Priorität ist tot, es lebe Priorität!

Ihr werdet das möglicherweise gar nicht glauben, aber ich konnte jetzt aus dem Kopf heraus nicht mal sicher sagen, wann in den letzten Wochen ein Artikel von mir online ging. Wie mir dann allerdings ein Blick in die Artikelübersicht verdeutlichte, ging in diesem Monat lediglich 1 mickriger Artikel von meiner Wenigkeit online. Vorab ist hier natürlich eine Entschuldigung fällig!

Den Grund kann ich euch dann ebenfalls direkt hinterher liefern. Wie ihr mit großer Wahrscheinlichkeit bereits richtig vermutet hattet – zumindest wenn ihr in den vergangenen Artikeln aufmerksam die Trends der Woche studiert hattet – bin ich umgezogen.

Ja, mir war bewusst, dass das Stress bedeutet. Allerdings hätte ich mir wohl in meinen wildesten Träumen nicht ausgemalt, wie viel zusätzliche Belastung dieser Umzug am Ende wirklich ergeben würde. Nun ja, glücklicherweise bin ich jetzt größtenteils durch mit der "Doppelbelastung" (Job und Umzug) – die alte Wohnung ist erfolgreich abgegeben und in der neuen Wohnung kann man fast schon leben. ^[1]

Kurzzeitig hatte ich mit dem Gedanken gespielt, sogar diese Woche keine Kolumne zu schreiben. Hier haben sich auch so einige andere Aufgaben angestaut, die gerne erledigt werden würden. Doch ich wollte einerseits meine Fans nicht sitzen lassen und andererseits gab es ja wieder einmal eine Steilvorlage aus dem fernen Westen. Solltet ihr es tatsächlich nicht mitbekommen haben, so erwähne ich es hier gerne noch mal:

Dieser sehr gut geschriebene Blog-Beitrag wies uns auf eine umfassende Regeländerung hin, die sich – zumindest wenn es nach dem Autor Kevin Tewart geht – auf drei Wörter reduzieren lässt: "Priorität ist tot!"

Wer jetzt Angst hat, dass alle Regeln über den Haufen geworfen werden und ihr das Spiel von Grund auf neu erlernen müsst, der darf zunächst entspannt durchatmen. Tatsächlich ändert sich gar nicht so viel, wie man im ersten Moment annehmen könnte.

Im Grunde gibt es nur eine wirklich sehr große Änderung: Ihr könnt nicht mehr die Zündeffekte von Monstern nach einer Beschwörung aktivieren, bevor euer Gegner eine Chance hat, auf die Beschwörung zu reagieren. Dies stellte eine sehr große Ausnahme zu den allgemeinen Prioritätenregeln dar. ^[2] Nun gibt es im Grunde keine Ausnahmen mehr, so dass das komplette Thema "Priorität" einfacher denn je erklärt werden könnte. Sollen wir aber nicht, denn Kevin vertritt die Ansicht, dass viele Spieler mit dem Begriff viele verschiedene Theorien verbinden und nur wenige Spieler (sowie Judges) wirklich den Durchblick hatten, wie Prio genau funktionierte. Dieses Problem löst man nun elegant, indem man es totschweigt neue, verständlichere Begriffe einführt, die wenig Raum für Misinterpretationen lassen. ^[3]

Im dazu gehörigen Artikel gibt es sogar ein schönes Flussdiagramm, das uns noch mal genau verdeutlicht, wann was möglich ist. Dieses wirft auch eine erste Frage auf:

Bisher galt folgende Regelung: Passt der Turn Player auf leeren (der jetzt übrigens als "offener Game State" bezeichnet wurde) Game State und tut es ihm der Gegner gleich, so geht das Spiel automatisch mit der nächsten Phase / dem nächsten Step weiter. Schaut man sich das Flussdiagramm lange genug an und hat man die eigene Phantasie durch den Konsum diverser bewusstseinserweiternder Drogen angeregt, so fällt einem auf, dass man genau genommen Prio passen "nichts machen" kann und selbst wenn es euch euer Gegner gleich tut, so geht das Spiel nicht automatisch mit der nächsten Phase weiter.

Heißt: Wir können dem Gegner in unserer Main Phase sagen: "Ich mache nichts" und darauf hoffen, dass er keine Effektverschleierin abwirft. Dann werden wir uns mit ein wenig Rulesharking in die Battle Phase "schummeln" und schon sind wir safe vor dem gefürchteten "Fallenmonster" unseres Gegners und können noch etwas ungehinderter mit unseren Monstern angreifen!

...

