• Prolog


    Ich kann mich noch dran erinnern, auch wenn ich einige Details weglassen muss oder mir welche dazu gedichtet habe, damit dieser Tag seine Magie behält. Es war ein Mittwoch, oder ein anderer Tag nach Dienstag und ich war gerade auf dem Weg von der Schule nach Hause. Der Wind war ungewöhnlich stark und einige vertrocknete Laubblätter wurden durch die Einkaufsstraße gejagt. Ich mochte es, durch die Straßen zu gehen, vor Allem durch die Innenstadt, weil sie auf mich selbst zu solchen kalten Jahreszeiten belebt aussah und etwas Bewegung reinbrachte. Gläserne Wände und einladende Geschäfte, Menschenmaßen und leere Versprechungen von Schönheit und Ästhetik wirken wie eine Illusion, die ich zwar durchschaut habe, die mich aber beruhigt. Einige Cumuluswolken ritten am Himmel entlang und nahmen dabei das Sonnenlicht mit, welches auf einige der Bauten hätte fallen müssen, wodurch diese in einem sanften Dimmer einbrachen.
    Als Schüler der zweiten Sekundarstufe war ich kurz vor meinen Abschlussprüfungen, zumindest kommt es mir so vor, obwohl noch über sechs Monate dazwischen liegen. Doch ich habe nie viel Wert auf Zeit gelegt, es war für mich irgendwo gleichgültig geworden. Ein kurzer Blick in den Spiegel – das dunkle Haar sitzt bis kurz über die Augenbrauen, die Wangenknochen betont wie immer und immer noch ein ungleichmäßiger Bartwuchs, aber ich kann als 17-jähriger damit leben. Noch einmal mit der Hand über die Frisur fliegen und das volle Haar aufrichten und schon kann ich zu meinem ersten Arbeitstag ins Café. „Le Fin“ in Neonbuchstaben und ein kleiner Comicdelfin, der mit der Flosse wedelt. Zwar nicht ganz mein Humor, doch irgendwo lustig. Früher soll es ein Treffpunkt für die Kriegsveteranen des ersten und zweiten Weltkriegs gewesen sein, doch das eigentliche Wort „Fin“ für das Ende hat auf Dauer zu viele Depressionen hervorgerufen. So zumindest die offizielle Stellungnahme des Etablissements im Internet. Halbstolz hängt an einer Wand, an der sonst rustikale Pflanzen ihre Position einnehmen ein eingerahmter Artikel, der so verstaubt und unscheinbar ist, dass er die vergessene Geschichte dahinter perfekt repräsentiert. Der vierundzwanzigste September, der Tag an dem ein Mann des zweiten Weltkrieges sich und drei weiteren Besuchern das Leben nahm. Den Behörden oft als Trunkenbold aufgefallen, jedoch niemals aggressiv gegenüber den anderen Passanten geworden, hat man niemals einen Verdacht gehegt, dass er in tiefen Depressionen schwankte.
    Nun ja, in ein paar Tagen werde ich 18 und kann schließlich ohne Probleme hier arbeiten. Aber heute muss ich trotzdem zeigen, dass ich was auf dem Kasten habe und dass die guten Noten keine Schmucksteine meiner latenten Inkompetenz sind. Also dann, wollen wir?


    Du hast mich mal gefragt, ob ich dich an dem Tag bemerkt habe. Nicht dass ich wüsste, war meine Antwort. Woher auch? Im Café? Du hast mich schief angesehen. Natürlich nicht im Café. Nein, du warst heute auf die Schule gekommen und bist im Gang auf mich gestoßen. Ich stand da, mit irgendwelchen Typen, die aussahen wie meine Freunde, weil wir lachten und uns neckten. Doch nein, ich hatte dich nicht bemerkt. Wie auch, so unscheinbar wie du warst. Brille und dann auch noch dieses Licht in der Schule, welches jedem Objekt seine Farbigkeit raubt. Ich hätte dich unmöglich bemerken können. Nicht dass ich wollen würde, dass du mir verzeihst, denn ich habe mich nicht entschuldigt. Es war nicht meine Schuld, sondern die der Physik und der Mathematik, weil die Wahrscheinlichkeit hier einfach versagt hatte. Versteh doch, ich bin unschuldig. Aber wo du es grad so schön erwähnst. Da war doch etwas, was mir an dem Tag aufgefallen war.


    Es ergab sich halt so. Der Job lief, ich war freundlich, die Kundschaft zufrieden. Auch wenn ich ein paar Mal falsches Wechselgeld rausgegeben hatte, nicht zu oft auch zu meinem Vorteil, so schien es zu laufen. Gegen neun Uhr senkte sich die Stimmung ab, die Leute gingen in ihre Wohnungen, fuhren in ihre Reihenhäuser am Stadtrand und so wurde ich mit den Wenigen zurückgelassen, die noch etwas bleiben wollten. Ein Studentenpärchen, beide Architektur soweit ich das aus den Ohrwinkeln mitbekommen habe. Ein Herr, Büroangestellter oder vielleicht auch einer aus den höheren Sphären der Karriere
    Zwei vielleicht auch drei Rentner, sie verschmolzen irgendwie ineinander und ich konnte selbst nach dem dritten Bedienen nicht sagen, ob das die gleichen Gesichter wie vorher waren oder sie sich heimlich hinter meinem Rücken austauschten und auf der Toilette ihre Zeit absaßen, bis ich wiederkam, wie diese gemeinen Ruheständer nun mal so sind.
    Eine Dame, jung eigentlich, zumindest im Vergleich zu den hinterhältigen Rentnern, so Anfang 30 hätte ich sie geschätzt.
    Und ein weiterer Student, der den W-LAN Zugriff im Café für seine eigenen Forschungszwecke ausnutze.
    Kurz nach neun. Als ich den Minutenzeiger genauer analysiert hatte, musste ich feststellen, dass er genau 11 Einheiten im Uhrzeigersinn von der 12 gewandert war und wir somit genau 21:11 hatten. Nicht gerade spektakulär die Zahl, doch man beschwert sich nicht über Uhren. Schließlich hat man sich nach ihnen zu richten und nicht andersrum. Zeit erzählt keine Lügen, so schön hatte es immer meine Mutter ausgedrückt. Für uns ist und bleibt sie etwas Absurdes, jedoch Festes und Abzählbares, weil uns die Erfahrung lehrt und wir nicht darüber hinaus schauen können. Die Relativitätstheorie besagt, dass auch die Zeit relativ und somit abhängig vom Beobachter ist.
    Meine Erfahrung war da nicht anders, die Zeit verläuft immer gleich. Immer. Doch als ich ein zweites, noch genaueres Mal auf den mechanischen Meister geschaut habe, verging die Zeit langsamer. Von der einen Sekunde in der nächsten riss sich ein Portal auf, so als wäre die Atmosphäre durchgebrochen worden und irgendetwas anderes plötzlich herunterfällt, welches die Raumtemperatur für mich persönlich um einige Grad fallen ließ und einen Schauder und kalten Schweiß über meinen gesamten Körper auslöste. Plötzlich war alles derartig widerwertig verlangsamt, dass ich den Puls im Raum spüren konnte. Fast so, als wollte irgendjemand oder irgendetwas, dass ein gewisses Ereignis nicht eintrifft. Wie ein Hilferuf hämmerte es aus der Wanddekoration mit dem Ziffernblatt, in einer Art; verlasse den Raum so schnell du kannst, du gehörst hier nicht hin. Lauf doch! Um Gottes Willen! Bei Allem, was dir lieb und teuer ist, geh doch, ich flehe dich an!
    Es hörte eine Sekunde später wieder auf.
    Im weißen Mantel riss sich die Frau hoch und zuckte einen Revolver aus ihrer Tasche, den sie auf den reichen Büroarbeiter richtete. Ein Schuss und es war vorbei. Schmerzlos durch die Augen, es hätte nicht anders für den Mann enden können. Leblos fiel er dann zu Boden, nachdem er mit dem Kopf au seinem Teller aufgeschlagen war und rechtsherum runter rollte, während einige aufschrien, die Rentner in einen lethargischen Status fielen und die Frau ohne ihre Tasche aus dem Café „Fin“ heraus stürmte. Dennoch riss ich mich vom Tablett und Tresen und rannte ihr hinterher. „Du hast die Pflicht sie zu fassen, sie ist eine Mörderin“, dachte ich mir „die darf nicht einfach herausrennen. Sie hat ein Leben beendet, was zum Teufel hat sie sich dabei gedacht? Aber sie hatte einen Mann getötet. Wer hätte mir garantieren können, dass sie nicht einen einfachen Verfolger…“


    Ich habe dir die Geschichte doch tausend Mal erzählt. Wieso willst du sie denn noch einmal hören? Du hast mich mit diesem eiskalten Blick angesehen, wie du es dieser Nacht mehrmals getan hattest. Vielleicht wolltest du sie noch einmal hören, weil du drin vorkamst, du hattest es gerne, wenn man über dich spricht. Egal ob schlecht oder gut. In dieser Nacht sahst du wunderschön aus, vielleicht lag es auch am Mond, der erstaunlich früh rauskam. Oder hat er dieses Mal gar nicht geleuchtet? Am Nachmittag war der Himmel doch bewölkt gewesen, aber wenn man zusätzlich den Wind betrachtet, machte es dann auch keine Aussagekraft… Fein, dann soll ich es halt nochmal erzählen.


    Von einer Sackgasse durch die nächste, eine nicht befahrene Straße, eine zweite und ein paar umgeschmissene Mülltonnen, bis sie ein kleines Gebiet erreicht hatte, welches die Stadt die nächsten Jahre zum Wohnen umbauen wollte. Die Ziegelsteinhäuser waren durch viele Jugendliche auf verschiedenste Weisen verbessert worden. Eine Metallwalküre mit zwei Laserschwertern, die grad auf einem Ross durch den Himmel fiel. Irgendwie erschien dieses unschuldige Bild mir ein wenig bekannt vor. Die Frau vor mir mit ihrem weißen Mantel sah ihr zufälliger weise verdammt ähnlich, auch wenn man ihre Hinterlist weglässt. Von Seite zur Seite sprang sie hin und her während sie immer wieder herumliegende Gegenstände wie Sperrmüll umwarf. Sie kam schließlich in einem Hof an, rund zehn Minuten der Verfolgungsjagt hinter sich und völlig außer Atem und am Rande ihrer Grenzen. Die Frau schmiss sich auf den Boden, den weißen Mantel, Pelz wie ich mir hinterher dachte, vollkommen verdreckt durch die Galle der Abfalleimer und des Dreckes und stütze sich mit ihren Händen ab, um wieder auf die Knie zu kommen. Ich war ihr nur leicht hinterher, nur ein paar hatte ich sie ganz knapp entwischen lassen. Doch nun stand ich rund drei Meter vor ihr. In ihrer scheinbaren endlosen Verzweiflung hatte sie keine Rückzugspunkte mehr und auch keine Möglichkeit, wie sie mir hätte entkommen können. Doch wofür? Ich könnte sie ja festhalten, die Polizei rufen. Doch deswegen ist sie nicht weggelaufen. Nein, nicht deshalb. Ihre Entschlossenheit beim Ziehen des Revolvers, ihre Augen, die dabei schrien, dass sie es tun wollte und auch so geplant hatte, dass der Abend für diesen Mann heute so endet, ließen keinen Zweifel, dass sie sich auch darauf eingestellt hatte, dass jemand die Polizei verständigen würde. Doch irgendetwas war da, was nicht stimmte. So im Nachhinein, wollte sie doch nur alleine sein. Sie wollte einfach, dass kein Mensch jetzt bei ihr ist, auch wenn sie sich später für den Mord verantworten würde.
    Vom schwarzen Wasser aus führte sie ihre linke Hand, die den Revolver fest umschlossen hatte, nach oben und richtete ihn sich leicht schief und immer noch erbittert keuchend gegen die Schläfe. Das verdreckte Wasser lief an ihrem Arm runter und verschmutzte ihren schneeweißen Mantel nachhaltig, ebenso wie der Dreck an ihrer Schläfe, die von ihrem aschfarbenen blonden Haar verdeckt wurde, welches wellig in einem Seitenpony runterfiel und zusammen mit ihrem gebundenem Pferdeschwanz eine wundervolle Ergänzung zu ihrer dezenten Schminke darbot. Ihre Augen waren himmelblau, mit einem sanften Stich ins Graue. Wildlederstiefel mit einer Schnalle an der Seite und eine Jeans in dem tiefsten Blau, was ich jemals gesehen hatte. Ihr Gesicht war zärtlich geformt, fast schon graziös. Zweifelsfrei wäre sie in jeder Kultur der Welt als hübsch aufgenommen worden und hätte mehrere Verehrer.
    „Komm näher und ich drücke ab! Ich habe nichts mehr zu verlieren-“, schrie sie mir entgegen. Ihre Stimme war verunsichert. Ich konnte nicht sagen, ob sie es im letzten Augenblick wirklich tun wird, aber der Wille, so wusste ich, war da. Meine Hände gingen in eine verteidigende Position, so als wöllte ich diplomatisch wirken. „Keine voreiligen Schlüsse ziehen, bitte. Beruhigen Sie sich erst einmal.“ Sie weinte. Blutige tiefe Tränen der Selbsterkenntnis, Reue und Missmut. Sie flossen über ihre Wangen und erzählten eine Geschichte. „Mein Name ist Adam Nova. Wie heißen Sie?“
    Ich bin Adam Nova und das hier ist meine Geschichte.

  • Ich war mir wirklich nicht sicher, ob ich hierzu etwas schreiben sollte oder nicht.
    Meines Wissens hast du diese Geschichte schon vor Jahren mal hier gepostet, unter genau demselben Namen. Aber damals war es noch eine YGO FF, wenn ich mich richtig erinnere. Ist sie das immer noch? Es wirkt fast so, als ob sie das nicht mehr wäre.


    Nun gut, der Prolog. Und damit zu meinem Problem, ob ich hier nun Feedback geben sollte oder nicht.
    Er hat mir nicht gefallen. Was aber weniger am eigentlichen Inhalt, sondern mehr an der Sprache liegt, die du verwendest. ... und an der Formatierung. Bei Letzterer ist es kein Wunder, dass hier bisher niemand etwas geschrieben hat. Ich empfand es als sehr unangenehm, mich nur auf eine Hälfte des Bildschirms beim Lesen konzentrieren zu müssen.


