Hau ab du Tryhard!

Nach einigen Artikeln, die eher das Spiel und Deckvorstellungen als Thema hatten, möchte ich endlich wieder zu meinen Wurzeln zurückkehren: Der Community.

Nachdem ich letzte Woche seit längerer Zeit mal wieder auf einer (ziemlich kleinen) Regional war und mich dafür wenigstens ein bisschen vorbereiten musste, habe ich mich in den Tagen vor dem Turnier relativ viel über Yu-Gi-Oh! unterhalten. In diesen Unterhaltungen hat sich einer meiner Verdachte der letzten Wochen bestätigt: Das Wort Tryhard wird immer häufiger benutzt und es hat einen ziemlich negativen Unterton.

Aufgrund dieser Beobachtungen möchte ich im folgenden Artikel mich also mit dem Phänomen des Tryhards – besonders in Yu-Gi-Oh! - beschäftigen. Warum werden Spieler als Tryhard bezeichnet, woher kommt dieser Begriff überhaupt, wie wird er in der heutigen Zeit benutzt und wie kommen Spieler damit klar, Tryhard genannt zu werden?


Was ist ein Tryhard?


Das Wort setzt sich aus den englischen Begriffen „try“ und „hard“ zusammen. Try ist ein Verb, das versuchen oder ausprobieren bedeutet. „to try hard to do something“ bedeutet also, dass jemand sich besonders stark anstrengt und sich extrem viel Mühe gibt. Im Grunde genommen bedeutet es also etwas Positives! Doch im Internet und besonders durch die Gamingcommunity hat das Wort „Tryhard“ eine negative Konnotation bekommen.

Wir sind nicht in der Uni oder der Schule, also kann ich ruhig Urban Dictionary verwenden (eine bessere Quelle für Begriffe verschiedener Subkulturen wird man wohl nur selten finden). Wenn man sich die erste Definition des Begriffs anschaut, scheint ein Tryhard eine Person zu sein, die sich extrem anstrengt, um ein besonderes Image zu bekommen. Diese Anstrengung ist dann aber so stark, dass diese Person dadurch sehr künstlich wirkt und dadurch nicht das schafft, was sie eigentlich möchte: Ein authentisches Mitglied einer bestimmten Szene zu sein. Als Beispiel kann man sich einen Schüler vorstellen, der ein Teil der coolen Clique sein möchte und deswegen nur noch Klamotten von bestimmten Marken kauft und sich zusätzlich „künstlich cool“ gibt. Diese Personen versuchen, ein Ziel zu erreichen, auch wenn es nicht unbedingt zu ihrem Image passt und sie sich dadurch lächerlich machen.


Dieser Begriff wurde besonders im Online-Gaming weiterverwendet und wenn man sich die zweite Definition auf Urban Dictionary anschaut, dann sieht man sofort, wann jemand als Tryhard bezeichnet wird.

“1. A face-saving insult used by someone who is feeling inadequate. Basically accuses anyone who is better than them at anything of putting in effort. Doubles as an excuse for sucking by implying lack of effort on the speaker's part.“

Diese Definition eines Users von Urban Dictionary beschreibt die Art, wie das Wort Tryhard auch benutzt werden kann: Man möchte mit dieser Bezeichnung andere Spieler beleidigen, weil man gegen sie verloren hat. Zusätzlich impliziert diese Nutzung des Wortes meistens auch, dass man selber kein Tryhard ist, also sich nicht so sehr anstrengt. Damit hat man dann auch relativ einfach eine Begründung, falls man sein Spiel verloren hat.


Wie ihr sehen könntet, hat die Bezeichnung nicht nur eine Nuance. Einige Personen denken, dass das Wort „Tryhard“ eine Beleidigung ist, andere hingegen glauben, dass die Menschen, die das Wort benutzen, sich selber damit beleidigen. Doch wie verhält es sich bei Yu-Gi-Oh!?


Bist du wirklich so ein Tryhard?