Zunächst mal wird euch selbst in der Theorie auffallen, dass diese Logik stark fehlerbehaftet ist. Denn das "in die Battle Phase schummeln" wird nicht wirklich funktionieren. Darüber hinaus ist es auch weiterhin so, dass ein Spieler, der "absolut nichts machen will" damit quasi zum Besten gibt, dass er in die nächste Phase möchte. Warum das im Flussdiagramm anders dargestellt wird? Man möchte es noch eindeutiger für jüngere Spieler machen, die nicht verstehen, wie das gesamte Spiel mit dem bösen P-Wort genau funktioniert.

Kleiner Einschub:

Interessant finde ich persönlich, dass man häufig von offizieller Seite hört, dass "Yu-Gi-Oh! nicht wie Magic oder vergleichbare Spiele ist". Trotzdem ist mit der Neuregelung bezüglich des "Schlagabtauschs" fast alles genau wie bei Magic & Co. ^[4] Man nennt es eben nur nicht Priorität, sondern sagt: "Jemand ist dran". Damit unterscheiden sich die Spiele am Ende nur noch in den Begrifflichkeiten.

Ende Einschub

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Priorität ist zwar offiziell tot, eigentlich verhält sich aber vieles genauso wie bisher.

Trotzdem sorgt diese Änderung dafür, dass einige Karten deutlich besser als zuvor werden und wiederum andere schlechter. Das sehen wir uns auch noch kurz an.

• Ernste Warnung

  
  

  Da ein Effekt, wie der von Schwarz glänzender Soldat - Gesandter des Anfangs nicht mehr direkt nach Beschwörung des Monsters aktiviert werden kann, ist auch Ernste Warnung nicht mehr unendlich besser als Bodenlose Fallgrube oder Reißender Tribut.

  Entsprechend könnt ihr davon ausgehen, dass die durchschnittliche Anzahl an Ernste Warnung auf einem beliebigen Event etwas stagnieren wird, da die Falle einfach nicht mehr so viel besser als die günstigeren Alternativen ist, wie sie mal war.




• Effektverschleierin

  
  

  Eine der absoluten Gewinnerkarten ist Effektverschleierin. Warum? Sie konnte doch immerhin auch schon zuvor einen Effekt wie den von Finsterer Bewaffneter Drache annullieren?

  Ja, aber sie konnte beispielsweise kein Rettungskaninchen aushebeln. Genau das ist jetzt möglich und genau deshalb werden jetzt noch deutlich mehr Spieler auf Effektverschleierin setzen.




• Bodenlose Fallgrube

  
  

  Während man Reißender Tribut auch zuvor schon gespielt hatte, sah das bei Bodenlose Fallgrube etwas anders aus. Mittlerweile kann sie in 90% aller Fälle genau wie Ernste Warnung einen verheerenden Spielzug eures Gegners im Keim ersticken, so dass sie zukünftig wohl einen gewaltigen Popularitätssprung hinlegen wird!




• Fremdenführerin aus der Unterwelt

  
  

  Wer denkt, dass die neue Regel der Popularität von Tour Guide schaden wird, der irrt gewaltig. Ihr Effekt ist kein Zündeffekt sondern ein optionaler Trigger und folglich kann dieser auch weiterhin direkt nach ihrer Beschwörung aktiviert werden. Ihr Preis wird also primär wegen des kommenden Reprints und nicht aufgrund der Neuregelung fallen.

Das sind die 3 Karten, für deren Spielbarkeit sich die größte Änderung (bzw. im speziellen Fall von Fremdenführerin aus der Unterwelt: Gar keine Änderung) ergibt. Viele weitere Karten sind natürlich in der ein oder anderen Form ebenfalls betroffen, doch hier überlasse ich das Feld lieber den Strategen unter euch, die hier ebenfalls einen hervorragenden Überblick haben.

Neben einzelnen Karten ändern sich auch die Gegebenheiten für unser gesamtes Metagame. Einzelne Decks büßen einig ihrer besten "Tricks" ein und können deutlich einfacher ausgebremst werden als noch zuvor.

Grundsätzlich lässt sich hier festhalten, dass einem Gegner im Allgemeinen mehr Gelegenheiten gegeben werden, zu reagieren. Er wird eben nicht direkt an die Wand dominiert; er kann mitunter auch mal eine verheerende Kombination mit einer "einfachen" Bodenlose Fallgrube zunichte machen. Wer weiß, eventuell dürfen wir sogar wieder mehr Fallgruben in den Decks antreffen?!

