Yu-Gi-Oh!: Dawn of the Abyss

  • EIN LAUTER KNALL.


    Dann Stille...


    Das muss man in der ganzen Stadt gehört haben. Jeder blickt von seiner Arbeit, seinen Hausaufgaben, seinem Telefon auf. Überall wird getuschelt. Nach einigen Minuten kehrt wieder Ruhe ein. Alles verläuft wieder normal.


    Bis auf den ein oder anderen Tunichtgut, der sich auf die Suche nach der Quelle des Geräusches macht.


    [Ich bin gespannt, wo ihr euch rumtreibt und was eure erste Amtshandlung wird!]

  • In einem kleinen Park nahe eines Wohnviertels in Try Belle sitzt Mil auf einer Bank und tut, was er am liebsten tut: Tagträumen. In seiner Vorstellung war alles immer so harmonisch, so... einfach...und es war alles kontrollierbar, so mühelos. Ein Gedanke genügte, und schon wurde alles gut und richtig. Wenn das in der Realität nur auch so wäre. Wer hatte schon WIRKLICH die Kontrolle über das was geschah?


    Mil wurde wieder einmal bewusst, wie anders er war. Er würde nie eine Duell-Akademie oder gar eine reguläre Schule besuchen, nein, seine Zukunft lag ganz woanders...


    Er würde beobachten, vor allem die Profiliga, auch wenn er selbst kaum Interesse daran hatte, dort einmal einzusteigen. Und natürlich erkunden, es gab so viel zu sehen. In der Stadt war immer etwas los, und wenn man diesen kleinen Kosmos aufmerksam betrachtete, konnte man einiges lernen. Nur für den Moment brauchte er Ruhe. Andere Kinder in seinem Alter waren aufgedreht und spielwütig,für ihn war das ein Zeichen dafür, dass sie nicht recht wussten, was sie wollten. Er hat längst etwas gefunden, das ihm genug bedeutete, um etwas mehr in sich zu ruhen. Dennoch wusste er so vieles nicht, aber gut, das war bei den Älteren nicht anders, nur dass sie eben...älter waren.


    Aber dennoch war Mil zu sehr Kind, um die Suche nach Antworten dem Tagträumen vorzuziehen.


    Was mache ich, wenn mich irgend so einer zum Duell herausfordert? Nun ja, ich will mich nicht duellieren, aber was, wenn es eine Gang sein sollte, die mich drangsaliert? Wie können die nur so gemein sein, so dämlich, so unwürdig? Wie kann ich mich nur schützen...ich muss sie platt machen, sonst lassen sie mich nicht gehen.


    Mils Tagträume nahmen, wie jetzt auch, manchmal auch eine negative Wendung, er hatte seine Befürchtungen nicht immer im Griff und so...


    Dann zeige ich denen, was Brutalität wirklich heißt: "Ich opfere mein Monster: The most wicked creature belonging to the alliance of the core, born from the flames of desperation, rises to punish all hypocrites! Show no mercy and crush them in their vanity..."


    Weiter kamen Mils zusehends entgleisende Vergeltungsfantasien aber nicht, denn ein durchdringendes Geräusch holte ihn abrupt zurück in die Realität.


    Was war denn das?


    Mil erhob sich von der Bank und sah sich um. Im Park war sonst kaum jemand und die Quelle des Lärms konnte Mil nun schon gar nicht ausmachen. Er könnte weiter träumen, aber die Richtung die seine Gedanken genommen hatten gefiel ihm sowieso nicht, außerdem war er neugierig, deshalb machte er sich auf.


    Ich schätze ich kann nicht mal in meinen Träumen alles so steuern, wie ich will und die Realität ruft mich...ich werde sehen, was ich tun kann.


    Er begann Passanten nach der Richtung zu fragen, aus der sie den Lärm wahrgenommen hatten und hoffte so auf die Dauer vielleicht etwas zu finden.

  • Johanna biss vergnügt in den Donut mit Zuckerguss, den sie sich gekauft hatte. Dafür hatte sie extra mit einem Jungen auf der Straße um echtes Geld gespielt! Natürlich war das seine Idee gewesen, ihr missfiel der Gedanke, Duelle nicht aus Spaß auszutragen.


    Sie schlenderte vergnügt durch die Straße, beobachtete die Leute bei ihrem alltäglichen Treiben und dachte an all die süßen Monster, die sie noch in ihre Sammlung aufnehmen wollte. Schließlich setzte sie sich auf eine kleine Holzbank und dachte nach.


    Ob ich wohl mit meiner Suche erfolgreicher bin, wenn ich an einem Turnier teilnehme? Sie nahm einen Happen von ihrem Donut.
    Oder sollte ich vielleicht die Stadt verlassen? Sie nahm einen weiteren Happen. Dann sprang sie von der Bank auf und lief zum Kiosk nebenan.


    "Hey Mister, können sie mir sagen, wie ich hier am schnellsten an einem Turnier teilnehmen kann?"


    Der freundliche Mann hinter dem Tresen schaute auf sie herab.
    "Naja, in einer Woche beginnt doch die Stellar Arena."


    "Das klingt lustig. Was ist denn die Stellar Arena?"


    Der Mann musterte sie verblüfft. "Du kennst die Stellar Arena nicht? Das ist das Duellturnier, das jedes Jahr ausgetragen wird, um neue Spitzenduellanten zu finden! Den Gewinnern blüht Ruhm, Ehre und Reichtum. Das ist doch ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft!"


    Sie nickte. "Oh achso." Tja, das kenn' ich mal wieder nicht, weil ich mit dem Kopf nur in den Wolken hänge...


    "Wie kann ich mich denn da anmelden?" fragte sie.


    "Du musst nur zur Arena gehen... und 'ne Menge Talent mitnehmen."


    "Okay, vielen Dank für die Hilfe!" Gedankenversunken lief sie weiter. Wenn ich an der Stellar Arena teilnehme, kann ich vielleicht eine neue Spur finden... Ja, mir bleibt gar nichts anderes übrig! Ich bin so aufgeregt!


    Ein Liedchen trällernd lief sie weiter die Straße entlang.


    "Alas, my loue, you do me wrong, to cast me off discourteously...
    and I have loued you oh so..." BAAAAAAAAMMM!


    Ein lauter Knall unterbrach ihren Gesang und sie sah sich um. "Was war das denn?" fragte sie sich laut. "Das klang nach ner Menge Aufregung!" Sie lief zurück die Straße runter, wo sie den Ursprung des Geräusches vermutete.

  • Im Dienstfahrzeug sitzend beobachteten Azuma und ihr Kollege Gabriel die Menschenmaßen um sich herum. Es gab im Moment nichts zu erledigen, der Funk war ungewöhnlich still. Wie immer, wenn er nachdenkt oder sich langweilt, spielte Azuma mit ihren Haaren, indem sie sie verzwirbelte und flechtete. Sie ließ hre Gedanken schweifen und blickte den Menschen nach, wie sie durch die Straßen zogen.


    Ihr Blick fiel über ein Mädchen, das scheinbar vergnügt einen Dount zu essen schien, und sie fand Gefallen daran, sie eine Weile zu beobachten, ehe sie sich erhob und weiter durch die Straßen schlenderte. Azuma streckte sich etwas und sah zu Gabriel hinüber, dessen Augen geschlossen waren. Kein Wunder, dachte sich Azuma, immerhin sind wir schon seit mehr als 8 Stunden auf den Beinen, und sie hatten noch 4 Stunden vor sich. Ein Nickerchen wäre jetzt nichts verkehrtes.


    In diesem Moment rührte sich Raphael und sah Azuma schlaftrunken an, und als er sprach, klang es eher wie ein leises Nuscheln.
    "Habe ich etwas spannendes verpasst?"
    "Nein, außer du zählst ein Donut essendens Mädchen dazu."
    "Eher nicht, Zam."


    Azuma verdrehte die Augen. Sie mochte es nicht, wenn man ihren Namen so abkürzte. Sie hatte sich oft gefragt, wieso ihre Eltern gerade auf den Namen Azuma gekommen waren, aber irgendwie vermochten sie es nicht, ihr die Frage zufriedenstellend beantworten. Gabriel liebte es, Azuma mit dieser Abkürzung aufzuziehen. Azuma entgegnete oft, dass jemand mit einem alttestamentarischen Namen wie Gabriel lieber den Mund halten solle.


    "Und gehst du zu diesem großen Turnier?" Gabriels Frage riss Azuma aus seinen Gedanken.
    "Du meinst die Stellar Arena? Das ist doch eher was für junge Leute, die noch Schneid und Ausdauer haben.
    "Weil du mit deinen 23 Jahren auch schon so alt bist." Gabriel verdrehte die Augen.
    "Du bist ein guter Spieler, das hast du bei unseren kleinen Spielen auf der Dienststelle immer bewiesen", fuhr er fort, "ich bin mir sicher, du könntest weit kommen."


    Als Azuma anhob, um etwas zu erwidern, unterbrach ein lauter Knall jäh das Gespräch der beiden. Sofort waren sie wieder hellwach und versuchten, die Quelle oder zumindestens die Richtung des Geräusches zu orten.
    "Ich glaube, dass kam aus dem Park, drei Straßen weiter", rief Azuma und startete ohne Umschweife den Motor. Sie trat auf das Gas und fuhr los, während Gabriel versuchte, über den Funk Informatioenn zu bekommen. Das Turnier und das Mädchen waren aus den Gedanken der Polizisten vertrieben worden, und sie fuhren angespannt und das Schlimmste erwartend in Richtung des Knalls.

  • Ein lauter Knall. Vinni schreckt aus dem Schlaf hervor. *Scheisse was war das?...* Er schaut sich um. Laaangsam bemerkt er, dass sein Wecker auf dem Tisch rumpoltert. "So ein Scheissteil...", murmelt er. "Das warst doch nie im Leben nur du!?" Leicht wütend schnippst er den Wecker vom Tisch in die Zimmerecke. Danach realisiert er, dass sein Finger nun verdammt weh tut und sprintet vom Bett in die Ecke um den Wecker wieder hinzustellen. "Dich brauch ich demnächst noch..." Gaaanz gemütlich steht er auf und schlendert zur Küche, um sich eine Schüssel voller Frühstücksflakes zu gönnen. *Wann muss ich heute arbeiten?..." Nach einem kurzen Blick auf sein Handy seufzt Vinni erleichtert auf. "FREI B*TCHES!" Nach dem Essen wirft er das Geschirr in die Spüle, zieht sich eine Hose und einen Hoodie an, wirft sich seine Lieblingscap auf den Kopf und rennt voller Elan aus der Wohnung. Halt, warte... *Wo ist mein Wohnungsschlüssel?... Ach egal, ich komm schon irgendwie rein.* Er schlendert raus auf die Straße, sieht ein paar Menschen herumwandern. *Der tägliche Stress hat begonnen. Gut, dass ich frei hab!* Doch dann fällt ihm ein Mann besonders auf. Er rennt schnell, schaut immer wieder nach hinten, rempelt die Leute rücksichtslos zur Seite. "Hey, sie, vorsichtig!" Vinni wurde abrupt unterbrochen, denn der Mann rannte in ihn, beide fallen zu Boden. Er atmet hektisch und faselt etwas von "...ein lauter Knall... er erschütterte die ganze Umgebung!... Überall Finsternis..." Seine Angsterfüllten Augen starrten teilnahmslos in die Weite. Er stand rasch auf und rannte weiter. Und Vinni? Der blieb erstmal verwirrt liegen. "Lauter Knall...", murmelte er wieder. "Vielleicht hat es mit dem Knall doch mehr auf sich... Verdammt, vielleicht braucht jemand Hilfe!" Schnell zog er seine Duelldisk aus der Hosentasche, die sich ruckzuck aufklappte, steckte sein Deck rein und rannte los, in die Richtung, aus der der Mann ihm entgegenkam.

  • "Und, was meinst du? Welche der zwei Jeans steht mir? Die Hilfiger, oder doch eher die Michael Kors?"


    Gedämpft antwortet es von vor der Umkleidekabine:


    "Hm, Kayle..., ich glaube du fragst da eindeutig die Falsche... ich habe doch keine Ahnung von Designer Klamotten. Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen den beiden Hosen? Ich meine... sie sahen doch beide... blau aus...?"


    "Ach Juddy, ich habe dich extra mitgenommen, damit ich mir all mein Leid von der Seele kaufen kann, und jetzt willst du mir erklären, dass du keinen nennenswerten Unterschied bei den beiden Jeans siehst? Schon alleine die Marken, bedeuten einen Welten-Unterschied. Dann die Farbtöne! Ich will doch unbedingt wissen, welche Hose meine Augenfarbe stärker betont! Und nicht zuletzt den Schnitt! Während die eine möglicherweise zu Figur betonend sein könnte, besteht die Möglichkeit, dass die andere zu lässig wirkt... Juddy..., hilf mir doch irgendwie bei meiner Misere, beide Hosen sind doch auf ihre Art perfekt... und du, als beste Freundin kennst mich länger als alle anderen, die ich zum Shoppen hätte mitnehmen können..."


    "Naja, du hättest doch von vornherein wissen müssen, dass ich dir keine große Hilfe sein werde... ich meine..., ich komme aus einer einfachen Handwerkerfamilie... da gehe ich nicht allzu oft shoppen, vor allem nicht in Designer Läden. Und auch du solltest gar nicht das Geld für solch teure Klamotten haben... also was machen wir hier eigentlich?"


    "Ist doch ganz klar: ich Frustkaufe!"


    "Und woher das Geld?"


    Die Antwort kommt verzögert, es rascheln Klamotten, der Vorhang wird aufgezogen und hervor tritt Kayle. Er ist ca. 1,75 groß, eher athletisch gebaut, und sein Haupt wird von einem blonden unbändig baren Mopp gekrönt.


    "Die Frage nach dem Geld solltest du nie wieder stellen. Nur weil meine Familie nicht reich ist, heißt das noch lange nicht, dass ich mir meinen Lebensstil nicht selber aussuche."


    Den einschüchternden Ton ihres Kumpels gewohnt lenkt Juddy direkt ein und fragt stattdessen: "Und wieso der Frustkauf? Was bedrückt dich so ungemein? Weshalb musst du gewaltige Unsummen in Jeans investieren?"


    "Ach, ... du kennst die Geschichte... meine Eltern wollen doch unbedingt, dass ich Medizin studiere... und... naja, ich will meinen Traum als Profi Duellant leben... ich meine das ist doch mein Leben, und nicht das meiner Eltern... vielleicht wollen sie nur das Beste für mich, aber... wenn ich das nicht will...?"


    "Und deshalb gehst du shoppen? Weil deine Eltern dir eine blühende Zukunft ermöglichen wollen? Du bist doch total doof! Wenn meine Eltern mich derart fördern würden, ich würde es voll und ganz nutzen... und kein Geld zum Fenster rauswerfen!"


    "Ach sei doch still, du verstehst das nicht, du hast ja auch keine Perspektive, du wirst dein ganzes Leben lang das Handwerk deines Dad ausüben, bei dir gibt es gar keinen Platz für einen Traum. Außerdem ist es meine Entscheidung, ob ich Geld zum Fenster rauswerfe, und eindeutig nicht deine. Ich werde beide Hosen nehmen und damit Ende der Diskussion."


    Juddy sieht Kayle bestürzt an. Dieser wendet sich ohne sichtbare Regung ab und schlendert in Richtung Kasse. Juddy schüttelt den Kopf, lässt ihn traurig hängen und folgt ihrem Freund.


    Wow, verdammt, ihr Gesichtsausdruck, als ob ich sie geohrfeigt hätte, war ich etwas zu hart? Scheiße, was habe ich nochmal gesagt? Dass sie keine Zukunft hätte? Gar nicht das Vermögen zu träumen? So etwas tut man doch nicht als bester Freund... ich bin ein Idiot. Ein Vollidiot. Sie wird mich doch nicht hassen, oder?


    Schweigend kommen sie am unbesetzten Schalter an. Kayle sieht sich suchend um... doch es ist niemand da...


    "Weißt du Juddy", beginnt Kayle "das war gerade sehr unreif und verletzend und gar nicht so gemeint und..."


    "Ach halt die Klappe, so oft wie du andere Leute verletzt... man gewöhnt sich dran und..."


    BAAAAAAAAM!!!!


    Das ganze Gebäude bebt, Lärm erfüllt das Geschäft, von außerhalb dringen Kreischen und Angstschreie in den Raum.


    "Was war das?" kommt es aus beiden Mündern.


    Juddy und Kayle schauen sich besorgt an und rennen auf die belebte Straße.

  • Johanna bog hopsend um eine Ecke und erschrak so heftig, dass sie erzitterte.


    Inmitten der Straße war ein gigantischer Krater erschienen. Er wäre breit genug, um ein Innenstadtwohnhaus darin zu platzieren. Darum herum standen eine Menge Schaulustige, einige liefen aufgeregt hin und her, verließen den Platz, redeten aufgeregt in ihr Telefon oder kletterten abenteuerlustig in den Krater.


    Was mag einen so großen Krater verursacht haben? Und warum?


    Sie lief zum Rand des Loches, um einen Blick hineinzuwerfen.


    Ein Auto war halb in den Krater hineingerutscht. Die zerstörten Wasserleitungen spien ihr nasses Inneres in die große Einkerbung und der Boden begann, schlammig zu werden. In der Mitte konnte sie ein paar Leute erkennen. Einer trat auf etwas ein, ein anderer hatte sich neben ihm hingekniet. In der Ferne hörte sie Sirenen von Krankenwagen und Polizeifahrzeugen.


    Also gut, so erkennt man ja gar nichts!


    Sie kletterte langsam über den Kraterrand, rutschte jedoch sofort ab und stolperte ungeschickt nach unten. Die Männer tummelten sich um einen schwarzen Kasten, den sie offensichtlich zu öffnen versuchten. Sie näherte sich neugierig, war aber enttäuscht, dass es sich nur um eine Art Würfel handelte. Er hatte einen Schlitz wie für eine Geldkarte, und ihr fiel sofort auf, dass es an der Seite eine Einkerbung gab, die wie eine Duel Disk aussah. Wann diese Idioten darauf wohl kommen würden?


