zwar hätte er problemlos teilnehmen können, da das Turnier nicht von der KC veranstaltet wurde, und er somit keine Doppelbelastung als Organisator und Duellant zu tragen hätte. Aber offenbar hatte Kaiba ebenso wie Yûgi selbst das Interesse an Turnieren verloren. Sie hatten alles erreicht, was man als Duellanten erreichen konnte und mussten sich nichts mehr beweisen.


    Das Einzige, was Kaiba nie geschafft hatte, war, Atum zu schlagen. Aber Atum war fort und Kaiba würde nicht mehr gegen ihn kämpfen können. Vielleicht war auch das der Grund für ihn, sich nicht mehr zu duellieren.


    “Beautiful view, nicht wahr, Yûgi-boy?”


    Pegasus war neben ihm an die Burgzinne getreten. Mit strahlendem Lächeln winkte er den Duellanten unten im Hof zu. Yûgi trat hastig einen Schritt zurück, er wollte nicht von allen angestarrt werden. Es war ihm unangenehm.


    “Kein Grund schüchtern zu sein, sie freuen sich doch, wenn sie dir zuwinken können. Allerdings hoffe ich doch stark, dass sie diese fürchterlichen lauten Dinger zu Hause gelassen haben. Dieses Getröte ist reines Gift für jedes Künstlerohr.“ Pegasus verzog angewidert das Gesicht und kräuselte dabei seine lange westliche Nase.


    “Kaiba-kun sagt, ein echter Duellant lässt sich von einem bisschen Lärm nicht beeindrucken,“ beeilte sich Yûgi zu erklären.


    “So, sagt er das?“ Pegasus lächelte amüsiert. “War das bevor oder nachdem sich die KC die japanweiten Vuvuzela-Rechte gesichert hat und sich an den Dingern eine goldene Nase verdient? Du bist zu naiv, Yûgi-boy. Was die Leute sagen, ist nicht immer das, was sie auch denken, ganz besonders im Geschäftsleben nicht.“


    “Wenn Sie meinen, Pegasus-san.“ Auch Yûgi sagte nicht immer alles, was er dachte und im Moment dachte er sich, dass er keine Lust auf diese Diskussion hatte. Er glaubte an das Gute in den Herzen der Menschen und diesen Glauben würde er sich auch nicht nehmen lassen.


    “Das war japanisch für: Lass den arroganten Schnösel doch reden,“ amüsierte sich Pegasus und nun musste Yûgi doch lachen. Manchmal konnte er nur schwer daran glauben, dass dieser Pegasus von heute und der verbitterte, von Hass und Dunkelheit besessene Mann aus der Vergangenheit wirklich ein und dieselbe Person waren. Dabei verstand er nun viel besser, was der Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen in der Seele anrichten konnte.


    “Und genau um diese Naivität beneide ich dich,“ fügte Pegasus hinzu und seine Stimme klang um einiges ernster. “Ich war verbittert und konnte meinen Verlust nicht akzeptieren. Du dagegen hast nicht den Glauben an die Menschen verloren.“


    Nein, das nicht. Aber als Yûgi an das Duell mit Raphael zurückdachte, erinnerte er sich daran, dass an jenem Tag auch er die Dunkelheit im eigenen Herzen überwinden musste. Solange sein anderes Ich noch bei ihm gewesen war, war er selbst das Licht und der Pharao die Dunkelheit gewesen. Aber nun, seit er fort war, erschien es Yûgi, als trüge er selbst nun beide Seiten im Herzen, Licht und Schatten.


    “Aber letztendlich ist es Ihnen gelungen, diese Dunkelheit zu überwinden,“ Yûgi wandte sich wieder an Pegasus. “Und das ist es doch, was zählt, nicht?“


    Pegasus nickte zustimmend. “Und einen, nicht geringen Teil davon, verdanke ich dir, deinen Freunden und natürlich dem Pharao. Ich hoffe, er sitzt irgendwo dort oben mit einem guten Glas Wein bei meiner Cynthia und die beiden schauen uns dabei zu, wie wir uns durch die Irrungen und Wirrungen des Lebens kämpfen.


    Ich weiß, dass es nicht einfach ist, Yûgi-boy. Aber dem Pharao ist es auch nicht gleichgültig, wie es dir geht. Er hat mir etwas gegeben, das ich heute an dich weiterleiten soll...“



    Aibô,


    erinnerst du dich an die kleine Aufgabe, die ich dir im Oktober gestellt habe? Schnapp dir einen Duellanten von der Straße und duellier’ dich mit ihm.


    Hast du sie erfüllt? Wie hast du dich dabei gefühlt? Hast du wieder die Freunde und die Aufregung verspürt, das Kribbeln im Bauch, wenn man eine gute Strategie im Kopf und die richtigen Karten auf der Hand hat? Und die Nervosität, wenn man nicht weiß, ob man als Nächstes die richtige Karte ziehen wird?


    Jetzt habe ich noch eine weitere Aufgabe für dich. In diesem Umschlag liegt ein Zugticket. Ich möchte, dass du nach dem Turnier in Bahn steigst und den Rest der Goldenen Woche an einem ganz besonderen Ort verbringst.



    Bis dann,


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    ~ * ~



    Mai


    Es hatte aufgehört zu regnen und Yûgi schloss für einen Moment die Augen, um die frische, klare Bergluft einzuatmen. Als er sie wieder öffnete, um die Landschaft um sich herum zu betrachten. schien es ihm, als wäre die Zeit stehen geblieben.


    Hier hatte sich wirklich nichts verändert im vergangenen Jahr. Die Reise selbst war ein wenig länger gewesen als er sie in Erinnerung hatte, da das Ticket eine günstigere Verbindung nutzte. Zuerst fuhr er mit dem Shikansen von Domino bis Sotogahama, einer der nördlichsten Städte der Hauptinsel Honshû. Von dort aus ging es mit der Kaikyô Linie durch den Seikan-Tunnel unter der Meerenge hindurch nach Hokkaidô, dann zur Hauptstadt Sapporo und schließlich mit verschiedenen Zügen weiter ins bergige Landesinnere der Insel.


    Doch der Bummelzug für das letzte Stück der Reise war genau derselbe gewesen, den er letztes Jahr benutzt hatte und als er diesen an der Endstation verließ, sah er sich von grünen Tälern und luftigen Berghöhen umgeben. Nun stand ihm noch ein etwa einstündiger Fußmarsch zum Ryokan bevor, der traditionellen Herberge, in der sie letztes Jahr übernachtet hatten.


    Der Ryokan lag auf halber Höhe des Nusakoro mit Blick auf das Tal. Letztes Jahr hatten Kaiba und Atum diesen Berg bestiegen, um sich hoch auf dem Gipfel zu duellieren. Es war ihr letztes Duell vor der Reise nach Ägypten gewesen und sie hatten mit Absicht diesen abgelegenen Ort gewählt, damit die Götterkarten nicht wieder für Stromausfälle und andere seltsame Phänomene sorgen konnten.


    Hier gab es kaum Anzeichen von Zivilisation, denn der nächste größere Ort war mehrere Stunden entfernt. Als hier vor Tausenden von Jahren die Ainu, die Ureinwohner das Land besiedelten, hatte diese Gegend vermutlich kaum anders ausgesehen. Heutzutage hatten sich die Ainu größtenteils mit den Yamato-Japanern vermischt, aber viele der Ortsnamen auf Hokkaidô griffen noch auf die alte Sprache zurück.