Mit anderen Worten: Weniger explosive Züge, mehr Control! Gut für alle Fans von Decks, die auch im Late Game noch mitspielen können und nicht schon schlapp machen, wenn ihre übliche Gewinnstrategie im frühen Spielverlauf abgeblockt werden kann.

Zuletzt möchte ich noch erwähnen, dass sich das TCG jetzt wieder etwas weniger vom OCG unterscheiden wird. Was der genaue Grund dafür ist, dass man so lange gewartet hat, um die mittlerweile über 6 Monate alte Regelung auch in westlichen Gefilden zu übernehmen, kann ich leider nicht abschätzen. Ich habe nicht mal einen Erklärungsversuch parat, da mir hier einfach kein guter Grund einfällt. ^[5]

Was haltet ihr von der Änderung und freut ihr euch auf die kommenden Events, bei denen das Metagame erwartungsgemäß etwas auf den Kopf gestellt werden wird?

soul

Nachdem ich sehr viel "Arbeit verrichtet" (im physikalischen Sinn) habe, habe ich aktuell ein sehr großes Interesse an einer ordentlichen Massage, die die davon getragenen Schäden zumindest etwas lindern kann. Glücklicherweise habe ich in meiner neuen Umgebund direkt ein Massage-Studio entdeckt, so dass ich nun ordentlich in Versuchung bin.

Prinzipiell finde ich After-irgendwas-Parties immer spitze. Die spezielle Variante der After-Umzugs-Party war dann allerdings doch deutlich enttäuschender als angenommen. Ich war leider dermaßen verbraucht, dass ich überhaupt nicht mehr in der Lage war, den gelungenen "Move" (im wahrsten amerikanischen Sinne des Wortes) ordnungsgemäß zu feiern.

Klarer Anti-Trend der vergangenen Woche sind Küchen, die sündhaft teuer sind. Ich meine, mir war schon bewusst, dass so eine Küche gut ins Geld geht, ich dachte nur, man wäre mit einem geringen 4-stelligen Betrag halbwegs gut bedient. Dass man da erst in das Thema "einsteigt" und gerade mal über "Sperrmüll-Küchen" hinweg ist, war mir zuvor noch nicht bekannt. Meine klare Empfehlung lautet daher "Einbauküche" für eure nächste Wohnungssuche!

^[1] Leider wird die Küche erst in 5 Wochen geliefert. Der Mai wird daher nicht als der "Genussmonat" in mein persönliches Geschichtsbuch eingehen...

^[2] Diese haben wir in verschiedenen Artikeln auf dieser Seite recht ausführlich erläutert. Auf 3 Sätze reduziert konnte man sie so zusammenfassen: Ein Spieler kann nur eine Aktion ausführen, wenn er Priorität hat. Der Turn Player hat immer zuerst Priorität und somit die erste Chance, auf eine beliebige Aktion zu reagieren. Nachdem ein Spieler Priorität nutzte oder passte, bekommt der Gegner Gelegenheit, auf die jeweils letzte Aktion im Spiel zu reagieren.

^[3] Wenn man mich bitten würde, die Scherze ausnahmsweise beiseite zu lassen, so würde ich übrigens zustimmen, dass diese Vorgehensweise relativ clever ist und im besten Fall wirklich jede Menge Probleme löst. Ob das am Ende wirklich so kommen wird, werden wir zwar erst sehen müssen, ich bin hier aber voller Hoffnung.

^[4] Diese Verallgemeinerung ist auch nur zu maximal 50% richtig. Man muss hier bedenken, dass die Effekte in anderen TCGs keine "Zaubergeschwindigkeiten" haben. Folglich gibt es auch keine Unterscheidung zwischen "Zündeffekten", "Schnelleffekten", usw.

Würde man dies noch in Erwägung ziehen sowie die Tatsache, dass die Kettenregeln in den anderen Games ebenfalls anders sind (nachdem ein Spieler der Kette ein Kettenglied hinzufügt, erhält er wieder Priorität), so hat man am Ende doch ganz andere Spiele.

Mir ging es jetzt nur darum, zu verdeutlichen, dass das typische: "Ich passe, du passt -> das Spiel geht mit der nächsten Phase weiter" mittlerweile 1 zu 1 bei Yu-Gi-Oh! wie bei den anderen Spielen geregelt ist (auch wenn man es nicht so nennt).

^[5] Der üblichste Grund für Verzögerungen bei der Umsetzung von Neuerungen ist, dass man "im Westen" noch auf eine Genehmigung wartet. Da es sich hier um eine Regelung handelt, die im Osten schon länger in dieser Form betrieben wurde, zieht dieses Argument hier allerdings nicht, so dass ich mit meinem Latein auch etwas am Ende bin.