Was macht YuGiOh aus?


Nachdem ich vor einigen Wochen meinen Artikel über den „Verfall des Ressourcensystems“ veröffentlichte, war die Reaktion groß – größer, als ich es mir im Vornherein vorstellen konnte. In den Kommentaren waren einige User besorgt über die Entwicklung des Spiels und wünschten sich alte Zeiten zurück. Viele sahen die Zukunft des Spiels schlecht, manche beschworen sogar den Niedergang der Szene herauf oder stellten dem Spiel mindestens sehr dunkle Prognosen. Nicht zu Unrecht, es gab und gibt noch immer gute Gründe an der Entwicklung des Spiels zu zweifeln, andernfalls hätte ich meinen letzten Artikel nicht zu schreiben brauchen. Das Spiel veränderte sich in letzter Zeit, es nicht falsch Konami dafür zu kritisieren. Es gibt viele Entwicklungen, die man kritisch sehen kann, die „Entwertung der Ressourcen“ und die Wandlung hin zu „win conditions“ (siehe „Gewinnen Ressourcen noch Spiele?“)) sind nur einige Beispiele.


Trotzdem gibt es einen Grund, warum wir alle hier sind. Einen Grund, weshalb wir dieses Spiel spielen und wegen dem YuGiOh noch immer das verbreitetste TCG der Welt ist. In meinen vergangen Artikeln habe ich immer wieder an den verschiedensten Stellen aufgezeigt, was mit dem Spiel meiner Meinung nach alles falsch läuft. Nicht selten habe ich Konami kritisiert und zum Ausdruck gebracht, was mir an YuGiOh nicht gefällt. Heute ist, auch aus aktuellem Anlass, für mich der Zeitpunkt gekommen den Spieß einmal umzudrehen, um eine Frage zu beantworten: Was macht YuGiOh aus?


“fast, fun, exciting“


Auf die Frage, was YuGiOh ausmacht, antwortete Keven Tewart (YuGiOh U.S. head of development) einmal: „It’s fast, fun, exciting!“. Bis heute ist dieser Satz im Gespräch, immer wieder wird er ins Spiel geworfen, wenn Leute darüber sprechen, warum sie das Spiel spielen. Nicht wenige halten „fast, fun, exciting“ für die Attribute, die YuGiOh so erfolgreich machen. Es sind Eigenschaften, welche bis heute das Spiel definieren. Auch für mich sind sie wesentliche Aspekte des Spiels:


Fast jedes Sammelkartenspiel wird durch „Topdecks“ definiert. Die eine Karte, welche der Gegner noch ziehen konnte, um sich aus seiner Lage befreien zu können. Die letzte Option, die einem selbst noch blieb, um das Spiel herumzureißen. In YuGiOh waren es vor allem früher die „Staples“, wie Wiedergeburt, Schwarzes Loch oder BLS, welche solche Comebacks möglich machten. Heute ist es eher die letzte Karte, welche dem Gegner für seine Kombo fehlte oder das dringend notwendige „out“, auf das gegnerische Floodgate, was Spiele noch einmal herumreißt. Beide Varianten haben eines gemeinsam: In nur einem Zug kann ein sicher geglaubtes Spiel noch in die Hände des Gegners fallen. Während man nach seinem Zug noch dachte das Spiel sicher in der Tasche zu haben, kann es eine Runde später schon vorbei sein. Es ist ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite fühlt es sich unfair an auf diese Weise Spiele zu verlieren, auf der anderen Seite sind es genau diese Comebacks, welche YuGiOh so „exciting“ machen. Ich glaube jeder von uns, der regelmäßig Turniere besucht, kennt die Momente, in denen man nach der Runde zu seinen Leuten geht und einige davon erzählen, wie sie im letzten Zug noch von ihrem Gegner „weggeluckt“ wurden, obwohl man das Spiel schon sicher gewonnen hatte. Auf der anderen Seite kennen wir jedoch auch alle die Spiele, in denen wir bereits mit der Niederlage rechneten und dann das unmögliche Comeback schafften.

YuGiOh ist explosiv und aufregend. In einem typischen Spiel lässt die Action nicht lange auf sich warten, sondern startet mit dem ersten Zug. Es gibt keine mühsamen Aufbauphasen, in denen die Züge hin- und hergehen, sondern geht direkt mit 100% los. In einem Zug kann unglaublich viel passieren. Große Kombos können Spiele herumdrehen. Macht der Gegner einen Fehler, reicht ein Zug, um die Kontrolle über das Spiel zu verlieren. Besonders Spieler, die schon länger dabei sind, sehen diesen Aspekt oft kritisch, doch ist es genau diese „Action“, welche neue Spieler für YuGiOh begeistert. Die Fähigkeit mit coolen Kombos große Felder aufzubauen. Ich bin mir sicher, dass fast jeder von euch, der regelmäßig spielt, irgendwelche Geschichten von praktisch unmöglichen Zügen erzählen könnte, mit denen er sich aus beinahe aussichtslosen Situationen noch einmal herausmanövrieren konnte. Es sind genau diese Züge, die YuGiOh ausmachen.