    Aber das wäre noch verschmerzbar gewesen. Der Schreibstil dann schon deutlich weniger.
    Nimms mir nicht übel, aber der wirkte wie gewollt und nicht gekonnt. Es ist sicherlich was anderes, einen, ich nenne ihn mal "farbenfrohen", Schreibstil zu verwenden mit vielen Metaphern und dergleichen. Das Ganze ist bei dir aber so dermaßen schwulstig rübergekommen, dass es einfach ermüdend war. 15% des Inhalts war keiner, mindestens. Was philosophisch anmuten soll, ist im Endeffekt nur Füllmaterial, um den Text länger zu gestalten. Das geht schon im ersten Absatz los, wenn du beschreibst, wie Adam über Geschäfte denkt. Abgesehen davon, dass das keinen tiefer gehenden Sinn zu haben scheint, fragt man sich auch, warum der sich von ihnen beruhigt fühlt. Was für einen Zweck erfüllt diese Passage? Ähnlich sieht es mit dem Absatz darüber aus, ob Adam nun eine gewisse Person bemerkt hat oder nicht. Der ganze Absatz war so voll von merkwürdigen Metaphern, dass ich gar nicht mehr durchgesehen habe, was da nun beschrieben wurde. Manchmal ist weniger einfach mehr.
    Zudem ist mir auch aufgefallen, dass du immer mal wieder sehr merkwürdige Formulierungen verwendet hast. Ohrwinkel gibt es zum Beispiel nicht, Augenwinkel gibt es. Da wäre eben Hörweite das, was du gemeint hast. Und ich frag mich, welcher Mensch Wolken bei ihrem Namen nennt. Gehst du zu deinen Freunden und sagst "Oh, guck mal, 'ne Cumuluswolke!". Das wirkte irgendwie ... seltsam. Auch da gab es noch mehr Beispiele von.
    Was ich auch nicht mochte, war diese Verallgemeinerungen, z.B. beim Thema Schönheit. Jede Kultur dieser Welt - ganz gewiss nicht. In Afrika gibt es Stämme, die durchaus voluminösere Frauen verehren, da werden Normalgewichtige regelrecht verspottet. Genauso das mit den guten Noten. Die allein (!) sagen in der Regel wenig bis gar nichts im Arbeitsleben aus. Schon gar nicht, wenn man kellnert. Vielleicht hast du dich da nur in der Wortwahl vergriffen, aber es las sich so, als wolle Adam beweisen, dass seine Noten nicht von ungefähr kommen. Okay, das sind beides nur Kleinigkeiten, aber ich wollte es erwähnt haben.
    Was mich auch verwundert hat, war der Teil mit dem schwarzen Wasser, als die Mörderin sich richten wollte. War das wieder eine Metapher, die ich nicht verstanden hab? Es hat sich jedenfalls sehr merkwürdig gelesen.
    Das ist eben sehr traurig, denn wenn das alles nicht wäre - beziehungsweise nicht in diesem Ausmaß - wäre das sicher ein gelungener Prolog. Aber wenn sich etwas nicht gut liest, hat man auch keinen Spaß dran, so ist das leider.


    Es ist ja auch nicht alles schlecht, um Himmels Willen.
    Der angedeutete Plot ... könnte interessant werden. Man hat das Gefühl, dass etwas Übernatürliches im Spiel ist, zumal diese Info mit den vier Toten sicherlich nicht zufällig miteingeflossen ist. Dieses warnende Gefühl, das Adam verspürt hat, deutet auf etwas Größeres hin. Diese Szene hast du wirklich gut beschrieben.
    Diese Szenen, in denen der MC scheinbar mit einer anderen Person spricht, gestalten das Ganze auch abwechslungsreich, wirken wie ein Schnitt aus einer anderen Zeit. Und das sind sie ja gewissermaßen auch. Man möchte wissen, von wem er da redet, ob das diese junge Frau war oder jemand, den er erst noch treffen wird. Die Art, wie Adam die Gäste beobachtet und kommentiert, gefällt mir auch irgendwie. Weniger dann, dass er scheinbar zu wenig Rückgeld gibt, um es sich selbst einzustecken. Das ist zumindest, was ich rausgelesen habe. Aber so hat er eine ausbaufähige Macke.


    Mir wird nur die Motivation nicht klar, mit der er die Frau überhaupt verfolgt hat. Er macht nicht den Eindruck, besonders moralisch veranlagt zu sein, wenn er offenbar kein Problem mit zu wenig Wechselgeld hat. Eher das Gegenteil, er macht auf mich einen etwas distanzierten Eindruck, siehe Kommentare zu den Gästen. Da wundert es mich, dass er todesmutig eine Frau verfolgt, die vor ihm jemanden umgebracht hat. Warum tut er das? Sollte so jemand nicht eher seine eigene Sicherheit vorziehen?


    Na ja, um diesen Post zu einem Ende zu bringen ...
    Ja, es ist inhaltlich in Ordnung. Es macht Lust auf mehr.
    Aber an der Umsetzung hapert es noch. Mein Tipp für dich: versuch erstmal, etwas normaler, umgangssprachlicher zu schreiben. Ein blumiger Schreibstil ist schön und gut, aber du bist über's Ziel hinausgeschossen, das muss ich ganz klar so sagen. Such dir einen Betaleser, der deine Kapitel auf Fehler, Inhalt, Formatierung und Sprache überprüft. Dadurch entwickelt man sich wunderbar weiter.


    Das gesagt, würde ich mich freuen, wenn du dieses Projekt nicht aufgeben und weiterverfolgen würdest. ^^

  • Aska



    Der Regen fällt auf die Gerechten und Ungerechten gleicherweise.