    Letztes Jahr hatte Kaiba den kompletten Ryokan gemietet, damit sie ungestört waren, aber dieses Jahr würden vermutlich noch andere Gäste hier ihre Ferien verbringen. Die Goldene Woche war für viele Geschäftsleute die einzige Zeit im Jahr, wo sie länger frei hatten und Urlaub mit ihren Familien machen konnten. Auch Yûgi’s eigene Familie war öfter zu dieser Zeit weggefahren, aber diesmal lohnte es sich nicht, da sein Vater sich auf einer Tagung befand.


    Umso überraschter war Yûgi, als er alles still und dunkel vorfand. Strom gab es hier nur bedingt durch einen eigenen Generator, aber es brannten auch keine Öllampen am Eingang oder im Haus. Yûgi ging um die Herberge herum zu der kleinen Wohnung von Frau Takemiya, der Besitzerin des Ryokan und war sichtlich erleichtert, als er dort Licht brennen sah. Er hatte schon befürchtet, dass irgendwas nicht in Ordnung war.


    Als er näher trat, konnte er hinter dem dünnen Papier der Schiebetüre die Konturen von Frau Takemiya und ihrem Ehemann erkennen, die im Flur standen. Und da war noch eine dritte Gestalt...


    “...Sie werden schon bald erkennen, dass das die richtige Entscheidung ist.“ Die Stimme des fremden Mannes klang dunkel und sehr förmlich. “Es handelt sich schließlich um ein äußerst großzügiges Angebot.“


    “Bitte ersparen Sie uns und sich selbst diese Floskeln.” Mit solch ausdrucksloser Stimme hatte Yûgi Frau Takemiya noch nie sprechen hören. Normalerweise war sie eine fröhliche und ausgeglichene Herbergsmutter, die stets ein offenes Ohr für die Wünsche ihrer Gäste hatte. Aber jetzt klang sie irgendwie – gebrochen. Es gab kein anderes Wort dafür.


    “Ich habe den Kaufvertrag gleich mitgebracht,“ kam der fremde Mann ohne weitere Abschweifungen zum Punkt. “Gibt es einen Ort, wo wir ihn unterzeichnen können?“


    “Bitte folgen Sie uns ins Wohnzimmer.“ Herr Takemiya klang nicht ganz so resigniert wie seine Frau, seiner Stimme war deutlich die unterdrückte Wut anzumerken.


    Kaufvertrag? Yûgi durchfuhr es siedend heiß, plötzlich verstand er, worum es hier ging. Die Takemiyas wollten ihre Herberge verkaufen? Aber warum in aller Welt sollten sie das tun? Sie liebten doch ihren Beruf.


    Strenggenommen ging es ihn natürlich nichts an, aber da war dieses unangenehme Gefühl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Und er würde herausfinden, was. Das war jedenfalls besser, als hier zu stehen und Gespräche zu belauschen.


    “Guten Abend, Takemiya-san,“ sagte er deutlich und ging einen weiteren Schritt auf den Eingang zu, so dass er nun im Licht stand. Nur einen Moment später wurde die Tür aufgeschoben, und überraschte Gesichter blickten ihm entgegen. “Yûgi-san,“ Takemiya erkannte ihn sofort, obwohl er erst einmal hier gewesen war. “Bitte komm doch herein, mein Junge. Ich habe versucht, dich zu erreichen, um die Buchung zu stornieren, aber deine Mutter sagte, du wärst bereits unterwegs; selbstverständlich darfst du heute hier schlafen und bekommst dein Geld rückerstattet. Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.“


    “Bitte, Sie müssen sich nicht entschuldigen.“ Yûgi wurde leicht rot vor Verlegenheit, als das Ehepaar sich ein ums andere Mal verbeugte. “Ich… uhm…“


    “Sie sind Mutô Yûgi-san, der König der Duellanten?“ Als die Takemiyas beiseitetraten, um Yûgi einzulassen, konnte er den fremden Besucher zum ersten Mal sehen. Vor ihm stand ein distinguierter Mann in einem dunklen Anzug, dessen Alter schwer auszumachen war. Sein Gesicht war nahezu faltenlos, aber sein schwarzes Haar bereits ein wenig angegraut. Trotz des spärlichen Lichts hielt er seine Augen hinter einer Sonnenbrille verborgen.


    “Ich freue mich, endlich Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen, Yûgi-san, auch wenn ich natürlich bedaure, dass diese Begegnung nicht unter angenehmeren Umständen stattfindet.“ Er verbeugte sich formvollendet und als er sich wieder aufrichtete, fiel Yûgi auf, dass sein Gesicht vollkommen glattrasiert war, bis auf einen schmalen dunklen Streifen in der Mitte des Kinns.


    “Ich bin Projekt Manager bei der Kaiba Corporation.“ Wie es üblich war, stellte er sich zuerst mit Firma und Beruf vor, bevor er seinen eigentlichen Namen nannte. “Mein Name ist Mokushi Akio Ishtar. Bitte nennen Sie mich Akio.“


    “Ich bin Mutô Yûgi und es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Bei dem Namen Ishtar wusste er sofort, wen er vor sich hatte, aber es war äußerst verwirrend, Isis‘ Ehemann ausgerechnet hier zu begegnen. “Entschuldigen Sie bitte meine Neugier, aber ich habe zufällig einen Teil des Gesprächs mitbekommen. Sind Sie wirklich hier, um den Ryokan zu kaufen?“


    “Nun, eigentlich möchte die Kaiba Corporation nur das Grundstück erwerben. Die Herberge wird, soweit ich weiß, abgerissen…“


    Das konnte dieser Mann nicht ernst meinen. Diese Herberge befand sich seit Generationen in Familienbesitz und die Takahashis hatten ihr ganzes Leben hier verbracht. Und jetzt sollte das einfach alles verschwinden? Wo sollte das Ehepaar hin? Welches Interesse konnte Kaiba überhaupt an diesem abgelegenen Grundstück haben?


    “Selbstverständlich werden die Besitzer äußerst großzügig für ihren Verlust entschädigt,“ fügte Mokushi -Ishtar hinzu. “Die Kaufsumme wird dafür sorgen, dass die Herrschaften Takemiya sich gemütlich zurücklehnen und ihren Lebensabend genießen können.“


    “Gemütlich zurücklehnen und dabei zusehen, wie Ihre Firma unser Lebenswerk vernichtet.“ Herrn Takemiya platzte nun doch der Kragen. Seine Frau legte ihm beruhigend eine Hand auf den Oberarm. “Reg dich nicht auf Liebling, es hilft ja doch nichts. Wenn wir nicht einwilligen, stehen wir am Ende mit leeren Händen da.“


    Das klang ja beinahe so, als hätte die Kaiba Coorperation Druck auf das Ehepaar ausgeübt. Es kann äußerst selten vor, dass Yûgi jemanden nicht mochte, aber er musste zugeben, dass Mokushi Akio Ishtar ihm immer unsympathischer wurde. Selbst wenn dieser Mann nur auf Anweisung von oben handelte. Oder vielleicht gerade weil.