    Sie beobachtete die anderen noch etwa 20 Minuten, bis jemand auf die Idee kam, seine Disk in die Einkerbung zu stecken. Es war ein kleiner Junge mit blonden Haaren. Er war etwa zwölf, so schätzte sie.


    Ein lautes Pfeifen ertönte. Alle im Umkreis erschraken, denn es war wirklich laut. Der Kasten leuchtete und an der Oberseite öffnete sich eine Art Klappe. Der blonde Junge jauchzte vor Aufregung und steckte seine Hand in die Öffnung.


    Dann begann er am ganzen Körper zu zucken und blieb einen Augenblick später reglos liegen.

  • "Verdammt, können die Leute nicht endlich von der Straße gehen?" Azuma schrie und schlug mit den Händen gegen das Lenkrad, während Gabriel das Fenster auf der Beifahrerseite öffnete, sich aus dem Fenster lehnte und lauf rief.
    "Verdammt nochmal Leute, das ist eine Einsatzfahrt, schiebt eure Hintern von der Straße!" Die Menschen blickten sich erschrocken um und machten langsam Platz. Die beiden Polizisten schluckten ihren restlichen Ärger herunter, seufzten kurz und fuhren weiter. Inzwischen waren die Straßen so belebt, dass Azuma nicht übermäßig schnell fahren konnte. Über Funk hatten sie die Information erhalten, dass die Straße neben dem Park eingestürzt sei. Zwar gäbe es noch keine Verletzten, doch kann keiner wissen, was noch passieren wird. Nervös biss sich Azuma auf die Lippe.


    Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen die beiden am Park. Vor ihnen auf der Straße befand sich eine gewaltige Menschenmenge. Azuma stellte den Motor ab, und beide stiegen aus. Andere Polizeikräfte oder Kräfte der Feuerwehr waren noch nicht vor Ort, jedoch ließen die Sirenen in der Ferne erahnen, dass sie zumindestens unterwegs sind. Die beiden drängten sich durch die Massen und erschauderten, als sie den gewaltigen Krater sahen. Als hätte jemand die Straße mit einem Eislöffel sauber ausgelöffelt, dachte sich Azuma. Er fiel aus allen Wolken, als er sah, dass mehrere Menschen schon versuchten, in den Krater zu klettern, oder bereits darin waren. Ein kleiner Junge schien, sofern es Azuma richtig sehen konnte, an einem schwarzen Kasten am Grund des Kraters rumzuspielen.


    "In Ordnung Leute, geht erstmal ein paar Schritte vom Kraterrand weg, wir wollen ja nicht, dass sich irgendjemand noch verletzt. Hilfe ist unterwegs, also bleibt ruhig. Ist irgendjemand verletzt?" Gabriel hielt kurz inne und sah Azuma an.
    "Zam, du gehst in den Krater und holst die Leute hoch."
    "Kein Problem."


    Während Gabriel weiter versuchte, die Menschenmenge zu beruhigen und vom Krater abzudrängen, kletterte Azuma über den Rand des Kraters. Immer mehr Personen standen jetzt um den Kasten herum, an welchem der Junge hantierte. Darunter war auch das Mädchen vom Park. Azuma erkannte sie sofort.


    "Raus hier, der Krater ist nicht sicher, ihr könntet euch -" Weiter kam Azuma nicht, denn ein lautes Pfeifen ertönte, und sie drückte instinktiv die Hände auf die Ohren. Von dem Kasten schien ein grelles, leuchtendes Licht auszugehen. Aus den Augenwinkeln sah sie nur noch, wie der Junge eine Hand in eine Öffnung stecke, die sich an dem Kasten aufgetan hatte, zuckte, und einen Moment später reglos liegen blieb. Azuma nahm die Hände von den Ohren und stolperte, mit pochenden Ohren und geblendeten Augen, langsam zu dem Junge.

  • Letztendlich stellte Mil fest, dass der Ursprung des Knalls längst nicht so weit weg gewesen war, wie er ursprünglich vermutet hatte. Es war doch alles in allem gar keine große Distanz von dem Park entfernt gewesen, wurde ihm klar, als er nachdem, er sich ein wenig durchgefragt hatte von fern eine Menschenansammlung erblickte, deren Konzentration an dieser Stelle er sofort mit dem Geräusch in Verbindung brachte.


    Noch verperrte eine Menschenansammlung die Sicht auf die Ursache der ganzen Aufregung, daher hielt Mil sich im Hintergrund. Er hätte sowieso nichts gesehen, sich durchzudrängeln war nicht seine Art. Die Menschen waren offensichtlich so sehr von ihrer Neugier gefangen, dass sie gar nicht nachdachten. Mil hatte das noch nie verstehen können, wie Menschen sich so sinnlos irgendwelchen Tendenzen auszuliefern ohne eine Ahnung zu haben, warum genau sie das eigentlich taten. Gruppenzwang war ihm daher sowieso suspekt. Vielleicht war er deshalb auch oft allein.


    Diese Zurückhaltung machte sich jedenfalls bezahlt, als ein Polizeiwagen sich näherte und sich die Traube langsam auflöste und ein Krater sichtbar wurde. Mil hielt sich im Schatten eines nahe stehenden Gebäudes und nähert sich so gut es ging dem Geschehen an. Er konnte zwei Polizisten erkennen die sich dem Krater näherten, aber bevor sie ihn ganz erreicht hatten und die letzte Person aus von der Vertiefung vertreiben konnten, ließ ein helles Licht Mil kurz wegsehen.


    Als das verging lag da ein seltsames Objekt und ein Junge, etwa in seinem Alter, und schien sich nicht zu bewegen. Das sah kritisch aus, aber was sollte er machen? Hinzurennen und dessen Zustand zu prüfen würde gar nichts bringen, das würde die Polizisten tun, an den Gegenstand würden sie ihn auch nicht lassen, daher hieß es jetzt abwarten, auf einen Augenblick in dem er wirklich etwas erreichen konnte. Dies im Bewusstsein, musste Mil allerdings feststellen, dass er sich schlecht fühlte, weil er seiner Anteilnahme, Sorge und Hilfsbereitschaft gar keinen Ausdruck verleihen konnte. Emotionen waren schon etwas vertracktes. Er schüttelte sich kurz und beoachbachtete dann konzentriert weiter die Lage.

  • Starr in Richtung Knall blickend rennt Vinni durch die Menschenmengen. Bemüht, niemand anderen umzurempeln oder anderweitig Schaden zuzufügen, läuft er in Slalomlinien durch die verwirrt schauenden Menschenmengen, stolpert immer mal wieder, aber kommt schlussendlich an einer wiiirklich großen Menschenmenge an.


    Er schaut sich um und entdeckt ein paar zerbrochene Fenster, Leute mit kleineren Verletzungen, ein wenig Rauch... Dann bemerkt er, wie viele Schaulustige sich um etwas drängen, dass er dank seiner Körpergröße nicht erkennen kann. *Manchmal suckt es echt, klein zu sein...* Vorsichtig schlängelt er sich durch die Menschenmenge, die langsam von einem Polizisten zurückgetrieben wird, was jedoch aufgrund der Personenzahl der Polizei eher dürftig passiert. Schließlich steht Vinni vor einem Krater. Einem tiefen Krater. "Ähm, entschuldigen sie, Sir, wissen wie was hier passiert ist?", fragt er einen Mann neben sich. "Nein, ich bin auch gerade erst hergekommen..." "Okay, trotzdem danke."


    Vorsichtig beugt er sich an den Krater, mit einem Auge zum Polizisten, der verzweifelt versucht, die Menge vom Krater fernzuhalten. *Dämlicher Beamter... Geh doch einfach, kriegst du eh nicht alleine hin..." Dann sieht er ein paar wenige Personen im Krater und ein schwarzes... Ding. *Was ist das denn?...* Kaputte Wasserleitungen lassen Wasser in den Krater fließen, kleine Pfützen bilden sich, ein Auto liegt ebenfalls im Krater. *Falsch geparkt würde ich mal sagen.* Leicht schmunzelnd widmet er sich den Personen im Krater. Eine Polizistin fuchtelt im Krater rum und versucht wohl die Leute im Krater unter Kontrolle zu bekommen. Und dann entdeckt er ein Kind. *Halt, was!? Warum ist da ein kleiner Junge!* Verwirrt schaut er in die Menge."Hey, SIE DA, schaffen sie das Kind da weg!" Keine Reaktion. *Verdammt. Zeit, dass jemand eingreift, der Ahnung hat...* Vinni klappt seine Duelldisk aus und will runterspringen, doch plötzlich ein lautes Pfeifen. Er hält sich instinktiv die Ohren zu und sieht ein grelles Licht vom Kasten ausgehen. Er wendet sich kurz schützend ab, blickt dann wieder zurück. Sofort bemerkt er, wie der Junge nurnoch regungslos neben dem Kasten liegt. *Verdammt, was ist da vorgegangen!!!* Eilig rennt er zum Krater und springt hinunter...

  • Massen von Menschen stehen reglos da, und starren in Richtung Zentrum der Allee. Ein gewaltiger Schlund gibt Einblick ins Erdreich. Die ersten Passanten sammeln sich um das Loch und auch die beiden Freunde zieht es in dessen Richtung.


    Kayle unterbricht die Stille zwischen ihnen: "Was meinst du, was ist dort los?"


    "Offensichtlich scheint irgendetwas am helllichten Tage in mitten der Großstadt ein Loch gegraben zu haben."


    "Du meinst das doch nicht ernst, oder?"


    "Was erwartest du? Als ob ich weiß, wieso die Straße ein Loch bekommt. Hat unser Superhirn vielleicht irgendeine Idee?"


    "Naja, wäre hier nicht so ein gewaltiger Menschenauflauf, dann könnte ich mir das genauer anschauen...
    Aber so viel sei gesagt: Straßen versinken nicht grundlos. Wenn sich im Boden verkarstungsfähiges Gestein durch chemische Analyse auflöst, dann entstehen Hohlräume -manchmal sogar ganze Höhlen- und, naja, wenn die Höhlendecken brechen, stürzen alle darüber liegenden Schichten ein. Das wäre eine Möglichkeit, wie so ein "Sinkhole" oder zu Deutsch eine Doline entsteht. Andererseits könnte auch irgendein Bau- oder Forschungsprojekt der Auslöser für die Grube gewesen sein. Spätestens heute Abend werden wir die offizielle Erklärung der Stadtverwaltung hören. Doch falls du die Wahrheit wissen willst, müssen wir durch diese Schaulustigen, um uns ein eigenes Bild von der Realität zu formen."


    Mit diesen abschließenden Worten greift Kayle nach Juddys Hand und sieht sie fragend an. Das Mädchen schaut erst verunsichert auf, scheint sich jedoch eines Besseren zu besinnen und nickt ihrem Freund bestätigend zu. Dieser zerrt sie an ihrer Hand in die Ansammlung hinein. Duckend, schlängelnd und schiebend überbrücken die beiden die letzte Hürde bis zum Graben. Dieser geht abschüssig hinab und endet in einem sich weiter füllenden Teich.


    Wow, trotz des Gerölls, der Erde und dem Wasser scheint es tatsächlich den ein oder anderen Vollidioten zu geben, der sich dem Risiko aussetzt, um... ja wozu eigentlich...? Was ist dort unten?


    Auch Juddy nähert sich dem Krater, will hineinklettern, ... da ergreift Kayle wieder ihren Arm.


    "Was ist, wieso hältst du mich fest?! Ich will dort hinab, und nachschauen, was die Leute dort unten hält..."


    Doch ihr Sandkastenbro erwidert nur: "Bist du verrückt? Siehst du nicht wie tief es hinab geht? Man erkennt doch kaum etwas. Falls du ausrutschen solltest, kannst du dich dabei verletzen. Außerdem füllt sich die Grube weiter mit Wasser. Irgendwann wirst du -und jeder andere dort unten- soweit durchnässt sein, dass du bei dem Versuch wieder hoch zu kraxeln, an dem schlammigen Untergrund aus- und wieder runterrutscht. Und nicht zuletzt würden wir uns beide -bei dem Versuch- unheimlich einsauen, ... das will eindeutig keiner von uns, nicht wahr...?"


    "Ist ja gut! Du hast sicher mit dem ein oder andern Punkt recht... Sieh doch da vorne, das Mädchen... sie klettert hinab... wir sollten ihr und all den anderen hier erklären, dass sie nicht runter klettern sollen... HEY, DU DA, NEIN, KLETTER NICHT WEITER! BLEIB DA STEHEN, STOP, BLEIB DA... "


    "Hör sofort mit diesem Gebrüll auf! Du kannst sie nicht aufhalten, wahrscheinlich hört sie dich gar nicht. Bei dem Getöse des Menschenmobs... wobei..., vielleicht hat sie dich doch gehört, sie bleibt stehen... und starrt in die Grube... wahrscheinlich wollte sie einen besseren Überblick haben..."


    Eine gefühlte Ewigkeit lang geschieht nichts: Kayle starrt das Mädchen in der Grube an, Juddy versucht am Rand des Sinkholes ein besseres Bild vom Grund zu bekommen und das Loch selbst füllt sich weiter mit Wasser. Dann endlich erklingt die berühmt berüchtigte Sirene der Polizei. Sie wird lauter und lauter, bis ein Polizeiwagen auf der Bildfläche erscheint. Er durchbricht den Ring aus Passanten, und... Genau in diesem Moment sieht Kayle wie sich das Gesicht des beobachteten Mädchens mitleidig verzieht.


    Oh je, irgendetwas muss dort unten geschehen sein. Bisher hat sie sich kaum etwas anmerken lassen -ausgenommen einer belustigten Miene, welche ihr Gesicht scheinbar zu beherrschen scheint- doch nun..., irgendetwas geschieht da unten,... wenn ich doch nur etwas mehr sehen würde...


    Nun steigt ein Paar in Dienstklamotten aus ihrem Fahrzeug. Während die Frau in die Doline hinein klettert, beginnt der Mann auf die Ansammlung zuzugehen und Fragen zu stellen.


    "Du Kayle,... ich habe es nicht so mit den Bullen, tut mir echt Leid, dass ich dich jetzt verlassen muss, aber... ich muss halt weg wegen meinem...naja,... sehen wir uns demnächst wieder...?" mit diesen Worten verabschiedet sich Juddy, bevor sie -ohne einen Blick nach hinten zu werfen- in den Massen eintaucht und verschwindet.


    In dem Moment, in dem Kayle sich noch ein letztes Mal nach Juddy umdreht, pulsiert eine helle Welle aus reinem, geradezu brennendem Licht umher. Viele Menschen gehen geblendet zu Boden, andere wenden sich ab und verlassen die Grube. Zweifelnd was jetzt zu tun ist, sieht Kayle einen jungen Mann, der übermütig in die Grube springt.


    So ein Volltrottel! Egal was da unten geschieht, es kann nicht gut sein, wenn junge Menschen sich freiwillig hinabstürzen, ohne die Konsequenzen zu bedenken...


    Hin- und hergerissen, ob er hierbleiben soll, um im Fall der Fälle Hilfe zu leisten, oder lieber abhauen, um der Polizei und ihren nervigen Fragen zu entgehen... Letztendlich ist Kayle doch viel zu gefesselt von seiner eigenen Neugierde und schaut noch einmal genauer über den Kraterrand. Nur diesmal mit Brille...

  • Während Mil die Szene beobachtete, vibrierte sein Smartphone in seiner Hosentasche. Er holte es hervor und hob ab.


    "Hallo, hier ist Mil. Ah, gut, dass sie sich melden. Haben sie schon etwas Neues herausgefunden? Waaas, es ist hier in der Stadt? Das ändert einiges...Schätze ich muss die Chance nutzen. Ich sende ein Signal, falls ich Erfolg haben sollte, sie halten sich zum Abholen bereit."


    Mil fasste seinen Plan, der im Grunde sehr sicher und gut durchdacht war, aber musste trotzdem feststellen, dass er ganz schön nervös war. Aber er hat keine Wahl, er musste es probieren. Ein Erfolg in dieser Hinsicht wäre sehr weitreichend und würde ihm seinem Ziel um einiges näher bringen. Er hatte solange darauf gewartet.


    Endlich! Endlich, kann ich mich vervollkommnen! Wenn ich sie erst besitze, werde ich das Gleichgewicht haben, dass ich brauche! Dann werde ich...


    Mil rief sich zur Ordnung. Jetzt war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für Träumereien. Jetzt hieß es loslegen. Eigentlich musste er nicht nervös sein, schließlich würde er bekommen, was er wollte. Dennoch kostete es ihn Überwindung, als er sich zügig aus dem Schatten entfernte und auf den Krater hinzu eilte. Dort war noch einiges los, die Menschen wurden zwar von der Polizei zurückgedrängt, aber es waren immer noch 3 Leute im Krater, eine Polizistin und ein weiterer Kerl, sowie der Junge.


    Als Mil den Kasten fast erreicht hatte, wurden die beiden im Krater seiner Präsenz gewahr.