    „Ich heiße Adam Nova. Verraten Sie mir Ihren Namen?“ meine Stimme schwankte mit, weil ich nicht genau wusste, wie ich dazu stehen sollte. Was machte ich da nur? Eine Frau erschießt einen Typen in einem Café und alles was mich kümmert ist der Name der Mörderin. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was grad vorging, so war es doch irgendwo sinnvoll, zu wissen, wie die Frau heißt, die jederzeit die Möglichkeit hatte, dich mit einem Schuss zu töten. Es hatte was beruhigendes, wenn die Willkür und der Wahnsinn plötzlich einen Namen annehmen könnten.
    Kurz hielt sie ein. Doch dann fielen ihre Gesichtszüge aus dem Rahmen von Gleichgültigkeit über die von Hoffnung und mündeten schließlich darin, dass sie sich verarscht vorkam. „Was sind schon Namen noch wert? Es hat keine Bedeutung!“ Obwohl ihre Hand zitterte, drückte sie nicht ab. Vielleicht auch deshalb. Unsere Blicke kreuzten sich, bis wir dann einander über einen längeren Zeitraum tief in die Augen sehen konnten. Das Grau kam nun viel deutlicher zur Geltung, man konnte fast sagen, dass es nun die überwiegende Farbe in ihrer Iris war. Doch ganz tief konnte ich unter ihrer verlaufenen Schminke auch die roten Wangen sehen, die von ihrer Flucht erröteten. In ihren Augen der sanfteste Schimmer von Hoffnung. Wie ein Brunnen, durch den fällt und ganz unten auf dem Grund den Schimmer des Mondes erkennt, der einem immer näher kommt. Die letzte Hoffnung, dass man plötzlich durch das Wasser durchfällt und auf dem Mond landet, von wo aus man alle seine Probleme unter auf der Erde lässt und nun ein neues Leben, ohne Sorgen, ohne Ängste und ohne Probleme führen kann. Die Hoffnung, obwohl es kein Zurück mehr gibt, dass sich alles doch irgendwie zum Besseren wendet. Sie wollte noch leben, soviel war sicher, doch sie sah keinen anderen Ausweg. Ich tat es auch nicht.
    „Ich möchte Sie kennenlernen. Sie und den Mann, den Sie erschossen haben.“
    Die Frau hielt an. Sie weinte nicht mehr. In ihren Augen funkelte etwas auf. Wie der Wunschbrunnen, in den man gerade ein paar Münzen reingeworfen hatte um sich einen Kuss von seinem Schwarm zu wünschen. Plötzlich fiel sie in das Wasser eines Brunnens, an dessen Boden glänzende Münzen landen. Doch bei ihr war das sogar fast mehr. So, als hätte man einige Goldnuggets entbehrt und den Brunnen nach seinen Träumen fragt.
    „Mein Name… ich heiße Anastasia Romelle und der Mann dort im Café war mein Mann, Robert Romelle.“ Ich konnte meinen Puls sich erheben spüren. Obwohl ich keinen Grund hatte, war ich in Rage. Die Frau hatte ihren eigenen Mann erschossen. Plötzlich war ihr Haar nicht mehr seidig, sondern fedrig wie das einer Harpyie. Ihre Fingernägel waren nicht mehr feminin und gepflegt, sondern die Krallen einer Furie. Alles was sie vorher hübsches an sich hatte wurde hässlich und aggressiv.
    „Sie haben was? Sie haben Ihren eigenen Mann erschossen?!“ Ich zitterte. Ich wusste nicht wohin mit mir, noch was ich davon halten sollte. Die Frau war hübsch und machte bis eben noch einen gepflegten Eindruck, wenn man die Schäden der Verfolgungsjagt übersieht. Ihre Haare hatten nun ihr Gesicht größtenteils verdeckt, sodass ihre Lippen und weitere Gesichtspartien in einem unangenehmen bizarren Schatten verschwanden. Es war eine unauffällige Maske erst jetzt im Dämmerlicht erkannte ich ihre brünetten Ansätze. Die Schminke war auch dicker aufgetragen als man es bei dem ersten Anblick hätte erwartet. Anhand der gesamten Beobachtungen ergab sich das Bild einer Frau, die sich komplett verkleidet hatte. Der Mantel war ausgeliehen, die Haare nur für den heutigen Tag gefärbt. Alles damit man sie nicht erkennt. Alles damit ihr Plan auf keinen Fall vereitelt wird. Es war nicht nur ein Zufall oder ein Überschlagen der Gefühle, sondern die Tat einer Kriminellen. Wie eine Maus, nein, wie eine Ratte, hatte sie sich ins Café geschlichen und auf ihren Mann gewartet. Die Tat war lange im Voraus gut geplant worden. „Wieso?“
    Die Frau zuckte zusammen, sie hatte so eine Art von Frage anscheinend nicht erwartet. Vorwürfe, Herbestellen der Beamten, aber nicht, dass jemand versuchen wollen würde, sie zu verstehen. Sie riss ihren Blick nach oben und hauchte seicht. „Ist es nicht egal? Es gibt keinen Grund so etwas zu rechtfertigen. Ich bin eine Mörderin und keine Geschichte kann etwas dran ändern.“ An der gesamten Geschichte war die Tatsache am schlimmsten, dass die doch Recht hatte. Kein einziger Satz könnte etwas dran ändern, was sie getan hat und erst recht keine Rechtfertigung. Um einem Menschen das Leben zu nehmen gibt es keine Entschuldigung, keinen einigen triftigen Grund. So war der Standpunkt.
    „Es geht hier nicht darum, ob es was ändert. Ich will sie verstehen. Ich will wissen, wie man als Mensch so etwas tun kann.“ Aus irgendeinem Grund fiel es mir verdammt schwer, diese Worte auszusprechen, so als wäre es nahezu unmöglich. Wider die Natur handeln. Ein wahnsinniges unangenehmes Gefühl, Interesse für sie zu heucheln. Ich heuchelte doch. Gleichzeitig kam irgendetwas aus der tiefsten Gegend des Magens hoch. Mir war danach, sie zu erwürgen oder sie wenigstens zu schlagen, sie gegen die Wand zu pressen und solange einzuschlagen, bis ich meine Fäuste nicht spüren könnte. Aber warum? Sie hatte doch nur einen Mann getötet, den ich nicht einmal kannte. Verdammt was ist los mit mir? Hier fiel mir auf wie ich dachte. „Nur“ einen Mann getötet. Was war los mit mir?
    Mit einem Lächeln, welches ich leider nicht wirklich interpretieren konnte, wischte sie sich einige weitere Tränen aus dem Gesicht, die ihre Schminke nach unten getragen hatten und so die Mascara über ihre weichen Wangen verteilte. Das Lächeln war sanft aber tückisch. Unglaublich verbittert. Irgendwie erinnerte es mich an den verzerrten Mund, wenn man beim Weinen nach Luft holte und das gesamte Gesicht dämonisch und unmenschlich aussah. Doch als dann die Worte kamen, erschien sie mir urplötzlich human. Allein die Silben machten wieder zu einem menschlichen Wesen. Es war fast so, als säße ich nun vor dem Kamin, während mir eine alte Dame etwas aus einem Buch vorliest und zwischendurch es in meine Richtung aufhält, damit ich die Bildchen betrachten kann.
    „Ich heiratete ihn vor rund fünf Jahren. Es war mehr aus Zwang als aus Liebe, obwohl er damals noch zuvorkommend und irgendwo romantisch schien. Es war nicht diese jugendliche Liebe oder diese Art, wo man mit der Einstellung reingeht einen Mann kenn zu lernen, damit er einem das Leben finanziert. Zumindest nicht explizit das zweite. Und so ging ich mit ihm an den Altar. Nur mit einem einzigen Hintergedanken. Meine Schwester war zu dem Zeitpunkt nämlich sehr krank. Im Grunde ein Geburtsfehler, doch ich wollte mich nicht mit abfinden.“ Eine Frau, die für eine andere Frau einen Mann heiratet. Auch wenn das ganze etwas komisch klingt, so war das doch unter ganz anderen Gesichtspunkten, als man es annehmen könnte. „Die ersten Wochen verliefen bereits grausam. Ich war immer im Haus, Kontakt zu anderen nur auf Anordnung meines Mannes. Ich durfte vor mich hin vegetieren.“ Weitere Worte klangen nach, verschwammen doch in der sich ausbreitenden Wut in meinem Körper. Jeder einzelner Muskel, jede meiner Blutzellen brannte vor Hass und Aufregung.
    „Und das war es? Dies ist ein Grund um ihren Mann umzubringen?“ Ich konnte mich nicht beherrschen. Mein Tonfall wurde ganz anders, direkt unangenehm und anklagend. Obwohl die Luft zusammen mit mir gebebt hat, so war die Frau nicht sonderlich angegriffen. Im Gegenteil, Anastasia schien meine Wut zu verstehen. Selbst in solchen Situationen konnte sie meine Wut verstehen und sich in die Lage einer anderen Person reinversetzen.
    „Ich merke schon. Das ist genau die Reaktion, die ich auch erwartet hätte.“ Anastasia zuckte mit ihrer Hand am Revolver. Doch meine Hand wanderte vor und hielt sie davon ab. Ich signalisierte ihr Stopp. Wieso tat ich das? Die Frau hatte ihren Mann erschossen, ohne Grund, ist sich in ihrem Fehler bewusst. Ich hatte keinerlei Probleme, später würde ich aussagen, dass sie Selbstmord begangen hatte. Anhand des Schusswinkels und der Tatsache, dass ich sie nirgendwo angefasst hatte, würde man mir recht geben. Aber wieso wollte ich nicht, dass sie aus dem Leben scheidet? Aus welchem Grund hielt ich sie davon ab, ihr Leben zu beenden?
    „Bevor ich hier irgendjemanden verurteile, will ich deine gesamte Geschichte wissen. Ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Was hat er getan?“
    Scherben in einer weiten Gegend schienen zu zerspringen. Es war nicht so, als dass es die Regel wäre, dass jemand sich für einen Mörder interessieren könnte. Nur ganz wenige Personen in der Welt sahen auch in den Mördern Menschen. Größtenteils waren auch deshalb bei uns Anwälte in der Welt. Wer ein Verbrechen begeht hat ein Anrecht darauf, dass er sich verteidigen kann, sein Handeln rechtfertigen. Aber ich gehörte nicht zu diesen Personen. Für mich war jeder, der gegen das Gesetzt verstößt ein Verbrecher. Vor allem die Mörder haben kein Anrecht darauf, sich noch einmal zu beweisen, dass sie sich ändern könnten. Bekehrungen bringen nichts. Bekehrungen zum Guten haben noch nie jemanden zum Leben erweckt. Reue kann zwar die Tränen trocknen, doch kann kein Kinderzimmer erneut mit Lachen erfüllen. Das war meine Ansicht. Eigentlich. Doch Anastasia schaute mich an, als ob sie in mir die Erlösung finden würde. Wie einen Engel, der sie von allen ihren Sünden befreien könnte, lächelte sie mich mit ihrer Seele an, während ihr Gesicht nur eiskalt voller Entsetzen mir entgegen leuchtete. „Auf die Wochen… es folgten die Wochen auf die Tage. Auf die Wochen die Monate und anschließend die Jahre. Immer einsamer, immer häufiger ohne eine Seele zu sprechen. Keiner da, dem ich auch nur einen Moment lang meine Gefühle mitteilen konnte. Zu Geschäftsessen nahm er mich nicht mit. Ich hatte ja keine Ahnung von seiner Welt, wie er mir immer wieder versicherte. Ich würde mich ja nur langweilen. Die Wände wurden mit der Zeit somit immer grauer. Keine Farben, die ich noch länger wahrnehmen konnte. Schon bald hatte ich vergessen, wann ich das letzte Mal überhaupt gesprochen hatte. Viel zu lange her war der Kontakt zu einem menschlichen Wesen. Und vor rund zwei Monaten erhielt ich dann anschließend ein Schreiben von meiner Schwester.“ Irgendwie hallte das Letztgesprochene in der Sackgasse. Neben den einzelnen Mülltonnen, verschlossenen Fenstern und Hinterhöfen von irgendwelchen Einzelhändlern, richtete sich ein unsichtbarer Beobachtet auf. Ich hoffte, dass es mein Über-Ich war, weil ich Angst hatte, meine Kontrolle zu verlieren und dieses Wesen grün und blau zu schlagen, bis dass die Fensterscheiben um uns herum zerspringen würden und die Menschen runterkämen und mich aufzuhalten. Obwohl ich ihr zuhören wollte, was ich wirklich tat und auch mir selbst eingeredet habe, tun zu wollen, so steigerte sich meine Wut bis ins Unermessliche. Nur noch rote Fahnen, die brennend vor meinem inneren Auge flatterten. Dieses verdreckte Weib hatte nichts zu tun und hatte deshalb ihren Mann umgebracht. „Meine Schwester war gestorben.“
    Oft hört man den Spruch, dass man ein Buch niemals nach seinem Einwand beurteilen soll. Es ist manchmal verdammt schwer. Oftmals aber unmöglich. Ebenso wie ich mir meiner Wut und meines Zornes bewusst war, so wurde ich auch meines Mitleides und meiner unendlichen Traurigkeit der Frau vor mir gegenüber bewusst. Jegliche negativen Emotionen waren verstrichen und ich stand nun ohne Waffen gegen sie da. Obwohl ich den Ausweg der Geschichte nicht kannte, hatte ich mir das ganze schon ausgemalt. Ich hörte auch nicht mehr richtig zu. Alles was sie mir von dort an erzählte, lief dann in Bildern, in Schauspielstücken und Wandmalereien an mir vorbei.
    Sie hatte sofort ihren Mann drum gebeten der Beerdigung beizuwohnen. Widerwillig ließ er sie dann für drei Tage in die Stadt am anderen Ende des Landes reisen, wo sie das Zimmer im dem Krankenhaus ihrer Schwester betrat. Es war leer und der klinische Geruch von Vergänglichkeit lag in der Luft. Zwei neue Patienten hatten sich in dem Zimmer eingefunden, rund eine halbe Stunde nach der Ankunft von Anastasia. Beide ein Herzfehler, wie man es ihrer Akte entnehmen konnte. Und ihre Schwester? Ihre Schwester war weg. Anastasia setzte sich auf das gemachte Bett mit der bezogenen Plastikfolie und griff an das Kissen. Obwohl sie in den letzten Jahren keine Träne verloren hatte, keine Träne des Verlustes, der Einsamkeit, der Trauer und der Verzweiflung, so weinte sie jetzt. Sie weinte wie noch nie niemals. Man konnte dieses Gefühl nicht kennen. Oftmals beschreibe ich es als ein Gefühl, wenn man durch ein unendliches Loch fallen würde, bis man schließlich ins Wasser fällt. Dieses ist dabei derartig kalt und schwer, dass nur der Gedanke daran genug wäre um den Verstand zu verlieren. Im tiefen Wasser ertrinkt man dann bei vollen Bewusstsein, während man sich immer weiter von der Oberfläche entfernt und sich fast schon wieder wünscht das Gefühl des Fallens zu haben anstelle dessen, wo man versinkt. Bei vollem Bewusstsein ertrinken, ein Gefühl, das man niemandem wünscht. Und so weinte sie. Bittere tiefe Tränen des Verlustes um den einzigen geliebten Menschen, den sie noch gehabt hatte. Alle anderen waren irgendwo, weit , so unendlich weit, verdammt weit weg. Doch Anastasia wusste; selbst wenn sie bei ihrem neuen Mann auf dem Designersofa saß oder den Rotwein auf irgendeiner Gala trank, so wartete ihre Schwester auf sie. Die Krankheit würde sie zwar trotzdem zu früh aus dem Leben raffen, doch wenigstens ein Jahr, mehr verlangte sie nicht, wollte sie noch mit ihrer Schwester verbringen. Sie hatte genügend Geld von ihrem Mann gespart; von kontrollierten Einkaufsbummeln, von heimlichen Transaktionen, eine fünfstellige Zahl, um die Gesundheit und das Wohl ihrer Schwester zu sichern. Doch sie brauchte nur einen Brief von den Ärzten oder wenigstens von ihrer Schwester. Sie wusste schließlich nicht, wann sie dem goldenen Käfig entfliehen muss. Wenn sie zu früh rausginge, hätte sie nicht genug Geld beisammen. Ein Tag zu früh und ihr Mann könnte sie und ihre Schwester finden. Und er konnte unangenehm werden. Die Arien aus Schlägen und Misshandlungen waren oftmals endlos. Einer der Gründe, warum sie auch mit niemandem sprechen sollte. Die Angst schließlich von ihrem Mann gefunden zu wären und dann ihre Schwester mit in diese Hölle zu zerren waren unerträglich. Nein. Sie wollte ihre Flucht planen. Zwei Jahre hatte sie ihre Schwester verlassen gehabt, sie ihrem Mann verheimlicht. Beide zusammen hatten sich drauf geeinigt, dass ihre Schwester ihr schreibt, wenn der Zustand kritisch wird, oder sie wenigstens die Ärzte drum bittet, sie zu benachrichtigen. Doch die Geschichte stimmte nicht… Wieso hatten beide sie nicht benachrichtigt?
    Aus ihrer tiefsten Trauer weckte eine zärtliche Frauenhand die weinende Anastasia. Die Krankenhausschwester hatte die Sachen der Verstorbenen in eine Kiste geräumt, feinsäuberlich, ohne dass etwas kaputtgehen konnte oder etwas verloren ging. Mit einer fast wehleidigen, sich-selbst-hassenden Stimme, forderte die Arbeiterin Anastasia auf den Flur oder einen Aufenthaltsraum zu gehen, da sie sonst die anderen Patienten aufwecken oder stark belasten konnte.
    Auf dem Flur saß sie schließlich dar. Die weißen Hallen waren leicht mit einfachen Gemälden dekoriert, schlichten bedruckten Folien von Landschaften aus England oder Frankreich, vereinzelt auch Italien. So nahm Anastasia dann einen Stapel Briefe heraus, die mit einem grünen Seidenband umwickelt waren und öffnete ihn. Alles Briefe an, die an sie adressiert waren, vom ersten Tag an, wo sich auf den Plan geeinigt hatten und dann jeden Monat ein weiterer. Zweiundzwanzig Briefe. Während die ersten noch voller Sehnsucht waren und mit alltäglichen Themen gefüllt waren, wurden sie mit jedem weiteren Monat trauriger und kürzer. Schließlich der Brief Nummer zwanzig, der einzie mit einer Adresse und einem Datum, vier Monate vor ihrem Tod. Die Schrift war schon ausgeartet und gar untypisch für die sonst sanfte und akkurate Schrift. Manche Wörter wurden nicht fertig geschrieben, weitere waren nahezu unleserlich. Dies war der kritische Brief, den sich beide Schwestern als Code ausgemacht hatten. Während alle vorrangegangen Briefe niemals dafür vorgesehen waren, abgeschickt zu werden, sondern nur geschrieben wurden, um sich später zu treffen und sie schließlich gemeinsam an einem Abend mit grünem Tee durchzugehen. Mit einem Lächeln im Gesicht, gemeinsam. Und nicht mit Tränen in den Augen und alleine. Der zwanzigste Brief enthielt den Inhalt, dass ihre Gesundheit an einem kritischen Punkt angekommen ist. Die Krankheit würde sich nun rasanter ausbreiten und ihr Immunsystem weitgehend schwächen. Ihr bliebe nicht mehr lange. Ich liebe dich. Anastasia konnte nicht mehr. Ihr Herz übergoss sich mit Blut und zerbrach nach und nach schreiend in ihrer Seele.
    Der einundzwanzigste Brief enthielt schließlich keine Adresse mehr, ebenso wie die Briefe am Anfang. Knapp doppelt so lang wie der vorherige Brief und ebenso entartet von der Schrift beschrieb der Brief nur einen einzigen Sachverhalt. Ihre Schwester entschuldigte sich, dass es so endet, ließ ihr aber die Hoffnung zurück, dass sie sie vielleicht doch noch sieht. Der letzte Brief wurde von Robert abgefangen, der schon eine gewisse Vorahnung hatte und seine neue Ehefrau von einem Privatdetektiv überwachen und kontrollieren ließ. Er fand ziemlich schnell heraus, wieso sie letztlich mit ihm zusammen war und schon bald auch den Aufenthaltsort ihrer Schwester. Erstaunlicherweise machte er sich sogar selbstständig die Mühe anzureisen und die kranke Schwester seiner Ehefrau zu besuchen. Das Gespräch war sehr höflich und distanziert. Aber mit einer genauen Aussagekraft. Sollte sie wieder versuchen Kontakt zu Anastasia aufzunehmen, würde er dafür sorgen, dass Anastasia noch vor ihr aus dieser Welt scheidet. Er hinterließ sie mit der Wahl, entweder sich zu opfern oder ihre Schwester zu opfern und damit letztlich sie beide. Fast schon liebevoll erwähnt sie im Brief, dass ihr die Wahl nicht schwer fiel. „Verzeih bitte mir, Anastasia. Aber ich konnte und wollte dich nicht in Gefahr bringen. Ich liebe dich.“
    Und ab hier konnte sie nicht mehr. Sie fiel auf den Boden und rekelte sich in ihrem Geheule, welches so laut wurde, dass sie später mehrere Tage nicht mehr sprechen konnte und weitere Wochen heiser war. All die Fotos und Plüschtiere fielen aus dem Karton, als sie am Boden aufschlug und die Kiste dabei neben ihrem Kopf landete. Mit ihren knöchrigen Fingern kratze sie am Boden, versuchte irgendwo etwas zu fassen zu bekommen, irgendetwas Festes in ihrem Leben, doch das alles war weg. Jegliche Hoffnung war verloren und sie fand nicht einmal die Kraft den letzten Brief zu lesen, als die Schwestern sich um sie sammelten und ein Arzt sie mit einem Beruhigungsmittel ausschalten musste. Ihr Herz war zerbrochen. Sie hatte ihre Schwester verloren.


    Liebe Anastasia,
    die Ärzte geben mir nicht mehr als eine Woche. Tut mir leid, aber leider finde ich nicht mehr die Kraft den Brief selbst zu schreiben, weshalb eine Schwester es nun für mich übernimmt. Ich danke dir für alles, was du für mich gemacht hast. Niemals werde ich dir diese zwei Jahre zurückzahlen können. Doch am meisten schmerzt es mich, dass ich mich nicht in meinen letzten Tagen von dir verabschieden konnte. Dir nicht sagen konnte, wie sehr ich dich dafür liebe.