    “Natürlich müssen Sie die Entscheidung treffen, aber letztendlich kann die Kaiba Corporation Sie nicht zwingen zu gehen.“ Nachdenklich blickte Yûgi nach draußen. Als er letztes Jahr hier gewesen war, hatten die Kirschbäume in voller Blüte gestanden. Dieses Jahr, bedingt durch das ungewöhnlich milde Wetter, war die Kirschblüte schon fast wieder vorüber. “Hat nicht Ihr Urgroßvater diese Bäume gepflanzt, Takemiya-san? Das haben Sie mir doch letztes Jahr erzählt. Lohnt es sich nicht, für die Dinge zu kämpfen, die man liebt?“


    Frau Takemiya blickte ebenfalls zu den schemenhaften Umrissen der knorrigen Bäume hinaus und Yûgi war erleichtert zu sehen, dass der gebrochene Ausdruck in ihrem Blick verschwunden war. Eine neue Entschlossenheit lag in ihren Augen. “Mokushi-san, wir haben unsere Meinung geändert. Bitte sagen Sie ihrem Chef, dass er uns nicht zwingen kann, zu verkaufen. Wenn ich Sie dann zur Tür begleiten dürfte…“


    “Mit Verlaub, meine Dame, Kaiba Seto anzurufen und ihm zu sagen, dass er irgendetwas nicht tun kann, ist vielleicht nicht unbedingt die klügste Vorgehensweise.“ Mokushi hatte sich Frau Takemiya zugewandt, aber dennoch glaubte Yûgi zu spüren, dass der Blick unter den dunklen Gläsern der Sonnenbrille auf ihn gerichtet war. “ Aber ich hätte einen Vorschlag zu machen, wie diese schwierige Situation vielleicht zu lösen wäre. “


    “Was meinen Sie damit?“ Yûgi bemühte sich, nicht allzu misstrauisch zu klingen, aber er wusste immer noch nicht, wie er diesen Mann einschätzen sollte. Trauen konnte man ihm jedenfalls nicht. Was hatte sich Isis nur dabei gedacht?


    Anstelle einer Antwort zog Mokushi ein ziemlich teuer aussehendes Handy aus der Tasche. “Kaiba-sama? Ich bedaure außerordentlich, Sie stören zu müssen, aber es gibt leider unerwartete Schwierigkeiten mit dem Grundstückskauf. Ich erbitte somit Ihre Erlaubnis, so wie wir es besprochen hatten, die Angelegenheit mit anderen Mitteln zu regeln. Gut, natürlich, wie Sie wünschen, Kaiba-sama.“


    “Was meinen Sie mit anderen Mitteln?“, knurrte Herr Takemiya misstrauisch. “Wagen Sie es ja nicht, meine Frau oder mich zu bedrohen!“ Er griff nach dem nächstbesten Gegenstand, einem alten Regenschirm und wedelte damit vor Mokushi’s Nase herum.


    “Das war selbstverständlich nie meine Absicht.“ Mokushi Akio steckte das Handy ein und trat einen Schritt zur Seite, um nach dem Aktenkoffer zu greifen, der hinter ihm gestanden hatte. Diesem entnahm er eine Duel-Disc. “Ich fordere Sie, Mutô Yûgi-san. Es wäre mir eine große Ehre und zugleich ein Vergnügen, meine Kräfte mit dem König der Duellanten höchstpersönlich zu messen.“


    “Nur damit ich das richtig verstehe.“ Frau Takemiya blickte zwischen Akio und Yûgi hin und her. “Sie wollen sich mit Yûgi-san duellieren, und falls er dieses Duell gewinnt, werden Sie fortgehen und uns nie wieder behelligen?“


    “Das haben Sie durchaus richtig verstanden, verehrte Dame.“ Mit leisem Klicken fuhr die Duel-Disc in Angriffsposition.


    “Und Kaiba Seto würde das anerkennen?“ fragte Herr Takemiya ungläubig.


    Noch bevor Akio die Frage bejahte, wusste Yûgi bereits, dass es darauf nur eine Antwort geben konnte. Kaiba würde weder sein Wort brechen, noch den Ausgang eines Duells in Frage stellen. Und er selbst hatte diesem Duell zugestimmt, wenn auch im Unwissen darüber, gegen wen sein Mitarbeiter antreten würde.


    Langsam wurden Yûgi einige Dinge klar. Zum einen dämmerte ihm allmählich ein Verdacht, was Kaiba für ein Problem mit dieser Herberge hatte. Dieser Ort war für ihn mit Erinnerungen verbunden mit denen er nicht mehr konfrontiert werden wollte. Und es genügte ihm nicht, einfach nicht mehr hierher zu kommen. Er wollte alles mit Stumpf und Stiel ausrotten. Genauso wie er damals jede Erinnerung an Gozaburo getilgt und sogar die Insel mit den alten Laboren und Produktionshallen der Kaiba Corporation in die Luft gesprengt hatte.


    Damals hatte es ihn nicht interessiert, ob durch sein unüberlegtes Verhalten menschliche Existenzen zu Schaden kamen und offenbar interessierte ihn das auch heute nicht. Sonst würde er nicht ohne zu zögern das Lebenswerk dieser Menschen vernichten. Dafür konnte auch ein großzügiger Kaufpreis nicht als Entschädigung dienen.


    Zum anderen fragte Yûgi sich, ob er Akio nicht doch falsch eingeschätzt hatte. Akio schien gar nicht wirklich daran interessiert, die Takemiyas von hier zu vertreiben. Er befand sich in der schwierigen Situation, dass er nicht gegen die Interessen seiner Firma handeln durfte, aber mit diesem Duell hatte er einen Ausweg gefunden, die Sache zu klären, ohne dass irgendjemand sein Gesicht verlor. Yûgi zweifelt nicht daran, dass Mokushi Akio ein ernst zu nehmender Gegner war, aber dennoch räumte er sich gute Chancen ein, dieses Duell zu gewinnen.


    Yûgi wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er eine Hand auf der Schulter spürte. Erschrocken wandte er sich um und blickte in das entschlossene Gesicht von Herrn Takemiya. “Wir sind bereit, dir unsere Sache anzuvertrauen, mein Junge. Du wirst ihn schlagen.“


    “Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, aber ich kann diesem Duell leider nicht zustimmen. Nicht in dieser Weise.“


    Yûgi wandte sich Akio zu. “Ich fühle mich durch Ihre Herausforderung geehrt, aber ich kann sie nicht annehmen, da Sie in dieser Angelegenheit der Mittelsmann sind. Kaiba-kun ist derjenige, der dieses Grundstück haben will, also soll er auch persönlich hierher kommen und dafür kämpfen. Bitte übermitteln Sie ihm das.“


    Akio nickte. “Ich verstehe.“ Erneut zückte er sein Handy und begann damit, Kaiba den Sachverhalt zu erklären.


    “Kaiba-kun!“ Yûgi konnte sich kaum noch daran erinnern, wann er zum letzten Mal jemandem ins Wort gefallen war. “Kaiba-kun, ich weiß, dass du mich hören kannst. Warum willst du diesen Menschen ihr Zuhause wegnehmen? Ich kann nicht daneben stehen und dabei zusehen, wie du das Lebenswerk ganzer Generationen zerstörst, nur weil du nicht in der Lage bist, mit deinen Erinnerungen umzugehen. Du bist nicht der einzige, dessen Erinnerungen hier sind! Und wenn ein Duell diese Sache entscheiden soll, dann werd‘ ich nur gegen dich persönlich antreten. Morgen früh zu Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Nusakoro! Bevor du es wagst anderen Schmerzen zuzufügen, solltest du dich zuerst deinem eigenen Schmerz stellen!“


    Yûgi entspannte seine Hände, die er, ohne es zu merken, zu Fäusten geballt hatte und atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen.