    [Jetzt müsstet ihr reagieren. Schreibt mich an, damit wir den Dialog verfassen können. ]

  • Langsam sammelte Azuma ihre Sinne, als ein Jugendlicher an ihr vorbeirannte, direkt auf den Junge zu. Er beugte sich über das noch immer leblose Kind, als suchte er den Puls zu fühlen. Azuma biss sich leicht auf die Zunge, um gänzlich zu Vernunft zu kommen. Als sie den Mund öffnete, um den Jugendlichen anzusprechen, klang ihre Stimme schwach und kraftlos.
    "Lebt er noch?" Der Jugendliche schaute sich um, wer da gesprochen hatte.
    "Ja, aber er atmet schwer. Er braucht sofort Hilfe."
    Azuma war zwar dagegen, dass sich Zivilisten einmischten, aber die Sutation war sowieso schon außer Kontrolle geraten, und solange die Verstärkung nicht eingetroffen war, konnte sie jede Hilfe gebrauchen.
    "Kümmere dich um ihn. Ich gebe über Funk eine Meldung."
    "Sorgen Sie nur dafür, dass die Leute zumindestens einen schmalen Pfad frei machen, damit ich ihn zu den Rettungskräften tragen kann."
    Azuma zeigte sich leicht beeindruckt von der Sicherheit und Bestimmtheit des Jungen. Wenigstens keiner, der kompeltt den Verstand verliert und nur noch winselt, dachte sie sich. Er schien keine Verletzungen zu haben, aber sie musste zumindestens den Vorschriften folgen.
    "Bist du unverletzt?"
    "Jaja, passt schon."
    "Gut. Ich brauche noch einen kurzen Moment."


    Azuma drückte auf den Sprechknopf an ihrer Funkausrüstung, doch der Funk schien zu tot zu sein. Als sie dich umdrehte, um nach Gabriel zu sehen, bemerkte sie einen kleinen Jungen, der hinter ihr stand und den Kasten mit seinen Augen fixierte. Auch er schien unverletzt, zudem glaubte sie sich zu erinnern, dass er noch nicht da war, als sie in den Krater sprang. Nicht noch einer, der hier rumspringt.
    "Hallo mein Junge, der Krater ist etwas gefährlich für dich, du solltest lieber nach oben zu deinen Eltern gehen."
    Der Gedanke an Eltern ließ Mil kurz innerlich stocken. Dann besann er sich und entgegnete den Blick seines Gegenübers. Er versuchte, in ihren Augen etwas zu erkennen, aber es gelang ihm nicht. Er ließ davon ab, machte sich seine Lage bewusst, atmete tief ein und begann sich zu konzentrieren.
    Jetzt beginnt es also. Ich werde meine Interessen verfolgen, so wie ich es muss. Diese Polizistin ist wohl leider dazu gezwungen meinen Interessen entgegenzutreten. Er schüttelte den Kopf.
    "Das werde ich nicht." Es macht sowieso keinen Sinn groß irgendetwas zu erklären.
    Azuma war überrascht von seiner Reaktion. Trotzte das Kind ihr, einer Autoritätsperson?
    "Hier gibt es im Moment nichts für dich. Lass die Tante Polizistin hier ihre Arbeit erledigen, ja? Du verletzt dich hier womöglich noch."


    Doch der Junge deutere nur hinter Azuma. Ich denke ich sollte zum Punkt kommen, dachte er sich. Sie kann ruhig merken, dass ich anders bin, wenn sie so schnell umschaltet. Die meisten Menschen sind zu sehr in ihren Routinen gefangen. Und ich leider auch. Aber ich erkenne Chancen, wenn ich sie sehe. Mil sprach erneut und war dabei ruhig und gefasst.
    "Ich benötige den Würfel."
    Azuma war nun sichtlich irritiert. Was fordert er da von mir? Sieht er nicht, dass wir hier eine Situation haben, die sichtlich außer Kontrolle geraten ist? Wie alt ist der Junge überhaupt? Doch nicht älter als Zwölf.
    "Denn kann ich dir nicht geben. Er könnte gefährlich sein. Jetzt geh, sonst lasse ich dich wegbringen." Sie betonte die letzten Worte scharf. Mil ließ sich davon nicht beeindrucken. Wie erwartet. Dann rede ich Klartext.
    "Weder trifft das eine zu, noch würde ich das andere zulassen. Wenn du den Würfel wirklich nicht hergeben willst, werde ich mich mit dir duellieren."
    Azuma fiel nun endgültig aus allen Wolken. Er war nur ein Kind, und doch widersetzte er sich ihr. Sie konnte unmöglich Gewalt anwenden, bar jeglicher Verhältnismäßigkeit, und tatsächlich schienen ihr seine Worte als einzige Möglichkeit. Sie streckte, so wie sie es immer vor einer Herausforderung tat, mit dem Daumen ihrer rechten Hand den Zeigefinger, bis dieser knackte, und sprach gelassen weiter.
    "Ich lasse mich darauf ein. Wenn ich gewinne, dann gehst aus dem Krater und zurück zu deiner Familie. Wenn du gewinnst -" Azuma hielt inne. Zum Würfel konnte sie ihn trotzdem nicht lassen. Zeit schinden war jetzt das wichtigste.
    "Wenn du gewinnst, lasse ich dich an den Würfel." Mit diesen Worten und einem ernsten Gesicht aktivierte sie ihre Dueldisk.

  • Wie zuvor von Kayle vermutet, geschah dort unten so einiges... Ein kleiner blonder Junge -vielleicht gerade zehn Jahre alt geworden- lag scheinbar bewusstlos im Wasser. Der Junge, der vorhin so übermütig in die Tiefe gesprungen ist lief auf das Kind zu und schüttelt es.


    Solche Erste-Hilfe wünsche ich dir auch, du Trottel! Den Jungen muss man sofort raus heben! Danach in die stabile Seitenlage legen, jegliche Sicherheitschecks -wie zum Beispiel ob der Verletzte eine stabile Atmung vorweist, ob er einen regelmäßigen Puls hat, ob er überhitzt oder (hier wahrscheinlich treffender) unterkühlt ist- durchführen, um dann letzten Endes auf eine ausgebildete Sicherheitskraft zu warten und Angaben zum vermutlichen Zustand treffen zu können. Naja, wenn das jeder wüsste und auch machen würde, wären viele Erst-Hilfe-Zentralen überflüssig... aber so ist es leider nicht... einfach nur ein Depp! Armer Junge... Wenn das so weitergeht, dann wird das ein ganz böses Ende mit ihm nehmen... was ist überhaupt mit seinem Arm los?


    Der Arm des Jungen ist über eine DuellDisk mit einem Kasten verbunden. Der Kasten selber ist schwarz, seine Oberfläche bis auf eine kleine Öffnung makellos. Er scheint der Auslöser jeglicher Ereignisse zu sein.


    Neben dem Verletzten, dem Jugendlichen und ein paar anderen Männern hat auch die Polizistin den Grund erreicht und beginnt dort für Recht und Ordnung zu sorgen. Sie kommandiert die Männer trotz einiger Gegenwehr erfolgreich hoch und dreht sich zum Verletzten...


    In seinem Augenwinkel sieht Kayle einen weiteren Jungen. Dieser steckt sein Smartphone in die Hose. Ein nervöses Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Nun gehört diesem Kind Kayles ungeteilte Aufmerksamkeit. Der kleine Junge schleicht sich den Krater hinab, um unten angekommen auf die verbliebenen drei Personen -den Jungen, die Polizistin und den Verletzten- zu zugehen.


    "Entschuldigen sie? Haben sie einen Moment Zeit, um meine Fragen zu beantworten?" Ein uniformierter Mann in seinen besten Jahren tritt auf Kayle zu.


    Ernsthaft? Polizei? Ich hätte vielleicht doch gehen sollen... nun, jetzt muss ich wohl da durch... aber trotzdem... es gibt dort unten einen Verletzten, hier haufenweise Schaulustige, einige Idioten die am Loch spielen, und der Mann will Fragen stellen... Super... noch ein Vollidiot unserer Gesellschaft... vielleicht sollte ich mit einer Liste anfangen...


    "Nein, habe ich nicht. Wie sie als aufmerksamer Wachmann sicherlich festgestellt haben, beobachte ich die Geschehnisse im Graben."


    "Nun, dann bittet sie der aufmerksame Wachmann darum, den Krater zu verlassen, damit er seine Arbeit in Ruhe fortsetzen kann..."


    "Tut mir leid, aber ich werde meinen Platz nicht verlassen..."


    "Hören sie junger Mann... ich arbeite jetzt seit ca. acht Stunden, habe noch vier Stunden vor mir. Das ganze hier," der Polizist deutet ausladend auf die Menge, "ist ziemlich anstrengend... und ich glaube kaum, dass sie meine Geduld weiterhin unnötig auf die Probe stellen wollen...!"


    "Wieso nicht, dann hat der Regionalanzeiger morgen früh gleich zwei Schlagzeilen: "Try Belle bekommt Löcher - wieso sie hier keine Immobilien kaufen sollten!" und "Polizei greift durch - hat morgen ihr Kind zu leiden?". Was halten sie davon Mister?"


    "Ich halte dich für einen Sturkopf, der gehörig Dresche verdient hat. Geh jetzt, oder ich bereite dir wirklich großen Ärger!"


    "Tatsächlich? Wollen sie mir ernsthaft vor so vielen Menschen schaden? Wieso gehen sie nicht einfach weiter und schicken andere Menschen weg? Dann können sie diese einschüchtern, sich dabei einen Moment lang toll fühlen und weiterziehen, während ich klaren Kopf behalte und weiter beobachte. Dazu scheinen sie ja nicht fähig zu sein."


    Der Polizist steht stumm vor dem jungen Mann und beginnt rot anzulaufen, schon setzt er zu irgendeiner Beleidigung an, bis er sich eines Besseren belehrt, tief und fest einatmet und entgegnet: "Entweder, du gehst mir jetzt aus dem Weg, oder du wirst das Folgende unglaublich bereuen!"


    "Es könnte mir fast schon leidtun, aber irgendwie zweifle ich stark daran, dass ich irgendetwas bereue. Schließlich sind das nur leere Drohungen."


    Nun scheint der Beamte voll und ganz baff, nach kurzen Zögern lacht er und meint: "Du glaubst das sind nur leere Drohungen, na gut, dann fordere ich dich jetzt zu einem Duell heraus. Gewinne ich, ziehst du ab!"


    "Und was geschieht mit meiner Wenigkeit, falls sie verlieren?"


    "Für den unwahrscheinlichsten Fall der Fälle, würde ich dich die Geschehnisse dort unten weiter beobachten lassen."


    "Gut, wenn sie zu ihrem Wort stehen, soll mir das fürs erste reichen. Beginnen wir unser Duell!"


    Beide Kontrahenten entfernen sich zuerst gemeinsam von der Grube, dann voneinander, schnallen sich ihre DuellDisk an den Arm, stecken ihre Decks hinein und rufen zeitgleich: "DUELL…!!!" Dies lockt die große Gruppe Schaulustiger vom Krater fort, und ein Ring aus Zuschauern umgibt die Duellanten.


    Der Polizist beginnt seinen Zug.


    "Da ich anfange, darf ich weder angreifen, noch eine Karte ziehen... dennoch werde ich dich vernichtend schlagen! Ich setze drei meiner fünf Handkarten verdeckt. Zuletzt beschwöre ich im Angriffsmodus als Normalbeschwörung meinen kleinen Freund Kuribandit."


    Ein kleines, pelziges Etwas materialisiert sich vor dem Mann. Es trägt eine Augenklappe und ein Kopftuch. Außerdem grinst es und gibt merkwürdige Geräusche von sich.


    "Doch trauriger Weise bleibt mir Kuribandit nicht allzu lang erhalten. Ich gehe in die End Phase! Nun, da Kuribandit in diesem Zug normalbeschworen wurde, kann ich ihn als Tribut anbieten, um mir die fünf obersten Karten meines Decks anzuschauen und eine der Zauber- oder Fallenkarten, die ich dort sehe auf die Hand zu nehmen. Der Rest der Karten kommt dann auf meinen Friedhof. Mal sehen..., was liegt denn auf meinem Deck... Schädelzoma, Schwerkraftbindung, Kräfte Rauben, Metallisch reflektierender Schleim und Kaiserlicher Brauch. Ich werde meiner Hand Kaiserlicher Brauch hinzufügen. Der Rest geht in den Friedhof."


    Kaum beendet er die Erklärung, zerspringt Kuribandit in viele kleine Scherben und wird mit den vier Fallenkarten in den Friedhof gelegt.


    "Los, du bist dran, ich habe nicht ewig Zeit für die Spielereien mit dir!"


    "Gut, dann fange ich mal an. Im Gegensatz zu ihnen darf ich eine Karte ziehen."


    Kayle zieht. Auf seiner Hand befindet sich derzeitig: Bujingi Fuchs, Sonnenaufgang über Ayers Rock, Bujingi Wolf, Doppelbeschwörung, Bujingi Hundertfüßler und Bujingi Ophidian.


    "Ich beginne meinen Zug mit der Normalbeschwörung von Bujingi Fuchs. Los kleiner Freund, erfüllt mit dem Feuer der Götter, komme nieder um mich zum Sieg zu geleiten!"


    Ein Raunen der Menge begleitet das Auftauchen eines kleinen Feuers. Dieses wächst immer weiter an, bis man in den Flammen das Abbild eines verspielten Fuchses erkennen kann. Das Tier läuft nun zwischen die Kontrahenten und tollt dort fröhlich fiepend umher.


    "Als nächstes aktiviere ich meinen Zauber Doppelbeschwörung. Ich hoffe sie wissen, dass mir diese Karte erlaubt eine zweite Normalbeschwörung durchzuführen."


    "Natürlich weiß ich das, nun mach schon, beende deinen Zug..."


    "Beenden, wieso sollte ich denn beenden, ich habe mir doch gerade eine zweite Beschwörung ermöglicht, von dem her, ich rufe Bujingi Wolf als zweite Normalbeschwörung. Treuer Freund des Menschen, du wurdest von den Göttern dazu auserwählt auf ihrer Seite in die Schlacht zu ziehen, folge ihrem Ruf aufs Feld!"


    Plötzlich steht ein riesiger leuchtender Hund zwischen dem Publikum. Dieser trennt sich vom Menschen und rennt als ausgewachsener Wolf auf das Feld. Im Laufen bekommt er eine bronzefarbene Rüstung angelegt, die sein Fell und die Muskeln schmeichelhaft umspielt.


    "Und nun, da es zwei der ehrwürdigen Diener der Götter auf das Spielfeld geschafft haben, wird es Zeit die Gottheiten selbst um Hilfe zu bitten. Ich überlagere..."


    Doch grinsend unterbricht der Polizist.


    "Nichts wirst du tun. Erinnerst du dich an meinen Zug? Wenn nicht, gebe ich dir etwas Hilfe. Ich hatte drei Karten verdeckt gesetzt. Und ich spüre, dass ihre Zeit nun gekommen ist. Ich aktiviere zuerst meine permanente Fallenkarte Statue der Schmerzmuster. Uraltes Relikt aus vergangenen Zeiten, geplagt mit dem Leiden von Tausenden, nun ist der Moment der Rache gekommen, erscheine um zu richten!"


    Aus dem Boden erhebt sich eine gewaltige Skulptur aus Stein. Ihre komplette Oberfläche ist mit unterschiedlichsten Runen bedeckt. Ein merkwürdiges Stöhnen, als ob jemand gefoltert würde, erfüllt den Ort.


    "Bevor du fragst, ich erkläre dir die Macht dieser Karte. Wie jedes Fallenmonster ist diese Karte Fallen- und Monsterkarte zugleich. Deshalb spiele ich die mächtige Statue der Schmerzmuster als Spezialbeschwörung in die Verteidigungsposition. Wie ein Monster hat sie Verteidigungspunkte, 2500 um genau zu sein. Und wie eine Fallenkarte hat sie einen machtvollen Effekt. Jedes Mal, wenn ich ein weiteres Fallenmonster spezialbeschwöre, darf ich eine Karte auf dem Spielfeld wählen und zerstören. Als nächstes beschwöre ich meine zwei Fallenmonster Tiki-Fluch und Tiki-Seele als Spezialbeschwörung im Angriffsmodus. Zeugen längst vergessener Zeiten, kämpft euch zurück in das Gedächtnis der Menschheit, dass sie euch auf ewig ehren!"


    Zwei Steinstatuen wachsen aus der Erde. Die eine bewaffnet mit einem gewaltigen Steinsäbel, die andere mit zwei steinernen Kampfstäben.


    "Ich hoffe du weißt, was das für dich bedeutet: beide deiner Monster enden hier und jetzt. Los Statue der Schmerzmuster bestrafe die Wesen deines Peinigers, zerstöre Bujingi Fuchs und Bujingi Wolf."


    Das gewaltige beschriftete Werk richtet sich auf und stößt einen durchdringenden Schrei aus. Viele der Zuschauer und auch Kayle fassen sich an die Ohren, überzeugen sich davon, dass sie noch hören. Zur selben Zeit zerfallen die beiden Ungeheuer in ihre Einzelteile und werden anschließend in den Friedhof gelegt.


    Spöttisch applaudiert Kayle.


    "Ich bin beeindruckt Sir, sie haben es geschafft meine kleinen Ungeheuer zu zerstören. Ich bin schutzlos und darf nichts mehr beschwören. Ich muss tatsächlich beenden. Genießen sie den Moment in dem sie mich schlagen, aber bedenken sie folgendes: einen schnellen Sieg sollte man wie reinen Wein mit viel Vorsicht genießen..."


    "Du beendest, dann spar dir den Spot und sei still, denn nun bin ich am Zug: Ich ziehe! Und tatsächlich... sie ist da, du wirst das Duell in diesem Zug verlieren... Zuerst ändere ich meine Bestie Statue der Schmerzmuster in den Angriffsmodus."


    Ein Tuscheln aus der Menge begleitet wie sich die Statue aufrichtet, die Schriftzeichen -die ihren Körper bedecken- zu glühen beginnen.


    "Nun aktiviere ich die Karte, die mir den Sieg ermöglicht: Schild und Schwert! Diese Zauberkarte vertauscht die Angriffs- und Verteidigungspunkte aller Monster auf dem Feld. So wird endlich stark, was einst war schwach... Die Angriffskraft von Statue der Schmerzmuster steigt von Null auf ganze 2500. Auch Tiki-Fluch und Tiki-Seele sind von dieser Veränderung betroffen. Und nun, da meine Angriffskraft ausreicht um deine 4000 Lebenspunkte in einem Zug auszuradieren gehe ich in die Battlephase. Los, Statue der Schmerzmuster (derzeit 2500 ATK), Tiki-Fluch (derzeit 1000 ATK) und auch Tiki-Seele (derzeit 1800 ATK) greift diese Plage direkt an und beendet das Duell!"


