Ihr könnt euch kaum vorstellen, welche Überwindung es mich gekostet hat, die heutige Ausgabe meiner Kolumne Thema vs. Meta zu taufen. Jeder weiß, was mit Meta gemeint ist, jeder benutzt den Begriff, aber das ändert nun einmal nichts daran, dass er in der Bedeutung, in der er meist gebraucht wird, vollkommen falsch ist. Aber was tut man nicht alles für einen interessant klingenden Titel? Wenn ihr überhaupt Nichts mit dem oben Stehenden anfangen könnt, dann lege ich euch Edis Artikel zum Thema Meta und Metagame ans Herz.


Die Amerikaner nutzen meist eine andere Bezeichnung für das von uns so oft als „Meta“ oder „Metadeck“ titulierte dominierende Deck eines Formats: Cookie Cutter (Cookie Cutter = Keksausstecher / hier übertragen: 'hervorstechendes Deck'). Im Sommerformat 2005, als Black Luster Soldier – Envoy of the Beginning noch meist elementarer Bestandteil der Decks war, trugen viele amerikanische Decks also den äußerst kreativen und abwechslungsreichen Namen CCCC – für Chaos Control Cookie Cutter. Warum ich euch das erzähle? Da ich in meinem Artikel mehrmals das Thema „Metadeck“ anschneiden werde, den Begriff „Meta“ aber nicht verwenden möchte, weil er falsch ist, jedoch auch keine einzelnen Bezeichnungen für einzelne „Metadecks“ (wie Fieldcontrol im letzten Quartal 2005) nutzen kann, weil ich das Thema allgemein behandeln will, werde ich auf die Bezeichnung Cookie Cutter zurückgreifen.


Schon in der Überschrift steckt ein gewaltiger Fehler, der aber oft nicht als ein solcher erkannt wird: ein Deck rund um ein Thema (also Attribute, Typen und Spezialisierungen wie Aliens, die mit A-Countern das Metagame aufwühlen wollen; E-Heroes usw.) werden meist als ein krasser Gegensatz zu einem Cookie Cutter gesehen, auch wenn das nicht zwingend der Fall sein muss – wir haben es bisher nur selten anders erlebt. Grundsätzlich stellt das Cookie Cutter nur das meistgespielte, erfolgreichste Deck in einem Format dar, kann also rein theoretisch auch ein Themendeck sein. Legt man sehr großzüzige Maßstäbe an, so lassen sich die Cookie Cutter einiger Formate sogar als Themendecks beschreiben – greifen wir als noch immer aktuelles Beispiel auf das Chaos Control zurück, das das Sommerformat 2006 dominiert hat. Will man drei Chaos Sorcerer in sein Deck integrieren, kann man nicht einfach die drei Hexer in einen Stapel Karten werfen, nein, zumindest der Aufbau des Monsterlineup muss dem Thema angepasst werden: mehr LIGHT- und DARK-Monster müssen hier zum Einsatz kommen. Dementsprechend kann man theoretisch auch ein Chaos Control als ein Themendeck bezeichnen – allerdings ist euch sicher klar, worauf ich hinaus will:


Monster:


3 x Gigantes

3 x Berserk Gorilla

3 x Enraged Battle Ox

3 x Bazoo the Soul-Eater

2 x Giant Rat

2 x Exiled Force

1 x D. D. Assailant

1 x Breaker the Magical Warrior

1 x D. D. Warrior Lady

1 x Sangan

1 x Injection Fairy Lily


Zauber:


3 x Enemy Controller

2 x Gaia Power

1 x Graceful Charity

1 x Book of Moon

1 x Premature Burial

1 x Nobleman of Crossout

1 x Mystical Space Typhoon

1 x Heavy Storm


Fallen:


3 x Dust Tornado

3 x Return from the Different Dimension

1 x Mirror Force

1 x Torrential Tribute


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(Link auf den Deck Editor)


Dieses Deck hat ein Thema. Sieht man von den Staples ab, hat jede Karte in diesem Deck die Aufgabe, das Beast-/Earth-/Remove-Thema oder mehrere dieser Elemente zu versorgen. Ein so extrem themenlastiges Deck hat im US-Format noch nie ein Metagame dominiert. Warum?