    “Yûgi-san? Yûgi-san?“ Erst einige Augenblicke später merkte er, dass Frau Takemiya das Wort an ihn richtete. “Geht es dir gut?“


    “Machen Sie sich keine Sorgen.“ Yûgi wandte den Kopf, als er ein leises Klicken und anschließendes Surren hörte. Akio hatte seine Duel-Disc abgeschaltet und war gerade dabei, sie wieder wegzupacken. “Offenbar wird mir heute leider nicht das Privileg zuteil, gegen Sie antreten zu dürfen, Yûgi-san. Ich hoffe, dass wir zu anderer Zeit dazu Gelegenheit haben werden.“


    “Kommt Kaiba-kun etwa hierher?“ fragte Yûgi ungläubig. Würde Kaiba wirklich über seinen Schatten springen und sich seinen Erinnerungen stellen?


    “Kaiba-sama hat mich soeben darüber informiert, dass er, ich zitiere: ‘nicht das geringste Interesse an einem solch lächerlichen und unbedeutenden Grundstück hat.‘“ Akio schwieg einen Moment während sich die Takemiyas erleichtert in die Arme fielen. “ Nun, wie es scheint, ist mein Auftrag hier erledigt und ich darf mich verabschieden. Einen schönen Abend, die Herrschaften.“


    In der Tür wandte er sich noch einmal zu Yûgi um. “Was für ein bemerkenswerter Zufall, dass Sie ausgerechnet heute hier Ferien machen. Auf Wiedersehen, Mutô Yûgi-san.“


    War das ein Zwinkern hinter der Sonnenbrille gewesen? Hatte Akio am Ende geplant, hier auf ihn zu treffen und somit den Takemiyas zu helfen. Aber er konnte doch nicht gewusst haben, dass Yûgi heute hier sein würde, oder doch? Gut, Yûgi hatte es natürlich seiner Familie und seinen Freunden erzählt und wenn irgendjemand von ihnen in der letzten Zeit mit Isis gesprochen hatte… aber nein, das war zu unwahrscheinlich. Sicher war das alles nur ein Zufall.


    “Ich weiß nicht, wie wir dir danken sollen, Yûgi-san.“ Das strahlende Lächeln auf den Gesichtern der Herbergseltern war eigentlich schon Dank genug. Aber zu einer heißen Tasse Tee würde er natürlich auch nicht nein sagen.


    “Setz dich doch für einen Moment ins Wohnzimmer, mein Mann bringt dir gleich etwas Warmes zu trinken. Ich mache währenddessen dein Zimmer fertig. Oh, bevor ich es vergesse, möchtest du das Dokument abholen, das du mir letztes Jahr zur Aufbewahrung gegeben hast?“



    Aibô,


    ich schreibe diese Zeilen im Steingarten hinter dem Teehaus. Wusstest du, dass dieser Garten aus genau sieben Steinen besteht, dass man aber niemals alle sieben gleichzeitig sehen kann. Egal, an welchem Ort man sich befindet, man kann nie mehr als sechs auf einmal erkennen. Das ist ein Symbol dafür, dass es immer Dinge gibt, die uns verborgen bleiben.


    Den Kirschgarten kann ich von hier aus nicht sehen, aber der Geruch der Blüten liegt überall in der Luft. Ich blicke hoch zum Gipfel des Nusakoro, hinter dem langsam die Nachmittagssonne versinkt. Dieser Ort trägt die Erinnerung an das letzte Duell zwischen Kaiba und mir und damit auch die Erinnerung an alle anderen Duelle die wir gegeneinander ausgetragen haben. Denn jedes Duell zwischen uns war in gewisser Weise eine Fortsetzung des vorigen Kampfes.


    Damals auf dem Duel Tower sagte ich zu Kaiba, wir wären uns ebenbürtig, aber heute wird mir klar, dass diese Aussage nicht ganz zutrifft. Als ich einige Monate später vor der Wahl stand, das Siegel von Orichalcos zu benutzen, habe ich trotz deiner Warnung die Karte eingesetzt, in der Hoffnung meine Niederlage noch abwenden zu können.


    In meiner Überheblichkeit und Arroganz habe ich geglaubt, ich könne die finsteren Kräfte kontrollieren, die Orichalcos mit sich bringt, anstatt. mich auf meine eigene Stärke als Duellant zu verlassen. Kaiba dagegen hat in einem Duell auf den Sieg gegen mich verzichtet, als er erkannte, dass die Pyramide des Lichts ebenfalls mit finsteren Kräften arbeitet. Obwohl er immer wie besessen von dem Gedanken war, mich zu besiegen und obwohl er nur noch einen einzigen Zug von seinem Ziel entfernt war, wollte er keinen Sieg annehmen, den er nicht mit eigenen Kräften errungen hatte. Anstatt mich anzugreifen, versuchte er, die Pyramide des Lichts zu zerstören, um die dunkle Magie aus unserem Duell zu verbannen.


    Vielleicht fragst du dich, warum ich nicht auch ihm Briefe hinterlassen habe. Aber wahrscheinlich kennst du die Antwort darauf schon, er würde sie nicht lesen. Er würde sie ungeöffnet vernichten, denn er glaubt nicht an die Gefühlsbande, die durch gemeinsame Erinnerungen entstehen. Erinnerung ist ihm zuwider, sogar mehr noch als Freundschaft oder Magie. Sein ganzes Denken ist immer nur auf die Zukunft gerichtet.


    Und er würde niemals zulassen, dass ihm ein anderer dabei hilft, seinen Schmerz zu tragen. Dafür ist er zu stolz.


    Ich bin froh, dass ich inzwischen erkannt habe, dass es nicht Schwäche, sondern Stärke ist, die Hilfe anderer anzunehmen. Hier in der Natur kann man richtig spüren, wie alle Kräfte ineinandergreifen. Das Wasser formt die Steine, die Steine formen das Gebirge und halten die Erde fest, damit hier Pflanzen wachsen können. Die Kirschblüten fallen zur Erde und sterben, was natürlich traurig ist, weil sie ihre Schönheit verlieren. Aber dadurch können erst die Kirschen reifen und Kirschen sind lecker. Es hat also alles seinen Sinn.


    Die Erinnerungen an diesen Ort gehören natürlich nicht nur Kaiba und mir, sondern ebenso dir. Ich hab‘ mit Absicht so lange gewartet, bis ich dich hierher schicke, damit die Trauer über unseren Abschied nicht mehr so frisch ist. Ich denke, jetzt bist du soweit, dass du diesen Ort besuchen und diese wunderschönen Erinnerungen genießen kannst, ohne dabei traurig zu werden. Ein bisschen melancholisch vielleicht, aber nicht mehr traurig.


    Genieß‘ die Kirschblüte, die Spaziergänge, den Tee und die heißen Quellen. Und mach einfach mal Ferien. :-)



    Bis dann,


    -----------



    ~ * ~



    Juni


    Es waren Sonnenstrahlen, die ihn weckten, die Sonnenstrahlen, die durch sein Dachfenster ins Zimmer fielen und ihn an der Nase kitzelten.