    Die drei Statuen rennen auf den Jungen zu, ihre Umrisse werden schemenhaft, verschwimmen vor Kayles Augen, und... prallen gegen eine hell schimmernde Wand.


    "Was soll das? Hier muss ein Fehler vorliegen! Du hast verloren! Sieh es ein und verschwinde endlich!"


    "Nein Officer, alles läuft so ab, wie von mir geplant. Vielleicht beruhigen sie sich, damit ich ihnen erkläre was hier passiert ist. Der Beginn des Duell stimmte mich schon ziemlich argwöhnisch, als sie mit einem Grinsen drei Karten verdeckt setzten. Daraufhin begannen sie ihren größten Fehler, indem sie Kuribandit opferten: Sie zeigten mir mit dem Aufdecken der Karten Schädelzoma und Metallisch reflektierender Schleim bereitwillig die Stärke und Taktik ihres Decks: Fallenmonster! Natürlich doppelt so gefährlich, wie gewöhnliche Monster, aber auch doppelt so verwundbar..., deshalb hatten sie sich wohl den Kaiserlichen Brauch der Hand hinzugefügt, als zusätzliche Absicherung, falls irgendetwas schief gehen sollte... daraufhin begann ich meinen Zug, beschwor meine Monster, die sie mit ihrer cleveren Taktik zerstörten,... doch all dies war nur eine Finte, um sie -lieber Herr Polizist- aus der Reserve zu locken... denn als sie nun vermeintlich direkt angegriffen haben, aktivierte sich der Effekt meines Freundes Bujingi Fuchs. Für den Preis einer Handkarte -in diesem Fall Bujingi Hundertfüßler-, darf ich ihn ins Reich der Götter schicken, um vor jeglichem Schaden bewahrt zu bleiben. Und nun, nachdem sie ihren Zug vollzogen haben, ihre Monster im Angriffsmodus sind, und ihnen alle Tricks ausgegangen sind, werde ich ihnen in den nächsten Zügen zeigen, wie man siegt. Wollen sie vielleicht beenden?"


    Der Beamte schwieg. So etwas war ihm selten untergekommen, dass jemand an seinem ersten Zug erkannte wie er spielen würde... seine Strategie auch noch gegen ihn zu verwenden... das war schon etwas ganz besonderes... doch bisher hatte der junge Mann nur Wort gesprochen, kaum Taten folgen lassen... er sollte erst einmal beweisen, dass er mehr als nur spielen kann...


    "Nun, du magst recht haben, der Effekt von Schild und Schwert endet, was bedeutet, dass ich vorerst ein Monster mit Null Angriffspunkten im Angriffsmodus kontrolliere... ein bedauernswerter Zustand, doch dieser macht dich noch lange nicht zum Sieger, ich setze eine Karte verdeckt und beende meinen Zug. Nun beweise, dass du siegen kannst."


    "Nun gut, ich bin am Zug und ziehe."


    Endlich, jetzt sind alle Teile versammelt, um das Duell zu beenden.


    "Zuerst begrüßen wir die soeben gezogene Karte: ich rufe als Normalbeschwörung Bujingi Hase. Weißer Wanderer aus dem Norden, gerettet wurdest du von den Göttern, nun revanchiere dich als Retter in der Not."


    Ein kleines Loch öffnet sich im Himmel, aus dem ein weißer Hasenkopf schaut. Zwei, drei, vier kleine Kinder aus der wachsenden Menge Schaulustiger kreischen vergnügt auf. Der Schneehase schnuppert kurz, scheint nachzudenken, und springt mit Lebensfreude erfüllt aus dem Loch, welches sich hinter ihm schließt.


    "Doch das war noch lange nicht alles, als nächstes aktiviere ich meine Zauberkarte Sonnenaufgang über Ayers Rock. Sie gestattet mir die Wiedergeburt von einem gefallenen Ungeheuer. Also kehre nocheinmal zurück auf Erden, um die Saat der Götter zu säen, erscheine Bujingi Hundertfüßler."


    Ein Wurm bricht aus dem Boden hervor. Sein ganzer Körper strahlt weiße Energie aus, die sich ständig an die Umwelt entlädt. Seine intelligenten roten Augen erfassen das Feld, um sich abschließend spielerisch auf den Schneehasen zu stürzen.


    "Nun, das war das eine... Sonnenaufgang über Ayers Rock erlaubt mir auch die Angriffspunkte aller deiner Monster um 200 zu reduzieren. Das senkt Tiki-Fluch auf 1600 und Tiki-Seele auf 800 Angriffspunkte. Und nun kann ich dort fortsetzen, wo ich im letzten Zug unterbrochen wurde, Bujingi Hase und Bujingi Hundertfüßler überlagern sich zu einem der Götter selbst: Oh mächtiger Herr der Stürme, Meister der göttlichen Klinge, verbannt wurdest du aus dem Himmel, doch nun ist deine Zeit der Rache gekommen: Ich spezialbeschwöre -Rang 4- Bujintei Susanowo."


    Ein Lichtblitz zuckt über das komplette Duellfeld, die dabei entstehende Linie spaltet sich auf und zeigt einen Garten Eden. In diesem steht ein machtvoller Krieger. Seine Aura lässt die Menschen erzittern. Seine Rüstung blendet sie. Sein Schwert richtet. Der Gott steigt aus dem Spalt hinaus und schwebt über dem Feld. Ah! und Oh! Rufe aus der Menge begleiten seine Beschwörung. Der ein oder andere reibt sich die Augen, als ob er nicht glauben kann was er sieht.


    "Nun, da der Gott selbst auf dem Feld ist, ist das Spiel entschieden. Ich aktiviere seinen Effekt: indem ich eines seiner XYZ-Materialien abhänge, kann ich mir eine Bujin-Karte meiner Wahl vom Deck auf die Hand nehmen. Also verabschieden wir uns ein weiteres Mal von Bujingi Hunderfüßler, damit ich mir Bujin Mikazuchi auf die Hand holen darf. Dann sollte ich auf Nummer Sicher gehen und deinen verdeckt gesetzten Kaiserlichen Brauch zerstören. Ich aktiviere den Effekt meines Bujingi Hundertfüßler im Friedhof: solange ich ein Ungeheuer-Krieger Monster beherrsche, wie zum Beispiel meinen göttlichen Susanowo, dann kann ich das Ungeheuer verbannen und so eine ihrer Zauber- oder Fallenkarten zerstören. Verabschieden sie sich von ihrem Kaiserlichen Brauch, er ist nun zerstört."


    Ein leuchtender Pfeil schießt aus der DuellDisk Kayles, und zerschmettert die verdeckt gesetzte Karte, welche sich tatsächlich als Kaiserlicher Brauch entpuppt. Der Polizist keucht auf. Woher hat dieser Junge all dies gewusst? War er etwa so durchschaubar? Er hätte doch auch eine andere Karte von der Hand setzen können... aber... noch hatte er ein Ass, eines was seinen Sieg bedeuten könnte...


    "Nun gehe ich in die Battle Phase: Wissen sie Herr Polizist, mein Gott hat eine ganz besondere Gabe. Er kann jedes Monster einmal angreifen. Also beginnen wir mit dem Ende: Los Bujintei Susanowo (derzeitig 2400 ATK), attackiere die Statue der Schmerzmuster, zerstöre die Skulptur ein für alle mal!"


    Der Gott zieht sein Schwert aus der Schwertscheide, zielt, läuft zur Statue und halbiert sie mit einem Sprungangriff. Der Polizist wird von der Wucht des Angriffs auf den Boden geschleudert. Seine Lebenspunkte fallen von 4000 auf 1600. Der Gott richtet sich wieder auf, doch plötzlich knickt er wieder ein.


    Was ist dort los? Habe ich doch etwas übersehen?


    "Perfekt, dank dir aktiviert sich der mächtige Falleneffekt von Tiki-Fluch. Hat ein Fallenmonster gekämpft, wird das angreifende Monster nach dem Kampf auch zerstört."


    Bujintei Susanowo schaut ein letztes Mal über die Schulter in Richtung Kayle, bevor er in tausend Teile zerspringt. Ein Raunen geht durch das Publikum. Vielleicht ist doch der Polizist der Stärkere?


    "Neben Tiki-Fluch aktiviert auch Tiki-Seele ihren Effekt, wenn eines meiner Fallenmonster zerstört wird, darf ich die Karte wieder in die Zauber- und Fallenkartenzone setzen. Also hast du meinem Feld nichts anhaben können. Alles was du erreicht hast war dein eigenes Monster zu verlieren."


    "Wer spricht hier schon von verlieren? Opfer müssen gebracht werden, und wer genau hingesehen hat, der ahnt was nun folgt, ich aktiviere den Effekt meines Bujin Mikazuchi. Wenn eines meiner Ungeheuer-Krieger Monster zerstört wird, dann darf ich ihn als Spezialbeschwörung von der Hand beschwören. Geboren aus dem Blut des Feuergottes, im ewigen Kampf mit den Dämonen der Erde, rufe ich dich an dein Urteil zu fällen!"


    Ein Krieger steigt -von Blitzen umgeben- vom Himmel hinab. Gekleidet in einer funkenschlagenden Rüstung steht er vor seinem Beschwörer.


    "Egal was du jetzt machst, du wirst im nächsten Zug verloren haben. Ich beende!"


    "Das sind große Worte, ich zweifle stark an ihrer Glaubwürdigkeit, ich ziehe!"


    In diesem Moment wird das Rauschen, welches im Hintergrund schon seit langem hörbar war immer lauter. Menschen suchen nach dem Ursprung und finden es in zwei sich nähernden Helikoptern. Einer vom Krankenhaus, der andere vom Lokalen Nachrichtensprecher.


    Der Polizist flucht, und meint nur: "Du hast verdammt viel Glück, dass wir Besuch bekommen, sonst wäre das niemals so schonungslos für dich ausgegangen."


    Daraufhin wendet er sich ab, schaltet seine DuellDisk aus und steckt sie in die Uniform. Seine Fallenmonster und auch der Krieger Kayles verblassen. Der Beamte treibt die Menschen fort, damit der Helikopter genug freie Landefläche hat. Einige Menschen rennen schreiend die Straße hinunter, ein anderer Teil geht ruhig seinen Pflichten nach und Kayle...


    Kayle erinnert sich wieder daran wieso er eigentlich in der Stadt war...


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    Langsam verschwindet Juddy -alias Judith Lamar- in der Menschenmenge. Von der Grube pulsiert ein helles Licht, doch nach einem kräftigen weg blinzeln der Sterne sieht sie wieder klarer. Langsam aber sicher entfernt sie sich immer weiter weg vom Loch, bis sie aus der Menge hinaus bricht. Jetzt rennt sie immer schneller werdend in die erstbeste Nebengasse. Sobald sie in deren sicheren Schatten ankommt bleibt sie stehen. Sie keucht, atmet schwer und beruhigt sich nur sehr langsam.


    Panisch schreien unterschiedliche Stimmen in ihrem Kopf:


    LAUF! RENN WEG! HAU AB! VERSCHWINDE! BRING DICH IN SICHERHEIT!


    Immer wieder fangen die Stimmen von vorne an, immer wieder die gleichen Aufforderungen, immer weiter treiben sie Judith an. Bewegt sie sich, werden sie kurzzeitig leiser, bleibt sie stehen, stürmen sie weiter auf sie ein. Während sie sich durch die Gassen Try Belles zwängt und ihre Umgebung immer finsterer wird, macht sich die Anstrengung in ihrem Körper bemerkbar. Ziehende Schmerzen quälen ihren Brustkorb. Ihr Atem wird kürzer und kürzer, bis es sich so anfühlt, als würde sie ersticken. Sie stolpert und fällt hin. Sie richtet sich wieder auf. Röchelnd versucht sie Luft einzuatmen. Doch ihr Körper scheint ihr nicht mehr zu gehorchen. Sie keucht, hustet, würgt, und dennoch scheint sie keine Luft zu erreichen.


    Dann kippt der Boden auf sie hinab. Sie sieht ihr sechzehnjähriges ich, wie es vor zwei Jahren mit ihrem Freund Magnus durch die Straßen Try Belles zog. Sieht sich selbst übermütig vorauslaufen. Hört wie sie spricht: "Hey, mein Süßer ich kenn da 'ne tolle Abkürzung zu dir." Sieht wie sie ihre erste Liebe durch die Nebengassen zerrt. Sieht wie er sie an die Mauer drückt. Sie küsst. Und dann... Dann kommt er. Sieht ihn. Und alles wird schwarz!


    Weinend übergibt sie sich. Endlich erfolgreich ringt sie dann nach Luft.


    Einatmen.....es war nur ein Traum.....-Ausatmen.....es ist alles ok.....-Einatmen.....nicht darüber nachdenken!.....-Ausatmen


    Langsam erhebt sie sich und bemerkt, dass die Stimmen verstummt sind.


    Wo bin ich überhaupt? Die Mauern sehen aus, als ob sie den ersten Weltkrieg miterlebt haben... so etwas gibt es in einer modernen Stadt wie Try Belle? Und dieser Gestank... Nach Müll, zuviel Alkohol und mehr Exkrementen als erlaubt. Halt...., das ist es... ich bin nicht mehr in der Stadt Try Belle!


    Und tatsächlich: Juddy war während ihrem krankhaften Anfall im Randviertel der Großstadt angekommen. Dort wo kein kleines Kind hingehört, dort wo Besoffene zahlreicher sind als Ratten, dort wo der Tag nachts beginnt.


    Vielleicht sollte ich zu Mutter Hallo sagen gehen?

  • Mil nickte. Er hatte das in etwa erwartet. Es war ja auch nichts wirklich besonderes passiert. Bis jetzt war das alles noch sehr berechenbar, wie ein Automatismus, einer feinen, aber überschaubaren Maschine gleich.
    Er holte einen Gegenstand hervor, der einem Würfel glich. Er hielt ihn in der einen flachen Hand, dann drückte er auf die Oberfläche, woraufhin der Würfel begann, sich zu entfalten. In der Mitte konnte man ein Deck erkennen. Nachdem sich der Würfel voll ausgebreitet hatte, begannen sich weitere mechanische Abläufe flüssig abzuspulen, bis sich daraus eine Dueldisk entwickelte. Sie war größtenteils in gold und schwarz gehalten, im Vergleich zu der Dueldisk der Polizistin war sie kleiner und passte daher wie angegossen zu Mil.


    Azuma blickte verwundert auf seine Dueldisk. Es handelte sich dabei um keine gewöhnliche Dueldisk, die man im Laden kaufen konnte, soviel stand fest. Eine Spezialanfertigung? Nun, das war nicht ungewöhnlich, viele Spieler wollen sich individualisieren. Und dennoch schlich sich ein Gefühl der Unruhe ein. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, und hielt es für besser, zu schweigen und abzuwarten, was er als nächstes machen würde.


    Jetzt kommt etwas wichtiges, wenn mein Plan klappen soll.
    "Ich schätze, ich muss auf Nummer sicher gehen."
    Er drückte auf einen Knopf an seiner Dueldisk, sodass hörbar eine mechanische Stimme verkündete: "Sicherheitsbeschränkungen deaktiviert."


    Azuma legte ihr Deck in ihre Dueldisk ein und startete diese. Du hast also die Sicherheitsbeschränkungen deaktiviert? Azuma versuchte, das Sicherheitslevel zu erhöhen, doch die Dueldisk ließ eine Änderungen nicht zu. Azuma zuckte zusammen. Die Aufhebung der Sicherheitsbeschränkungen bedeutete, dass es nicht nur Hologramme waren, die imaginären Schaden zufügen. Jeder Angriff, jeder Schaden würde physische Auswirkungen haben. Schmerzen und Verletzungen. Warum wollte er das?
    "Das ist dein Werk, nicht wahr, Junge? Denkst du nicht, du hast dir damit nicht selber eine Falle gestellt? Es wird nicht nicht weniger treffen als mich. Worauf willst du hinaus? Was erhoffst du dir davon?" Ihre Stimme bebte, und sie war sich nicht sicher, ob das unterdrückte Wut oder Angst war.


    Mil antwortete: "Ja. Mein Plan steht fest, ich werde so oder so bekommen, was ich will. Dies nicht zu tun wäre inkonsequent."
    Mil war sich zwar seiner immer noch nicht ganz sicher, aber die Worte kamen ihm trotzdem leicht über die Lippen. Über seine Pläne dachte er in seinen Träumen ständig nach, daher fiel ihm die Orientierung in der Situation leicht. Er fragte sich, wie andere Menschen das machten.
    Mil konnte die Reaktion seiner Gegnerin verstehen: Sie war in einer Position, die Verantwortung verhieß, und war verantwortlich für ihren Erfolg. Da hatte er es viel einfacher, er konnte sich ganz auf seine Pläne verlassen, er agierte wann immer er konnte. Natürlich gab es Unbekannte in seiner Gleichung und eine stand direkt vor ihm. Im Grunde waren sie beide Opfer ihrer Ziele, auch wenn er das für sein Gegenüber nicht so genau wissen konnte. Ihm wurde bewusst, dass sie ihn schützen wollte, dass sie eigentlich etwas sinnvolles tat, zumindest prinzipiell. Er hatte sich oft gefragt wie solche Vertreter des allgemeinen Interesses eigentlich dachten, daher beschloss er, es herauszufinden. Selbst wenn sie nicht wirklich für die vorgegebenen Prinzipien gerade stand, sondern nur niederen Interessen folgen sollte, durfte er, das fühlte er deutlich, nicht einfach über sie hinweg gehen. Und andere Menschen verstehen war etwas, das ihn immer irgendwie kümmerte. Vielleicht weil er oft so einsam war. Ich werde dich angemessen behandeln, das bin ich dir schuldig. Er blickte ihr fest in die Augen, bis er alles andere ausblendete und begann zu sprechen: "Ich werde übrigens Mil genannt. Wie lautet dein Name?"