    Anastasia wachte in einem isolierten Raum auf, ein einfaches Einzelzimmer, wo sie ständig überwacht wurde. Einige Stunden lang konnte sie sich nicht einmal erinnern, wie sie hierher kam und wieso sie nun hier war. Letztlich wusste sie nicht einmal, wer sie selbst war. Nach und nach kamen schließlich alle Erinnerungen hoch, jegliches widerwertige Detail. Dies waren jedoch keine Erinnerungen, die sanft aus dem Nebel stiegen, sondern Messer, die aus einer Aschewolke runterfielen. Jeder Gedanke schmerzte und riss die blutende Wunde am Herzen wieder auf. Anastasie beugte sich vor und richtete ihren Blick auf den Rand des Bettes, wo sich ihr Atem überschlug und immer unregelmäßiger wurde. Sie hyperventilierte und alles in ihrem Sichtfeld verblasste.
    Als die Krankenschwester durch die Tür kam und sie sah, schmiss sie alle Akten zur Seite und kümmerte sich sofort um sie. Doch auch die Zuneigung brachte nichts und Anastasia konnte sich nicht beruhigen.


    Ihr Mann besuchte sie kein Mal. Er kontaktierte sie nicht einmal. Es gab keine Vermisstenanzeige. Es war so, als wäre es absolut unwichtig ob sie da war oder irgendwo anders. Wieder auf der Straße stand sie dann alleine da. Nachdem sie das Krankenhaus verlassen hatte, setzte sie sich auf eine Bank an der Bushaltestelle neben einen Mülleimer und einem Blumenbeet mit gelben Nelken, die in den sanften Brisen umherschweiften und sich zu ihr rüber beugten.
    Als ausgebildete Botanikerin hatte Anastasia auch die Blumensprache gelernt gehabt. Sie hielt die Hand an eine der Nelken und berührte mit ihrer Handfläche die Spitzen der Blüten. „Ich verachte dich“, das ist das, was gelbe Nelken sagten. Nichts beschrieb ihre Gefühle besser. Ihre Trauer war zwar unendlich, doch im Augenblick war selbst diese im Vergleich zu ihrem Hass unbedeutend. Mit geballter Faust zerquetschte sie die Blume zwischen ihren Händen und ließ die Blätter runterfallen, was einige andere wartende Männer und Frauen sehr irritierte. In diesem Augenblick fasste Anastasia den Entschluss sich dafür zu rächen, was ihr Mann ihrer Schwester angetan hatte.


    Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Dies war die Geschichte hinter dem Mord. Zuerst einmal bemerkte ich, dass meine Finger zitterten, weil der Wind doch sehr kühl wurde. Dann bemerkte ich, wie ich am ganzen Körper fror, weil sich die Kleidung mit meinem Schweiß vollgesogen hatte und nun aufdringlich an meinem Körper festklebte und mir jegliches Gefühl der Wärme entzog.
    Als letztes bemerkte ich meine Tränen. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine Geschichte gehört, die derartig traurig war, vor allem aber keine, die mich persönlich so berührt hatte. Wenn man etwas liest kommt es einem so fremd vor, wie eine Geschichte aus einer anderen Welt, ein Märchen. Niemand denkt daran, dass sich so etwas auch in einer Gasse hinter seinem Haus abspielen könnte. Man blendet aus, dass die Geschichte zwar unwahrscheinlich ist, sie jedoch wahr sein kann.
    Schließlich nahm sie den Revolver fester in die Hand, nun mit einem beschwichtigen Gesichtsausdruck, so als hätte sie irgendetwas geschafft gehabt, was sie sich vorgenommen hatte. Sie war nicht mehr verzweifelt, viel eher hatte sie sich mit dem Szenario abgefunden.
    „Es tat mir gut, dass ich mich mitteilen konnte. Adam war das doch, oder? Bitte mach dich nicht dafür verantwortlich. Du bist für keinen Tod heute schuld, auch wenn es so einfach gesagt ist.“ Dabei biss sie sich teilweise in die Lippen, weil sie erneut mit den Tränen kämpfen musste. Zudem fing ein sanfter Schauer an, der uns beide unter seiner Leichtigkeit und Frische begrub.
    „Du warst einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Auf Wiedersehen-“ Verzweifelt stürmte ich vor und versuchte sie mit meiner Hand zu erhaschen. Die unzähligen Regentropfen näherten sich dem Boden und obwohl ich wusste, dass es keinerlei Chance gegeben hat, sie so aufzuhalten, musste ich alles dafür geben, sie zu retten. Hatte sie das Anrecht gerettet zu werden? Mir war es egal, zuerst musste ich sie retten. Sie hat einen Mann getötet. Das spielt gerade keine Rolle, zuerst musste ich sie retten.
    „Du sollst leben!“


    „Erhebt euch zum Gericht.“
    Ein Ring bildete sich um Adam und Anastasia, emeraldfarben und anschließend ein blasser grau-weißer Ton, der an schlichten Marmor erinnerte. Die Regentropfen verschwanden aus ihrem Sichtfeld und bauten sich in einer Kuppel über ihren Köpfen auf, während der Himmel sich öffnete und einen unendlichen Sternenhimmel preisgab. Keine der strahlenden Konstellationen war Adam bekannt, was an sich außergewöhnlich war, da sich sonst in sowas auskannte. Doch diese Gebilde erschienen viel zu symmetrisch für einen gewöhnlichen Himmel, so als hätte er sich Äonen von der Erde wegbewegt und nun sich selbst überlassen auf einem fremden Planeten.
    Wo eben noch die Asphaltplatten waren verstreute sich feinster Sand, der sich zwischen Adams Füßen ausbreitete und ihn ins Stocken brachte, bis er vollständig anhielt. Dabei musste er seinen Blick sofort wieder auf Anastasia richten, die jedoch keine Bewegung tat und nur so leblos vor sich hinsaß und mit ihrem Revolver gegen ihren Kopf zielte. Dabei hatte sie jegliche Farbe verloren. Ihr weißer Mantel der durch das Wasser teilweise braune Flecken hatten, war nun ein weißer Mantel mit grauen Flecken, ihre rosige Haut hatte jegliche Farbigkeit verloren und ging in eine fahle Bleifarbe. Wie aus einem schwarzweiß Film saß nun da, mitten im Kreis und vollkommen sich selbst überlassen. So hatte Adam die Zeit sich schnell einmal umzudrehen und umzusehen.
    All die Häuser waren weg, verschwunden. Stattdessen stand er nun auf einer Insel, kaum größer als der Hinterhof, die unbedeutend in der Schwärze des Sternenhimmels und des Nichts vor sich hinbewegt und dabei den feinen Quarzsand verliert, der in einer Spur hinter ihr herunterfällt und in den weiten Tiefen versinkt.
    Adam berührte sein Gesicht, er wusste nicht ob Anastasia ihn vielleicht angeschossen hatte, ohne dass er etwas mitbekommen hat, sodass er sich nun einer Welt nach der seinigen befindet und auf Erlösung wartet. Doch alles war genauso wie vorher. Zwar war die Kleidung weiterhin nass und schwer, jedoch war ihm nichtmehr kalt, weil hier kein Wind wehte. Stattdessen war ihm auch irgendwie warm, jedoch nicht angenehm warm wie zuhause bei der geliebten Familie vor dem Kamin, sondern warm wie an einem schwülen Sommertag in der Bahn, wo er keine Möglichkeit hatte nach draußen zu flüchten. Ein Befinden wie als wenn man in der Hölle gefangen wäre.
    Wo also war er? In der Hölle? Nein, das entsprach nicht seinen Vorstellungen. Zudem war es nicht so unbeschreiblich widerlich, als dass man hier leiden würde. Irgendwo war auch etwas Vertrautes, bekanntes, sodass die Situation für ihn nicht absolut bizarr war. Er war noch am Leben. Doch galt das gleiche auf für Anastasia?
    Adam drehte sich um, als ein Stich durch seine Wahrnehmung stach. Plötzlich war da irgendetwas, wie eine Migräne, der jedoch genau einen Punkt durchstach und auf etwas deutete. Rund drei Meter hinter Anastasia verzerrte sich der Raum. Man erkannte das daran, dass die Züge im Sand scharf abgeschnitten wurden und sich nach oben verschoben, teilweise dann nach rechts oder links, bis sie schließlich wie Bonbonpapier zusammengeknüllt wurden. Dabei waren die Grenzen deutlich durch grünes Leuchten markiert, ein rund zwei Meter hohes Tor mit einigen unscharfen Abweichungen und Rundungen. Je mehr sich der Raum verzerrte umso mehr rieselte er, bis schließlich die Scherben zu Boden fielen und sich sofort auflösten. Aus einem sauberen Viereck, welches sich dann aufriss, stieg dann ein Mann. Aus einem schwarzen Tunnel, der verschwand, sobald der Mann durchgeschritten war, strömte kalter trockener Wind, der nach dem Meer roch.
    Der Mann selbst war großgeraten, rund einen Kopf größer als Adam und reichte somit fast an die 1,90. Sein Haar war kurzgeschnitten und wellig, absolut unpassend zu seinen scharfen kantigen Gesichtszügen einer Bulldogge. Die Nase war sehr eckig wodurch sie sein Gesicht noch unnötiger in die Breite zog. An seinen grünen Augen fand man nur entschlossene Pupillen, als würde er einen nur mit seiner bloßen Präsenz dominieren.
    Das erstaunlichste an ihm war jedoch seine Kleidung. Zu seinem grauen Barett trog er zwei Ohrringe an jedem Ohr, weißeste Perlen in einem Platinkranz. An jedem Arm hatte er eine handschuhähnliche Panzerung mit ovalen Verzierungen, die an seinen Fingern endeten. Das graue Seidenhemd wurde mit einem Jabot am Kragen verziert, welches luftig an seiner durchtrainierten viereckigen Brust runterfiel. Seine schwarze Stoffhose, die erstaunlich eng anlag wurde durch einen weißen Ledergürtel zusammengehalten, der mit einer platinfarbenen Schnalle verziert wurde, die stolz und gezielt die römische Vier „IV“ präsentierte. Den Schnitt der Hose am Ende konnte man nicht erkennen, da die grauen Wildlederstiefel ihm bis zu den Knien gingen und ihn durch weitere Absätze noch höher in die Luft ragen ließen. All samt ein unglaublich ausgefallenes Outfit, was keiner auf einer gewöhnlichen Straße tragen würde. Selbst zum Feiern war zu formell, während man in einem Bürokomplex damit ausgelacht oder bewundert werden würde. Doch das geheimnisvollste an seiner Erscheinung war ein weißes Buch, welches durch eine Kette aus fünfeckigen Gliedern an seinem Gürtel festgehalten wurde und mit einer goldenen Verzierung tiefste Mysterien bewahrte.
    Sein Stand war fest und bestimmend. Auch wenn er Adam und Anastasia nicht vernahm, so wusste er, dass er genau wusste, dass sie hier waren, da sich ihre Blicke kurzzeitig kreuzten und er schlicht und einfach wegsah um seine Arroganz zu demonstrieren. Seine Augen wanderten mehrmals umher, wobei Adam nicht verstehen konnte was er denn in der Leere suchen könnte, bis er schließlich stillstand und beide Hände hochnahm. Dabei zeigte er rechts und links von Anastasia, woraufhin sich auch dort zwei Portale öffneten, ebenso wie sie es eben taten. Wieder einmal ein heftiger vertrauter Geruch nach Meer, der dieses Mal jedoch viel kälter war und Adam in den Augen brannte.
    „Wer übernimmt die Anklage?“
    Zu der Linken der Mann im Anzug. Er war ungefähr fünfundzwanzig und genauso groß wie Adam selbst. Seine Haare hatten die schwärze von verschüttetem Öl, obwohl sie sauber und gepflegt waren und hinten in einem Pferdeschwanz zusammenliefen, der durch ein violettes Band zusammengehalten wurde. Der Rest des Haares viel in einem Pony über sein rechtes Auge und verdeckte es vollständig. Der Anzug war sehr elegant und schlicht, er passte zu dem giftigen Blick, den der Mann trug und harmonierte mit seinen braun-schwarzen Augen. Seine Lippen waren spitz, ebenso wie die schwarzen Lacklederschuhe, die einen silbernen Riemen an der Seite hatten. Das Oberteil war wie ein Jackett geschnitten, wobei die Arme aber bei rund ¾ aufhörten und durch Schwarzlederhandschuhe mit offenen Fingern weitergeführt wurden. An der rechten Brusttasche ragte ein fliederfarbenes Taschentuch heraus, welches von einer Brosche begleitet wurde, die ein Oval repräsentierte, welches von zwei Adlerschwingen umschlossen wurde und eine römische Fünf „V“ beherbergte, die in einem Silber glänzte und dabei von einem integrierten Amethyst in der Brosche gefärbt wurde. Alles in allem machte der Mann den Eindruck einer Schlange, die sich in der Haut eines vergifteten Menschen versteckte. Seine Züge waren nicht nur kalt, nein, seine Stimme selbst zog Hauch in den Luft, der dann als schwere Wolke zu Boden fiel und sich wieder auflöste.
    „Cinquième Ecidus-“ dabei riss er sich einen Handschuh weg und steckte seine Hand in die Luft um dabei die Handfläche mit dem Tattoo einer einfachen arabischen Fünf „5“ hochzuhalten und dabei sein Haar wirbeln zu lassen. „Ryze Griffon.“
    Derweil erschien das gesprochene in einer feinen, edlen, nahezu graziösen goldenen Schrift für alle Anwesenden sichtbar vor Ryze. Kaum war die Vorstellung abgeschlossen verwehte sich das Gold in der Gegend und Ryze zog seinen Handschuh in einer Handbewegung wieder an, als hätte er das ganze schon tausende Male gemacht.
    „Ryze Griffon, das Genie dieser Generation? Ich mein ich hatte schon von dir gehört, nein wirklich-“ die Frauenstimme erklang von der anderen Seite der Insel. Die Dame stand zur Rechten von Anastasia und war gerade im Begriff ihre weiße Bluse aufzumachen.
    „Das will schon was heißen, wenn du in den höheren Gradi erwähnt wirst. Bisher hast du nur einen Fall verloren gehabt und das auch nur gegen einen Leutnant. Aber immer noch töricht, wenn du glaubst, dass du in der hohen Liga mitspielen kannst-“ schließlich riss sie sich ihre Bluse auf, woraufhin man ihren Brusthalter erkennen konnte. Er war zufälligerweise marineblau, was erstaunlich war, weil diese Farbe nicht durch die weiße Bluse durchleuchtete. Auf der rechten Brust war in genau derselben Farbe das Tattoo einer Zwei aufgebracht, welches sie stolz in die Gegend hielt.
    „Deuxìeme Defensor – Marina Fontain.“
    Dabei ging sie leicht in die Hocke wie bei einem Tanz und hielt den Zeige- und Mittelfinger in einem V auf ihr Tattoo. Auch hier erschienen die Nummerierung und der Name in goldenen Buchstaben vor ihr, bis sie schließlich verschwanden und sie wieder normal stehen konnte.
    In ihrer Position erschien sie Adam einfach abgöttisch schön. Ihre Augen waren tiefblau, wie ein Ozean, der noch niemals von einem Menschen berührt wurde. Ungezähmte endlose Bläue, solche, wie man sie aus den Katalogen mit den himmelblauen Meeren kennt.
    Ihr Haar fiel wellenförmig über ihr linkes Auge und ging ihr nicht einmal bis zum Hals, wobei sie jedoch kein Bisschen an ihrer Weiblichkeit einbüßen musste.
    Mit ihrer weißen Bluse, die sie nun wieder zuknöpfte, trug sie eine silberne Weste, die farblich auf ihre armlangen Handschuhe angepasst war. Ihr Rock ging ihr knapp bis zu den Knien, von wo die silbrigen Stiefel mit Absatz weitermachten und sie höher stellten als Ryze. Auch sie trug ein Jabot an ihrem Kragen, welches durch einen Saphire geschmückt wurde, der eine römische Zwei hinhielt. An ihren Ohren befanden sich dabei zwei goldene Versionen der römischen Zwei, die sie ein wenig älter erschienen ließen, als man eigentlich dachte. In den Überlegungen erschien sie Adam dreißig zu sein, wobei sie ohne die Ohrringe knapp an die Fünfundzwanzig kommen würde.
    Sie war in der Tat hübsch.
    Doch ungezähmt.
    Bei genauerem Betrachten bemerkte man die silberne Kugel unter ihren Lippen, die ebenso wie das zweite Kugelpiercing auf ihrer Zunge nur dann tanzten, sobald sie den Mund aufmachte um etwas zu sagen.
    „Was macht der Typ hier? Kümmert sich die Inquisition nicht um sowas?“ Und obwohl sie damit Adam meinte und ihn irgendwo sogar unhöflich abstufte, klang es aus ihrem Mund unglaublich verführerisch und anmaßend. Jede Silbe war eine Vibration der Lüste in Adams Ohren.
    Der weiterhin unbekannte Ritter engte seine Augen ein und fokussierte nun denjenigen, der in diese Runde nicht reinpasste. Kurz hielt er an und dachte nach, wie er verfahren soll, entschloss sich dann aber die Hände hochzunehmen, als würde er gleich applaudieren. Anscheinend hatte er es wirklich vor.
    Doch Adam passte diese Geste nicht. Aus einem instinktivem Grund wollte er nicht, dass er seine Hände zusammenführt und streckte seine Hand nach ihm aus, verzweifelt seinen Blick zwischen ihm und Marina wechseln, wohl auch weil er genau wusste, dass er von seine von Ryze keine Hilfe erwarten konnte, da diesen ihn bis jetzt noch keines Blickes gewürdigt hatte.