    Yûgi unterdrückte ein Niesen und blinzelte verwirrt in den neuen Morgen. Seltsam, er fühlte sich gar nicht anders als gestern. Und dabei war heute doch ein ganz besonderer Tag.


    Wie schön, dass dieser Tag ausgerechnet auf einen Samstag fiel. Keine Schule heute, stattdessen ein gemütliches Frühstück mit der Familie, und abends Party mit seinen Freunden. Obwohl er seine Freunde nun schon eine Weile hatte, erschien es ihm immer noch wie ein kleines Wunder. Früher hatte er nur seine Spiele gehabt und nur Großvater oder Mutter, die sie mit ihm spielten. Dann war Anzu dazu gekommen und jahrelang hatte es ihm genügt, nur eine einzige Freundin zu haben.


    Bis er irgendwann gemerkt hatte, was er vermisste. Hatte wirklich das Millennium-Puzzle seinen Wunsch nach Freunden erfüllt oder war es letztendlich er selbst gewesen, der sich den anderen als guter Freund erwiesen hatte. Er wusste es nicht und es spielte auch keine Rolle mehr. Er hatte echte Freunde – und es gab doch nichts Besseres im Leben.


    Eigentlich war es noch zu früh, um an einem Samstag aufzustehen, aber Yûgi fühlte sich jetzt wach und wollte den Tag beginnen. Er schwang die Beine aus dem Bett und suchte Klamotten zum Anziehen zusammen. Von unten drang bereits der köstliche Duft von heißem Tee in seine Nase. Schnell warf er sich eine Hose und ein T-Shirt über, schlüpfte barfuss in die Hausschuhe und lief nach unten, zu Großvater und Mutter. Vater hatte es leider nicht geschafft, den Tag frei zu bekommen, aber er hatte Yûgi eine Glückwunschkarte geschrieben, die neben seinem Teller lag.


    Als Yûgi nach dem Frühstück und nach einer ausgiebigen Dusche in der untersten Schublade der Kommode nach Socken wühlte, fiel ihm wieder ein, dass es jetzt eigentlich Zeit war, einer alten Tradition zu frönen. Socken-Memory. Es war eins von den vielen Spielen, die er als kleiner Junge erfunden und regelmäßig gespielt hatte. Später, als er älter wurde, spielte er es nur noch an seinen Geburtstagen um der alten Zeiten willen.


    Kurzerhand räumte Yûgi alle Socken aus der Kommode, faltete sie auf und begann sie überall im Zimmer zu verteilen. Einige Socken waren bunt, also würde es nicht schwer sein, die passenden Paare wieder zusammenzubringen. Aber bei den schwarzen und weißen Socken würde es immer noch eine Herausforderung sein.


    Als die Schublade vollkommen leergeräumt war, kam dort ein kleiner weißer Umschlag zum Vorschein. Yûgi zog die Stirn kraus, konnte Atum sich wirklich gemerkt haben, dass sein Geburtstag der einzige Tag war, an dem diese Schublade komplett leer war? Hastig faltete er den Umschlag auf.



    Aibô,


    Morgen fliegen wir nach Ägypten und ich weiß, dass ich nicht mehr hierher zurückkommen werde. Aber bis du diesen Brief liest, wird noch ein weiteres Jahr vergehen.


    Es fällt mir schwer, meine Gedanken in Worte zu fassen, denn Worte waren zwischen uns niemals notwendig. Aber nun muss ich das tun, muss Worte finden für all die Dinge, die uns ohne Worte verbanden, als wir noch zwei Seelen in einem Körper waren.


    Du hast mich gelehrt, dass wahre Stärke aus der Sanftmut entsteht. Du hast mich gelehrt, dass Vergebung wichtiger ist, als Vergeltung. Du hast mich so vieles gelehrt und dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Du bist der stärkste Duellant, dem ich jemals begegnet bin und es war mir eine Ehre, dass ich die Straße der Duellanten ein Stück mit dir gemeinsam gehen durfte.


    Aber jetzt ist es an der Zeit, dass du deinen Weg ohne mich weitergehst und deswegen ist dies auch mein letzter Brief an dich. Ich weiß, du schaffst das. Ihr schafft das, du und unsere Freunde. Denn du bist Yûgi, der einzige Yûgi auf dieser Welt.


    Dies ist nicht die Geschichte eines Pharaos, denn jeder von uns hat seine eigene Geschichte. Eine Geschichte, die im Licht enden wird.


    Und deine Geschichte hat gerade erst begonnen.



    Bis dann,


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    P.S. Alles Gute zum achtzehnten Geburtstag, Aibô.



    “Yûgi? Hey, Yûgi!“


    Yûgi’s Hände ließen das Blatt sinken und er wandte sich zur Zimmertür. Jônouchi lehnte am Türrahmen, ein leicht gekränkter Ausdruck auf seinem Gesicht. “Ich hab’ dich jetzt schon dreimal begrüßt, mich fünfmal über dieses Sockenchaos gewundert und dich mindestens zehnmal gefragt, was wir alles für die Party vorbereiten müssen. Aber du merkst ja nicht einmal, dass du überhaupt Besuch hast, du verplantes Geburtstagskind!“


    “Tschuldigung, Jônouchi.“ Yûgi ging zum Schreibtisch hinüber und rückte ihn ein Stück von der Wand weg, damit er Atum’s letzten Brief zu den anderen ins Geheimfach legen konnte. Irgendwann würde er sich die Zeit nehmen und alle Briefe noch mal in Ruhe durchlesen.


    Aber nicht heute. Entschlossen rückte er den Schreibtisch an seinen Platz zurück, wischte sich die letzten Spuren der Tränen aus den Augen und wandte sich dann Jônouchi zu. “Einkaufen gehen wir später, wenn Anzu und Honda hier sind, aber Anzu hat gemeint, wir sollen schon mal eine Liste machen, was wir alles an Essen, Getränken und Deko brauchen. Und du kannst dich erst mal gemütlich hinsetzen und mir dabei zugucken wie ich das Sockenchaos wieder aufräume und mir anschließend helfen, die Tatami-Matten im Zimmer auszubreiten. Da sitzen wir dann bequemer als auf dem Boden und heute Nacht können wir darauf schlafen.“


    “Klar, kein Problem.“ Wie erwartet, ließ Jônouchi ein paar Sprüche über das Socken-Memory los, aber es waren gutmütige Witze und am Ende ließ er sich sogar von Yûgi’s Begeisterung anstecken und half ihm, die letzten Paare zu finden. Danach ging es ans Mattenschleppen.


    Sie stapften zum Stapel hinüber und hoben die erste Matte an. “Was ist eigentlich mit den Mädchen?“ fragte Jônouchi misstrauisch und schubste die Matte in die Ecke. “Wo sollen die schlafen?“ Yûgi konnte ihm an der Nasenspitze ansehen, dass ihm der Gedanke nicht behagte, seine Schwester eine ganze Nacht lang mit Honda und Otogi im selben Raum zu wissen.


