Gewinnen Ressourcen noch Spiele?


In letzter Zeit hat sich das Spiel verändert. Vor nur etwas mehr als einem Jahr beherrschten langsame Decks das Meta, es war das goldene Zeitalter für Decks wie Geargia, Bujin oder das damals schon stark geschwächte Spellbook. Decks wie H.A.T., (Hand, Artifact, Traptrix) welche Runde für Runde und mit viel Backrow die Ressourcen des Gegner langsam auszehrten, dominierten. Selbst Mermail, welches letztendlich die EM 2014 für sich entscheiden sollte, wurde in einer deutlich langsameren und weniger explosiven Form gespielt, als je zuvor. All diese Decks hatten eins gemeinsam: Sie hatten wenig große Kombos, welche Spiele in einem Zug beenden konnten. Sie gewannen Duelle, indem sie jede Runde mit kleinen Kombos und verhältnismäßig kurzen Zügen Kartenvorteil aufbauten, Stück für Stück, bis der Gegner schließlich nicht mehr mithalten konnte. All dies resultierte in Spielen mit vielen kurzen Zügen, es war das Meta für Karten wie Geargiarmor, Bujin Yamato oder Der große Magiebuch-Turm – Karten, welche einmal pro Zug Kartenvorteil erwirtschaften konnten. Spiele wurden über Ressourcen gewonnen.


Mit dem Release von Shaddoll und Burning Abyss in Duelist Alliance und den darauf folgenden Sets veränderte sich das Spiel. Beide Decks waren nicht mehr darauf angewiesen den Gegner mit kleinen +1 Kombos auszugrinden, sondern konnten mit schnellen Zügen problemlos eine Menge Kartenvorteil erzielen oder im Falle von Shaddoll kurzerhand einen OTK auspacken. Züge wurden länger und komplizierter. Spiele wurden mit wenigen Zügen gewonnen, in denen dafür umso mehr passierte. Langsame Karten fielen aus dem Meta. Ein simples +1 war weitaus weniger wert als zuvor. In The New Challengers folgte dann Qliphort, ein Deck was dank seiner Pendelmechanik ebenfalls praktisch unendlich Ressourcen zur Verfügung hatte, solange das Setup stimmte. Das Ganze erreichte seinen Höhepunkt, als Nekroz das TCG erreichte. Für alle anderen Decks war es schlicht unmöglich Nekroz über Ressourcen zu schlagen, die einzige Möglichkeit: OTKs oder Floodgates. Gerade auf der diesjährigen EM zeigte sich das Ganze Ausmaß des neuen Metas: Floodgates befanden sich in fast jedem Deck und machten den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus, viele Decks waren imstande schnell OTKs auszupacken, solange das Setup stimmte. Spiele wurden plötzlich nicht mehr über Ressourcen und Kartenvorteil gewonnen, sondern indem man bestimmte Siegesbedingungen erfüllte.


Was sind Ressourcen?


Doch bevor wir zum eigentlichen Thema kommen, klären wir kurz die Grundlagen, damit wir auf einer Seite sind:


Was sind oder verstehen wir unter Ressourcen, wenn wir über YuGiOh reden? Kurz gesagt: Alle Karten oder Effekte, die einem Spieler im Moment zur Verfügung stehen. Dabei ist es theoretisch egal, ob diese Effekte von der Hand, aus dem Deck eines Spielers oder irgendwo anders herkommen, in der Praxis befinden sich Ressourcen jedoch vor allem auf der Hand und dem Feld oder vielleicht noch auf dem Friedhof eines Spielers. Mit mehr Karten hat man in den meisten Fällen logischerweise auch mehr Ressourcen, als sein Gegner. Deswegen reicht es in der Regel Hand- und Feldkarten, vielleicht noch Karten wie Mezuki oder Nekroz Ritualzauberkarten in den Friedhöfen zusammenzuzählen, um eine Idee davon zu bekommen, wie viele Ressourcen man im Vergleich zu seinem Gegner im Moment zur Verfügung hat.


Ein Spiel der „win conditions“


Zurück zum Thema: Das Spiel veränderte sich. Zwar wird in den meisten Fällen ein Spieler, der sich im +5 befindet ein Duell für sich entscheiden können, doch verloren durch verschiedene Entwicklungen in letzter Zeit Ressourcen zunehmend an Bedeutung. Immer wichtiger wurde es nicht das Ressourcenspiel zu gewinnen, sondern bestimmte Siegesbedingungen herzustellen.