Um die Benutzung dieser Bezeichnung unter Yu-Gi-Oh! Spielern zu beschreiben, möchte ich euch eine Geschichte erzählen, die ich vor zwei Wochen erlebt habe. Wir spielten mit ungefähr 20 Spielern auf einem Ladenturnier. Die meisten Spieler auf diesem Turnier kennen sich schon ziemlich lange und es gibt nur noch sehr wenige kompetitive Spieler, die diesen Laden besuchen, da viele Spieler nun andere Hobbies haben, an denen sie mehr Interesse haben. Trotzdem kommen sie immer wieder in den Laden, um ihr altes Hobby auszuleben. Da sie sich nicht mehr so extrem mit dem Spiel beschäftigen, spielen auch nur sehr wenige dieser Spieler wirkliche Metadecks, sondern besitzen ältere Decks (Noble Knights, Gadgets, Heroes und ähnliches zum Beispiel), die sie schon seit längerer Zeit spielen. Als vor zwei Wochen einer der „Nachwuchsspieler“ ein Chain-Burner-Deck auf dem Turnier auspackte, wurde er von einem der älteren Spieler angemacht: “Warum spielst du nur so ein Scheissdeck?“. Der Burner-Spieler antwortete daraufhin, dass er nun einmal gewinnen möchte und glaubt, damit die besten Chancen zu haben. Sein Kritiker fragte ihn, ob das eine Booster, das der Sieger bekommt diese Anstrengung wirklich wert ist. Der Burner-Spieler bejahte diese Frage. Daraufhin war die Situation zu Ende und man war sich in der Spielerschaft einig, dass der Burner-Spieler ein „Tryhard“ ist.


Diese Situation soll zeigen, wie die Bezeichnung in Yu-Gi-Oh! Meistens benutzt wird. Häufig werden Spieler als Tryhards bezeichnet, die versuchen, mit allen Mitteln zu gewinnen. Die Bezeichnung wird also sehr negativ benutzt. Gleichzeitig wollen die Spieler, die ihre Gegner als Tryhards bezeichnen, natürlich damit auch zeigen, dass ihnen das Spiel nicht soviel bedeutet und dass es nicht so schlimm ist, wenn sie verlieren. Doch was für Personen sind es, die meistens als Tryhards bezeichnet werden und wer benutzt den Ausdruck?


Competetive und Casual?


Es gibt den Unterschied zwischen Competetive und Casual Gamern, doch es wäre zu einfach, diese Unterscheidung 1:1 auf Tryhards und „Anti-Tryhards“ zu benutzen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass Spieler wie Joshua Schmidt oder Alpay Engin als Tryhards bezeichnet werden würden. Das liegt daran, dass sie auf Turnieren schon ziemlich große Erfolge feiern konnten und dadurch gezeigt haben , dass die Anstrengung auch einen Sinn hat. Meistens werden Leute als Tryhards bezeichnet, die Metadecks auf kleineren Turnieren spielen oder Personen, die diese Metadecks spielen, aber nicht so erfolgreich sind. Das bedeutet Tryhards sind zum Großteil die Spieler, die zwar versuchen erfolgreich zu sein, es aber nicht schaffen. Sie zeigen mit der Anstrengung, dass ihnen etwas an dem Spiel liegt, schaffen es aber nicht erfolgreich zu sein und zeigen somit, dass sie nicht „gut“ genug sind, um erfolgreich zu sein, obwohl sie es schaffen. Die bezeichneten Tryhards werden häufig Ladenturniere gewinnen, da sie auf ihnen relativ wenig Gegenwehr haben.


Die „Anti-Tryhards“ sind das genaue Gegenteil. Es sind Personen, die nicht besonders erfolgreich spielen, oder deren erfolgreichere Zeit schon lange vorbei ist. Diese Spieler versuchen sich an eher unkonventionellen Decks und haben nur selten mit ihnen Erfolg. Wenn sie erfolgreich sind, sind sie sehr stolz auf sich, wenn sie aber verlieren, sind die Tryhards Schuld, die das Spiel kaputt machen. Das bedeutet also, dass die „Anti-Tryhards“ auf der einen Seite glauben, dass ihnen der Spaß von den Tryhards genommen wird, auf der anderen Seite wollen sie sich aber – wie am Anfang schon beschrieben – mit dieser Bezeichnung rausreden, falls sie verlieren. Sie wollen mit der Bezeichnung zeigen, dass Yu-Gi-Oh! nicht ihr einziger Lebensinhalt ist, obwohl es eigentlich für alle Spieler klar ist, dass jeder Gegner auch ein Leben außerhalb des Spiels führt.