    Höflichkeit unter Duellgegnern war nichts, was Azuma fremd wäre, und doch überraschte es sie, dass sich ihr Gegner, ein kleiner Junge, an diesen ungeschriebenden Kodex hielt. Er ist nicht das übliche Pack, mit dem ich es sonst zu tun habe. Vermutlich sollte ich mit gutem Beispiel folgen. So atmete kurz durch, um jegliche Unsicherheit und Irritation zu überdenken, und sprach so normal, wie es ihr in diesem Moment nur möglich war.
    "Man nennt mich Azuma. Mein Nachname sollte in dieser Situation für dich ohne Bedeutung sein."


    "Ok, Azuma. Dann gehts los!"
    Mil war euphorisch, solche Duelle waren Proben für den Verstand und auch wenn er sich nicht oft duellierte, war das Kind ihn ihm hellauf begeistert. Das sah man ihm an. Er zog flüssig seine 5 Karten und betrachtete sie kurz. Er setzte dann ein Monster verdeckt und eine verdeckte Karte. Dann werden wir ja sehen, was du so spielst Azuma. Das wird mich dich besser verstehen lassen.


    Azuma seufzte leise. Jetzt gab es kein Zurück mehr, das Duell war unausweichlich. Sie musste Zeit schinden, bis die Einsatzkräfte da waren, den Junge so lange beschäftigen. Ihr Gegenüber, Mil, schien sich über etwas zu freuen. Vielleicht das Duell? Er glich einem Buch mit sieben Siegeln, und es fiel ihr schwer, in ihm zu lesen. Weder konnte sie seine Emotionen richtig einordnen, noch wurde sie aus seinen Handlungen schlau. Ob Kind oder nicht, Azuma wusste aus ihrer Erfahrung, dass er kein einfacher, kleiner Junge war, den sie problemlos herumkommandieren konnte.
    Sie zog und blickte auf ihre Hand. Nun gut, damit kann man arbeiten. Er hat nicht viel gemacht, aber das muss nichts heißen. Ich denke, es kann nicht schaden, die Sache etwas langsam anzugehen. Ganz wie nach Vorschriften wollte sie sich vorsichtig rantasten, bevor sie mit der Tür ins Haus fiel. Sie empfand es als wichtiger, zu wissen, was der Gegner vorhat, bevor man selbst große Züge spielt.
    "Ich normalbeschwöre Schattenpuppe Drache".


    Schattenpuppen also. Ein Finsternis-Deck, schätze ich. Er hatte immer wieder in der Profi-Liga solche Menschen gesehen, Licht und Finsternis war ihm im eigentlich gleich, er verstand die Urteile nicht, die hinter solchen Karten wohl stecken mussten. Deshalb war sein Deck auch völlig frei von diesen Monstern. Na ja, eigentlich lag es in der Natur seiner Karten, es kam also auf dasselbe hinaus. Das macht dich noch viel interessanter, Azuma. Vielleicht kann ich deinem Exempel viel lernen.
    "Du spielst ein Deck mit Finsternis-Monstern? Solltest du nicht als Polizistin irgendwie...etwas Repräsentativeres spielen? Etwas, das positiver wirkt? Immerhin verkörperst du das System. Oder was motiviert dich, wo siehst du den Sinn in dem, was du machst?"


    Du stellst ziemlich viele Fragen, normalerweise ist das doch meine Aufgabe. Was nützt es ihm, zu wissen, was sie spielt? Was nützen ihm diese Dialoge? Will er sie ablenken, ihre Konzentration stören? Oder ist er doch auf mehr aus? Doch dann stellt sich die Frage, worauf und wieso.
    "Ich spiele dieses Deck, weil es zu meiner Natur, zu meiner Persönlichkeit passt. Etwas zu spielen, weil man es muss, obwohl es nicht zu einem passt, ist in meinen Augen nur das Aufgeben der eigenen Individualität und das Eingliedern in die Masse. Ich bin Polizistin, aber ich bin auch ein Individuum und bestimme selbst, was ich spiele. Und damit genug der Ablenkung, konzentrieren wir uns auf das Wesentliche. Ich setze zwei Karten in meine Zauber-Fallenzone und greife dein verdecktes Monster an."


    "Du verstehst dein Deck als Teil deines Selbst? Das finde ich interessant, denn bei mir ist es genauso. Aber willst du wirklich Finsternis in dir tragen? Weißt du, ich würde dich gern verstehen. Nun, was ich spiele wirst du gleich sehen."
    Das Monster entpuppte sich als Felsbrocken von Koa'ki Meiru.
    "Dieses Monster sucht mir die Grundlage meines Decks, sozusagen das, was mich Licht und Finsternis gleichermaßen nicht brauchen lässt: Den Eisenkern von Koa´ki Meiru."


    "Du kennst mich nicht, also fälle keine Urteil über mich."
    Und ebensowenig kannte Azuma sein Deck. Jeder Schritt musste gut durchdacht werden. Mit dem Unerwarteten hatte sie kein Problem, es war Alltag in ihrem Beruf, dass man in eine unbekannte Situation gerät, und stets musste man an das eigene Leben denken.
    "Das soll reichen. Ich beende meinen Zug." Azuma hielt kurz inne und dachte nach. Konnte man ihm ins Gewissen reden? Gewiss sollte sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, ehe sie sich in ein Gemetzel verstrickt.
    "Aber vielleicht wäre es besser, wenn du aufgibst, bevor einer von uns noch verletzt wird. Ich weiß nicht, warum du die Sicherheitsbeschränkungen deaktiviert hast, aber willst du wirklich, dass es so endet?"


    Mil schüttelte den Kopf. Sie missverstand ihn offensichtlich.
    "Ich urteile nicht über dich. Ich wiederhole mich, ich will dich verstehen. Aber meinen Plan...nun, er ist zu wichtig, um ihn aufzugeben. Diese Chance ist vielleicht einmalig."
    Jetzt heißt es erst mal die Karten sprechen lassen. Sie muss Vertrauen fassen...ich hoffe sehr, dass das gelingt.
    "Ich beschwöre Bergzak von Koa´ki Meiru. Und greife damit deinen Drachen an!"


    "Verstehen, ja? Selbst wenn es einen tieferen Sinn dafür gibt, so werde ich ihn dir nicht offenbaren. Wenn du mich verstehen willst, dann versteh, dass ich dich nicht zu dem Würfel lassen kann, und gib das Duell auf."
    Der Angriff kam nicht unerwartet, zumindestens hatte Azuma mit dergleichen gerechnet, nachdem er immer wieder von seinem Plan spricht. Besser, ich reagiere sofort. Ich muss die Kontrolle über das Duell behalten, bis die Kräfte eingetroffen sind. Sie ahnte, dass er nicht so leicht aufgeben würde.
    "Ich aktiviere die Fallenkarte Spiegelkraft."

  • Das hatte er erwartet. Zwei verdeckte Karten...alles andere wäre ein Wunder gewesen. Nun, dann brauchte er dieses Monster nicht mehr.
    "Ich aktiviere Kernverdichtung. Wie alle Karten in meinem Deck hänge sie von meinem Eisenkern ab. Ich zeige ihn vor..." Mil streckte Azuma die Karte entgegen und ein Hologramm der selbigen erschien über ihm.
    "Ich werfe meine Kriegswaffen von Koa´ki Meiru ab und ziehe zwei weitere Karten. Dann bist du an der Reihe, Azuma."
    Jetzt wurde es knifflig. Er konnte oder wollte den direkten Angriff nicht verhindern, aber es könnte schwierig werden, auf Grund der Schmerzen bei Bewusstsein zu bleiben. Seine Konstitution war nicht sonderlich gut...dies musste auf jeden Fall der letzte direkte Angriff bleiben. Es hing viel von seiner nächsten Karte ab.


    Das könnte einfacher werden als gedacht, schoss es Azuma durch den Kopf, doch noch immer wusste sie nicht, ob sie damit zufrieden sein sollte oder nicht. So oder so musste sie ihren Zug machen. Sie sah ihre Hand an. Wenn ich jetzt anfange, zuviel zu machen, ist es zu schnell vorbei. Ich muss es etwas hinauszögern. Sie entschied sich daher für die einfachste Möglichkeit.
    "Ich greife mit Schattenpuppe Drache direkt an."
    1900 Schaden sollten für den Anfang nicht zuviel sein, immerhin blieben ihm noch 2100 Life Points. Der Junge krümte sich bei dem Angriff des Drachen. Er spürte jeden Schaden als physischen Schmerz. Azuma schauderte. Egal, wie abgebrüht sie in der kurzen Zeit auch war, so konnte sie Menschen, die Schmerzen erlitten, nicht einfach ignorieren. Vor allem nicht, wenn es noch Kinder waren. Aber erhatte es so gewollt. Verdammt, beende die Sache einfach, Junge, dachte sie ärgerlich.
    "Ich setze noch ein Monster. Dann war es das von meiner Seite aus."


    Mil war von den Schmerzen überrascht...ebenso wie von ihrer Abweisung. Wieso tickten die Menschen nur so? So würde er wieder nicht verstehen...es war eines allein zu sein, aber ein anderes die anderen zu verstehen, die man nicht kannte. Dann war man nicht ganz so allein. Aber er hatte einen Plan. Es MUSSTE weitergehen. Er erhob sich langsam vom Boden. Seltsam, ich hab gar nicht gespürt wie ich gefallen bin...Der Schmerz hat mir das Bewusstsein genommen.
    Als er einigermaßen sicher stehen konnte, fühlte er sich schon wieder viel besser. Jetzt hing viel von seiner nächsten Karte ab.
    Glück gehabt. Von jetzt an werde ich mein Feld nie mehr wirklich verlieren.
    "Ich aktiviere Kern-Transporteinheit. Ich werfe Ghoulungulate von Koa´ki Meiru ab und hole mir einen weiteren Eisenkern auf die Hand. Dann setze ich ein Monster verdeckt."
    Er schaffte es, wieder zu lächeln, als er sprach: "Du bis dran, Azuma."


    Azuma stutzte. Wollte er sich denn gar nicht verteidigen? So würde das Duell zu schnell vorbei sein. Oder bereitete er einen starken Angriff vor? Es fiel ihr schwer, die Handlungen des Jungen gänzlich zu verstehen. Aber sie musste weiterspielen. Und wir drehen uns immer tiefer, in diese Spirale des Wahnsinns. Bald gibt es kein Zurück mehr.
    "Ich flippe meinen Schattenpuppe Igel auf. Sein Effekt lässt mich meiner Hand eine Schattenpuppen-Fusion von meinem Deck hinzufügen. Und diese aktiviere ich auch sofort. Ich verwende Drache und Igel als Material und beschwöre El Schattenpuppe Winda. Mal sehen, wie du mit dieser Dame klarkommst." Das sollte ihn eine Weile beschäftigen.
    "Zusätzlich aktiviert sich der Effekt meines Drachen. Wenn er durch einen Effekt auf den Friedhof gelegt wird, erlaubt er es mir, eine Zauberkarte oder Fallenkarte von dir zu zerstören. Ich wähle dein verdecktes Ziel."


    Jetzt kam sein Auftritt.
    "Ich reagiere mit meiner Kernverstärkung auf deinen Effekt, und jetzt..."
    Er deklamierte: "Born to protect the aims pursued by the core without any compromises, few creature's die harder than this one! Give us power to reach beyond all doubt and help us keeping up our ideals against all odds, Koa´ki Meiru Ghoulungulate!"
    Dieses Monster war mal wirklich ein Grund sich sicher zu fühlen.
    "Wenn Ghoulungulate oder ein anderes Koa´ki Meiru-Monster zerstört werden würde, kann ich stattdessen ein Monster des Kerns vom Friedhof entfernen, deshalb kann auch die Rückkopplung meiner eigenen Fallenkarte ihm bei ihrer Zerstörung nichts anhaben!"
    Er nahm Kriegswaffen von Koa´ki Meiru und steckte sie in seine Hosentasche.


    Azuma biss sich auf die Lippe. Damit hatte sie nicht gerechnet.
    "Ich muss gestehen, dass du für ein Kind alles andere als schlecht spielst." Sie seufzte.
    "Es wäre mir lieber, wenn wir dieses Duell beenden können, ohne uns noch weiter Schmerzen zufügen zu müssen. Wir befinden uns in einer Spirale, und wenn wir die nicht schnell verlassen, dreht sie sich immer tiefer, bis einer von uns ernsthaft verletzt wird. Doch zu meiner Trauer scheint es dich nicht zu interessieren. Nun gut, immerhin bleibt mir noch, dein Monster anzugreifen."


    "Ich finde es ist der größte Wahnsinn, wenn sich nichts ändert. Ein Wahnsinn, der schon viel länger läuft als das hier."
    Dann wurde das Monster aufgedeckt: Prototyp von Koa´ki Meiru.
    Gholoungulate erstrahlte, als sich sein Effekt aktivierte. Wortlos packte Mil Bergzak von Koa´ki Meiru in seine Tasche während der Protoyp den Angriff ohne einen Kratzer überstand.


    Langsam war Azuma genervt von diesen Aktionen ihres Gegenübers. Natürlich war es nicht das erste Mal, dass jemand so spielte, doch es überraschte und verwunderte sie, dass dieser kleine Junge schon über solche taktischen Spielweisen verfügte. Der ist nicht normal.
    "Dann bleibt mir wohl nichts weiter übrig, als zu beenden."


    "Ich schätze ich bin dran. Kommen wir zu meinem wichtigsten Monster..."
    Er deklamierte: "True power lies in the nature of the core, brought to it´s destination by the supreme strength of this warrior, an effigy of the origins of purpose itself. Make them wit a wonder and overwhelm them with the impact of an inner strength never seen before, Koa´ki Meiru Urknight!
    Dieses Monster bedeutete Mil sehr viel. Seitdem er es besaß war...alles anders.
    Wenn ich dich nicht hätte, würde ich meine Pläne niemals so verfolgen, wie ich es tue. Davor waren alles nur Pläne und Träume gewesen, aber dank diesem Wesen wird immer mehr Realität.
    "Wenn ich einen Eisenkern vorzeige darf ich pro Zug ein Koa´ki Meiru Monster vom Deck beschwören: Mauer von Koa´ki Meiru!"
    Dieses Feld wird sie nicht mehr destabilisieren und die Mauer dürfte das meiste verhindern können.
    "Ich ändere meinen Prototyp in die Angriffspostion und greife mit Ghoulungulate dein Monster an!"


    Der Schaden belief sich nur auf 300 Punkte, der Schmerz hielt sich in Grenzen. Azuma atmete erneut tief durch.
    "Du magst Winda zerstört haben, aber ihr Effekt gestattet es mir immerhin, die verwendete Fusion wieder auf die Hand zu nehmen. Immerhin ein kleiner Triumph. Und jetzt tu mir den Gefallen und greif mit deinem zweitstärksten Monster als nächstes an.


    Dann befahl er den Angriff mit seinem Urritter. Das wird sie schwer treffen...aber es geht nicht anders. Er fühlte sich trotzdem schlecht...mal wieder.


    Azuma keuchte. Die 2000 Schaden bereiteten ein vielfaches an Schmerzen. Als würde man von Messern durchbohrt werden. Zwar war der Schmerz ebenso schnell vorbei, wie er gekommen war, dennoch zitterte sie ob seiner Intensität und aus Angst, das beim nächsten Angriff erneut zu spüren. Auch hatte ihre Kleidung durch die Angriffe leicht gelitten. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Wange und starrte anschließend auf diesen. Blut. Ich muss das ganze schnell beenden, bevor es mich zu sehr erwischt. Tut es ihm überhaupt Leid?
    "Macht es dir Spaß, anderen solche Schmerzen zuzufügen? Mir macht es jedenfalls keinen."


    Mil fühlte sich durch den Vorwurf auch nicht gerade besser.
    "Du als Polizistin weißt, dass manchmal der Zweck die Mittel heiligt...zumindest teilweise. Dennoch...bitte verzeih mir, wenn du kannst.!
    Wird der Angriff mit meinen restlichen Monstern das Spiel beenden? Sollte ich mein Ziel tatsächlich erreicht haben? Komisch, irgendwie hatte er selbst fast nicht geglaubt. Aber er wurde eines besseren belehrt.


    "So einfach mache ich es dir nicht. Ich aktiviere meine Falle, Schattenpuppen-Kern. Diese Karte beschwört sich als Monster in Verteidigungsposition, mit 1950 DEF." Gerettet. Doch für wie lange?


    Mist. Aber gut, es sieht trotzdem vielversprechend aus.
    "Gute Nachricht: Am Ende meines Zuges werden alle meine Monster durch ihren eigenen Effekt vernichtet. Gut, dass mein Prototyp das verhindern kann, indem ich ihn zum Friedhof schicke."
    Er gab mit einer Geste zu verstehen, dass er fertig war.


    Azuma zitterte noch immer leicht, als sie ihre Karte zog. Sie sah ihr Blatt an. Das sollte reichen. Jetzt habe ich dich. Azuma knackte wieder mit dem Zeigefinger.
    "Ich beschwöre zuerst Schattenpuppe Drache, aber er wird nicht lange unter uns weilen. Ich aktiviere Superpolymerisation, welche es mir erlaubt, Monster von beiden Seiten des Spielfelds zu benutzen, und werfe dafür Fallenstellerin Dionaea ab. Ich verwende meinen Drache und deine Mauer und beschwöre El Schattenpuppe Shekhinaga."


    "Waaas? Warum kann meine Mauer Superpolymerisation nicht verhindern?"

