Zu viele Karten?



Wart ihr schon einmal auf einer YCS oder einem vergleichbaren Großturnier? Dann kennt ihr sie bestimmt, die Bilder von Kartenhaufen, die über die Location verteilt herumliegen. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Spieler öffnen ihre Teilnahmebooster, schauen im Holo Slot nach, ob sie was gezogen haben und lassen den restlichen Müll liegen. Man muss nicht einmal auf einem Großturnier gewesen sein, um das Problem zu kennen. Jeder Vielspieler wird auch zu Hause ein Haufen an Karten irgendwo herumliegen haben, wenn er sie noch nicht verbrannt, für einen Cent das Kilo auf eBay verkauft oder anderweitig entsorgt hat. Findet ihr ein Booster, was vielleicht ein Jahr alt oder aus einer schwachen Edition ist, könnt ihr es vermutlich gleich ungeöffnet wegschmeißen.


Masse statt Klasse


Wie kommt es zu solchen Zuständen? Die Antwortet findet man schnell, wenn man sich die Zahlen einmal anschaut: Pro Jahr erscheinen in der Regel vier Hauptsets mit jeweils rund 100 neuen Karten pro Edition. Zusätzlich erscheinen Spezialeditionen wie Hidden Arsenal oder Number Hunters mit ca. 50-70 neuen Karten. So sind in der 15-jährigen Geschichte des Spiels bisher rund 450 neue Karten pro Jahr erschienen, 2013 waren es sogar 530 Karten. Hinzu kommen Spezialeditionen zu den Hauptsets, Astral/Star- Packs, Gold Packs, Battle Packs, diverse Starter Decks, Promokarten und sonstige Spezialeditionen, die zum Teil oder gänzlich aus Reprints bestehen – man könnte sagen wir sind „gut“ versorgt. Selbst, wenn ein Hauptset brandneu im TCG erscheint, ist es nichts besonderes, wenn von den 100 neuen Karten gerade mal ein Bruchteil wirklich gespielt wird und so ist der Großteil der insgesamt 7.000 offiziellen Karten mittlerweile nur noch für den Kamin zu gebrauchen.


Doch warum das Ganze? YuGiOh wird von Konami selbstverständlich nicht nur aus Spaß betrieben, sondern soll in erster Linie Geld einbringen, heißt, dass die neuen Booster irgendwie verkauft werden müssen. Wie macht man das am besten? Indem man den Spielern einen wirksamen Anreiz schafft in neue Booster oder Karten zu investieren – momentan gestaltet sich dieser vor allem so, dass neue Karten besser sind als alte (noch erlaubte) Karten.


Nun können neue Sets jedoch nicht ausschließlich ausschließlich aus spielstarken Karten bestehen, andernfalls würden sie, bei einer Setgröße von 100 Karten, alte mit jeder neuen Editionen komplett nutzlos machen. Wie dies aussehen kann, haben wir bereits mit Lord of the Tachyon Galaxy gesehen (das Booster, in dem die Dragon Ruler und Spellbook of Judgment erschienen), dass im Alleingang die Turnierlandschaft komplett umkrempelte. Solche Stunts können vielleicht ein Mal pro Jahr gut gehen, doch würden danach vermutlich selbst eingeschworene Fans dem Spiel den Rücken zukehren.


Sets dürfen in ihrer Gesamtheit also nicht zu stark sein, warum dann nicht einfach die Setgröße reduzieren und überflüssige Karten streichen? Würde man die Setgröße bei gleichbleibender Boostergröße reduzieren, würden die Spieler auch sehr viel schneller an ihre Karten kommen und müssten ihr Geld in deutlich weniger Booster stecken – was für uns super klingt, wäre wohl Konamis größter Albtraum.


Bleibt also nur noch die Booster mit mehr oder weniger nutzlosen Karten zu strecken, um gute Karten seltener machen zu können. Die Folge davon sind horrende Kartenpreise und ein Haufen nutzloser Karten.


Spektrum erweitern


Dabei ginge es auch anders: Zum Beispiel wäre es nicht, oder mindestens nicht in diesem Ausmaß, nötig die Spielstärke der aktuellen Karten immer weiter hochzutreiben, bis schlussendlich mit der Banned List eingegriffen werden muss. Dass selbst die Banned List kein Allheilmittel gegen den Power Creep ist, zeigt uns die aktuelle Banned List in Form von Raigeki. Anstatt den Power Creep immer weiter anzuheizen, hätte man, idealerweise schon viel früher, versuchen sollen Unvergleichbares zu schaffen.


