Ich bin ein Anfänger. Spielt mit mir!

Vor zwei Wochen wollten meine Freundin und ich ein Experiment starten, von dem ich euch nun berichten möchte. Sie kennt Yu-Gi-Oh! seit vielen Jahren, hat die Fernsehserie geschaut und hat die Power of Chaos Spiele auf dem PC gespielt (beziehungsweise die Demoversionen). Da sie durch mich wieder Kontakt zu dem Spiel bekommen hat und mich auch schon einmal auf einem Turnier besuchte, bekam sie Lust, selber auf ein Turnier zu gehen. Nachdem wir mit mehreren Leuten am Tag vor dem Turniers einen Crashkurs gemacht haben (wichtigste Regeln erklärt, und einige Teststpiele gemacht), begab sie sich also mit einem Monarchendeck – dies ist meiner Meinung nach das einfachste Deck, das man als kompletter Anfänger spielen kann, da man kaum Xyz- oder Synchrobeschwörungen braucht und auch der Rest des Decks nicht besonders kompliziert ist – auf ein kleines Ladenturnier.

Um meine Beobachtungen noch etwas zu unterstützen beziehe ich mich im folgenden Artikel auch auf einen anderen Freund, der vor vielen Jahren Yu-Gi-Oh! Online gespielt hat, Xyz-Monster nicht kennt, aber trotzdem sich auch vor ein bis zwei Monaten auf Turnier mit einem Gadget-Deck getraut hat. Ich versuche euch nun also zu zeigen, wie man sich als Anfänger auf einem Turnier fühlt.


Viel Vorbereitung


Bevor man überhaupt auf das Turnier gehen kann, muss man sich natürlich vorbereiten. Viele Spieler gehen davon aus, dass der Gegner genau weiß, was er tut und nehmen kaum Rücksicht, sodass es Anfänger ohne Kenntnisse schwer haben werden. Die wichtigste Vorbereitung ist dabei natürlich das Kennenlernen des eigenen Decks. Wenn man ein Yu-Gi-Oh! Deck gestellt bekommt, sollte man sich alle seine Karten genau durchlesen. Falls man einige Karten nicht versteht, sollte man einen Freund oder Bekannten fragen, damit es nicht mitten im Spiel zu Problemen führt. Danach sollte man versuchen den Ablauf eines Spiels zu lernen. Das kann zu Problemen führen, wenn man bisher das Spiel nur am PC gespielt hat, da der PC dir immer genau sagt, wann man welche Karte aktivieren kann. Diese Hilfe bekommt man auf einem richtigen Turnier nicht. Wenn man nun eine Karte zum falschen Zeitpunkt aktiviert, kann man sie eventuell wieder zurücknehmen, der Gegner weiß aber genau, welche Karten man auf der Hand hat und kann somit seine Strategie anpassen. Eventuell hilft es einem Neuling sogar, wenn man alle einzelnen Phasen laut ausspricht, damit man genau weiß, was man gerade machen kann.


Neben dieser Vorbereitung wäre es natürlich auch gut, einige wichtige Karten der Gegner kennenzulernen. In beiden Fällen habe ich mitbekommen, dass die Spiele signifikant länger dauerten, weil die Neulinge keine Möglichkeit hatten, sich gut genug auf das Turnier vorzubereiten. Daraus resultiert, dass viele Spiele ins Time Out gehen und oftmals eventuell nicht der richtige Spieler gewinnt. Dabei ist es nicht unbedingt wichtig, jede einzelne Karte der gegnerischen Decks auswendig zu lernen. Man sollte aber lernen, Yu-Gi-Oh! Karten zu verstehen. Die Monster,- Zauber- und Fallenkarten sind oft sehr ähnlich aufgebaut, sodass ein geübter Spieler relativ einfach prozessieren kann, welche genauen Effekte eine bestimmte Karte hat. Wenn vor seinem ersten Turnier Testduelle gegen mehrere unterschiedliche Spieler mit unterschiedlichen Decks spielt, erfährt man sehr viel, auch wenn auf dem Turnier dann wieder neue Decks auftauchen.


Ohne Peer Group – Ohne mich!