Um uns diese Frage zu beantworten, sollten wir uns zunächst fragen, mit welchen Stärken ein Themendeck aufwarten kann:

  • Field Spells, sei es Yami, Harpies’ Hunting Ground oder Umiiruka. Die meisten Field Spells sind schlecht. Nehmen wir uns nur Yami zur Brust. Ein Boost um 200 Angriffs- und Verteidigungspunkte für alle Spellcaster und Fiends – das ist schlichtweg lächerlich. Selbst wenn mein Deck auf diese beiden Typen basiert, so kann ich trotzdem davon ausgehen, dass auch mein Gegner teilweise von diesen Effekten profitiert, weil er bspw. Sangan, Breaker the Magical Warrior oder Apprentice Magician spielt. Dementsprechend sind viele Field Spells aufgebaut, einfach nicht stark genug, um längerfristig die eine durch ihr Ausspielen verlorene Karte auszugleichen. Ausnahmen hierzu bilden alle Field Spells, die die Angriffspunkte der Monster eines bestimmten Attributs um 500 Punkte erhöhen. Solche Decks, sei es das oben vorgestellte Earth-Bea(s)tdown oder ein Umiiruka Shift mit Abbys Soldier, Lekunga und Hydrogeddon, sind meist sehr feldkontrolllastig – um das meiste aus den Field Spells herauszuholen und so gegnerische Beatsticks wie Cyber Dragon Vorteil schaffend aus dem Weg zu räumen und schnell dazu in der Lage zu sein, viel Schaden auszuteilen.
  • Themenbasierende Search-/Swarm-Effekte wie Giant Rat, Gokipon oder Scarr, Scout of Dark World. Die Swarmer/Searcher stellen meist die stärksten Elemente eines Themas dar, weil sie gleichzeitig die vielseitigsten sind. Sie wahren Feldkontrolle und erlauben es, an die entscheidenden Karten des Decktyps heranzukommen. Ein Thema, das nur um einige Swarmer und ihre Ziele gebaut ist, eignet sich natürlich perfekt für ein Hybrid, das meist erfolgreicher gespielt werden kann als ein sehr themenlastiges Deck, Beispiele hierfür finden sich viele in der Vergangenheit, wie zum Beispiel das Spielen von Mystic Tomato als DARK-Swarmer, der einem Deck eine weitere Controlkomponente zu dem Spielen von Spirit Reaper/Sangan/Don Zaloog/Newdoria usw. schafft. Schon an diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass diese ursprünglichen Themenkarten gar nicht mehr als solche wahrgenommen wurden, so wird die Integration von Mystic Tomato in einem Handcontroldeck als vollkommen normal angesehen und nicht als DARK-Splash betrachtet.
  • Effekte, die in direktem Bezug zu einem Thema stehen oder starke Synergie mit ihm aufweisen: Big Wave, Small Wave, Abyss Soldier, Dark World Lightning. Die Schwäche dieser Karten zeigt sich darin, dass sie, um effektiv nutzbar zu sein, meist sehr viele Karten des betroffenen Typs benötigt, so lässt sich Abyss Soldier bspw. nicht mit nur 5 WASSER-Monstern effektiv spielen. Unter diesem Gesichtspunkt haben besonders die Allroundfähigkeiten eines Decks zu leiden – doch dazu später mehr.
  • Spezialbeschwörungen, die auf Attribut, Typ oder Thema fixiert sind, deren bekannteste Abkömmlinge natürlich die drei gebannten Chaosgenossen darstellen, man aber auch in Dark Necrofear oder Fire Spirit wiederfindet. Leider verfolgen nahezu all diese Themenspezialbeschwörungen einfache Beatdownziele, hervorheben konnten sich lediglich Black Luster Soldier, Chaos Emperor Dragon und Chaos Sorcerer mit Effekten, die das Spiel nicht nur durch rohe Angriffskraft beeinflussten – von der sie auch mehr haben, als alle anderen Themen-Spezialbeschwörungen.