  • Azuma horchte auf. Also gab es auch Dinge, die er nicht wusste und die ihn überraschen konnten.
    "Der Effekt dieser Zauberkarte unterbietet das. Anschließend nutze ich Schattenpuppen-Fusion und verwende Schattenpuppe Ungeheuer von meiner Hand und Schattenpuppen-Kern, um El Schattenpuppe Konstrukt zu beschwören. Und als wäre das nicht genug, lässt mich Ungeheuer noch eine Karte ziehen, wenn es auf den Friedhof gelegt wird."
    Azuma konnte sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. Obwohl es ihr eigentlich leicht fiel, in solchen Situation einen kühlen Kopf zu bewahren, ließ sie sich von diesem Moment des Triumphs emotional mitreißen. Sie war siegessicher.
    "Daran wirst du wohl eine Weile zu kauen haben. Ich greife mit Shekhinaga deinen Urritter an."


    Der Urritter wurde zerstört und Mil empfing die Schmerzen von dem Kampfschaden, zwar längst nicht so heftig wie vorher, aber doch genug um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er schwankte kurz, fand aber das Gleichgewicht doch noch wieder.


    "Als nächstes greift Konstrukt deinen Ghoulungulate an. Ihr Effekt zerstört ihn sofort."


    "Mein Monster bewahrt sich selbst vor der Zerstörung, egal durch Effekte oder durch Kampf, deshalb übersteht mein Monster sowohl den Effekt als auch den Kampf.
    Mil steckte Urritter von Koa´ki Meiru und Prototyp von Koa´ki Meiru weg. Damit war der Friedhof Mils ohne Monster.


    Ärgerlich. Aber es sollte ihm nicht helfen. Azuma lächelte. Sie sah ihren Sieg in greifbarer Nähe, und doch zittertere sie noch immer. Der Junge erlitt dasselbe wie sie, jeder Schaden an seinen Life Points bereitete ihm Schmerzen. Und obwohl er es sich selbst zuzuschreiben hatte, tat er ihr leid. Ich werde es schnell zuende bringen, damit er nicht zulange leiden muss.
    "Ich setze eine Karte in meine Zauber-Fallenzone."
    Azuma zögerte kurz. Eine Frage lag ihr auf der Zunge, und solangesie diese noch nicht gestellt hatte, konnte das Duell nicht vorbei sein.
    "Du redest die ganze Zeit von einem Plan. Was hast du vor? Wieso willst du dir den Würfel aneignen?"


    Er zögerte erst, dann fing Mil an zu sprechen.
    "Ich habe eine starke Vermutung, was sich darin befindet. Es ist ein besonderes Kartenset, welches mir im Duell Gleichgewicht verleihen könnte. Absolutes Gleichgewicht. Viele Dinge müssten sich noch ändern, aber ich muss erst einen Weg findet, mich selbst zu kontrollieren. Ich suche schon seit einem Jahr danach, aber was es mir bringen würde, hätte ich immer gebraucht. Weißt du, ich habe so viele Fragen, ich bin abhängig von den Menschen, aber die hören nie wirklich zu. Wenn ich diese Karten hätte, dann...hoffe ich, dass ich endlich Klarheit gewinne. In mir selbst ruhe. Auf das vertraue, was ich bin und denke. Stärke ist nicht nur nicht alles, sie ist viel zu wenig, wenn sie so ungeordnet ist. Ich verstehe, dass diese Situation zu ungünstig ist, um wirklich zu reden, aber...eine bessere hatte ich schon lange nicht mehr. Dieses Duell wird schon sehr bald vorbei sein...mir wird klar, dass der Kasten nicht die ganze Lösung sein kann, vielleicht könnte ich durch ihn zu mir selbst finden, aber wer wird mich hören, selbst wenn das geschafft ist? Ich bin eben doch ein soziales Wesen...ein Mensch, egal wie sehr ich die Rationalität anbete."
    Mil war während seiner Ansprache immer leiser geworden, die letzten Worte hauchte er geradezu.
    "Was bin ich?"
    Er wusste nicht, zu wem er das gesagt hatte. Aber es musste einfach gesagt werden.


    Es war nur ein leies Flüstern, doch Azuma hatte es verstanden. Sie wusste nicht, was sie von seiner Erklärung halten sollte.
    "Dein Deck ist scheinbar ziemlich gut, du weißt mit ihm umzugehen und besitzt gute Fähigkeiten. Wieso willst du also auf etwas zurückgreifen, was du nicht kennst? Du weißt nicht, was der Würfel für Auswirkungen hat, du weißt nicht, was sich dahinter verbirgt. Und du bist nur ein kleiner Junge."
    Sie biss sich auf die Lippe. Als sie wieder sprache, bebte ihre Stimme vor Wut.
    "Dieses ganze Gerede vom einsamen Jungen ist doch totaler Unsinn. Das Deck wird dir auch nicht helfen, schon gar nicht, wenn du dafür Menschen verletzen musst. Dein Gewissen wird dich noch verfolgen."


    "Du verstehst nicht...es ist deine Aufgabe zu tun was du tust. Du hast keine Wahl. Und ich auch nicht. Glaubst du ich hätte irgendwen verletzt, wenn es vermeidbar gewesen wäre? Schau uns an. Glaubst du wirklich ich hätte mir das nicht überlegt? Dass ich dir irgendetwas vorlüge,wozu? Du bist der einzige Mensch mit ich mich normal unterhalten habe seit...ich weiß es nicht. Siehst du ich verstehe dich nicht...und du mich auch nicht. Aber ich glaube daran, dass du Gründe hast, für dein Tun. Sicher, ich habe die Regel verletzt. Gegen das System aufbegehrt, dass uns alle schützen soll. Tut es das wirklich immer? Kümmert es sich wirklich? Das hier, ist eine Ausnahme. Und die gibt es in beiden Richtungen. Du hast dennoch Recht, mein Gewissen muss mich verfolgen. Das ist der Preis, den ich zahle. Aber ich glaube, dass er das wert ist...ich werde versuchen, das zu beweisen. Irgendwann."
    Mil wusste nur noch, dass es jetzt galt, das hier zu beenden.
    "Ich beschwöre Tornado von Koa´ki Meiru. Wenn ich einen Eisenkern zurück auf mein Deck schicke, werden alle deine Monster vernichtet, die als Spezialbeschwörung beschworen wurden."
    Das Wesen, das statt Füßen auf einem Wirbelsturm über dem Boden schwebte, schleuderte Azumas Spielfeldseite die beiden Säcke mit dem Wappen des Kerns entgegen. Diese entluden sich in einen mächtigen Wind der sich innerhalb weniger Momente in einen mächten Sturm wandelte, der Azumas Monster hinweg fegte.


    Azuma zuckte zusammen. Hatte er eben ihr gesamtes Feld mit einem so schwachen Monster besiegt? Sie atmete tief durch und versuchte, dass Zittern zu überspielen, beruhigte ihre Stimme.
    "Nun, mit solchem einem Trumpf hätte ich nicht gerechnet. Aber ich fürchte, dass reicht noch nicht. Da du den Effekt deines Monster wohl nicht nochmal aktivieren kannst, aktiviere ich Ruf der Gejagten und beschwöre El Schattenpuppe Shekihnaga vom Friedhof."
    Sie überlegte kurz.
    "Doch, selbst ich habe eine Wahl. Und ich habe es mir ausgesucht. Wir mögen uns wie Marionetten an Fäden fühlen, aber es gibt keine Fäden. Du alleine bist für dein Handeln verantwortlich. Und vielleicht ist das System nicht immer perfekt, aber es wurde geschaffen, um ein bestmögliches Leben zu gewährleisten. Verschone mich also mit deinen Ausreden. Du bist noch ein kleines Kind."


    Mil schmerzte es das zu hören. Aber vielleicht war Verständnis zu viel verlangt, auch wenn er sich nichts mehr wünschte. Ein kleines Kind also. Könnte er das, einfach ein Kind sein? Einen Alltag haben? Und nicht in Traumwelten zu leben und versuchen alles zu regeln? Er glaubte nicht daran. Wenigstens ihren Unglauben hatten sie gemeinsam.
    Mil antwortete: "Du irrst dich. Ich darf den Effekt von meinem Tornado beliebig oft aktivieren, und nicht nur einmal pro Zug, wie bei den meisten solcher Effekte. Und da ich noch einen weiteren Eisenkern besitze, ist dein letzter Halt Geschichte."


    Azumas Augen waren starr. Er hatte sie umspielt. Er hatte ihre letzte Verteidigung durchbruchen. Er war nur ein Junge, und doch besaß er über respektable Fähigkeiten im Duell. Wo bleiben die Kräfte? Wenn er jetzt angreifen würde, hätte sie keine Chance mehr. Sie wusste nicht, wie stark der Schmerz werden würden, doch sie rechnete bereits damit, dass es sie außer Gefecht setzen könnte, oder zumindestens so stark verletzen würde, dass sie nicht mehr in der Lage ist, ihn aufzuhalten. Sprachlos blickte sie ihn an.


    Mil fiel es schwer sich zum Befehl zum Angriff durchzuringen. Aber, er wusste, er musste es tun. Er hatte darauf hingearbeitet...es musste vollendet werden. Ich hoffe, dass es das wenigstens Wert war. Sonst würde ich mir das nie verzeihen können.
    Sein Verstand sagte ihm zwar, dass die Schäden an Azuma durch das Duell bald verheilen würden, aber es half ihm nur geringfügig weiter.
    "Ich...greife dich mit Ghoulunglate direkt an!"


    Azuma sah, in Zeitlupe gleich, wie das Monster des Jungen auf sie zustürmten. Sie hob die Arme instinktiv, wissend, dass es nichts bringen würde. Sie spürte den Angriff. Elektrischen Schlägen gleich durchfuhr er ihren Körper, blendete ihren Verstand. Sie hörte einen Schrei, doch wusste nicht, ob es ihrer war oder nicht. Sie krümte sich, doch der Schmerz ließ nicht nach. Und dann, ganz langsam, spürte sie, wie die Kraft sie verließ. Sie sah auf den Junge, doch er verschwamm immer mehr. Ihr wurde schwarz vor Augen, und mit dem Wissen, dass sie verloren hatte, fiel sie nach vorn über und wurde bewusstlos.


    Noch während der Angriff lief schickte er eine vorgefertigte Nachricht an sein Abholteam. Jetzt hieß es möglichst schnell verschwinden. Aber...er würde Azuma ein Erinnerungsstück hinterlassen. Die Explosion würde den Menschen die Sicht rauben, der perfekte Augenblick um schnell zu ihr zu eilen und um sich dann aus dem Staub zu machen. Er überquerte geschwind die Distanz, die sie beim Duell getrennt hatte. Als er angekommen war holte er einen Anhänger hervor, eine Miniatur des Eisenkerns, und steckt sie ihr in eine Tasche. Wenn es soweit war würde er seine Bedeutung offenbaren. Wenige Minuten später hörte er schon Reifen quietschen. Der Wagen hielt ganz in seiner Nähe, er lief zügig zu ihm und setzte sich auf den Rücksitz während der Beifahrer das Wagens ausstieg und mit dicken Handschuhen geschützt den Kasten in eine Beutel verfrachtete. Damit wandte er sich zügig zum Wagen und warf das Bündel auf den Rücksitz neben Mil. Die Türen knallten, der Wagen wendete und verschwand um eine Ecke, und schon bald waren sie außer Hörweite.

  • Johanna beobachtete, wie "Tornado von Koa'ki Meiru" "El Schattenpuppe Shekihnaga" zerstörte. Sie fand das Duell zwischen den beiden unheimlich spannend, auch wenn sie keine Ahnung von den Decks "Koa'ki Meiru" und "Schattenpuppe" hatte. Nachdem der Junge mit "Ghoulungulate von Koa'ki Meiru" die Polizistin angriff, war das Duell vorbei. Es endete in einer großen Explosion, die jede Menge Staub aufwirbelte.


    Als sie wieder mehr sehen konnte, entdeckte sie, dass die Polizistin zusammengebrochen war.
    Das Sicherheitssystem ihrer Duel Disk muss versagt haben!
    Johanna blickte zu dem Jungen rüber, um zu sehen, ob es ihn auch getroffen hatte. Doch sie sah nur, wie er in ein Auto einstieg. Überraschenderweise wurde auch der seltsame Würfel in das Auto geladen.


    Nun, irgendwer musste das Ding doch endlich hier fortschaffen.


    Das Auto wendete und fuhr davon. Johanna blickte zur Polizistin zurück.


    Um Himmels Willen! Sie bewegt sich ja gar nicht!

    Sie lief schnell zu der Polizistin am Boden und versuchte, an ihr zu rütteln und zu zerren, um sie wach zu bekommen. Doch es half nichts. Sie versuchte es immer weiter und weiter.
    Na kommen sie schon, wachen sie auf!
    Die Zeit wurde für sie unspürbar, und sie wusste nicht, ob sie in ihrer Verzweiflung erst 2 Minuten, oder bereits seit 5 Stunden versuchte, die Polizistin wach zu bekommen. Doch plötzlich berührte sie jemand an der Schulter und sie zuckte zusammen. Als sie sich umdrehte, erkannte sie einen Sanitäter. "Schnell! Sie müssen ihr helfen, bitte! Sie... sie hat sich duelliert und ihr System muss versagt haben und jetzt ist sie verletzt und..." Es sprudelte nur so aus ihr hinaus. "Es ist alles okay," sagte der Arzt. "ich kümmere mich um sie. Du musst aber mit uns mitkommen." Johanna zuckte zusammen, als sie das hörte. "Was? Wieso? Ich bin unverletzt!" Sie stolperte ein paar Schritte zurück.
    "Das ist nur eine kurze Untersuchung der Leute hier im Krater, um-"
    Sie schaltete ab, drehte um und lief so schnell sie konnte aus dem Krater hinaus, tiefer in die Stadt.


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    "Gibt es etwas neues, was die Karten betrifft?" röhrte eine kratzige Stimme durch den Saal.


    "Ja General, ich habe von den Karten aus dem "brennenden Abgrund" gehört." Enwich war stolz auf sich. Wie immer war er derjenige, der die wichtigsten Botschaften zu verkünden hatte.


    "*Brennender Abgrund*? Was soll das sein?" fragte die Stimme misstrauisch.


    "Karten, von denen man in der Stadt jetzt häufiger hört." entgegnete Enwich.


    "ICH habe davon noch NICHTS gehört." entgegnete die kratzige Stimme. Obwohl der Sprecher total ruhig redete, war die Stimme sehr laut. "Aber mir bleibt nichts anderes übrig. Ich muss mir das selbst einmal anschauen. Bring mir eine davon, damit ich prüfen kann, wie stark sie ist."


    "Wie ihr wünscht, General." Enwich nahm den neuen Auftrag ohne zu zögern an.


    "Hast du mir auch etwas mitgebracht, Enwich?" fragte die mysteriöse Stimme.


    "Ja General. Einen Kartenvernichtungsvirus."


    Ein lautes, polterndes Lachen dröhnte durch den Saal. "Einen Kartenvernichtungsvirus? Bwahahahahaha! Enwich, du überraschst mich wirklich. Zu dieser Zeit kann man kaum noch eine so seltene und starke Karte wie Kartenvernichtungsvirus finden, aber Enwich hat es geschafft. Bwahahahaha! Du bist wirklich gut, Enwich. Sag, wo hast du den her?"


    Enwich zuckte mit den Schultern. "Hab ihn 'nem langweiligen Duellanten abgenommen."


    "Und was hat er gespielt?"


    "Raviel, Herr der Phantome." entgegnete Enwich.


    "Oh, interessant. Nun gut, dann gib mir doch endlich den Kartenvernichtungsvirus und mach dich wieder an die Arbeit, ja?"


    "Wie ihr wünscht, General."


    Als Enwich den Raum verließ, war er zufrieden.
    Ich habe echt gute Arbeit geleistet. Ich werde noch mal zu dem Duellanten gehen und mir seinen Raviel auch noch holen. Danach suche ich nach diesen Karten aus dem "brennenden Abgrund". Wenn ich ihm beide präsentiere, wird meine Belohnung gigantisch sein!

    Und so stürmte Enwich hinaus in die Nacht.

  • Gedankenversunken schlendert Kayle durch die Via Victoria, die Einkaufsmeile der Wohlhabenden. Noch immer drehen sich alle seine Gedanken um das, was am Mittag vorgefallen ist, noch immer versucht Kayle die Dinge in seinem Kopf zu ordnen, Zusammenhänge zu erkennen:


    Drei Stunden sind nun vergangen, drei Stunden seitdem der Knall erklungen ist... war der Auslöser hierfür wirklich das Loch, oder war das ganze ein gezieltes Ablenkungsmanöver... Aufmerksamkeit hat es ja genug erregt... drei Stunden seitdem es das Loch gibt... was hierfür wohl der wahre Grund ist... ich würde es verdammt gerne wissen... knapp drei Stunden seitdem Juddy weg gelaufen ist... es wird ewig dauern, bis ich sie wieder erreiche,... immer wenn sie abhaut verschwindet sie für lange Zeit... gute zwei Stunden seit diesem Duell mit diesem Polizisten... der war auch der Beste... meinte mich besiegen zu können... naja, so schlecht war der nicht... kein Duellant ist schlecht... dennoch, der hätte gegen mich ankommen können... und sein Gesicht immer... ich hätte es gerne beendet... aber naja, die Sicherheit des verletzten Kindes geht eindeutig vor... hoffentlich geht es dem Kind bald besser... wenn ich nur wüsste, was das war... dieser Würfel... irgendeine Geheimwaffe... vielleicht eine neue Waffe der Amerikaner... das würde in Ansätzen auch das Loch erklären... doch, wieso sollte die USA ihre Waffen vom Himmel fallen lassen... oder ist es doch nur ein einfacher Würfel, ein Behälter.... aber falls er das tatsächlich ist, wofür? Wieso liegt so etwas in einer Grube? Wie kommt dieser Würfel dorthin? Und wieso muss der erstbeste, der den Würfel anfasst bewusstlos zusammenklappen? Wieso? Sind alle anderen, die den Würfel berührt haben auch zu Boden gegangen? Liegt nun ein Haufen bewusstloser Beamter in der Grube... der Anblick wäre schon zu komisch... Ist vielleicht doch der Würfel der Auslöser für das Loch... aber wie... das ganze macht derzeit noch keinen Sinn... ich sollte etwas recherchieren... am Montag... vielleicht finde ich etwas in der Stadtbibliothek... immerhin sollte dort einiges zur Historie, Entwicklung und auch der Bedeutung des geometrischen Körpers Würfel zu finden sein... und falls ich dort nichts find... erweitere ich die Parameter... wozu gibt es das World Wide Web... ich werde etwas finden... ich finde immer was ich will... früher oder später... es ist immer nur eine Frage der Zeit...