Karten wie Mystischer Raum-Taifun, Twister, Typhoon oder selbst Staubtornado sollte es beispielsweise nie gleichzeitig geben, da der Erstere fast immer strikt besser ist. Gäbe es den Taifun nicht, müsste man sich zwischen Karten wie Staubtornado, Twister oder Nächtlicher Strahl entscheiden. Möchte ich verdeckte und offene Zauber/Fallenkarten zerstören? Möchte ich die Karte anketten- und aus der Hand aktivieren können und geht es mir nur darum offene Zauber/Fallenkarten zu zerstören? Oder geht es mir vielleicht in erster Linie darum, dass der Gegner seine Karte nicht anketten kann? Eine eindeutige Antwort lässt sich hier nicht finden, stattdessen ist sie abhängig vom Meta, dem eigenen Deck und dem jeweiligen Matchup.


Das gleiche Prinzip könnte man auch auf Decks übertragen. Anstatt bestimmte Decks durch neue Karten strikt besser zu machen, könnte man sie so gestalten, dass sie besser in bestimmten Situationen sind, Decks, die Stärken und Schwächen haben.


Kleinere Boostereditionen


Doch wird dies, selbst mit den besten Desginern, bei einem rapide wachsendem Kartenpool immer schwieriger. Irgendwann, wenn genug Karten erschienen sind, wird es schlicht unmöglich sich immer und immer wieder etwas neues, anderes aus den Fingern zu saugen. Eine wirkliche und nachhaltige Lösung wäre hier nur den Kartenpool strikt zu limitieren, zum Beispiel durch eine Set-Rotation. Ein anderer Ansatz, der das Problem zwar nicht komplett löst, den Prozess jedoch mindestens stark verlangsamt und weniger stark in das Spiel eingreift, wäre kleinere Sets zu produzieren.


Dies hätte, abgesehen davon, dass es das Designen von neuen Karten vereinfachen würde, gleich mehrere Vorteile: So könnte man die Sets endlich mit sinnvollen Karten füllen, anstatt sie künstlich aufzuplustern. Den Power Creep zu durchbrechen, würde gleichzeitig die Lebensdauer alter Karten verlängern und die Spieler zu finanziell entlasten. Gäbe es kleinere Sets, wären Karten zwangsläufig nicht mehr so selten wie früher, wodurch auch etwas gegen die immer wieder horrenden Kartenpreise getan wäre.


Die schiere Menge an neuen Karten, die jährlich erscheinen, ist gleichzeitig verantwortlich für den Siegeszug der Themendecks. Designtechnisch sind Themendecks ein in sich abgeschlossenes System. Indem man in den Effekttext einer Karte schreibt „funktioniert nur mit XYZ“, verhindert man ungewollte Interaktion mit anderen Karten, die „nur mit ABC funktionieren“. So ist es sehr einfach neue oder für alte Themendecks zu designen, während man gleichzeitig ausschließen kann, alte Themendecks ungewollt zu verstärken. Was in erster Linie schlicht praktisch für Konami ist, wird durch die Masse an neuer Karten jedoch fast schon notwendig, um die Übersicht und die Kontrolle zu behalten.


Nun haben Themendecks durchaus ihre guten Seiten. So können in ein Thema beispielsweise gute und durchdachte Mechaniken integriert sein, durch die es Spaß macht das Deck zu spielen. Auf der anderen Seite haben Themendecks selten einen „Toolbox“ Charakter und sind in ihrer Funktionsweise oft sehr voreingestellt. Viel Raum für Kreativität und Diversität bieten sie meistens nicht, stattdessen gibt es den Weg sie zu spielen. Auf der anderen Seite stehen Decks wie das Tengu Plant, für das es vorher keinen Bauplan gab. Hätten wir also kleinere/weniger Editionen pro Jahr, sodass weniger neue Karten erscheinen, gäbe es auch keine Notwendigkeit nur Themendecks zu designen. Kombiniert man dies mit dem Konzept unvergleichbares statt stärkeres zu schaffen, steht am Ende ein Metagame, in dem Spieler sich selber Gedanken machen müssen, welches Deck aktuell am besten ist und wie man es idealerweise bauen sollte.