    “Keine Sorge. Anzu und Shizuka schlafen nicht bei uns auf den Matten, sie kriegen natürlich das Bett. Für zwei Leute reicht der Platz und mehr Mädchen kommen nicht. Miho ist ja immer noch in Amerika und Rebecca wohnt sowieso dort. Wäre ein bisschen weit für eine Party.“


    “Ach so.“ Weitere Matten folgten der ersten. “Und... na ja... nicht, dass mich das irgendwie interessieren würde, aber... was ist mit Mai?“


    Yûgi schmunzelte über Jônouchi’s betont gelangweilten Gesichtsausdruck. “Wir haben leider keine E-Mail oder Postadresse von ihr, aber ich hab’ ihr eine Nachricht im KCDN geschickt. Allerdings, als ich heute morgen nachgesehen habe, war die Nachricht noch im Postausgang, also glaub’ ich nicht, dass sie sie gelesen hat.“


    “Wie gesagt.“ Jônouchi verpasste der letzten Matte einen kräftigen Tritt. “Nicht, dass mich das auch nur im Geringsten interessieren würde...“


    Erneut musste Yûgi grinsen, aber er zog es vor, diesen Satz unkommentiert zu lassen.


    “So, alles an seinem Platz.“ Zufrieden blickte Jônouchi sich im Raum um. “Wie viel Zeit haben wir denn noch bis Honda und Anzu hier sind?“ wollte er unvermittelt wissen.


    “Etwa eine halbe Stunde, warum fragst du?“ Yûgi blickte auf die Uhr, um sich zu vergewissern. “Nein, Jônouchi, das geht nicht, wir wollten doch noch den Essensplan und die Einkaufsliste für heute Abend machen...“


    “Ach komm schon!“ Jônouchi setzte seinen Hundeblick auf. “Nur ein ganz ganz kurzes!“


    “Na gut.“ Yûgi ließ sich erweichen. “Aber nur ein kurzes!“


    Für eine Weile sagte keiner ein Wort, sie grinsten sich nur gegenseitig an.


    Dann schrieen beide im selben Moment los: “Duell!“


    Tsuzuku... (to be continued)



    Ending Song



    Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.
    Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Keiner weiß, warum du heute spielst.
    Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.


    Dein Herz, ist allen stets ein Zeichen,
    ein strahlend goldnes Licht
    Wahrheit, schaut dir in deine Seele,
    und tief in dein Gesicht.


    Deine Hand, hält alles Schöne fest,
    wir greifen nach den Sternen.
    So komm mit mir, es ist soweit, wir glauben an die neue Zeit
    Unser Weg ist noch unendlich weit...


    Keiner weiß genau, wie du dich fühlst.
    Keiner weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Keiner weiß, warum du heute spielst.
    Keiner weiß, was dich durchs Leben trägt.


    Dein Blick, lässt mich tiefer schauen
    als jeder Ozean
    Hoffnung sagt, wir können's schaffen,
    wir fangen es gemeinsam an.


    Freundschaft weiß genau, wie du dich fühlst.
    Freundschaft weiß, wofür dein Herz noch schlägt.
    Freundschaft weiß, warum du heute spielst.
    Freundschaft weiß, was dich durchs Leben trägt.
    Freundschaft ist’s, was dich durchs Leben trägt.





    In der nächsten Folge erwartet uns...


    Oh, diese Jungs! Da sollen sie eine Party vorbereiten und was tun sie stattdessen? Sich duellieren! Gibt es denn nichts Wichtigeres als diese ewigen Karten? Eine gehörige Standpauke werden sie bekommen, wenn ich sie dabei erwische!


    Aber was wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wissen können ist, dass sich an einem anderen Ort etwas zusammenbraut. Im Steinkreis der verlorenen Seelen führt eine Priesterin ein geheimnisvolles Ritual durch und ruft Duellanten aus längst vergangenen Zeiten zu einem seltsamen Wettstreit herbei. Mehr darüber gibt es in der nächsten Folge: Yûjô no Duel – Yûgi tai Jônouchi! (Das Duell der Freundschaft, Yûgi vs. Jônouchi)


    Duel Standby!

  • Hallo Blue-Eyed Kisara


    Ich bin beim durchschauen von eTCG auch hier gelandet, und diese Geschichte hat mich richtig gefesselt. Ich habe die Serie zwar nie intensiv gesehen, aber deine Fortsetzung ist echt super.
    Die Erwähnung der Vuvuzelas fand ich jedoch ein wenig unpassend. Da vermischt du die Fußball-WM mit deiner Geschichte, und das finde ich nicht gut.
    Lachen musste ich allerdings bei dem Socken-Memory, denn genau das hat meine Mutter immer mit mir und meinen Brüdern gespielt, nachdem die Waschmaschine immer nur einzelne Socken ausgespuckt hat xD
    Und natürlich bin ich richtig gespannt auf die Position der Koa'ki Meiru, da ich diesen Archetypen selber sehrsehr gerne spiele.


    :daumen:

  • Hallo Blue-Eyed Kisara,


    ich habs dir ja angedroht versprochen, nun kommt endlich dein beziehungsweise euer wohlverdienter Post. ^^


    Um mal gleich das Wichtigste vorweg zu nehmen: ich find eure sechste Staffel bisher sehr gelungen. Es fühlt sich wirklich an, als wäre es eine Fortsetzung der Serie und auch wenn es ein paar Kleinigkeiten gibt, bei denen ich kritteln muss, habt ihr bisher einen wirklich guten Job gemacht. Hut ab.


    Die Idee hinter den Briefen finde ich sehr gelungen. Wenn man jemand sehr Wichtiges verliert, fällt es sehr schwer, wieder in die Realität, ins Alltagsleben zurückzufinden. Yugis Kampf habt ihr dabei sehr schön dargestellt, denn er hat ja mehr oder weniger seinen Seelenverwandten verloren. Dass die Welt zwei Wochen später nicht eitel Sonnenschein ist, versteht sich von selbst. Als sein Freund hat Atum damit gerechnet und es ist verständlich, dass er als mehr oder weniger Sterbender versucht, Yugi die Last des Verlustes nachhaltig zu mindern.
    Und dass Yugi sich in seiner Trauer sogar dazu hinreißen lässt, Atums Frieden zu stören, vertieft seinen Charaker, denn es ist trotz seines Verlustes selbstsüchtig. Den Stil, über Monate hinweg ein Jahr darzustelllen habt ihr meiner Ansicht nach gut gewählt, es zieht sich nichts in die Länge und gewährt einen guten Einblick in Yugis Verarbeitungsprozess, der zunächst seinen Klimax im Duell gegen Raphael findet. Sehr gut find ich hier die Einbindung von Raphael und dem Ort der Seelen. Raphael wird von euch sehr gut und ausgiebig behandelt, nicht weniger als Yugi. Und er ist auch wirklich die ideale Wahl, um Yugi auf den rechten Weg zurück zu führen. Allerdings wäre es gut gewesen, bevor das Duell startet, noch einmal seinen Namen fallen zu lassen, denn manche werden sich wundern, woher Yugi ihn kennt, denn die Doma Arc kam im Manga ja nie vor. Obwohl die meisten eher den Anime kennen, schätz ich.