Ein großes Problem bekommt man als Anfänger, wenn man gar keine Freunde auf dem Turnier hat. Mein Kumpel und meine Freundin konnten jeweils glücklicherweise einigermaßen erfahrene Spieler konsultieren und somit viele schlechte Situationen vermeiden. Auf der einen Seite sind diese Freunde essentiell dafür, die richtigen Tipps im Deckbau zu geben. Als Neuling wird man ohne Hilfe von der riesigen Anzahl von Karten erschlagen und weiß nur wirklich selten, welche Karten man in einem Deck spielen soll. Meistens überlegt man sich daher, welche Karten früher gut waren und versucht diese oder ähnliche Karten in sein Deck zu integrieren. Das kann natürlich nur noch sehr selten funktionieren, da sich das Spiel in den letzten Jahren extrem geändert hat. Die Stärke von bestimmten Effekten hat sich dadurch ziemlich geändert. Weiterhin verfügen diese Freunde häufig über einen einigermaßen großen Kartenpool, aus dem man sich dann die wichtigen Karten leihen kann. Wie wir alle wissen, ist Yu-Gi-Oh! ein ziemlich teures Spiel, besonders wenn man bisher noch gar keine Karten besitzt. Extra Deck Staples werden sicherlich Freunde erst einmal leihen können, wodurch man die Kosten gering halten kann.


Außerdem ist diese Peer Group auch besonders in den Interaktionen auf den Turnieren extrem wichtig. Erfahrene Spieler versuchen natürlich häufig, neuere Spieler beim Tauschen über den Tisch zu ziehen, um seltene Karten für die Sammlung zu bekommen. Als Neuling ist es meistens unmöglich, die Preise aller seiner Karten im Kopf zu haben und folglich ist das Tauschen oftmals eine sehr schwierige Angelegenheit, da der Gegenüber sicherlich einige Argumente für den Tausch bringen kann, auch wenn er objektiv gesehen nicht fair ist. Hier können Freunde auf den ersten Turnieren helfen, da sie auf der einen Seite sicherlich faire Tauschgeschäfte anbieten werden und auf der anderen Seite auch als Berater für andere Transaktionen dienen können. Als meine Freundin beispielsweise ihr Preisbooster bekam, fragte sie direkt einen Bekannten, ob diese Karte etwas wert sei. So konnte sie es verhindern, abgezogen zu werden.


Coaching im Spiel?


Meine Freundin konnte leider so wenig Erfahrung sammeln, dass es für sie noch unmöglich war, alleine die richtigen Entscheidungen im Spiel zu treffen. Glücklicherweise traf sie in der ersten Runde auf mich, sodass sie die Möglichkeit hatte, Hilfe einzufordern, da zwei weitere Bekannte mit auf dem Turnier waren, selber aber nicht teilnahmen. Ich hatte kein Problem damit, dass sie von zwei Personen, Tipps bekam, da sie dadurch lernen konnte, in welchen Situationen welche Aktion die Richtige sein kann. Dies ist sicherlich – besonders falls Judges anwesend sind – ein sehr kontroverses Thema. Auf der einen Seite sollte man ein Turnier sicherlich erst besuchen, wenn man einigermaßen selbstständig spielen kann. Auf der anderen Seite sollten gerade lokale Turniere einsteigerfreundlich sein, damit wir einen Nachwuchs für unser Spiel bekommen.


Nachdem sie gegen mich – durch Jinzo – gewinnen konnte, hat sie im nächsten Spiel selbstständig Jinzo aus dem Side Board ins Main Deck getan, da sie gesehen hat, dass Decks mit vielen Fallen Probleme gegen ihn haben. In den folgenden Spielen bekam sie immer noch Hilfe von außen, wobei es auch häufig „public knowledge“ (ja ich benutze dieses Wort hier sicherlich falsch) war. Sie fragte ihre Mitstreiter beispielsweise wann sie Baumfrosch genau wieder beschwören könnte und fragte nach, ob die Aktivierung von Sturmkraft der Monarchen im jetzigen Moment überhaupt legal ist. In einigen Situationen bekam sie aber auch Hilfe für bestimmte Spielsituationen. Sie war sich nicht sicher, welche Karte sie nun ausspielen sollte.

Sehr überraschend für mich war, dass vier ihrer fünf Gegner gar keine Probleme mit diesem Prozedere hatten und ihr sogar selber geholfen haben (zum Beispiel erklärten, dass eine Aktivierung von Seelentausch auf Sternzeichen-Kundler Omega nichts bringt). Auch der andere Gegner hatte keine großen Probleme mit dem Ablauf des Spiels, wunderte sich nur anfangs etwas.


Wie fühlt man sich als Anfänger?


Da ich natürlich nicht nachvollziehen kann, wie man sich als Anfänger auf einem Turnier führt, habe ich auch mit meiner Freundin über ihr Erlebnis gesprochen. Im folgenden Abschnitt gehe ich auf dieses Gespräch ein, um euch zu zeigen, wie es überhaupt ist, als Anfänger ein Turnier zu besuchen.