    „Was geht hier vor! Ehe ich hier rausgeschmissen werde, will ich wissen wer ihr seid, was das bitte für ein Ort ist und warum zum Teufel Anastasia wie eine Statue herumsteht!“ Dabei riss er seinen Arm zur Seite und ließ den Blick der Anwesenden zu Anastasia wandern, die für einen kurzen Moment sie betrachteten, aber dann schnell wieder zu ihm schauten.
    Marina überkreuzte beide Arme unter ihrem üppigen Vorbau und seufzte nur, während sie einen genervten Blick an den Ritter schmiss. Dieser hatte zwar angehalten seine Hände zu bewegen, kam jedoch leicht ins stottern, als sein Blick ihren traf, woraufhin er sofort seine Hände ineinander führen wollte.
    „Ist das ein Gericht?“
    Alle schwiegen und beobachten ihn. Sogar Ryze hatte seinen desinteressierten Blick auf Adam gewandt und seinen Körper in seine Richtung ausgerichtet.
    Erst einmal geschah nichts, denn keiner wusste nicht, ob er sich wirklich auf das Niveau herablassen sollte, es ihm zu beantworten. Auch Adam war sich der Situation plötzlich absolut unsicher. Doch dies war derzeitig sein kleinstes Problem. Nicht nur dass er so aufgeregt war, dass er sich gleich übergeben könnte und das in derartigen Größen, dass er Angst hätte weiter zu leben, falls er denn das ganze überleben würde, nein, er selbst war nun voller kaltem Schweiß, der sich noch unangenehmer in der Kombination mit dem bereits kalten Hemd anfühlte.
    „Dies ist ein Gericht. Wir entscheiden über das Schicksal von Anastasia Romelle, geboren Brûler.“ Es war Marina, die sich die Mühe machte Adam anzusprechen, wobei sie die Arme hochnahm und dem Ritter signalisierte, er soll die Hände wieder runternehmen, was er auch mit einer fast verärgerten, jedoch unterwürfigen Mime tat.
    „Was heißt hier entscheiden?“
    „Wir entscheiden ob sie den Tod verdient hat oder nicht.“ Ryze hatte sich nun aus seiner Passivität heraus bewegt. Seine Stimme war kalt, ebenso wie seine Aura, die Adam erst jetzt genau verspürte. Sie hatte etwas einengendes, so als wäre man in der Kälte draußen irgendwo festgebunden und nun spüren würde, wie die gefrorene Luft in die Lungen rein schneidet und sich im gesamten Körper ausbreitet. Ein Gefühl einer Vergiftung.
    „Dies hier ist ein Prozess zwischen mir, dem Kläger, Frau Marina Fontain, dem Verteidiger und der Inquisition, der unparteiischen richtenden Partei. Der Gewinner dieses Prozesses entscheidet dann ob Marina jetzt stirbt oder noch weiterleben darf.“ Sein Blick fiel urteilend auf Adam nieder. „Und du bist ein unerwünschter Zuschauer. Inquisitor, in wünsche, dass er entfernt wird.“
    „Ich möchte ihn hierbehalten.“ Marina hatte ihre Arme immer noch vor sich und schaute auf Ryze ebenso herablassend wie er es gerade bei Adam getan hatte. „Aber letztlich liegt es am Inquisitor, nicht wahr?“
    Der Inquisitor schaute kurz auf den Boden, bis er dann die Arme hinter dem Rücken verschränkte und sich dann kurz räusperte. Dabei bemerkte Adam, dass dessen Stimme fiel weicher klang er als er aussah. „Der Anwesende darf dem Prozess beiwohnen und wird hinterher ohne Erinnerungen aus dem Prozess entlassen. Bitte bleiben sie während des Prozesses ruhig und mischen Sie sich nicht ein.“
    Marina zwinkerte Adam kurz zu, ohne es vollkommen ernst zu meinen und stellte sich dann aufrecht hin. „Wenn es nach mir geht, so können wir anfangen.“
    Kurzerhand bebte die Luft und Adam wurde von Anastasia weggeschleudert, sodass er am Rande der Insel wieder Fuß fasste, ehe er doch wieder das Gleichgewicht verlor und auf dem Rücken landete. Diesen Kraftstoß hatte er nicht erwartet. Doch trotz der leichten Schmerzen konnte er sich umrollen und dann mit ausgestreckten Armen vom Boden hieven.


    Wieder auf den Beinen musste Adam merken, wie sich die Insel um den Marmorring herum ausdehnte und sich in zwei Teile teilte. Während Adam, Ryze, Marina und der Inquisitor auf dem äußeren Ring der Insel standen, befand sich Anastasia nun weiterhin versteinert auf der Plattform in der Mitte, auf die alle Anwesenden einen guten Ausblick hatten. Der Sand bröckelte hernieder und fiel Schwadenweise von der Insel in die Tiefe der Welt.
    Der Inquisitor schaute sich um und reichte dann seine rechte Hand zu Marina, die es sofort als Aufforderung zum Sprechen erkannte.
    „Anastasia Romelle, geboren Brûler. Sie wird heute für den Mord an ihrem Mann verurteilt. Der Mord war geplant und mit nüchternem Bewusstsein durchgeführt. Der Mord war nicht heimtückisch, er wurde durch einen Kopfschuss getötet.“ Dabei war Marina selbst absolut nüchtern, als würde sie eine alte Akte durchlesen und nur nebenbei über das Schicksal einer Person urteilen.
    Nach einem kurzen Moment kam sie ins Stocken und dachte nach. Ihre Hand wanderte langsam hoch, sodass sie an ihrem Piercing spielte und ihren Blick über Anastasia und Adam wandern ließ.
    „Sie bereut nichts.“ Ließ Ryze fallen und dabei seine Mundwinkel nach oben wandern, was jedoch nicht in einem Lächeln ausartete wohl aber in einem Vorwurf an Marinas Inkompetenz.
    „Worauf ich auch noch zu sprechen gekommen wäre“ räumte Marina ein, wobei sie selbst hämisch gegenlächelte und es sofort unterbrach. Schließlich nahm sie die Hände wieder runter und verschloss die Augen, um ihren Kopf zu drehen und dann zu Adam zu schauen.
    „Das war’s.“
    Die Sprachlosigkeit würgte Adam. Dieses Mal brannte die Wut wieder auf, doch genau gezielt gegen Marina. Wieso verschwieg sie das alles drum herum? Wie konnte sie die Peinigung verschweigen, wie das gesamte Leid? Wie konnte sie die Schwester nicht erwähnen. Ryze hatte erwähnt sie sei die Verteidigung. Wieso handelte sie nicht wie diese?
    Adam ballte die Faust zusammen, wollte schon fast losschreien, doch Marina hielt ihn auf. Sie stand nur da, absolut auffordern, so als hätte sie das alles nur getan, damit er sich darüber aufregt. Doch es wäre schwachsinnig und abwegig zu behaupten sie würde über das Schicksal einer Person falsch entscheiden, um einen Fremdem, wirklich einen Fremdem aufzuregen. Zudem hatte sie keinen Grund zu.
    Ein widerwertiger Traum dachte sich Adam. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er bis jetzt noch nicht die Option in Betracht gezogen hatte, dass dies nur ein Traum ist. Er war nach der Arbeit nach Hause gegangen, hätte noch schnell was gegessen und sich dann in sein Bett gelegt. Nach kurzen Gedankenflügen war er dann auch eingeschlafen und in einen derartigen Traum gefallen.
    Adam machte einen kurzen Satz nach vorne. Dabei ließ er seinen Blick von Marina nicht ab, die keine Sekunde lang von ihm weggeschaut hatte und weiterhin verspielt in ihrem Haar die Finger gleiten zu lassen.
    „Du bist doch ihre Verteidigerin… Wieso sagst du nichts?“
    Marinas Blick wurde messerscharf, als sich auch die anderen beiden anschlossen und einen strafenden Blick über Adam warfen. „Wie war das?“ bemerkte Marina in einem Tonfall, der überaus genervt und beleidigend klang.
    „Halten Sie sich bitte heraus. Dies ist meine erste und letzte Verwarnung.“ Der Richter verließ seine Position nicht, was den Eindruck eines Felsens vermittelte, der auch nicht nachgeben würde, wenn man tausend weitere Male auf ihn einschreit. Adam meinte neben der Strenge auch Mitleid zu hören und später erinnert er sich an den warnenden Blick von ihm.
    Doch es ließ ihn nicht los. Er machte einen weiteren Schritt vor, kam dem Abgrund immer näher, wo er schon die Schwärze darunter erkennen konnte. Der Sand raschelte ruhig unter seinen Sohlen. Dabei fiel sein Blick auf Anastasia, die immer noch in ihrer Position verharrt gewesen ist.
    „Sie hat jemanden umgebracht. Ihren Mann. Ich glaube alle Anwesenden sind sich einig, was vorgefallen ist. Kaltblütiger Mord“ Marina unterbrach ihre Ausführung und richtete sich ihm entgegen, „ist eine Straftat, bei uns ebenso wie bei euch.“
    „Was ist mir Recht!“ Adam schrie bereits und zeigte auf Anastasia mit seinem geschwungenen Arm. „Sie hat gelitten! Ohne irgendeine Hoffnung auf Erlösung, ohne einen Hoffnungsschimmer, dass es eines Tages besser werden könnte!“
    Ryze schmatzte und schnipste um die Aufmerksamkeit des Richters auf sich zu lenken. „War da nicht irgendetwas mit einer Warnung? Beseitigen Sie ihn, damit wir hier weitermachen können.“
    „Misch dich nicht ein“ fauchte Marina ihm entgegen und nahm ihre Hand endlich aus dem Haar um sich nun vollständig Adam zuzuwenden. Doch als sie in ihrer Wahrnehmung einen Stich verspürte, wurde ihr ganz unbefangen. Der Richter hatte seine Hand gehoben und sie vor seine Lippen gehalten.
    „Gleiches gilt auch für Sie Madame Fontaine.“ In seiner Stimme lag nun etwas Dominantes. Marina zuckte auch kurzzeitig zusammen und wand den Blick von Adam ab.
    „Ich werde aber nicht schweigen!“ Adam ging nun an den endgültigen Rand und schmiss etwas Sand in die Tiefen, beugte sich sogar teilweise mit seinem Körper vor.
    „Diese Frau hat gelitten! Sie wurde geschlagen, gedemütigt, gefangen gehalten! Sie hat diesen Mann umgebracht, ja, aber ist es wirklich so einfach. Wie könnt ihr euch erlauben, einfach zu sagen, dass sie die absolute Schuld trägt? Ist es wirklich so einfach? Dann könnt ihr ja jeden direkt brandmarken. Jeder hat Fehler gemacht.“
    Ryze gähnte nur, wobei er aber die Höflichkeit besaß die Hand vor den Mund zu nehmen und wegzuschauen. Als er aber fertig war, schaute er Marina nur noch mürrisch an, bis er sich schließlich zum Richter wandte. „Können wir ihn jetzt bitte entfernen?“
    Doch der Richter verstummte und nahm die Hand nun in die Richtung von Adam und öffnete seine Handfläche. „Dies ist leider nicht mehr Möglichkeit. Adam Nova hat seine Meinung offiziell im Prozess vorgelegt.“
    Marina schloss die Augen, drehte sich dann aber um, um wegzuschauen. Adam gefiel das Ganze nicht, doch jetzt war es sowieso zu spät einen Rückzieher zu machen. Auch wenn sein Körper immer noch zitterte und jede Zelle Vernunft ihn davon abhielt, blieb er eisern stehen und schaute dem Richter direkt in die Augen. „Diese Frau hat ein Motiv gehabt. Sei es Rache oder Vergeltung oder was auch immer die Kläger vorbringen wollen. Diese Frau ist selbst vor zwei Jahren gestorben, als Robert ihr Mann wurde. Keinen Tag hat sie von da an für sich gelebt. Jeder Tag wurde nur noch für ihre Schwester gelebt.“
    „Adam… lass es jetzt“ kam es ganz leise aus Marinas Richtung.
    „Hör auf solange du noch gefragt wirst“ sagte Ryze mit aller Trockenheit, die er aufbringen konnte, wobei er sich sogar die Mühe machte Adam in die Augen zu schauen, dieser aber weiterhin stur zum Richter schaute.
    „Willst du für diese Frau, die du nicht kennst, sterben?“
    Die Frage war sehr unangenehm formuliert. Sie hatte etwas Ernstes und Fatales. Klammheimlich wünschte Adam sich sogar, dass er jetzt eine vernünftige Antwort gibt. Doch hier ging es um weit mehr als Vernunft.
    „Schon oft habe ich mich gefragt, ob etwas den gerecht wär. Nicht immer war es gerecht, dass andere belohnt und andere bestraft wurden. Hatten sie sich an Regeln gehalten, wurden sie nicht bestraft. Hat man die Regeln gebrochen, wurde man bestraft. Doch viele Regeln sind Schwachsinn. Die Stärkeren stellen immer die Regeln und die Schwächeren müssen mit ihnen leben.“
    „Beantworte meine Frage Adam Nova. Willst du für die Gerechtigkeit dieser Frau sterben?“
    „Ich wollte schon immer einmal wissen wie es sich anfühlt, für die Schwächeren einzustehen. Und ich kann mir keinen besseren Zeitpunkt für vorstellen.“ Adam nahm sich die Hand vor die Brust und legte alle Finger auf sein mit Schlamm und Schweiß durchtränktes Hemd.
    „Man lernt, dass Gerechtigkeit absolut ist. Doch für mich besteht Gerechtigkeit nicht aus Regeln und Normen. Für mich besteht Gerechtigkeit aus zweiten Chancen. Und ich werde mein Leben aufs Spiel setzten, damit diese Frau eine zweite Chance bekommt!“ Die Hand wurde zu einer Faust geballt, die dann selbstsicher in die Brust geschlagen wurde und seine stolzen Augen weiter öffnete.
    Eine unangenehme Stille zog sich durch den Raum, als eine sanfte Brise irgendwo von weit her durchflog und dabei die Haare von Adam aus dem Gesicht zog und seinen Körper streifte. Das mitgenommene Wasser und der Schweiß kühlten Adam, bis es sich zu einer unerträglichen Kälte ausgebreitet hatte. Marina schaute weiterhin weg, Ryze hatte das Interesse an allem verloren.
    Der Richter verzog nur das Gesicht.
    „Cinquième Ciel de Force – Judgement Edge.”
    In einem Lichtschwall beförderte sich aus der Hand des Richters ein schwertförmiges Projektil, welches durch die Insel flog und dabei einen sanften silbernen Schleier hinter sich her zog. Als das Projektil aus weißem Licht auf Adam zukam, riss diese die Augen weit auf und seine Arme zur Seite. Nach nur einem weiteren Augenblick hatte das Projektil seine Brust getroffen und ihn von den Beinen gerissen. Wo er nach unten sah erkannte er schließlich ein Ritterschwert aus purem silbernem Licht, welches eine unhandliche amorphe Form hatte, die sich kurz darauf manifestierte und immer graziösere und definiertere Bögen und Verzierungen annahm, die an Engelsflügel erinnerten.
    Adam merkte, wie sich sein Körper im Fall auflöste. Ein kurzer Blick zur Seite reichte aus um festzustellen, dass seine Finger sich bereits verabschiedet hatten und sein Unterarm in Leuchtkugeln hochstieg und sich in der Gegend um ihn herum sammelte. Gleiches galt auch dem Rest seines Körpers, der in den verschiedenen Farben von Beige über Gelblich und reinstem Weiß verschwand.
    Zwar hatte Adam keine Ahnung was ihn jetzt erwartete, wobei er aber auch merkte, dass sein Herz endgültig aufgehört hatte zu schlagen, jedoch war er voller Zuversicht, dass er dafür gestorben ist, was er für richtig hielt. Viele Menschen wollen so sterben, sagte er sich, mit sich im Reinen. Doch er hatte es wirklich geschafft, einmal in seinem Leben für etwas einzustehen.