Eines der besten Beispiele dafür war und ist die gesamte Pendelmechanik. Solange ein Spieler in der Lage ist beide Scales aufrechtzuerhalten, kann er theoretisch sein Feld Runde für Runde mit neuen Monstern füllen. Somit werden praktisch unendliche Ressourcen an simple Bedingungen geknüpft: Entweder schafft es der Gegner einen OTK auszupacken oder er zerstört die Pendel Scales, ansonsten kommen alle zuvor zerstörten Monster in der nächsten Runde wieder. Aus einem Spiel, was früher darauf aufbaute Karten abzutauschen und um Ressourcen zu kämpfen, wird damit eine simples „true oder false“ Spiel – entweder man hat sein „out“, um die Pendel Scales zu zerstören oder man steht nächste Runde einem neuen Feld gegenüber. Zwar war Qliphort bisher das einzige Deck, welches diese Mechanik wirklich effektiv nutzen konnte, doch war Konami in letzter Zeit (mindestens in den Sets, die uns im TCG bisher erreicht haben) äußerst konservativ mit der Veröffentlichung neuer Pendulum Karten. Es schien fast so, als ob sich Konami selbst nicht sicher war, wie sie mit dieser Mechanik umgehen sollten, um ein vernünftiges Deck zu kreieren, welches sich nicht auf „na, hast du's?“ herunterbrechen lässt.

Doch hört es mit den Pendulum Karten noch nicht auf: Eine noch viel signifikante Entwicklung seit dem Release von Shaddoll, Burning Abyss, Qliphort und Nekroz ist der Aufstieg der Floodgates. Innerhalb weniger Monate entwickelte sich das Spiel aus einem Zustand, in dem kaum Floodgates gespielt wurden, zu einem Spiel, in dem Floodgates das Meta definieren. Zwar wurden schon immer Karten wie Dimensionsriss oder Schatteneinsperrender Spiegel gespielt, doch tauchten diese früher vor allem in Side Decks für ganz spezifische Matchups auf. Mittlerweile kann man sich ein Spiel ohne Floodgates schon fast nicht mehr vorstellen. Grund für den schnellen Aufstieg der Floodgates, ist der rasante „Power Creep“, den das Spiel seit der EM letzten Jahres durchlebte. Decks wurden stärker und konnten pro Runde mehr und mehr Monster spezialbeschwören, Effekte benutzen oder Karten aus dem Deck suchen. Gleichzeitig waren sie in der Lage mit wenig Aufwand immer mehr Kartenvorteil zu erwirtschaften. Dies machte früher starke Fallenkarten wie Dimensionsgefängnis, welche 1:1 abtauschen, schwächer. Auf der anderen Seite stärkte es Floodgates wie Vanity's Emtpiness oder Mistake, welche auf einen Schlag umso mehr Effekte unterbinden konnten. Letztendlich führen gerade diese Floodgates zu einer ähnlichen Dynamik, wie die Pendulum Mechanik. Solange sie auf dem Feld liegen, ist es für den Gegner oft unmöglich YuGiOh zu spielen. Sie brechen das Spiel erneut auf simple Bedingungen herunter: Hat man ein Floodgate auf dem Feld, während dem Gegner die passende Antwort fehlt, verliert er das Spiel. Fehlt einem selbst ein „out“ auf das Floodgates des Gegners, bleibt einem nichts übrig, außer zusammenzuschieben.


Der stetige „Power Creep“ hatte jedoch noch eine weitere Folge. Während das Spiel früher oft hin- und herging und es selbst bei einem offenem Feld nicht ohne weiteres möglich war einen OTK auszupacken, fällt es Decks inzwischen deutlich leichter Spiele schnell zu beenden. Stärkere Karten und Kombos machen es schlicht einfacher die Lebenspunkte eines Spieler auf null zu bringen. Gleichzeitig hat fast keines der aktuellen Metadecks Probleme damit, große Felder oder Beatsticks in einem Zug zu beseitigen (kein Wunder in einem Meta, auf dem Dark Hole auf zwei ist und nicht einmal gespielt wird). Sich ein Feld aufzubauen ist lange nicht mehr so viel wert, wie noch vor einem Jahr. Solange das eigene Feld nicht aus „Floatern“ besteht, (so wie viele Shaddoll und fast alle Burning Abyss Monster) ist es beinahe sinnlos sich ein großes Feld zu erarbeiten. Feldressourcen haben stark an Wert verloren, erneut geht es eher darum Bedingungen herzustellen. Bedingungen, zum Beispiel, um ein Feld mit Floodgates abzusichern und darüber das Spiel zu gewinnen oder einen OTK zusammen mit Number 104: Masquerade durchzudrücken.