Im Großen und Ganzen sind es diese vier Gruppen, die Unterstützung für ein Themendeck liefern können. Betrachten wir jetzt die Cookie Cutter Decks der letzten Formate, so fällt uns auf, dass diese Decks in der Regel eines, höchstens zwei dieser vier Themenelemente enthalten: Swarmer/Searcher (Mystic Tomato, Shining Angel, Apprentice Magician) und Spezialbeschwörungen (Chaos Sorcerer, BLS, CED) – demenetsprechend keine reinen Themendecks, sondern nur kleine Splashes, die in ein Controldeck eingebaut werden, sind. Von welchen Karten wird der übrige, freie Platz eingenommen? Staples und Utility Cards, die grundsätzlich zwar natürlich ihre Bestimmung für ein Thema durch ihr Attribut, ihren Typ oder ihren Effekt verraten, dennoch alleine von einer solchen Stärke und Vielseitigkeit sind, dass sie in ein vollkommen anderes Deck integriert werden können: z.B. D.D. Assailant, D.D. Warrior Lady, Exiled Force, Spirit Reaper, Creature Swap, Sakuretsu Armor usw. Jegliche Kartenart, jegliches Attribut, jeder Typ kann hier vertreten sein, wodurch uns klar wird, aus was ein Cookie Cutter bisher immer bestand: aus den besten Karten, die insgesamt zu bieten waren. Ein solches Deck hat sich nie auf ein Thema fixiert, sondern setzt sich aus den besten Karten aller möglichen Elemente zusammen. Dementsprechend profitiert ein solches Deck von der Flexibilität all seiner Komponenten, da es sich nicht den Support eines bestimmten Themas zum Ziel gesetzt hat. Jede Karte ist für sich einzeln spielbar und daher nicht abhängig von einem bestimmten Feldaufbau. Ein Beispiel:


Monster:


3 x Cyber Dragon

3 x Mystic Tomato

2 x Zaborg the Thunder Monarch

2 x Newdoria

2 x Exiled Force

1 x D. D. Assailant

1 x Breaker the Magical Warrior

1 x D. D. Warrior Lady

1 x Sangan

1 x Mystic Swordsman LV2

1 x Magician of Faith

1 x Spirit Reaper

1 x Treeborn Frog


Zauber:


2 x Reinforcement of the Army

2 x Enemy Controller

1 x Pot of Avarice

1 x Graceful Charity

1 x Confiscation

1 x Book of Moon

1 x Scapegoat

1 x Nobleman of Crossout

1 x Last Will

1 x Mystical Space Typhoon

1 x Heavy Storm


Fallen:


3 x Sakuretsu Armor

1 x Ring of Destruction

1 x Mirror Force

1 x Torrential Tribute

1 x Call Of The Haunted


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(Link auf den Deck Editor)


So könnte ein Deck nach neuer Banned List aussehen, das sich nicht auf ein Thema fixiert, sondern als Allround-Strategie gebaut ist. Natürlich, es enthält Reinforcement of the Army, aber ist es deswegen ein Deck, das man als Warrior bezeichnen kann? Machen die drei MysticTomatoes es zu einem DARK-Deck?

Sucht man den gemeinen Beatstick dieses Decks und des zuvor vorgestellten Beast-Shifts, so wird man in dem Themendeck bei Berserk Gorilla fündig. Während der Gorilla, um wirklich effektiv zu werden, von Gaia Power oder Enraged Battle Ox abhängig ist, und selbst dann einen reinen Beatstick darstellt, so ist sein Gegensatz in dem Allround-Deck Cyber Dragon, der mehrere Zwecke erfüllen kann. Er lässt sich spezialbeschwören, kann demnach als Tributfutter dienen, einen Rush-Win aufsetzen oder als ein einfacher Beatstick fungieren, der gleichzeitig gewährleistet, dass man die Feldkontrolle auch im Extremfall nie ganz verliert, indem er eine weitere Beschwörung im gleichen Zug erlaubt.


Dieses Beispiel mag ein wenig krass und übertrieben klingen, doch die Botschaft kommt an. Während das Earth-Beast-Deck auf den stärksten themenbedingten Bea(s)tstick setzt, greift sich das Allrounddeck den INSGESAMT besten Beatstick im Spiel, der gleichzeitig auch noch andere Funktionen einnehmen kann, wodurch selbstverständlich mehr Flexibilität entsteht.