    Adams Körper berührte den Boden nicht einmal, so schnell hatte er sich in Licht zersetzt. Die Klinge blieb einige Sekunden lang in der Luft hängen und machte keine Ansätze dazu runter zu fallen oder gar nur zu sinken.
    Marina war immer noch abgewandt und sichtlich traurig, weil sie mit ihren Fingern durch ihr Gesicht gefahren ist, ohne dass die anderen etwas von mitbekommen hätten sollen. Ryze selbst hatte nun ein Auge geöffnet um sich die Lichter anzusehen, die teilweise wieder erloschen. Nach und nach folgte ein Licht dem anderen, viele der Farben verschwanden, bis nur noch wenige einzelne Lichter übrig waren, die sich weiterhin dezimierten.
    Der Richter machte keine Anstände sich zu bewegen, sondern verschränkte wartend die Arme hinter seinem Rücken und holte einmal tief Luft ohne aber wieder auszuatmen.
    Schließlich waren nur noch zwei Lichter übrig. Marina hielt es nicht aus und schaute nun in die Richtung wo Adam noch eben gestanden hatte. Der silberne Schleier des Geschosses verzog sich allmählich, jedoch konnte man immer noch die Glitzerpartikel erkennen, die in der dunklen Kulisse besonders schön leuchteten. Marine biss auf ihrem Daumen rum, eine Angewohnheit, die sie schon immer gehabt hatte, wenn sie sich wirklich Sorgen machte.
    Das letzte Licht hievte nun durch die Luft und verlor langsam an Licht.
    Auch Ryze war nun etwas aufgeregter, weil er das andere Auge zum Schauen hinzuzog. Die Spannung war unerträglich, als alle dann nur auf das einzige Licht starrten und sich ihren Teil zu dachten. Was käme nach dem Licht? Was erwartet einen, wenn das letzte Licht erloschen ist?
    Es erlosch.
    Das letzte Licht verdampfte in der Luft, sodass nur noch die Klinge an der Stelle war, wo Adam noch eben gestanden und existiert hatte. Das ebenselbe Schwert, welches Adam gerade durch die Brust gestoßen hatte, war nun heller am Leuchten. Es pulsierte förmlich und gab einen warmen Ton von sich. Der Druck wurde immer stärker, bis man die Energie durchsickern fühlen konnte. Der Handgriff des weißen Schwertes zerbrach allmählich, woraufhin auch die Klinge folgte, die in Scherben zu Boden krümelte, bis das gesamte Schwert eine Lichtsäule in den Himmel schießen ließ. Innerhalb der Säule sah man undefinierte Silhouetten, Schatten von Händen und Beinen, von Armen und einem Kopf, die keine feste Form hatten aber definitiv anwesend waren.
    Schließlich riss sich ein Arm heraus, der kurz darauf wieder verschwand, nur um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Der männliche Arm war wohl definiert und absolut menschlich, ebenso wie die Schulter die ihm folgte, die sich mit einem weißen Umhang überzog, der sich in einem Ärmel über den restlichen Arm ausbreitete. Schließlich sackte die Säule aus Licht herab und gab einen Männlichen Körper preis, der sich in der Hocke befand, mit einem Bein vor sich und dem anderen Arm auf diesem Knie.
    Die Person trug dunkles volles Haar, ein Stich von Schwarz zwischen den ganzen Erdtönen, wohl frisiert und mit einer Locke, die über das rechte Auge ging. Die weichen aber trotzdem männlichen Gesichtszüge, die scharf getrimmte Koteletten, welche weich auf die herausragenden Wangenknochen zeigten, machte zusammen mit den dünnen Lippen und der kurzen aber spitzzulaufenden Nase ein unglaublich ansprechenden Jungen Mann aus, welcher zusätzlich durch seinen athletischen Körperbau überzeugen konnte.
    Sein geschlossenes asphaltfarbenes Jackett zusammen mit der schwarzen Krawatte auf dem weißen Hemd machten einen sehr formellen, aber schnittigen und jugendlichen Eindruck. Während er sich selbiges aufknüpfte und dabei seine kobaltfarbene Silberuhr am Handgelenk trug, die auf dem Chronographen eine römische Sieben „VII“ trug. In einer Handbewegung riss er sein Oberteil auf und fing mit der anderen Hand ein Buch heraus, welches genau zu dem Zeitpunkt runterfiel.
    Dieses schmiss er sich über die rechte Seite an sein Bein, wo es dann mit einer silbrigen Kette, die zwischendurch durch blaue Edelsteine unterbrochen wurde, zum Stillstand ins Hängen kam. Seine Hose war in der selben schwarzen Farbe wie eine Krawatte und legte sich um seine Beine, wobei sie nicht mehr genügend Spielraum für Fantasie offen ließ, was seine definierten Muskeln anging.
    Kurz darauf klackerte er mit seinen braunen Wildlederschuhen auf der Marmorplatte, die sich unter ihm aufgebaut hatte und strich sich durchs Haar, um die Locke hinter seinem Ohr zu befestigen. Nach einem kurzen Augenblick öffnete er schließlich seine braunen Augen, die ab und zu einen amethystfarbenen Schimmer aufbrachten.
    Der Richter nahm seinen Kopf etwas höher und ließ ihn sogar etwas nach hinten fallen, ehe er sich traute etwas zu sagen. „Ihr Name?“
    Der Mann nahm seinen linken Arm hoch und streckte sowohl Zeige- als auch den Mittelfinger aus, wobei an jedem der beiden ein silbriger Ring getragen wurde, um dann in einem Halbkreis vor sich eine Linie in den Raum zu ziehen. Während dieser Bewegung erschienen dann seine Worte in den selbigen goldenen Buchstaben, wie sie zuvor bei Marina und Ryze taten.
    „Septième Defensor – Adam Nova.“
    Schließlich nahm Adam seine Hand runter, woraufhin die Buchstaben verblassten und schließlich verschwanden. Er wusste nicht genau, woher seine Fähigkeiten kamen, auf einmal diese Buchstaben in die Lüfte zu holen und vor allem was für eine Kraft er dafür aufwandte. Doch wie Tinte, die seinen Fingern entglitt nahmen seine Worte vor ihm eine lesbare Form in filigraner Schrift an. Alles war zwar absolut neu für ihn und überhaupt nicht begreiflich, doch er tat es wie selbstverständlich, als hätte er diese Gabe die ganze Zeit über in sich getragen.
    Der Richter nahm seine Hände vor und reichte sie offenbietend Adam rüber. Sein Gesicht war dabei sanft und vertrauensspendend. „Adam Nova, soll ich Sie über ihre Rechte und ihr Recht aufklären?“
    Marina hielt dem Richter ihre Handfläche unterbrechend hin. „Darf ich das bitte übernehmen?“
    Auch wenn es dem Richter nicht gepasst hatte, dass sich Marina in seinen Kompetenzbereich einmischte, so trat er zurück und überließ mit einer Handbewegung Marina diese Möglichkeit.
    Das eine Bein neben das andere gestellt verstreckte Marina nun seriös die Arme hinter ihrem Körper und streckte ihre Brust vor, ebenso wie sie ihr Gesicht ernster zog.
    „Adam Nova, Sie sind eben für die Gerechtigkeit gestorben. Von nun an haben Sie das Recht, im Namen des Allherrlichen, an Prozessen der Gerechtigkeit teilzunehmen. Sie haben das Recht Ihre Meinung zu manifestieren und Ihr Leben für das Wohl der Menschen zu opfern.“
    Dabei verzog sie das Gesicht schließlich und verfinsterte ihr Gesicht zusätzlich. „Versteh das nicht falsch Adam, du bist gestorben. Du hast keinen Weg mehr, der dich zurück ins Leben bringt und keine Aussicht auf Erlösung. Alles was du gehabt hast, alles, ist für dich ab heute nur noch Geschichte.“
    „Glaub nicht, dass du eine Art Held bist“ dabei nahm sie die eine Hand hoch und umgriff ihren anderen Unterarm, während sie sich fast auf die Lippen beißen musste, um ihre Tränen zurückzuhalten. „Nein, du hast so eben deine Seele für deine Ideale verkauft.“
    Dabei drehte sie sich um und stellte sich mit dem Gesicht zum Gericht, um einerseits ihren Platz freizumachen, anderseits aber um es nicht miterleben zu müssen.
    Ohne Umschweife hielt der Richter seine Hand immer noch zu Adam. „Adam, Sie sind jetzt ein Defensor. Da Sie sich entschieden haben, als Mensch gegen die Meinung eines Patronus einzusprechen und für die Gerechtigkeit gestorben sind, liegt die Wahl bei Ihnen: Möchten Sie die Verteidigung für Anastasia Romelle übernehmen und sich damit zu einem Patronus bekennen?“
    Kurze Zeit atmete Adam nicht, sondern sah zu Marina, die sich nicht mehr um ihn zu kümmern schien. Stattdessen rückte sie ihre Kleidung zurecht und zerrte und pfriemelte an sich herum. „Ja, ich übernehme die Verteidigung.“
    Der Richter nickte zustimmend und sah dann zu Ryze rüber, der sich am Nacken kratzte. Aus seiner verhaltenen Position heraus ging er vor und schnipste mit den Fingern, woraufhin die Insel, auf der Anastasia stand einige Meter nach unten fuhr.
    „Adam Nova, Sie sind jetzt ein Verteidiger. Sie dürfen in einem Prozess ihren Mandanten beschützen und für sein Recht einstehen. Halten Sie sich dabei vor Augen, dass das Ergebnis des Prozesses unumstößlich ist. Sie als Neuling müssen sich nun mit den Klägern einigen, was mit Anastasia passiert.“
    „Schau Sprössling. Ich biete dir einen Deal an. Wir beide streiten uns in einem Prozess. Der Gewinner entscheidet, ob Anastasia Selbstmord begehen darf oder nicht. Gewinne ich, werde ich sie sterben lassen. Gewinnst du, darfst du mit ihr machen, was auch immer dir in den Sinn kommt. Wie klingt das?“ dabei wägte Ryze mit beiden Händen seine Entscheidungen ab. „Ich fordere einen Ringprozess.“
    Eine Tafel erschien auf halber Strecke zwischen Ryze und Adam. In bläulichen Buchstaben leuchtete als Überschrift „Ringprozess“, bis schließlich eine römische Eins zur Auflistung erschien und die einzige Regel im Kampf verdeutlichte. „Verlierer ist, wer außerhalb des Ringes fällt.“
    Adam wusste nicht ganz genau was er tun sollte. Heimlich hoffte er ja, dass irgendeine Entscheidungshilfe von Marina käme, ob er sich denn auf den Vorschlag einlassen sollte. Doch sie war nicht gewillt ihm irgendwelche Zeichen zu zuschicken. Vielleicht war es ihr sogar verboten, da der Richter immer wieder einige Momente zu ihr rüber schaute.
    „Ich gehe den Deal ein.“
    Der Richter ließ die Tafel in die Mitte der Ringinsel steigen und vergrößerte sie mit einem Fingerschnips. Marina drehte sich nun auch um und nahm die Hand vor den Mund, um die Hälfte ihres Gesichtes zu verdecken. Kurze Zeit später erschien in einem grünen Schimmer eine Marmorplatte, perfekt Kreisförmig über dem Ring und über Anastasias Teil der Insel. Graue Platten reihten sich an dunkelblaue mit einem feinen Muster aus Kreisen und Zacken.
    Mit einem Hopser beförderte sich Ryze auf die Insel, wobei er locker rund vier Meter mit einem Sprung aus dem Stand heraus hinter sich brachte. Ohne jegliche Zeichen der Anstrengung landete er auf den Spitzen seiner Schuhe und ließ ein sanftes Klacken von sich, als die Absätze dem folgten.
    Adam traute sich zuerst nicht soweit zu springen, weil er sonst in die Tiefen der Dunkelheit fallen könnte. Die Insel war rund einen Meter über seinem Kopf und rund zwei Meter davon entfernt. Doch er wollte nicht an solchen Kleinigkeiten scheitern, weshalb er sich wagte nach vorne zu laufen und kurz vor der Kante abzuspringen.
    Zu seinem Erstaunen war nun viel mehr Schwung im Spring drin als erwartet. Dabei hatte er nicht einmal den Eindruck, dass er sich sonderlich angestrengt hatte oder das sonst etwas anders sei. Anscheinend hatte er gerade neue Fähigkeiten erhalten oder irgendwelche Veränderungen im Körper durchgemacht, von denen er noch nicht mitbekommen hatte.
    Leicht unsauber landete er dann am Rande der Plattform zuerst mit dem einen, dann mit dem anderen Fuß, eher er in die Hocke gehen musste, um den Sturz abzufangen. Ryze lächelte ihm hämisch entgegen, was ihn in Rage versetzte, doch er wollte nicht losschreien und richtete sich einfach nur wieder auf.
    „Ungewöhnlich nicht?“ spottete Ryze ihm entgegen.
    „Im Vergleich was bis hier hin passierte, ist das die erste positive Überraschung.“ Dabei verschränkte er über kreuzt die beiden Hände vor sich und ging in eine Kampfposition rüber, die an keinen bestimmten Kampfstil erinnerte.
    Schweigsam erschien schließlich ein rötlicher Schleier in Form einer Kugel um die Fläche der kleinen Insel, auf der die beiden standen. Der Richter breitete seine Hände gewillt aus und schaute zuerst Ryze, dann wieder Adam an.
    „Der Prozess möge beginnen. Justice va gagner!“