    Mit diesem Gedanken verlässt Kayle die Via Victoria und betritt -nach dem Passieren von zwei Schleichwegen- das Portugiesen Viertel. Es ist berühmt dafür zu einem guten Preis -meist im Rahmen des Möglichen eines Normalverdienenden- gutes Essen servieren zu können. Auch bietet es nicht nur -wie der Name vermuten lässt- portugiesische Speisen, es gibt dort alles was den Gaumen erfreuen kann. Von mediterranen Speisen über asiatischen Besonderheiten ist selbst für den Veganer ein Lokal vorhanden. Selten findet man so viele Geschmäcker an einem Ort. Und genauso selten so eine Diversität ein eigener Meinung, Tratsch und Klatsch. Will man in Try Belle Neues hören, oder einen langweiligen Tag mit etwas Spannendem füllen, so sollte man seine Taschen mit Geld und Hunger füllen, etwas für den passenden Geschmack finden, sich dort niederlassen und einfach nur zuhören. Es wird immer irgendein interessantes Gespräch geben, denn der Mensch neigt dazu bei gutem Essen, guter Gesellschaft und guter Laune mehr preiszugeben als zu sonst irgendeiner Zeit.


    Gut besucht wie eh und je, aber was erwarte ich, etwas Aufregendes ist geschehen, und wenn Aufregendes geschieht, wollen die Menschen erfahren was passiert ist... die ersten wilden Diskussionen, abgehobene Spekulationen, Verschwörungstheorien... all dies sollte jetzt im Umlauf sein... wohin gehe ich... worauf habe ich denn Hunger... es ist... gleich vier Uhr... Teatime würde jeder Brite behaupten, aber... bei solchem Wetter bevorzuge ich ein Eis... vielleicht bei Nero, dem Italiener..., oder sollte ich doch lieber den Portugiesen ausprobieren...


    Kayle beschloss dem Italiener treu zu bleiben. Schon alleine aus dem Grund, dass er mit den Kellnern bekannt ist. Diese würden ihm schnell zu einem guten, freien Platz verhelfen und dafür sorgen, dass er seine Bestellung zeitig bekam. Auf dem Weg zum Café & Restaurant Nero schnappt er den ein oder anderen Gesprächsfetzen auf:


    "... gehört: das Loch soll von einem genmanipuliertem Riesenvieh stammen..."


    So ein Unsinn, und wieso hat niemand der Schaulustigen das Tier gesehen? Außerdem wäre es wohl gemeinhin bekannt, wenn genmanipulierte Wesen frei rumlaufen?


    "... Geschichte mit den Nazis, die uns den Mond klauen, stehlen uns nun die Kommunisten die Erde, seht euch vor, ich habe euch gewarnt, bald geht unsere heile..."


    Jaja, Nazis klauen mir den Mond, Kommunisten die Erde und du mir meine wertvolle Zeit!


    "... Nächten werden Duellanten von dämonischen Gesellen überfallen. Wer sie sieht stirbt noch in der selben Nacht. Es gibt keine Zeugen. Wer immer..."


    Ich frage mich bei solchen Gerüchten nur, woher die Informationen, wenn es doch angeblich keine Überlebende geben soll... so ein Unsinn...


    "...gehen Karten aus dem Abgrund umher. Es heisst, wer immer alle Karten versammelt, der beherrsche die gesamte Welt..."


    Es hieß damals auch, wer alle drei ägyptischen Götterkarten besitzt, sei der stärkste Duellant überhaupt... aber irgendwann veralten solche Legenden...


    "... soll eine Schläfer-Bombe aus dem zweiten Weltkrieg sein. Wieso sie ausgerechnet jetzt detoniert ist, dass..."


    Eine Bombe, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht... aber dazu ist der Schaden doch zu klein, außerdem... wieso war der Würfel unbeschädigt... wäre eine Bombe hochgegangen, wäre vom Würfel nichts mehr übrig...


    "... Loch war ein Duell zwischen einem Jungen und einer Polizistin."


    Abrupt stoppt Kayle und bleibt aufmerksam lauschend stehen.


    Eine weibliche Stimme reagiert mit zweifelndem Unterton: "Tatsächlich, ein Duell? In solch einer gefährlichen Situation?"


    Die männliche Stimme von zuvor entgegnet: "Natürlich, wenn ich es dir doch sage, ich war doch anwesend am Loch. Habe jedoch nur noch gesehen,wie die Polizistin gegen den Steinhang geschleudert wurde."


    "Was, sie hat sich doch nicht verletzt, oder etwa doch? Und wieso hast du nicht alles gesehen?"


    "Naja, sie sah schon ziemlich mitgenommen aus, wenn ich alles richtig gesehen habe musste der Helikopter nicht nur den Jungen, sondern auch sie abtransportieren... Und was das mitbekommen anbelangt... zeitgleich meinte ein dämlicherJugendlicher gegen den anwesenden Polizisten aufzubegehren, ein nettes Duell, so viel darf ich dir verraten.... Aber nun zu wirklich wichtigen Dingen, wie war dein Treffen mit Cheryl?"


    Da sich das Gespräch zwischen den beiden Stimmen wieder unwichtigen Dingen zuwandte, beginnt Kayle weiter zu gehen.


    Ein Duell im Graben... das ist ja interessant... doch wer ist der Gegner gewesen? Der Junge mit dem nervösen Grinsen? Doch wieso? Wieso sollte sich ein kleiner Junge mit einer erwachsenen Polizistin duellieren? Hat das alles mit diesem Würfel zu tun... war der Junge vielleicht von vornherein darauf aus? Nur wieso? Alles scheint damit zusammenzuhängen, doch ohne zu wissen was dieser Würfel ist, bringt mich das nicht weiter...


    Als Kayle grübelnd das Café & Restaurant Nero erreicht, kommt ihm eine freundlich lächelnde Bedienung entgegen.


    "Darf ich ihnen einen Platz in unserem Café anbieten? Die Küche ist vom Feinsten und wird ihren Geschmack sicherlich treffen."


    "Gerne, wären sie so freundlich und würden mich an einen guten Tisch führen? Ich habe kein Problem damit, wenn das ein oder andere interessante Gespräch bis an mein Ohr dringt."


    "Sicher, ich weiß genau wohin sie wollen. Folgen sie mir bitte?"


    Die Kellnerin dreht sich strahlend um, und führt Kayle in das Café. Dort geleitet sie ihn an einen freien Tisch in die Mitte des Raums.


    "Darf ich Ihnen die Karte bringen, oder wollen sie noch auf jemanden warten?"


    "Nein, ich bin alleine hier, sie dürfen mir den Eisbecher des Hauses bringen und ich würde gerne sofort zahlen."


    "Gerne, einmal Eisbecher des Hauses, das macht dann 8,50€, der Becher kommt gleich."


    Kayle zahlt und die Bedienung zieht weiter, um die Bestellung abzugeben. Kayle lässt währenddessen seinen Blick durch den Raum schweifen. Derzeit sind fünf Tische besetzt: Zwei Männer im Anzug, beide bewaffnet mit Aktentaschen, scheinen ein entspanntes geschäftliches Gespräch zu führen. Am Fenster sitzen zwei junge Frauen in sündhaft teuren Sommerkleidern, die lebhaft den neusten Klatsch und Tratsch der Highsociety austauschen. Tisch drei wird von einem jungen, frischverliebten Paar besetzt. Beide schieben sich gegenseitig Eis in den Mund, schauen sich tief in die Augen und sprechen über das Leben und die Liebe. An Tisch vier sitzt ein einzelner Mann. Er trägt einen langen Trenchcoat und eine riesige, dunkle Sonnenbrille. Immer wieder hebt er den Kopf und schaut nervös in Richtung Eingang. An Tisch fünf fünf sitzt er selbst, wartet auf seinen Becher und wertet die anwesenden Gäste:


    Auf jeden Fall interessante Gesellschaft... die Frauen sollten das ein oder andere erzählen können... und der Mann im Trenchcoat scheint auf irgendetwas zu warten... es scheint ziemlich wichtig zu sein... naja..., aus dem jungen Paar wird wohl kaum etwas auszuquetschen sein, so dermaßen verliebt wie die sind... und dann sind da noch die Geschäftsmänner... vielleicht... mit viel Glück... gibt es irgendetwas... wir werden sehen...


    Die Bedienung betritt den Raum, der Trenchcoat-Träger zuckt nervös auf und lässt seinen Blick abermals sinken. Sie trägt ein Tablet mit dem Hausbecher hinein, stellt ihn lächelnd mit einfacher Erklärung ab und verlässt wieder den Raum. Kayle nimmt sich den Löffel, taucht ihn in den Becher gefüllt mit Eis, Früchten, Sahne und verschiedensten Soßen, steckt ihn sich genießerisch in den Mund und kostet die Geschmacksexplosion voll und ganz aus. Ganz langsam schmilzt das Eis in seinem Mund, ganz langsam beginnt er systematisch den Inhalt des Bechers zu vernichten. Und ganz nebenbei beginnt er den anwesenden Personen zuzuhören. Die beiden Geschäftsmänner schienen sich über die Entwicklung des Euros und die damit verbundenen Veränderungen für Europa zu unterhalten. Laut Derek stolpert die EU von einem Problem ins nächste ohne sich weitgehend erholen zu können. Die noch immer andauernden Finanzkrisen in Griechenland, die Abspaltungsversuche Schottlands und Kataloniens, der Austritt Großbritanniens aus der EU und die durch das Flüchtlingsproblem angespannten Verhältnisse zwischen den zentraleuropäischen Staaten; all dies fasst er als Belastung für die EU, Europa und auch für den Euro auf. Arthur hält dagegen, dass viele dieser Krisen schon in Ansätzen gelöst werden. Außerdem betont er, dass viele Dinge länger brauchen, um zu gesunden. Dabei verweist er auf den Nahost Konflikt, was wiederum zu einem weiterem endlosen Dialog führt. Mary und Luise, die beiden reichen Tratsch-Tanten führen ein Gespräch auf vollkommen anderem Niveau:


    "Luise Darling, habe ich dir überhaupt schon das neuste und interessanteste der letzten Woche erzählt? Ludwig und Anita von Taubig lassen sich scheiden!"


    "Nein, ist nicht wahr... Zehn Jahre Ehe, zwei Kinder und dann Scheidung? Ehrlich?"


    "Ja, sicher, ich habe es aus erster Hand erfahren, sie meinte: ständig kommt er besoffen nachhause, bringt kaum ein Wort über die Lippen und dann der schlechte Sex..."


    "Nein Mary, das hat sie nicht gesagt!"


    "Doch, doch, wenn ich's dir doch sage, ganz sicher, sie meinte ihm das ins Gesicht schreien zu müssen und lief mit Tränen in den Augen zu mir..."


    "Und die Scheidung, wann findet die nun statt... wann gilt Herr von Taubig als Singel?"


    "Darling, du willst dich doch nicht an den alten von Taubig schmeißen, oder?"


    Kichernd erwidert Luise:


    "Wieso nicht, der hat doch ein kleines Vermögen und soll doch laut Aussagen der Anita recht pflegeleicht sein, was meinst du ein bisschen Distraneurin in den Abendtee und ich bin die neue Witwe von Taubig..."


    Nun ersticken beide Damen in einem gewaltigen Lachanfall, den sie beide mit einem Schluck Tee und einem Stück Kuchen quittieren. Der Trenchcoat-Mann fällt beinahe von seinem Stuhl als er bei diesem Geräusch aufschreckt.


    "Aber Mary, was mir gerade auffällt, hast du auch schon von den Gerüchten gehört?"


    "Naja, ich höre viel..., also was meinst du Darling? Du musst schon etwas weiter ins Detail gehen."


    "Ach die Geschichte mit Melissa Clair... sie soll doch seit, Hm lass mich kurz überlegen..."


    Luise schiebt sich ein Stück Kuchen in den Mund, kaut langsam, schluckt und meint dann:


    "...seit zwei oder drei Tagen nicht mehr gesehen worden sein."


    "Naja, Darling, ich sehe dich doch auch nicht jeden Tag, aber ja, davon habe ich auch gehört... mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass ihr gewaltiges Haus leerstehend sein soll... der Butler und auch ihr Kollege der Kameramann beide fanden das Haus am Donnerstagmorgen unbewohnt vor und haben gleich die Behörden informiert..."


    "Ja, angeblich wurde sie gekidnappt..."


    "Das glaube ich weniger, so eine berühmte und passionierte Duellantin wie Melissa Clair habe ich selten gesehen. Und doch gibt es keine Spur von der berühmtesten Duellantin der Stadt..."


    "Ja, das ist sie, eine wahre Berühmtheit... im Fernsehen als Live-Reporterin und dann auch noch als die Profiduellatin schlecht hin. Eigentlich sollte die ganze Stadt nur hiervon sprechen, doch... bisher scheinen die Behörden ihr Verschwinden geheim zu halten..."


    "Darling, ich wäre nicht ich, wenn ich nicht die ein oder andere Info aufgeschnappt hätte..."


    Verschwörerisch schaut Mary ihrer Freundin in die Augen, nippt kurz an ihrer Tasse und erzählt:


    "Ich habe mit dem jungen Kerl gesprochen, der mit ihr Mittwochabend aus war..."


    "Nein! Hast du nicht..."


    "Doch, du wirst es mir kaum glauben, aber der war ein ganz braver, knuffiger Kerl. Eindeutig zu jung, um etwas Ernstes draus zu machen, aber für ein paar Stunden Spaß genau der Richtige..."


    Kichernd unterbricht Luise Mary:


    "Du darfst aufhören mir passendes Spielzeug zu suchen, ich habe doch den von Taubig für die nächsten Wochen..."


    Zum wiederholten Mal brechen beide Frauen in schallendes Gelächter aus. Der Mann im Trenchcoat zuckt nervös zusammen und das junge Paar schaut gestört auf. Nachdem sich die beiden Damen beruhigt haben bestellen beide noch eine Tasse Tee und wenden sich nochmals dem Thema Melissa Clair zu:


    "Also Mary, was hast du aus dem armen Jungen rausquetschen können?"


    "Rausquetschen? Als ob ich den Typen dazu gedrängt hätte, nein Darling, er hat mir alles bereitwillig erzählt: Zuerst seien sie beide in ein Lokal gegangen. Er hatte geplant mit ihr fein Essen zu gehen, sie dann in irgendeinen Club zu zerren und drauf hoffen, dass sie anspringt."


    "Och, so süß, und so verdammt verkehrt bei einer Frau, die sich so etwas auch ohne das Dummerchen leisten kann... "


    "Du kannst es laut sagen Darling, es war ein nett gemeinter Versuch, der jedoch nie hätte funktionieren können... doch an diesem Abend war es scheinbar anders... sie ging mit diesem Typen erst Essen und dann in die nächste Disco..."


    "Nein, niemals, der hat dich belogen, Melissa Clair, in einer Disco, mit ihrem Date, das gleicht einem Skandal, wieso habe ich davon noch nichts gehört..."


    "Keine Ahnung Darling, zuerst wollte ich es auch nicht glauben, doch er blieb bei dieser Geschichte, und vielleicht erklärt das Ganze auch irgendwie ihr Verschwinden..."


    "Mary, du meinst doch nicht sie wurde während des Date..."


    "Nein Darling, das Date beendete sie um kurz vor zwölf... laut ihrem Verehrer war sie die ganze letzte Stunde vollkommen angespannt, vorher die ganze Zeit hibbelig wie ein kleines Kind, und dann gegen zwölf meinte sie plötzlich sie würde jetzt gehen und lief davon..."


    "Wow, das ist schon ziemlich heftig, da hat er ein Date mit der Frau und dann haut sie nachts ab und wird seitdem nie wieder gesehen... der Arme..., wird sein Leben lang traumatisiert sein..."


    "Wie wahr Darling,... doch was willst du schon machen... was soll irgendjemand in solchen Umständen machen..."


    "Weißt du was Mary, in solchen Zeiten da muss man Tee trinken, Kuchen essen, sich mit Freunden treffen und niemals nachts alleine rumlaufen..., wobei so könnte ich von Taube auch loswerden..."


    Beide Frauen kichern kurz, wenden sich den gerade eintreffenden Tees zu, verputzen einen Teil des Kuchens und wenden sich wieder ihrem Geschwätz zu. Inzwischen sind Derek und Arthur vom Nahost Konflikt über den zweiten Weltkrieg beim Thema Stellar Arena angelangt. Beide sind der Meinung, dass dieses Jahr-durch die gesamte Aufregung in den letzten Monaten- besonders viele starke Duellanten hervorgebracht hat. Bisher sind schon ein paar Kandidaten gesetzt und die beiden Männer verlieren sich in Streitereien wessen Favorit weiterkommt, und wer die Stellar Arena letztendlich gewinnen wird. Da sich der Kaffee der beiden Männer leert, rufen sie die Bedienung. Der Mann im Trenchcoat zuckt abermals zusammen. Als die Kellnerin den Raum betritt ist sie jedoch nicht alleine, sie erscheint in Begleitung eines bulligen Trenchcoat-Trägers. Dieser sieht seinen zusammenzuckenden Genossen, und schließt -aufrechten Ganges- zu eben jenem auf. Die Bedienung kassiert die beiden Geschäftsmänner ab, welche daraufhin das Café verlassen. Anschließend nimmt sie die Bestellung des Neuankömmlings auf: zwei Kaffee. Nachdem sie den Raum verlassen hat, lehnt sich der Neue zum zuckenden Trenchcoat-Mann vor und meint:


    "Jetzt beruhige dich mal, ich beiße schon nicht, das ist die Aufgabe vom Boss. Wie geht's? Ich schätze mal nicht ganz so gut wie mir, aber, das ist wohl dein Ding..."