Eigentlich ist die Bezeichnung also schlecht für alle Seiten, warum benutzen einige Leute sie denn trotzdem?


Ich will mich besser fühlen!


Wie das obige Zitat aus Urban Dictionary schon ein bisschen beschreibt, benutzen häufig Spieler, die selber nicht besonders erfolgreich sind, das Wort „Tryhard“, um Gegner zu beleidigen, gegen die sie nicht gewinnen können. Im Grunde genommen wollen sie also nur etwas haben, wodurch sie sich besser fühlen können. Fast jeder Spieler betreibt Spiele kompetitiv, weil er gewinnen möchte. Wenn er es nun schafft, braucht er Gründe, warum er sich nicht schlecht fühlen muss. Wenn man nun andere Menschen als Tryhards bezeichnet, hat man gleich mehrere dieser Gründe gefunden. Erstens sagt man damit, dass es nicht schlimm ist, wenn man gegen jemanden verliert, der sich weitaus intensiver mit dem Spiel beschäftigt als man selbst, weiterhin sagt man damit, dass man besser ist als die andere Person, da man sich nicht so extrem in etwas reinsteigert, was nicht so wichtig ist.


Die Frage, die ich mir daraufhin stelle ist natürlich, warum Spieler dieses „Gefühl“ unbedingt brauchen. Es gibt eigentlich zwei wichtige Gründe Yu-Gi-Oh! zu spielen (mal ausgenommen vom Tauschen): Entweder möchte man viel gewinnen und erfolgreich sein, oder man möchte Spaß haben (natürlich geht auch beides gleichzeitig). Wenn man aber nun keinen Spaß hat und auch nicht gewinnt, muss man irgendwelche anderen Gründe finden, sich nicht zu schlecht zu fühlen, obwohl man das Spiel spielt. Dies kann man sehr gut machen, indem man andere Mitspieler Tryhard nennt. Es funktioniert ähnlich wie bei den Nachmittagsshows auf RTL. Man schaut sich diese Sendungen an und denkt, dass man eventuell doch nicht so doof ist, wie man immer dachte. Wenn man andere als Tryhard beleidigt, denkt man, dass man „immerhin noch ein Leben außerhalb von Yugioh habe“.

Wirklich positiv sind diese Gedanken natürlich nicht. Doch kann man irgendetwas dagegen tun?


Den Mittelweg finden!


Ich denke, dass beide Seiten Fehler machen. Auf der einen Seite treffen sich Freunde jede Woche zum Ladenturnier und wollen einfach nur Spaß haben und ihre interessanten Decks ausprobieren. Diese Spieler sind natürlich genervt davon, wenn jemand 10 Wochen lang Qliphort spielt und mit diesem Deck das Turnier gewinnt, weil es einfach viel stärker ist. Auf der anderen Seite versteht man natürlich auch die Personen, die gewinnen wollen.

Es wäre wichtig, wenn die Personen, die versuchen gewinnen zu wollen, das Spiel nicht immer so extrem ernst nehmen. Auch wenn sie mal ein Spiel verlieren sollten sie nicht direkt ausrasten und den Gegner beleidigen. Diese Ausraster verstärken nur das Image des Tryhards. Daneben sollten sich die „Anti-Tryhards“ einmal überlegen, warum sie wirklich ihre Gegenspieler so runtermachen müssen. Macht ihnen das Spiel wirklich noch Spaß, oder spielen sie es nur aus Gewohnheit? Eventuell sollten sie auch mal ein neues Deck ausprobieren und nicht aus Nostalgiegründen immer wieder beim gleichen Deck bleiben.

Was haltet ihr von dieser Bezeichnung? Benutzt ihr sie selber? Habe ich sie falsch interpretiert? Ich freue mich über euer Feedback!