    Ohne sich sonderlich zu bewegen nahm Ryze seine rechte Hand hoch und bildete samt Zeige- und Mittelfinger eine Pistole, die er vor sich hielt und sie auf Adam ausrichtete.
    Nach einem kurzen Augenblick erschien ein sanfter grauer Ring aus mystischen Zeichen und Symbolen, die filigran aneinander gereiht wurden und eine Glyphe ergaben, die sofort aufleuchtete.
    „Septième Ciel de Force – Impetus“ sprach Ryze nur aus und feuerte einen Kraftstoß aus den Fingerspitzen ab, der durch die Luft flog und letztlich Adam an seiner linken Schulter traf. Der Stoß war heftig genug um ihn aus dem Gleichgewicht zu reißen und in der Luft einige Male zu drehen, ehe er mit einem Schmerzschrei am Boden aufkam und rund einen Meter bis vor den Abgrund rollte.
    Das Gesicht verzerrte Adam, während er mit seiner freien Hand die Schulter ergriff und sich langsam aber sicher wieder hochrappelte und nun immer in Bewegung blieb. Ein Auge hatte er geschlossen um gegen den Schmerz zu pressen, die Beine bewegte er immer für kleine Sprünge, damit Ryze es nicht mehr so leicht hatte, ihn aus dem nichts zu erwischen. Er wollte sich nicht ein zweites Mal derartig eiskalt erwischen lassen.
    Doch Ryze folgte ihm mit seinen Fingern und fing zu lächeln an. Es machte ihm sichtlich Spaß mit einem Anfänger zu kämpfen, da er bewusst den Blickkontakt zu Adam suchte.
    „Weißt du, dies nennen wir Elogia. Um für unser Recht zu kämpfen besitzen wir Fähigkeiten, die über das menschliche Verständnis gehen. Elogia sind Urteilssprüche, die Manifestierungen unserer Argumente sind.
    Durch Siegel, Beschwörungsformeln, Handbewegungen oder andere Vorbereitungen sammeln wir Kraft um schließlich unsere Argumente in Angriffe zu verfestigen.
    Du hast soeben einen Impetus abbekommen, den einfachsten aller Angriffe. Deshalb trägt er auch die Stufe Sieben, denn jeder Krüppel kann ihn anwenden. Vier Siegel und ein Energiestoß wird auf das Objekt gefeuert, welches du mit deinen Fingern anvisiert hast.“
    Adam weichte nach einem kurzen Aufleuchten der Fingerspitzen dem Projektil mit einem Sprung nach rechts aus, wodurch die Kugel an ihm vorbeiflog und in die Insel einschlug. Einige Steine bröckelten herab und fielen herum, was Adam mit einem Auge beobachtete.
    Solche Wucht von einem einzigen Schuss. Und das soll tatsächlich der schwächste Angriff sein?
    Als Adam dann die Augen wieder hob bemerkte er Marina, die mit kalten Augen auf ihn niederblickte. Ohne sich etwas anmerken zu lassen nahm sie einen Arm herbei und formte selbst eine Pistole, die sie auf Adam richtete und eine Bewegung machte, die das Betätigen des Abzugs imitierte.
    Wissend was sie meint, fing Adam das Gleichgewicht wieder auf und sah sich um. Zwei weitere Kugeln flogen zu Adam, jeweils eine rechts und eine links, sodass es keinerlei Möglichkeit für ihn gab nun seitlich auszuweichen. Doch wie von selbst sank er in die Knie und lies seinem Körper nach vorne fallen. Wenige Millimeter über seinem Kopf passierten die Projektile ihn und rissen einige der Haare mit, bis sie schließlich wieder in der Wand hinter ihm einschlugen.
    Unscheinbar glitt Adams Blick wieder an Marina vorbei, die weiterhin ihre Finger in der Schießposition hielt. Einige Zweifel schnitten den Gedankengang von Adam. Was wäre, wenn Marina nicht das Ausweichen meinte.
    Doch dafür blieb keine Zeit, denn Adam musste sich sofort fangen und in einem Kreis um Ryze herumrennen, als er weitere Schüsse gegen ihn ausführte und schließlich sogar die zweite Hand dazu nahm. In wackelnden Handbewegungen bombardierte er ihn mit einer Salve aus Schüssen und traf ihn teilweise am Oberkörper und den Waden, jedoch nicht stark genug um Adam aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    Durch Herumlaufen werde ich diesen Kampf nicht gewinnen. Irgendwann muss ich den aus dem Ring befördern. Aber wie soll ich das anstellen, wenn er mich sofort treffen kann, sobald ich auch nur seine Nähe komme. Hätte ich die gleichen Voraussetzungen wie er, dann könnte ich-
    In diesem Augenblick baute sich das Gedankengerüst weiter auf, bis Adam verstand, was Marina ihm ursprünglich sagen wollte. In einem Sprung zur Seite beförderte er sich aus der Feuerlinie, weil Ryze selbst kurzzeitig ausgesetzt hatte. Keine Anzeichen von Anstrengungen seinerseits, während Adam bereits am Keuchen war.
    Mit einer Hand stützte Adam daraufhin seine rechte, die er in eine Pistole formte und auf Ryze richtete, welcher nur das eine Auge aufriss und die Augenbraue hochhob. Fast schon mitleidig blickte er in den Lauf der Pistole an den Fingerspitzen und schmunzelte über das gesamte Gesicht in einer finsteren Grimasse.
    „Septième Ciel de Force“ flüsterte Adam, wobei er sich selbst nicht sicher war, wohin das führen könnte. „Impetus“