    "Halt einfach deine Klappe, hast du die Kohle dabei?"


    "Hey Jungchen, pass auf wie du mit mir sprichst, du entschuldigst dich jetzt, oder eer Schotter landet heute noch im Feuer deiner brennenden Leiche... mit blutigem Geld hab ich's nämlich gar net..."


    Einige Minuten lang geschieht gar nichts zwischen den beiden Männern. Die Bedienung bringt die zwei Kaffee. Beide Damen tauschen noch immer die buntesten Geschichten über das Liebesleben der Stars aus und das junge Paar verlässt aufgebracht das Café. Dann beugt sich der kleinere der beiden Männer vor und murrt kaum hörbar:


    "T'schuldigung..."


    "Was war das?" entgegnet der Gegenüber "Hat die Fliege gehustet?"


    "Nein, ich habe mich entschuldigt."


    "Tatsächlich, ist mir kaum aufgefallen. Kannst du's nomm'l wiederholen, nur für's Protokoll?"


    Noch immer recht mürrisch entschuldigt er sich ein weiteres Mal.


    "Geht doch... gut, du scheinst lernfähig, jetzt erzähl mal was du weißt und ich entscheide dann wieviel Scheinchen den Weg von mir über den Tisch zu dir schaffen..."


    "Das war nie Teil..."


    "A-a-a-a, was war das? Wenn er nicht antwortet gibt's kein Geld, hm, dann kann ich wohl wieder gehen..."


    "Halt Stopp, ich erzähle ja schon, nur gib mir etwas im Voraus, damit ich wenigstens eine Absicherung habe. Nicht, dass du gleich mit der ganzen Kohle abhaust."


    "Nein, werde ich nicht! Wenn du nicht leer ausgehen willst solltest du jetzt anfangen, sonst bin ich weg und mit mir das Geld!"


    "Ist ja gut, ist ja gut, in letzter Zeit werden regelmäßig Duellanten nachts überfallen. Entweder sieht man sie nie wieder, oder Teile ihres Decks sind gestohlen. Manche verschwinden und tauchen nach Tagen wieder auf, benehmen sich jedoch nur noch wie leere Hüllen..."


    "Leere Hülle sagst du, das ist sehr interessant..."


    Ein 500-er wechselt seinen Besitzer.


    "Es wird noch viel interessanter, der Bürgermeister beschloss nach dem ersten Fall Profiduellanten auf den Fall anzusetzen, doch auch diese scheinen vor den finsteren Mächten nicht gefeit. Melissa Clair ist die Letzte,der Eliteduellanten, die sich an des Rätsels Lösung gemacht hatte, sie schien irgendetwas zu wissen,..."


    "Melissa Clair... die berühmte Reporterin, die Sache wird ja immer besser..."


    Der Mann schiebt drei weitere 500-er rüber.


    "Nachdem sich unter Fachkreisen keiner mehr an den Fall wagt beabsichtigt der Stadtrat die Einführung einer nächtlichen Polizeistreife, sie soll immerhin in der Innenstadt für Sicherheit sorgen... doch noch scheint sie irgendetwas abzuhalten, wenn ich etwas mehr Zeit gehabt hätte, dann wäre es mir vielleicht..."


    "Das war also alles, nun gut, ich werde dem Boss Bericht erstatten, schnüff'l du nur weiter wo du zugeteilt bist, und achte darauf, dass deine Deckung nicht auffliegt. Halte dich bereit, der Chef sagt ein Sturm wird aufziehen und die, die nicht genug Kraft haben ihm standzuhalten werden alle umfliegen wie zu alte Kiefern..."


    Mit diesen Worten erhebt sich der bullige Typ, legt dem zuckenden Mann einen weiteren 500-er vor die Nase, stürzt die zwei Kaffee runter, und marschiert hinaus. Der andere schaut verblüfft auf das Geld, sammelt es ein und trottet zögerlich aus dem Café. Langsam wird Kayle klar, dass er mit den beiden Damen alleine im Zimmer ist. Sein Eis hatte er schon vor dem Auftauchen des zweiten Trenchcoat-Trägers vernichtet, und die ganzen Gespräche hatte er in sich aufgesogen, wie ein trockenes Blatt Papier einen Tropfen Wasser. Er war zufrieden mit seiner Ausbeute: er hatte das ein oder andere brauchbare und einiges sorgenerregendes erfahren... vor allem die Geschichte um Melissa Clair schien spannend und wichtig zugleich, doch dummerweise hört er zu einem ungünstigen Zeitpunkt davon, denn das Loch war doch viel wichtiger... und zum Loch hatte er nun kaum brauchbares Material...


    Also doch am Montag in der Bibliothek...


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    Im Lurana Garden, auch bekannt als Stadtpark Try Belles, sitzt Melanie. Sie sitzt dort mit ihren zwei kleinen Schwestern Nicolle und Ronja auf einer Parkbank und beobachtet die anstehende Abenddämmerung: Wie sich die Sonne langsam dem Horizont nähert, der Himmel in ein leuchtendes Orange getaucht wirdund die Zeit stillsteht. Kein Geräusch durchbricht die Harmonie des Augenblicks, welcher Melanie zum Träumen verführt.


    "Mel, ich will spielen, los lass uns wieder an den Spielplatz gehen!"


    Ernsthaft! Wieso genau in diesem Moment... es war gerade so ruhig, so schön, so...


    Quengelnd zerstört Ronja die Ruhe, bevor sie ohne weitere Warnung aufspringt und Richtung Spielplatz rennt. Melanie runzelt kurz die Stirn, öffnet ihre intensiv blauen Augen und spricht an Nicolle gewandt:


    "Los, lauf schon hinter ihr her, ich warte alleine auf ihn. Lauf schon,spielt noch etwas, wir holen euch dann ab."


    Mit unsicherem Blick fragt die kleine Schwester: "Bist du dir sicher?"


    "Ja, sonst würde ich es doch nicht vorschlagen, oder?"


    "Stimmt, danke Mel, danke! Ich verspreche dir auch gut auf Ronja aufzupassen, es wird nichts geschehen, bis gleich..."


    Sich schon während dem Sprechen abwendend, läuft Nicolle mit fröhlichen Luftsprüngen zu ihrer kleinen Schwester. Zusammen erreichen die beiden Kinder den Spielplatz, welcher selbst zur Abenddämmerung noch gut besucht ist. Schon nach wenigen Augenblicken haben die Geschwister eine Gruppe Kinder zum Spielen gefunden.
    Die Umgebung Melanies wird ruhiger, bis abermals Stille eingekehrt ist. Ihr Gesicht wieder der untergehenden Sonne zugewandt, träumt sie sich nochmals in ihr eigenes kleines kindisches Paradies.


    Ich als Tochter eines reichen Mannes, man stelle sich das einmal vor... ich mit tausenden, teuren Kleidern, Unmengen von Schuhen, eine eigene Dienerin, und so viel mehr...


    Immer tiefer versinkt sie in die Vorteile des Lebens als Reiche, immer lebhafter stellt sie sich vor eine Dame von Rang und Name zu sein...


    Irgendwann, wenn sie zudem im richtigen Alter war, würde ihr Vater einen gewaltigen Tanz-Ball veranstalten... und sie wäre die Königin des Abends, wunderschön und edel gekleidet, alle Männer würden nur sie wollen... und dann, spät abends, würde sie den Mann ihres Lebens finden, den Mann den sie heiraten würde, ihren Prinzen...


    Während das Mädchen so vor sich hin träumt, bemerkt sie gar nichts. Nicht einmal den blonden jungen Mann, der sich ihr langsam von hinten nähert, sich Schritt um Schritt durch das Gras schleicht, bis er letzten Endes hinter der Bank steht.


    Und ihr Prinz würde so gut aussehen, er wäre auch ein wahrer Mann, keiner dieser Warmduscher, die beim leisesten Anblick einer Spinne das Weite suchen... wenn dieser Traum nur wirklich wäre... das ganze Leben wäre um unendlich viele Aspekte bereichert... Sie würde nie wieder eine der vielen anstrengenden Aufgaben verrichten, sie würde den Rest ihres Lebens den Genuss des Reichtums auskosten...


    Ganz langsam beugt der Mann sich vor an ihr Ohr. Dort verharrt er einen Moment, atmet vorsichtig tief ein... Ruckartig steht Melanie auf, dreht sich um, sieht den Kerl und ohrfeigt ihn.


    Wurde ja langsam mal Zeit, dass du auftauchst...


    "Aua, das tut weh, hast du sie nicht mehr alle? Wieso schlägst du mich?"


    "Das fragst du mich? Ernsthaft?! Findest du nicht, dass es gerechtfertigt ist einen Menschen zu schlagen, der einem näherkommt als einem lieb ist?"


    "Kann schon sein, dass ich ähnlich gehandelt hätte, aber ich wollte dich doch nur..."


    "Außerdem: Wer haut andauernd von zuhause ab? Wer verspricht seinen kleinen Schwestern regelmäßig mit ihnen zu spielen, oder wenigstens auf sie aufzupassen? Wer bricht diese Versprechen täglich? Willst du noch mehr Gründe? Wer ist daran schuld, dass..."


    "Ist ja gut, ich habe begriffen, ich habe die Schelle verdient... Wärst du jetzt so freundlich und würdest mit mir die beiden Rabauken einsammeln?"


    "Gerne Bruder-Herz, beide sind auf dem Spielplatz..."


    "Was, du hast sie alleine auf den Spielplatz geschickt? Bist du des Wahnsinns fette Beute?"


    "Nein Kayle, bin ich nicht, nur habe ich nicht vergessen, dass meine kleinen Geschwister irgendwann älter werden... ich sage es dir ja äußerst ungern, aber Nicolle ist mit ihren zehn Jahren alt genug, um auf sich und Ronja aufzupassen..."


    was man laut Mutter von dir nicht behaupten kann...

  • *Verdammt, der Junge atmet schwer und zittert so komisch...* Vinni fühlt erneut nach dem Puls des Jungen, die stabile Seitenlage hat er schon längst durchgeführt und er versuchte mit seiner Jacke die bescheidene Position des Jungen bequemer zu machen. *Der Puls ist in Ordnung, er hat auch keine äußerlichen Verletzungen. Trotzdem atmet er so schwer und zittert wie Espenlaub... Vielleicht innere Verletzungen. Nein, dann wäre sein Puls nicht so stabil... dann muss es etwas anderes sein...* Vinni dreht sich zum Duell zwischen der Polizistin und einem anderen Jungen. Der Junge war wild entschlossen in den Krater gehüpft, hatte den mysteriösen Würfel neben ihm gefordert und die Polizistin dann zum Duell herausgefordert. Und er schien die Oberhand zu haben... Zumindest machte er es der Polizistin nicht zu einfach. *Vielleicht hat der Junge Halluzinationen. Das würde seine 'Symptome' erklären.* Der bewusstlose kleine Junge schüttelte sich immer wieder, seine Augen schauten unter seinen Augenlidern hektisch hin und her. Gerade als Vinni sich erneut zum Duell drehte, sah er die Polizistin zusammensacken. Sie hatte wohl verloren und wurde durch die Hologramme verletzt. "Was zum...", murmelte er, bevor plötzlich eine große Staubwolke entstand und di Stelle des Duells sowie auch ihn einhüllte. Er sprang sofort auf und richtete sich vor dem Jungen auf. Doch noch während er seine Duelldisk zückte um ihn und sich zu verteidigen, wurde er plötzlich mit roher Kraft zur Seite geschubst und fiel mit dem Kopf gegen das schlecht geparkte Auto im Krater. Er sah jemanden im Staub rumirren, der jedoch schnell wieder verschwand, genau wie die Staubwolke. *DER JUNGE!* "Sie da, STEHEN BLEIBEN!", rief er noch durch die Wolke, doch es war zu spät. *Verdammt!...* Er rannte zum Jungen und sah mit großer Erleichterung seinen Körper unverändert auf seiner Jacke am Boden liegen. Doch der Würfel war weg. Gleichzeitig bemerkte er, wie ihm etwas Warmes das Gesicht runterlief. Er tastete danach. *Blut... Egal.* Er tastete schon wieder nach dem Puls des Jungen und sah erneut zurück zur Polizistin, die nun jedoch bewusstlos am Boden lag und von einem jungen Mädchen geschüttelt wurde. *Noch jemand? Wer ist sie denn nun?...* Und dann sah er etwas, was große Erleichterung in ihm auslöste: Ein Sanitäter näherte sich der Polizistin und beruhigte das Mädchen. Er schien ihr irgendwas zu sagen und dabei beruhigend mit den Händen zu wedeln, doch plötzlich sprang das Mädchen auf und rannte weg. *Warum denn das jetzt?... Egal, KONZENTRIER DICH, der Junge braucht Hilfe...* "Hey, sie da, ich brauche Hilfe!", schrie er Armefuchtelnd zum Sanitäter. Dieser bemerkte ihn sofort, drehte sich um und lotste zwei seiner Kollegen zu ihm. Vinni bemerkte, dass er anfing zu schwächeln, kurz wurde ihm schwarz vor Augen, aber er fing sich wieder, hebte entschlossen und doch vorsichtig den Jungen hoch und schleppte sich zum Sanitäter. Auf halbem Wege traffen er und die 2 Kollegen aufeinander. "Was ist mit dem Jungen passiert?" "Keine Ahnung, er hat ein merkwürdiges Objekt im Krater berührt und lag kurze Zeit später ohnmächtig auf dem Boden. Habe erste Hilfe geleistet, Puls stabil, keine äußeren Verletzungen." "Okay, danke. Sie bluten im Gesicht, sollen wir sie auch versorgen?", fragten die Sanitäter besorgt. "Nein, der Junge geht vor, wohin soll ich ihn tragen?" "Wir haben dort vorne eine Liege vorbereitet." Sorgsam sprintete er zu der Liege, legte den Jungen ab und bedankte sich bei den Sanitätern. Doch diese bestanden darauf, dass sie seine Wunde auch versorgen.


    Ein paar Minuten später war dies erledigt, ein Verband zierte seinen Kopf und eine Untersuchung "...zur reinen Vorsicht aufgrund der möglichen Auswirkungen des Kraters..." zeigte nichts auffälliges, sodas er gehen durfte. Ein letztes Mal wendete er sich dem Jungen auf der Liege zu. "Egal was du durchmachst, du packst das." Dann sammelte er seine Cap und die verdreckte Jacke auf und verließ den Krater in Richtung Zuhaus. Die Menschenmenge hatte sich verkleinert, der Tag neigte sich langsam dem Ende zu. Der Zirkus war vorbei, die Polizei sicherte den Krater mit ihrer Verstärkung. Seelenruhig schlenderte er durch eine Fressmeile und ließ sich alles nochmal in Ruhe durch den Kopf gehen. Und eine Sache verwunderte ihn ganz besonders. *Wer war dieser kleine Junge und was wollte er mit dem Würfel? Was ist dort überhaupt passiert?...* Er war so in Gedanken, dass er mit einer fremden Person zusammenstieß. "Oh mein Gott, entschuldigen sie, ich..." "Hey, das macht nix, du bist ja immer in Gedanken!", hörte er eine vertraute Stimme sagen. Er sah langsam auf und sah einen Restaurantbesitzer, den er schon länger kannte. "Connor, was machst du denn hier!?" Er umarmte ihn kräftig und sie klopften sich wie Verrückte auf die Schultern. "Ich eröffne nun auch hier mal ein Restaurant. Muss ja noch mehr Geld verdienen!", anwortete er grinsend. "Du siehst nicht gut aus... Warum so dreckig? Und diese Wunde da, was soll das? Weißt du was, erzähls mir beim Essen, ich lad dich ein."


    Ehe Vinni sich versah stand er in einem frisch eingerichteten Restaurant, dass jedoch für Kunden noch geschlossen war, und die beiden alten Freunde kochten gemeinsam, lachten viel, tranken ein wenig und erzählten von ihren Leben. Als das Essen angerichtet war, wurde das Gespräch auch tiefsinniger. Vinni erzählte von seinem Job, seinen privaten Rückschlägen, den heutigen Erlebnissen und erfragte im Prinzip dasselbe von Connor. Und irgendwann fiel das Gespräch auf ein besonderes Event... "Demnächst wird ein großes Turnier in der Stellar Arena veranstaltet. Nimmst du teil?", Fragte Connor schmatzend. Vinni kaute seinen Hähnchenburger zu Ende und nickte. "Ich werds versuchen. Ist ja 'ne große Sache. Wird bestimmt lustig und ich muss mich unbedingt weiter verbessern. Nimmst du auch Teil?" Lachend nickte Connor ebenfalls und verwies auf eine geschlossene Deckbox. "Hab mir sogar ein neues Deck extra dafür besorgt. Wir müssen uns aber vorher nochmal duellieren, will ja wissen, wie stark es ist." Connor grinste und Vinni stecke dies irgendwie an. "Na dann, auf eine erfolgreiche Teilnahme!", sagte er und hob seine Bierflasche hoch. Irgendwann trennten sich die Beiden, sie wollten ja auch irgendwann nachhause. Connor rief ihm noch lachend hinterher, "... dass du vorsichtig sein solltest, vielleicht hats ja nach dem heutigen Tage eine Geheime Organisation auf dich abgesehen!", und Vinni zeigte als Erwiderung nur auf seine Duelldisk und lächelte selbstbewusst. Schließlich drehte er sich um und ging langsam auf den Weg nach Hause...