Ihr größter Kritikpunkt an dem Spiel ist, dass man sich als Spieler nicht sein Wunschdeck zusammenstellen kann. Sie hätte gerne – wie sie es von früher kennt – einfach viele Starke Karten im Deck gespielt, die sie gerne hat. Heutzutage gibt es immer Themendecks, die die Kreativität und die Möglichkeiten stark einschränken. Sie bekam nämlich auf einem vorherigen Turnier, das sie nur besucht hat, mehrere Karten geschenkt und fand darunter einige interessante Karten. Mit diesen Karten wäre es ihr aber unmöglich gewesen, das Turnier zu gewinnen. Daraus folgt, dass ihr auch aufgefallen ist, dass das Spiel ziemlich teuer ist. Sie konnte erfahren, dass ein Anfänger weit über 100 Euro ausgeben muss, um überhaupt ein einigermaßen spielbares Deck zu bekommen. Damit haben es Anfänger sehr schwer, das Spiel überhaupt kennenzulernen, da sie entweder direkt sehr viel Geld ausgeben müssen oder man auf ein Turnier gehen muss, ohne eine Chance auf den Sieg zu haben.

Weiterhin beschrieb sie, dass es schwer war, die Karten überhaupt zu verstehen. Im Gegensatz zu früher hätten die Karten viel mehr Effekte und deswegen würden Anfänger es schwer haben, viele Karten überhaupt zu verstehen. Sie beschrieb außerdem, dass Yu-Gi-Oh! Spieler “eine Parallelsprache“ benutzen würden, die man als Anfänger kaum verstehen kann. Ignition-Effekte Damage-Step und ähnliche Dinge wird man als Anfänger noch nicht so gut kennen, sodass man nicht weiß, welche Begriffe was wirklich bedeuten.


Im Gegensatz zu den Kritikpunkten am Spiel selbst, hat die Community sie in den meisten Punkten positiv überrascht. Die Leute seien nett gewesen und haben es akzeptiert, dass sie Hilfe brauchte. Zusätzlich versuchten die Leute sie gut in die Gruppe aufzunehmen. Etwas befremdlich war, dass viele Spieler sich nicht vorgestellt haben und sie vor dem Spiel vernünftig begrüßt haben. So entstanden mit den Gegnern leider nur selten wirklich schöne Gespräche. Auffallend für sie war, dass die Leute direkt alle annahmen, dass sie Mitglied der Community sei und sie Tauschkarten habe. Es schien komisch zu sein, dass sie noch keinen Ordner besessen hat. Außerdem fiel ihr auf, dass die Spieler sich gegenseitig wohl nicht vertrauen würden, da alle Spieler immer unbedingt das Deck des Gegners mischen wollten, obwohl man auf einem kleinem Turnier gespielt hat.

Immerhin war sie trotz des eher schlechten Ergebnisses (2:3) nicht frustriert und hatte mehr Spaß als sie vorher gedacht hätte.



Wie ist der Neueinstieg?


Im Grunde genommen lässt sich sagen, dass Neueinsteiger ähnliche Beobachtungen wie bereits erfahrene Spieler machen. Es ist relativ schwierig in der heutigen Zeit noch komplett neu in das Spiel einzusteigen, da es sehr viele Mechaniken gibt, die man nicht besonders einfach verstehen kann. Zusätzlich haben neue Spieler das Problem, dass sie vor einem riesigen Pool von Karten stehen, den sie kaum überblicken können. Zusätzlich ist die Anzahl von wirklich spielbaren Karten aber sehr eingeschränkt, sodass der Preis dieser Karten relativ hoch ist und man als Neuling immer relativ viel Geld investieren muss, um eine Chance auf einem Turnier zu haben. Viele dieser Punkte sind natürlich Hindernisse für die Neueinsteiger, die meistens nur durch gute Freunde eine richtige Möglichkeit haben, ein Teil der Community zu werden. Diese können ihnen die wichtigsten Karten besorgen und ihnen am Anfang extrem helfen. Immerhin scheint die Community nicht so schlimm zu sein, wie sie manchmal gemacht wird!

Habt ihr schon einmal einen Anfänger mit auf ein Turnier genommen? Glaubt ihr, dass es überhaupt möglich ist, heutzutage noch komplett neu einzusteigen? Lohnt sich das überhaupt? Wie immer freue ich mich über euer Feedback.


Zum Diskussionsthread