    Nichts geschah. Kurz hielt Marina beschämt ihre Hand vors Gesicht um ihren Gesichtsausdruck zu verbergen, während der Ritter sich räusperte und dann wieder in seinen starren Blick überging.
    Lauthals klopfte sich Ryze auf die Oberschenkel, während er vor plötzlichem Lachen sogar Speichel vor sich verteilte. Dabei ging sein Lachen in ein schrilles Aus- und Einatmen über, welches nicht mehr kontrolliert werden konnte.
    „Ich kann nicht glauben, dass du dachtest, dass man einfach nur einen Namen aufsagt und dann fröhlich vor sich herumschiessen kann. Du bist doch tatsächlich so naiv wie ein kleines Kind nur sein kann!“ wobei Tränen des Lachens aus seinen geschlossenen Augen übers Gesicht liefen.
    „Du kannst noch nicht einmal einen siebten Grad aussprechen, wie willst du-“ doch der Satz wurde nicht beendet. Adam hatte sich in der Zeit, wo Ryze sich ausgelacht hatte ihm mit schnellem Schritt genähert und aus dem Sprung heraus eine Faust mitten in sein Gesicht gerammt, woraufhin dieser rund drei Meter nach hinten geworfen wurde und über den Boden geschleudert wurde.
    Nach einigen Drehungen fiel Ryze schließlich auf den Rücken, wo er seine Nase umgriff und das Blut weiter in seinem Gesicht verschmierte. Adam hingegen schüttelte nur seine Hand aus und atmete etwas durch.
    „Stimmt zwar, dass ich keine Ahnung von diesem gesamten Spiel habe. Doch wenn du so dumm bist, deine Verteidigung aufzugeben, dann habe ich keine Skrupel dir eine in dein asoziales Gesicht zu verpassen. Eigentlich wollte ich dich wirklich mit einem Impetus treffen, doch das hier hat fast noch mehr Spaß gemacht.“
    Marina schmunzelte leicht und stupste den Ritter an, der sich nicht aus der Position bewegte und sie nur mürrisch mit dem Blick zurechtwies.
    Adams Hand zitterte leicht. Ich habe das Gefühl, als ob ich mir die Hand bei dem Schlag eigentlich gebrochen hätte. Ich habe viel mehr Kraft aufgewandt als ich wollte und zudem auch viel mehr als ich dachte, dass ich eigentlich habe. Irgendwie scheint sich mein Körper verstärkt zu haben.
    „Du verdrecktes Stück Mist!“ Ryze schmiss sich hoch und nahm seine Hand zur Seite, die eben seine Nase wieder eingerenkt hatte. Sein Gesicht war blutverschmiert, sodass er es kurzer Hand mit einem Taschentuch aus der Hose wieder sauberwischen musste, wo teilweise immer noch Reste verblieben. Seine Augen brannten vor Wut und Demütigung. Nach einem kurzen Moment ließ er das Taschentuch in seiner linken Hand in Flammen aufgehen, die aus dem Nichts entstanden waren, woraufhin sich Adam wieder fangen musste und wieder in Kampfbereitschaft ging.
    „Ursprünglich wollte ich dich eigentlich nur etwas demütigen, ehe ich dich aus dem Ring werfe. Doch jetzt will ich dich leiden sehen, bevor ich dich fertig mache. Ich darf dich zwar nicht töten, weil dies ein Prozess ist, jedoch darf ich dich bis an die Schwelle des Todes verletzen.“ Ryze nahm seine Fingerpistole hoch und öffnete die Handfläche, damit nun ein grauer Ring erscheinen konnte, der sich mit zehn Symbolen verzierte.
    „Kreisendes Meer der stürmenden Böen, Siegel an den Toren des Angriffs – Sixième Ciel de Force – Turbineus Impetus“
    Aus dem Siegelkreis schossen einige kleine sich drehende Energiekugeln heraus, viel kleiner als die Luftprojektile des einfachen Impetus. Unter kreischender Drehung in der Luft passierten sie die Distanz zwischen Ryze und Adam, bis sie schließlich in seine Schultern, Waden und Seiten des Torses einstachen und hinter Adam wieder rausschossen. Dieser bemerkte die Projektile als einen furchtbaren Schmerz, der ihn sofort paralysierte und zu Boden riss. Im Schockzustand bemerkte er nicht einmal die Blutungen, die dieser Urteilsspruch an ihm verursacht hatte.
    Alles vor ihm wurde blass bis es schließlich in ein sanftes Schwarz überfloss und er nach und nach alles aus den Gedanken verlor.
    Auf dem Boden liegend atmetet er nur noch schwer und manuell. Die Schüsse fühlten sich an wie die einer richtigen Pistole, nur dass er keine Fremdkörper spürte, sondern nur die Hohlräume, die sie hinterließen.
    Wie es scheint, war es hier vorbei.
    „Eigentlich hatte ich vor, dich nur mit Elogia des siebten Ranges auszuschalten, dass ich einen Rang höher gehen muss habe ich nicht gedacht.“ Ryze nahm die Hände wieder runter und schaute mit gehobenem Blick auf Adam runter, während er die Hände in den Hosentaschen verschwinden ließ.
    „Du musst wissen, Elogia sind nach Rängen, sogenannten Gradi5 geordnet. Die schwächsten Elogia sind vom Rang her Sieben, die stärksten müden im Rang Eins. Von Rang Sieben auf Rang Sechs besteht doch ein definitiver Unterschied, denn Sixième ist fast immer drei Mal stärker als ein Septième Elogia. Und dieses Prinzip zieht sich durch, sodass zu jedem höheren Rang die Sprüche um den Faktor drei stärker werden.“
    Ryze atmete kurz durch, um eine Pause zu nehmen und sich das Keuchen von Adam auf der Seele zergehen zu lassen. „Du hattest von Anfang an keine Chance gegen mich, Septième Defensor.“
    Adam versuchte sich hoch zu zwingen. Doch der Körper wehrte sich dagegen mit Schmerzen und Trägheit. Jeder Muskel hatte sich gegen ihn verschworen und wollte auf keinen Fall weitere Schäden erleiden.
    Auf dem äußeren Ring war nun Marina deutlich aufgeregter. Sie hatte ihre Fingernägel in ihre Unterarme gebohrt und ihren Blick auf Adam fixiert, als versuchte sie nun ihn mit ihren Augen zum Aufstehen zu bewegen. Dabei biss sie sich leicht in die linke Seite der Lippe und stach mit den Absätzen tiefer in den Sand. „Steh auf“ flüsterte sie nur ganz sanft, woraufhin der Richter ihr einen flüchtigen Blick zuwarf. „Kämpfe für deine verdammte Gerechtigkeit.“
    Vor Adams innerem Auge tanzten Bilder der letzten Stunde. Wie Robert Romell angeschossen wurde, wie er Anastasia durch die Straßen jagte, wie er in ihre leidenden Augen blickte. Er wollte nicht, dass es vorbei ist. Er hatte die Möglichkeit bekommen, einen Menschen zu retten und ist letztlich gescheitert. Solch eine Möglichkeit einfach weggeworfen.
    „Steh endlich auf Adam!“ schrie Marina schließlich, über die gesamte Insel und zog Ryze Blick auf sich. „Wenn du schon bei sowas aufgibst, kannst du direkt ‚Verlierer‘ auf deine Stirn schreiben! Du bist für diese Frau gestorben, willst du heute etwa für zwei Tode verantwortlich sein!? Steh für deine Meinung ein, wenn es auch nur die geringste Möglichkeit gibt, etwas zu verändern!“ Dabei riss sie ihre Hand nach links und machte einen Satz nach vorne und wurde vom Ritter mit einer Hand zurückgehalten, damit sie nicht auf das Feld stürmt.
    Räuspernd verurteilte Ryze mit einem Augenwinken Marinas Worte und fing an sich Adam zu nähern. „Es ist vorbei.“ Woraufhin Ryze seine beiden Hände wieder nach vorne nahm und Adam erneut anvisierte.
    Doch dieser rammte seine Faust in den Boden und stieß sich mit der anderen Hand ab um sich hoch zu rempeln. Mit schwersten Atemzügen und blutenden Wunden zwang er sich hoch und riss beide Augen auf, um mit Ryze die Blicke zu kreuzen. Dabei loderten seine Pupillen vor Feuer und gewonnener Energie.
    „Gib einfach auf. Wir haben zwei Ränge Unterschied, womit ich neun Mal stärker bin als du. Hörst du? Du bräuchtest zehn von deiner Sorte um auch nur im Ansatz mit mir mithalten zu können, du Anfänger!“ Ryze beschwor seine Siegel herbei um erneut Turbineus Impetus herbeizurufen.
    „Selbst wenn ich hundert bräuchte, um dich auch nur anzukratzen. Der Versuch allein kann ganze Welten bewegen!“ dabei ballte er seine blutverschmierte Hand zu einer Faust und richtete sich endgültig auf.
    „Ich weiß es ist verwirrend, weil du mich nicht kennst. Aber es ist noch zu früh.“ Sprach eine Stimme zu ihm, die er keiner Person zuordnen konnte, irgendwo tief aus seinem Kopf heraus. Adam versuchte sie ansatzweise zu lokalisieren. „Aber für diesen Kampf leihe ich dir das hier. Gewinne diesen Prozess, damit wir uns bald treffen können, Adam Lucien Nova.“
    Ein Impuls aus dem Buch, welches Adam an seinem Gürtel trug jagte durch die Nerven hoch bis in sein Gehirn, wo er sich manifestierte. Adam erkannte kein System in den Gedanken und verstand auch nicht ob es eine Sprache, Bilder oder Töne waren. Es reichte jedoch aus, um ihm Zuversicht zu schenken, loszurennen.
    Ohne weitere Umwege beendete Ryze seine Glyphen und schoss dieses Mal bei weitem mehr Projektile auf Adam ab, die ihn weiter schwer zusetzten. Einige Projektile zerschnitten sein Gesicht, andere trafen ihn am Torso und an den Armen und Beinen. Doch Adam behielt seinen direkten Kurs auf Ryze zu und ließ sich nicht einmal aus dem Gleichgewicht bringen, während er in einem Eiltempo Blutspuren auf dem Marmorboden hinterließ.
    „Gib auf, du Anfänger!“
    Schließlich trat Adam kurz vor Ryze auf und kreuzte mit ihm ein letztes Mal die Blicke, ehe er seinen Kopf rechts an den von Ryze bewegte und seine Faust löste, um sie auf die Brust von Ryze zu legen. In einem Eiltempo von wenigen Bruchteilen einer Sekunde umgaben drei Siegelkreise Adams Hand und zeichneten blutrote Glyphen herbei, die sich sofort aktivierten.
    In einer sanften aber entschlossenen Stimme flüsterte dann Adam Ryze den Namen ins Ohr, während alles auf dem Schlachtfeld kurz einfror und stillstand. „Cinquième Ciel du Feu – Volcanius Impetus.“
    Eine gigantische Kraftwelle entlud sich auf der Brust von Ryze, die ihn wegdrückte und in einer Feuerdetonation den Boden aufbrach und einen Teil der Insel zersplittern ließ. Der Rückstoß ging mit Flammen einher, die Adams Kleidung verbrannten und ihn selbst von Ryze wegstießen. Die Steine regneten hernieder, wobei sich aus dem Flammenmeer ein Körper befreite, der in Rauchschwaden in die Dunkelheit herunterfiel und dabei die gezeichnete Kampfzone verließ, die sich daraufhin rot färbte. Einige Meter weiter wurde dann der stark verwundete Körper von Ryze mit einer beschworenen Plattform aus Marmor aufgefangen, die der Richter mit einer einfachen Handbewegen erschienen ließ.
    Adam selbst flog auf den äußeren Ring zu, wo er in der Luft von Marina aufgefangen wurde, die aus dem Nichts an seinem Aufschlagort erschienen war. Beide rutschten einige Meter weiter, bis sie schließlich zum Stillstand kamen.
    Es dauerte etwas, bis Adam sich traute die Augen aufzumachen, weil er immer noch die brennende Hitze des Angriffs verspürte. Doch dann traf er auf Marina, die ihn mit einem Lächeln beschwichtigte. Sie strahlte förmlich über das gesamte Gesicht und hielt ihn fest in beiden Armen. „Gratuliere, Anfänger.“
    Der Richter ließ die Insel verschwinden, indem sie nach und nach zu Staub zerfiel und sich in Schwaden im Raum verteilte. „Adam Nova gewinnt den Prozess. Adam, Sie dürfen entscheiden, was mit Anastasia Romell geschieht. Soll sie sterben oder soll sie leben?“
    Nach einem Blick zu Marina, dann zum Richter und schließlich dann wieder zu Marina selbst, musste Adam selbst lächeln und lachte mit schwachen Bauchbewegungen. „Sie soll lang und endlich glücklich leben.“
    Der Richter nickte. Mit einer Handbewegung verschwand Anastasias Steinstatue aus dem Sichtfeld aller in einer Lichtsäule. Dann beugte sich der Richter einmal vor und atmete tief durch seine Nase ein. „Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für den Prozess. Hiermit trennen sich unsere Wege bis zum nächsten Mal.“
    Nach einer Drehung auf den Absätzen strich er mit der Hand durch die Luft, wobei sich ein Portal aufzog, durch welches er schritt. Kurze Zeit später verschloss es sich wieder in einem sanften Brummen.
    Unten auf seiner Marmorplatte bebte Ryze vor Wut. „Wir sahen uns nicht zum letzten Mal, Anfänger.“ Dabei schlug er mit seiner verletzten rechten Hand auf den Boden und ließ den Handballen darüber rollen, um ein Portal unter sich zu beschwören, durch welches er fiel und von diesem Ort verschwand.


    Nach einigen Minuten hatte sich Adam ansatzweise wieder eingekriegt. Er hatte nichts mehr mitbekommen, doch als er die Augen erneut aufmachte, waren seine Wunden verschwunden, auch wenn man anhand der Blutspuren auf der Kleidung genau sagen konnte, dass dort welche waren. Anscheinend hatte Marina ihn notdürftig versorgt. Sie selbst hatte seinen Kopf auf ihren Schoß gelegt und sah nun in die Ferne zu ihrer Linken, ohne Adam weiter zu beachten.
    „Habe ich wirklich gewonnen?“ fragte Adam sich leicht unsicher. War dies vielleicht nur ein Traum, den er hatte, als er von Ryze das erste Mal angeschossen wurde und auf dem Boden lag?
    „Ja, du hast Anastasia gerettet. Du hast deinen ersten Prozess gegen ein Genie gewonnen. Das war sehr beeindruckend, auch wenn ich das überhaupt nicht gerne zugebe“ sagte Marina leicht müde, während sie ein Bein hochnahm und dabei Adam zwang sich aufzurichten. Als sie schließlich wieder normal stand und Adam sich unter starken Muskelkatererscheinungen hoch bewegte schnipste sie mit den Fingern, woraufhin die gesamte Kulisse um sie herum zusammenbrach. Nach und nach erkannte man den bekannten Sternhimmel, Fassaden der Häuser, die sich aus der Dunkelheit rausrissen. Der Boden blätterte sich, sodass man den kalten Asphalt erkennen konnte, der sich im Hinterhof erstreckte, in dem sie sich nun befanden.
    Absolut irritiert sah sich Adam um. Alles war wie vorher, sogar der eingefrorene Regen hing in der Luft herum. Doch nirgendwo ein Zeichen von Anastasia oder… ihm selbst. Alles war wie vor seinem Auftauchen hier, die Tonnen nicht umgeworfen, keine Menschen, ein einfacher Hinterhof wie ihn jeder unweit von sich aus hatte. Dieser Prozess spielte sich irgendwo in der Realität ab, ohne dass auch nur ein einziger Mensch bemerkt hätte, was hier ablief.
    „Was ist aus Anastasia geworden?“ richtete Adam an Marina, die etwas herumstand, bis sie selbst die Hand in einer Linie vor sich bewegte. Es dauerte etwas, bis sich das Portal aufzog und Marina sich umdrehte um Adam anzuschauen.
    „Sie lebt. Du hast den Prozess gewonnen, sie lebt nun.“ Gab Marina sehr verhalten von sich. Als wöllte sie einem nicht sagen, was nun wirklich passieren würde.
    „Ja aber, was genau? Wurde sie verhaftet? Hat sie den Mann gar nicht umgebracht? Irgendetwas?“ Adam wurde ungeduldig.
    Doch Marina sah nur weg und sah hoch. „Ich weiß es nicht. Es steht uns nicht zu zu erfahren, was aus dem Schicksal der Menschen wird. Wir dürfen ihnen nicht folgen, wir dürfen nicht Kontakt mit ihnen aufnehmen. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht einmal, ob wir überhaupt etwas geändert haben.“
    Es traf Adam wie einen Schlag. Kurz machte er den Mund auf und stieß Luft aus. „Aber wenn es doch nicht mal sicher ist, was mit den Menschen passiert, wie kannst du dann die Menschen einfach so dem Tod überlassen? Wieso rettest du nicht jeden Einzelnen? Es sind Leben, die du retten kannst. Wenn ich für das Recht dieser Personen sterbe, dann will ich doch jeden von ihnen retten. Wie konntest du sie dem Schicksal überlassen?“
    Kurz musste Marina nachdenken, bis sie dann zu Adam sah und ihn mit ihren eiskalten Augen durchbohrte. Was sie dann sagte, konnte Adam niemals wieder vergessen: „Weil sie in meinen Augen schuldig war.“
    Der Regen fiel wieder. Der eiskalte Regenschauer übergoss sich über Adam und Marina und durchnässte ihre Haare, die ins Gesicht fielen und ließ ihre stolzen und edlen Kleider schwer und träge werden. Noch nie war Adam so kalt wie jetzt.
    „Gehen wir. Dies ist kein Ort mehr für uns.“
    Mit diesen Worten ergriff Marina Adams Hand und zerrte ihn wehrlos hinter sich ins Portal, welches nach einem dunklen Meer nach dem Sturm roch. Kaum passierten beide die Grenze, schloss sich das Portal mit einem sanften Brummen hinter ihnen.