Auswirkungen auf das Spiel


Fassen wir zusammen: Das Spiel entwickelte sich im letzten Jahr weg von einem Kampf um Ressourcen, hin zu einem Spiel, in dem es mehr und mehr darauf ankommt mit bestimmten „win conditions“ Duelle zu gewinnen. Gleichzeitig wurden Züge länger, während Spieler weniger Züge brauchten, um Spiele zu gewinnen. Nun kann letztendlich jeder selbst entscheiden, was er von diesen Veränderungen hält, doch könnten besonders die im letzten Abschnitt angesprochenen Entwicklungen auf Dauer problematisch für das Spiel werden. Die Entwicklung hin zu einem Spiel, in dem Interaktion abnimmt und es mehr und mehr darauf ankommt „win conditions“ zu erfüllen, ist durchaus Grund zur Sorge.


Gerade bei der Pendelmechanik (wer hat sich eigentlich diesen Namen ausgedacht?) ist das Problem nicht einmal, dass sie grundsätzlich viel zu stark ist, solange man Karten entsprechend entwirft, ist es definitiv möglich angemessen starke Pendulum Karten herauszubringen. Problematisch ist eher, wie die Mechanik selbst mit dem Spiel interagiert (oder vielmehr, wie sie nicht mit dem Spiel interagiert). Ich habe bis heute kein Pendulum Deck gesehen, bei dem ich das Gefühl hatte ein spannendes und faires Spiel zu spielen. Der gesamte Spielverlauf lies sich stets auf „konnte er seine Scales aufbauen oder nicht?“ herunterbrechen. Es wirkt fast, als ob Konami mit der Einführung der Pendulum Mechanik eine Art „Minispiel“ in das Spiel eingebaut hätte, bei dem es darum geht zum richtigen Zeitpunkt seine Scales zu bekommen bzw. ein „out“ auf die Scales des Gegners zu haben. Es geht dann nicht mehr darum, um Feldkontrolle zu kämpfen oder zu versuchen die Ressourcen des Gegners vorteilhaft abzutauschen, alles was bleibt ist der Kampf um die Scales. Ich lasse mich gerne überraschen, sobald Konami ein Pendulum Deck herausbringt, welches diese Probleme löst, bisher sehe ich allerdings nicht, wohin uns die Pendelmechanik führen soll.


Noch viel kritischer ist jedoch der Aufstieg der Floodgates. Da ich bereits einen ganzen Artikel über „Das Spiel der Floodgates“ geschrieben habe, möchte ich hier nicht zu sehr ins Detail gehen, nach meinen Erfahrungen sind ohnehin die meisten Spieler schon von ihnen genervt. Grundsätzlich führen Floodgates noch mehr als Pendulumkarten oder OTKs zu einem „Spiel der win conditions“. Sie schließen den Gegner komplett aus dem Spiel aus und hindern ihn daran YuGiOh zu spielen, solange sie auf dem Spielfeld liegen. Von daher liegt es in ihrer Natur das Spiel zu simplifizieren und auf „out oder kein out“ zu reduzieren. Ja, mit konventionellen Fallenkarten lässt sich schwer gegen Decks vorgehen, die jede Runde +5 machen, doch sollte man das Problem eher bei gerade diesen Decks suchen, anstatt neue Floodgates herauszubringen. Es ist unglaublich frustrierend mit einer vollen Hand vor einem Floodgates zu sitzen, ohne irgendetwas tun zu können. Gleichzeitig fühlt es sich selten befriedigend an ein Spiel zu gewinnen, indem man Vanity's Emtpiness aufdeckt. Gerade hier sollte sich Konami schnell etwas einfallen lassen, um gegen das „Spiel der Floodgates“ vorzugehen.


Schlusswort


Wie steht ihr zu dem Thema? Schreibt wie immer gerne eure Meinungen in den Diskussionsthread!


Bis zum nächsten Mal,


~Scarx