    Das Duell habt ihr sehr schön inszeniert. Beide Seiten hatten einen guten Grund zu kämpfen, es war dramatisch und emotional. Da kann man locker über die 6 Duellfehler hinweg sehen, die ich über die zwei Folgen bemerkt habe. Zu denen komme ich später nochmal.
    Jedenfalls hat das Duell sehr gut das Serienfeeling wiedergegeben, etwas, das in einer Zeit voller Judgment Dragons, Dark Armed Dragons und haste-nich-gesehen sehr vermisst wird. Das Duell hier war kein gegenseitiges Gekloppe von immer stärkeren und besseren Monstern, sondern von Persönlichkeiten und ihren Strategien sowie der Verbindung zu ihren Karten. Sehr gut, wirklich, besonders weil jeder Zug von den Gedankengängen des jeweiligen Spielers begleitet wurde und nicht einer allein die ganze "Screentime" bekommen hat.
    Ihr habt zudem die symbolischen Karten punktgenau gesetzt, was ebenfalls gut zur Atmosphäre beiträgt. Das Duell war spannend.


    Sehr witzig fand ich auch die Öffnung eines Ancient Sanctuary-Boosters - ja, ich weiß, AST ist hierzulande aus zwei Editionen aus Japan zusammengesetzt, aber ich kenn die Karten eben nur als AST. Dass Yugi zu jeder der Karten einen Bezug seiner Freunde gefunden hat, fand ich toll. Aber es ist nachvollziehbar, dass ihr euch nicht an die reale Verteilung der Karten halten könnt, nicht, wenn ihr Core Chimails einbauen möchtet, die ja erst zu 5D's-Zeiten eingeführt wurden. Was mich widerum zu einem ersten Kritikpunkt führt. Ihr benutzt immer die Originalnamen (nein, das ist nicht der Kritikpunkt, das find ich okay), aber bei den Koa'kis nehmt ihr die westliche Variante, siehe z.B. deine Signatur? Wie gesagt, in Japan nennen die sich Core Chimails. Wenn ihr euch für die OCG-Namen entscheidet, tut es doch bitte im Sinne der Einheitlichkeit für alle Karten. ^^
    Ebenso cool waren all die Referenzen auf die einzelnen Staffeln des Animes, ja sogar des grässlichen zweiten Films. Okay, ich fand ich jetzt nicht so schlecht, auch wenn er eigentlich total fehl am Platz und unlogisch war. XD


    Was ich mir übrigens wünschen würde wäre, dass ihr vielleicht in den Startpost eine Liste mit Original und Dub-Namen macht, da sicherlich viele nicht wissen werden, wer Honda und Otogi sind. Ihr gebt ja auch immer so kleine Hintergrundinfos am Ende jedes Kapitels, was ich sehr cool finde. Vielleicht bestünde da auch die Möglichkeit, den Manga und Anime zu vergleichen? Viele wissen sicherlich auch nichts bezüglich Bakuras toter Schwester.


    Also insgesamt Hut ab, ihr macht eure Sache gut. Allerdings, ich habs ja angedroht, gibts auch ein paar kleinere Kritikpunkte zu vermelden.


    Fangen wir bei dem Geist an, der Yugi geplagt hat. Es hat gut angefangen, aber leider hat man schnell gemerkt, dass er nicht aus der Eindimensionalität herauskommen wird. Klar, das ist der Ort wütender Geister, aber ich hätte etwas mehr von ihm erwartet bezüglich seines Charakers, nachdem ihr Yugi und Raphael ja sehr gut dargestellt habt. Dann dieses kindliche "nana nana nana", das hat für mich ein Stück weit sogar die Stimmung gekillt, weil ich ihn nicht mehr ganz ernst nehmen konnte. Zwar hat es sich wieder gesteigert mit seinen Versuchen, Yugi Angst zu machen, aber all das waren die typischen Mittel böser Mächte, um den Protagonisten in sein Verderben zu stürzen. Aber seid beruhigt, ich finds nicht schlimm, es hat ja im Großen und Ganzen gepasst. ^^


    Die nächste Kleinigkeit wäre Jonouchis Einladung zum Kaiba Grand Prix. Wenn man bedenkt, dass Kaiba ihn damals nicht im Battle City haben wollte, ist es schwer vorstellbar, dass er ihn hierzu einlädt. Andererseits hat er ja auch beim ersten mitgemacht. Da ich leider auch nur die Dub-Version größtenteils gesehen habe, besteht die Möglichkeit, dass ich wichtige Details nicht kenne. Dennoch ist es für mich schwer vorstellbar, dass Kaiba ihn einlädt, sowohl hier, als auch im Original.
    Er wurde ja dann später als Vizemeister betitelt, was wohl heißt, dass Mai ihn besiegt hat? Mai? Die in der Serie aus gefühlten zehn Duellen höchstens eins gewonnen hat? Looool! Aber ich versteh die Notwendigkeit dahinter. Und jetzt sagt bitte nicht, dass Keith am Ende noch derjenige war, der als Zweiter im Finale stand! Der Typ ist einfach nur grässlich!


    Kommen wir zum Trailer. Jap, der steht in der Kritik-Kategorie. Ich bin mir sicher, dass ihr euch bei seiner Anfertigung Mühe gegeben hat, aber ... er ist nicht wirklich ansprechend. Das ist natürlich rein subjektiv, aber ich find die Bilderwahl sehr ungeschickt. In einen Trailer zu einem Anime passen keine Real Life-Aufnahmen. Bei den ausgeschnittenen Elemente-Symbolen hat man deutlich Pixel gesehen, zumal sie wirklich nur vor den Hintergrund geklatscht worden sind, ohne ersichtliche Bearbeitung. Nicht gut, das wirft echt einen Schatten auf euer sonst hohes Niveau.
    Allerdings, auf der positiven Seite, gibt er einen netten, interessanten Einblick auf Kommendes, was ja der Sinn eines Trailers ist. Den hat eurer auch erfüllt.
    Aber wie gesagt, rein visuell gesprochen, nah ... eher nicht. Aber dennoch meinen Respekt dafür, dass ihr euch daran versucht habt. Doch manchmal ist weniger mehr. ^^'


    Sonst ist mir noch aufgefallen, dass ein paar Mal Anführungszeichen, Buchstaben oder Satzzeichen vergessen worden sind. Nix Schlimmes aber, die Rechtschreibung und Grammatik ist ansonsten sehr gut, wie auch die Wortwahl.
    Bevor ich jetzt zu den Kritiken und Verbesserungsvorschlägen hinsichtlich der Duelle komme, muss ich leider noch meinen größten Kritikpunkt ansprechen, den einzigen, der mich wirklich unzufrieden gestimmt hat.


    Atum.


    Beziehungsweise seine Briefe. Die Qualität dieser schwankt dramatisch.
    In den meisten kann ich mir wirklich vorstellen, dass da Atum schreibt. Allerdings gab es 2-3 Briefe, bei denen ich ihn extrem Out of Character fand an manchen Stellen. Ich meine, er will Yugi mit PompoNs (!) aus dem Jenseits anfeuern? Mit Verlaub, das passt nicht zu Atum. Oder dann, dieses "Chearleader einfügen", was ja nun eher der Sprechweise eines europäischen Fanficschreibers entspricht, denn der eines 3000 Jahre alten Pharaos. Smileys kann ich mir mit zugedrücktem Auge noch vorstellen, aber besagte Beispiele gingen mir dann doch etwas zu weit.


    Dann meine Frage: wie seid ihr auf Atum gekommen? Ich dachte bisher immer, der heißt im Japanischen Atemu? Oder ist das Atemu ausgesprochen, wie Sasuke als Saske ausgesprochen wird?