Interaktion


YuGiOh ist interaktiv, in letzter Zeit vielleicht etwas weniger, aber trotzdem mehr, als die meisten anderen TCGs. YuGiOh ist nicht wie z.B. Hearthstone, wo man seinen Zug macht und anschließend im Internet browst und wartet, bis der Gegner mit seinem Zug fertig ist. In YuGiOh hört der eigene Zug nicht mit der End Phase auf, sondern geht auch im gegnerischen Zug noch weiter. Dafür verantwortlich sind Handtraps, Fallenkarten und Schnellzauberkarten. Nicht selten kann es den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen Effektverschleierin im richtigen Moment zu benutzen, mit Ernste Warnung auf die passende Beschwörung zu warten oder seinen MST nicht zu früh zu verschießen. Für einige Decks spielte sich der Großteil der eigenen Strategie im gegnerischen Spielzug ab. Nehmen wir beispielsweise „Dino Rabbit“: Die eigenen Züge des Decks waren simpel: Rettungskaninchen spielen, Evolzar Laggia hinlegen, Backrow aufbauen und abgeben. Wirklich interessant wurde es oft erst im gegnerischen Zug. Negierte man die falschen Karten, konnte dies nicht selten Spiele entscheiden.


Gleichzeitig ist es für den Gegner wichtig um die eigenen Karten herumzuspielen. Spielt man YuGiOh reicht es nicht sich seinen eigenen Zug kurz zu überlegen und diesen dann in Solitär Manier herunterzuspielen. Solange der Gegner nicht gerade eine leere Backrow hat, ist es schlicht nicht möglich nur an seine eigenen Möglichkeiten zu denken. Ein guter Zug zeichnet sich in YuGiOh dadurch aus, dass er auch die Möglichkeiten des Gegners mit einbezieht und versucht um diese herumzuspielen. „Mindgames“ sind gerade auf Topniveau ein wesentlicher Bestandteil des Spiels. YuGiOh ist in beiden Zügen, egal ob gerade der Gegner und man selbst am Zug ist, ein Spiel was zu zweit und nicht nur von einem Spieler gespielt wird. Ein nicht unwesentlicher Bestandteil aller Judge Calls, die ich als Spieler bisher hatte, drehte sich um irgendwelche Missverständnisse. Zwar würde man diese logischerweise gerne vermeiden, sie zeigen jedoch auch wie interaktiv dieses Spiel tatsächlich ist.



Die Community


Dass ich ausgerechnet die Community als Unterpunkt in einem Artikel aufzähle, in dem ich beschreiben möchte, warum ich YuGiOh Spiele, wird einige von euch vielleicht wundern. Über die Community hört man schließlich immer wieder schlechte Dinge: YuGiOh Spieler sind gierig, sind nur am „Plus“ interessiert und wollen kleine Kinder abziehen. Sie cheaten und betrügen, um Turniere zu gewinnen und sind außerdem noch unordentliche Netdecker, die es nicht schaffen sich selber mal etwas auszudenken. Sie liefert ständig neuen Gesprächsstoff für *shins* Artikel und bietet praktisch ständig etwas, über das man sich beschweren kann. Einige dieser Punkte sind natürlich übertrieben, andere jedoch durchaus Realität. Es stimmt, dass YuGiOh Spieler gerne sehr vorteilhaft tauschen, manchmal mit zweifelhaften Methoden. Es ist wahr, dass einige Spieler praktisch alles tun würden, um Turniere zu gewinnen (auch wenn nachher natürlich immer die fiesen Judges schuld sind, die den Spieler total auf ihrer schwarzen Liste hatten). Warum also ziele ich ausgerechnet auf die Yugi Community ab?


Wie schon die „unmöglichen Comebacks“, von denen am Anfang gesprochen habe, ist auch die Yugi Community gewissermaßen ein zweischneidiges Schwert. Sie ist nicht fehlerfrei und es gibt genug Dinge, über die man sich aufregen kann. Gleichzeitig ist sie jedoch auch das Netz, was alles zusammenhält und Leute dazu bringt immer wieder zum Spiel zurückzukehren. Sie ist Anlaufpunkt für neue Spieler und das, was alte Spieler in der Szene hält. Es gibt viele coole Leute, die ich erst über das Spiel kennengelernt habe – meinen Posten als Artikelschreiber, für den ich nun seit mehr als 3 Jahren Artikel schreibe, würde es ohne die Community nicht geben. Klar gibt es immer wieder irgendwelche Typen, über die man sich aufregt, doch gibt es mindestens genauso viele coole Geschichten, die man ohne die Community niemals erlebt hätte. Irgendwelche verrückten Fahrten und Erlebnisse, von denen Leute immer wieder erzählen können.


Schlusswort


Fassen wir zusammen: Das Spiel ist nicht perfekt. Es gibt viele Dinge, über die man sich zurecht beschweren kann, ich selbst mache das immer wieder in meinen Artikeln. Auch über die Richtung, in die YuGiOh momentan geht, kann man durchaus verschiedener Meinung sein. Jedoch lohnt es sich trotz allem auch die positiven Seiten des Spiels im Kopf zu behalten. YuGiOh hat viele Gründe für seine Popularität, viele positiven Eigenschaften, die das Spiel auszeichnen. Diese sollte man trotz aller Kritik nicht direkt vergessen und über Bord werfen.


Warum spielt ihr YuGiOh? Was macht das Spiel für euch aus oder habt ihr vielleicht eine ganz andere Meinung zu dem Thema?


Lasst eure Kommentare wie immer gerne im Diskussionsthread!


Bis zum nächsten Mal,


~Scarx