...der Profit


Leider gibt es für Konami bei alldem einen großen Haken: Was haben weniger Power Creep, eine längere Lebensdauer alter Karten, kleinere Editionen und keine Themendecks alle gemeinsam? Richtig, mehr Aufwand und weniger Profit für Konami.


Power Creep, sprich das Entwerten alter Karten durch stärkere, neue Karten, bleibt DAS Mittel, das Konamin stets nutzt, sei es nun über neue Editionen oder die Banned List, um Spieler dazu zu drängen in neue Karten zu investieren. Finanziell gesehen ist Konami an einer langen Lebensdauer alter Karten wohl wenig interessiert, mindestens dann nicht, wenn dies bedeutet, das Spieler in neue Editionen nicht mehr investieren müssen.


Gleiches gilt für kleinere Editionen. Wie oben bereits angesprochen, sind die Sets absichtlich groß, damit bestimmte Karten besonders selten werden. Eine Verkleinerung der Booster würde aus Sicht von Konami nur bedeuten, dass die Spieler mit deutlich weniger Boostern davonkommen würden. Auch Decks mit Toolbox Charakter genauso wie Karten mit durchdachtem Design, mögen für den Spieler vielleicht toll und interessant sein, für Konami bzw. die Leute, die neue Karten entwerfen, sind sie hingegen nur ein größerer Aufwand.


Soweit die finanzielle Sicht auf die Dinge. Doch gibt es auch noch eine andere Art das Ganze zu betrachten. Was ist beispielsweise mit dem eigenen Anspruch ein gutes Spiel und keine Profitmaschine zu entwerfen? In Hearthstone zum Beispiel gibt es immer, wenn Decks zu stark oder frustrierend für den anderen Spieler sind, Patches, um das Problem zu beheben und das Spiel wieder auszugleichen. Nun kann man YuGiOh Karten schlecht patchen, doch gäbe es für Konami die Banned List als geeignetes Werkzeug. Jedoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass diese lieber benutzt wird, um neue Produkte ins Rampenlicht zu rücken, anstatt sich wirklich um das Spiel zu kümmern.


Das mit dem eigenen Anspruch scheint also nicht zu funktionieren, wie wäre es dann mit Moral? Schließlich sind die Hauptzielgruppe des Spiels Kinder und Jugendliche, denen sollte man es doch auch möglich machen auf Turnieren mitzuspielen ohne, dass sie oder ihre Eltern dafür hunderte von Euros in ein Deck investieren müssen, was ein Jahr später (wenn es gut läuft) wieder komplett unbrauchbar ist. Zwar gab es in der Vergangenheit immer mal wieder Versuche die Kartenpreise über Reprints zu drücken, doch hätte man es, wäre man wirklich an fairen Preisen interessiert, gar nicht erst dazu kommen lassen dürfen – schließlich sind die Booster nicht zufällig 100 Karten groß und die wichtigsten Karten immer Secret Rare. Ganz abgesehen davon, dass Reprints meistens erst dann kommen, wenn ganz oben an der Spitze schon wieder ein anderes Deck steht.


Moral zündet offenbar auch nicht, probieren wir es also nochmal über die finanzielle Schiene! Wenn man seinen Kunden irgendetwas verkaufen möchte, gibt es zwei grundsätzliche Wege seine Kundschaft zu behandeln: Entweder – und so macht es Konami – man versucht einige, wenige Kunden anzuziehen, um aus dieser, treuen Kundschaft dann alles rauszuholen, was man bekommen kann oder man versucht sein Produkt attraktiv für die Breite Masse zu machen, ohne seine Kundschaft auszubeuten – so macht es zum Beispiel Blizzard mit Hearthstone. Ich kenne natürlich keine genauen Zahlen, was den tatsächlichen Gewinnen beider Unternehmen angeht, aber die 20 Millionen Spieler, die mittlerweile Hearthstone spielen, sprechen wohl für sich.


Schlusswort


Hinterlasst mir eure Gedanken zum Thema gerne im Diskussionsthread!


Bis zum nächsten Mal,


~Scarx


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