    Ansonsten schließe ich mich Sam Greys Kritik bezüglich der Vuvuzelas ohne weitere Ausschweifungen an, das passt einfach nicht, da die Vuvus zu der Zeit längst nicht so bekannt waren wie heutzutage durch die WM. War sicher als Gag gut gemeint, aber knapp "15 Jahre zu früh", wenn wir die YGO-Timeline berücksichtigen.


    So, jetzt kommen wir "endlich" zu den Verbesserungsvorschlägen bezüglich der Duelle.
    Also als Erstes, was ich ganz wichtig finde: wenn sich die ATK oder DEF eines Monsters ändert, wäre es doch schön, wenn man das irgendwie darstellen könnte, am besten abseits des Erzähltextes. Gerade bei einem Duell mit vielen Ausrüstungszaubern verliert man schnell den Überblick, wie die Werte zurzeit stehen. Und wer, anders als ich, die Wächterkarten nicht gut kennt, weiß überhaupt nicht, wie stark gerade welches Monster ist. Da besteht wirklich erheblicher Verbesserungsbedarf. Selbes gilt auch die LP-Werte, die man bei jeder Änderung anpassen sollte, nicht erst am Ende eines Zuges. Ihr habt euch da nämlich auch an einer Stelle total verhaspelt, dazu komme ich gleich noch.
    Genauso wie der irreführende Begriff "Zauberfallen". So was gibts nicht, auch falls das japanische Original eventuell diesen Begriff verwendet hat, wovon ich allerdings nichts weiß. Entweder Zauber ODER Falle, aber niemals beides zusammen. Wenn Yugi eine Karte setzt, kann man das auch so beschreiben. Da kann man als geneigter Leser sonst echt durcheinander kommen.


    Ansonsten hat man ja gemerkt, dass ihr die Effekte aus dem Anime verwendet beziehungsweise bestehende Effekte so verändert, dass sie zu der Situation passen. Deswegen liste ich bei den Duellfehlern auch nur die Dinge auf, die nicht in oben genannte Kategorie fallen. Ursprünglich sind mir sechs aufgefallen, bis ich gemerkt hab, dass einige davon wohl Absicht sind. Drum liste ich nur vier auf, von denen ich denke, dass sie nicht dazu gehören.


    #1: Kuriboh. Soweit ich weiß, hat der auch im Anime nie die Fähigkeit gehabt, Monster vor der Zerstörung zu bewahren, sondern nur den erlittenen Kampfschaden auf 0 zu setzen. Kuriboh funktioniert NICHT wie Waboku. Das erste rote Gadget hätte also zerstört werden müssen.
    #2: Guardian Baou bekommt pro zerstörtes Monster einen Boost von 1000. Ihr habt nur 500 benutzt, vielleicht aus Absicht, sicher bin ich mir jedoch nicht und erwähne es deswegen lieber.
    #3: Der erste von zwei LP-Fehlern. Als Baou mit 1800 ATK angegriffen wird vom Dark Magician (2500 ATK), hat Raphael 2200 LP. Nach Adam Riese hätte Raphael nach dem Angriff noch 1500 LP haben müssen, doch warum auch immer habt ihr ihn gleich auf 1000 LP fallen lassen. Dafür gibt es keine Erklärung und mit Baous eigentlichem Effekt hätte jener zu der Zeit sogar 2300 ATK gehabt, sodass Raphael gar nur auf 2000 LP gefallen wäre.
    #4: Noch ein LP-Fehler, der sich aus dem ersten zieht, aber irgendwie auch wieder nicht. Nehmen wir jetzt mal an, dass Raphael wirklich nur 1000 LP noch hatte, warum auch immer. Sein Guardian Tryce hatte 1400 ATK und Yugis Dark Magician 2500 ATK. Wie erklärt es sich, dass Raphael nach dem Angriff noch 100 LP hatte, wenn er doch 1100 Schaden kassiert haben müsste? Gut, bereinigt man den ersten LP-Fehler, hätte er ja noch 1500 LP vor dem Angriff gehabt und wäre danach auf 400 LP gefallen. So oder so wären 100 LP jedoch falsch gewesen.


    Seht ihr jetzt, warum ich euch dazu rate, die Werteveränderung regelmäßig darzustellen? Wie es aussieht, seid ihr selbst damit überfordert gewesen, da besonders die letzten beiden Fehler nicht auf veränderte Effekte zurückzuführen sind.


    So, jetzt hab ich aber wirklich genug gemeckert! ^^
    Lustig fand ich, dass ich jede Karte trotz der japanischen Namen anhand ihrer Effekte erkannt habe. Nur bei einer hab ich wirklich dumm geglotzt, obwohl der Effekt mir sofort etwas hätte sagen müssen: Skull Lair. Ich find die Karte genial, auch wenn es in der heutigen Zeit Bessere gibt. Gute Wahl von euch, besonders dadurch, dass sie alles tut, um die finalen Züge einzuleiten und gleichzeitig ihren symbolischen Faktor in so vielseitiger Hinsicht erfüllt.
    Ich bin auch sehr gespannt, was es mit den Core Chimails auf sich hat und ob sie Freund oder Feind sein werden? Und welche bösen Mächte da zu erwachen drohen. Jetzt weiß ich zumindest, woher eure Staffel ihren Namen hat und wie es aussieht, ist die Triskele das Symbol der Core Chimails.


    Als Randnote: die Amis haben auch wirklich keine eigenen Ideen, oder? Diese Briefe aus dem Jenseits-Sache hatte ja vor ein paar Jahren auch einen erfolgreichen Hollywood-Film, aber dass dahinter ein koreanisches Original steckt, wird nie irgendwo erwähnt, hab das bei euch zum ersten Mal gelesen. Mir fällt nur der Titel des Ami-Films gerade nicht ein, dammit! Aber ist ja nix Neues aus Hollywood, die wollen ja jetzt auch die Millenium-Trilogie von Stieg Larsson verschmuddeln.
    Ach ja, als ich gelesen hab, dass Isis jemanden aus der KC geheiratet hat, musste ich echt schlucken. Aber Gott sei Dank, es war nicht Kaiba. Wie man die beiden pairen kann, hab ich nie verstanden. Deren Beziehung war doch rein funkioneller Natur. Aber sag das mal den Leuten, die glauben, Kaiba würde Jonouchi lieben ... <.<


    Um das Ganze jetzt aber auch langsam mal abzuschließen: ich find eure Fanfic klasse und hoffe, dass mein Post euch ermutert, sie möglichst schnell fortzusetzen. ^^'
    Phew, -Aska- over and out!


  • Als Randnote: die Amis haben auch wirklich keine eigenen Ideen, oder? Diese Briefe aus dem Jenseits-Sache hatte ja vor ein paar Jahren auch einen erfolgreichen Hollywood-Film, aber dass dahinter ein koreanisches Original steckt, wird nie irgendwo erwähnt, hab das bei euch zum ersten Mal gelesen. Mir fällt nur der Titel des Ami-Films gerade nicht ein, dammit! Aber ist ja nix Neues aus Hollywood, die wollen ja jetzt auch die Millenium-Trilogie von Stieg Larsson verschmuddeln.


    "P.S. Ich liebe dich" heisst der Film. Jetzt weiss ich auch wieder, woran mich das erinnert hat, danke. ^.^


    Deine Geschichte lese ich übrigens auch gerade. Das ist aber so viel, das teile ich mir lieber auf.