Was heißt das? Dass ein Themendeck niemals zum Cookie Cutter eines Formats mutieren kann? Dass es keinen großen Erfolg haben kann? Keineswegs – wie uns beispielsweise Wassergeist 2005 mit seinem Umiiruka Shift demonstrierte. Es bedeutet lediglich, dass ein Themendeck mit dem ihm auferlegten Einschränkungen leben muss. Es kann weniger Allroundkarten einbauen, wenn es an ihnen im eigenen Thema mangelt – doch dieser Nachteil kann beispielsweise durch überragende Schlagkraft wie im oben aufgeführten Beastdown gutgemacht werden.


Wird sich das ändern? Ich wage es zu bezweifeln und denke, dass weiterhin die Flexibilität, die mit der Nutzung eines nicht-themenorientierten Decks einhergeht, die rohe Kraft eines Themendecks überbietet, schon alleine aus dem Grund, dass Yu-Gi-Oh! ein Spiel ist, in dem der Kartenvorteil vor den Lebenspunkten die wichtigste Rolle einnimmt. Auch wenn letztere letztendlich über Sieg und Niederlage entscheiden, so spielen sie doch während dem Spiel eine eher untergeordnete Rolle, was prinzipiell bedeutet, dass Control-Decks dem Beatdownelement vorzuziehen sind. Und auch wenn es zu bedauern ist, bisher vorgestellte Themendecks eignet sich nahezu nur für Beatdown-Strategien. Selbst Dark World als eines der neueren Themenmöglichkeiten – wenn man von, nunja, Versuchen wie E-Heroes, D-Heroes und Aliens absieht – basiert zwar grundsätzlich auf einem Kartenvorteil erwirtschaftenden Controlprinzip, findet aber seine einzigen Winoptionen in den Beatsticks Goldd und Sillva – und deren Stärke reicht nun einmal nur selten aus, um gegen ein Metagame anzukommen, in dem Tributmonster mit einer Angriffskraft von 2400 an der Tagesordnung stehen. Dark World liefert auch ein Paradebeispiel für ein extremes Themendeck: es ist drawabhängig. Es enthält nicht nur Massen an Tributmonstern, die im Bestfall nicht einmal als Tributbeschwörung das Feld betreten sollen, sondern auch jede Menge Deathdraws im Spell-Lineup: Card Destruction, Dark World Lightning – alles Karten, die keine große Flexibilität aufweisen, Kartennachteil schaffen können und in vielen Spielsituation vollkommen überflüssig sind.


Was Themendecks fehlt, sind schlichtweg vielseitige Karten. Die ersten Editionen des Yu-Gi-Oh! TCGs verraten uns, dass Themen vorgesehen waren, sonst wäre die Erschaffung all der verschiedenen Typen vollkommen unnötig gewesen. Dann erschien Raigeki. Und Monster Reborn. Und Pot of Greed. Und Mirror Force. Und Change of Heart. Und Sangan. Und Witch of the Black Forest. Was wäre aus dem Spiel geworden, wenn man Raigeki nur hätte spielen dürfen, wenn man zwei Seeschlangen kontrollieren würde? Wenn Monster Reborn nur in einem Deck erlaubt wäre, das mindestens 14 Feuermonster beinhaltet? Wenn Pot of Greed nur dann zwei Karten ziehen lassen würde, wenn man einen Zombie von der Hand vorzeigen würde? Die Karten wären nicht übermächtig gewesen und hätten auf keiner Banned List stehen müssen. Stattdessen hätten sich verschiedene Decktypen entwickelt: Wer auf Raigeki nicht verzichten wollte, hätte Seeschlangen en masse in sein Deck integriert. Wem Monster Reborn zu wichtig war, um es aufzugeben, der hätte auf das FEUER-Element gesetzt. Wer mit Pot of Greed Kartenvorteil machen wollte, hätte sich in Zukunft auf Zombies einstellen müssen. Wäre das geschehen, wäre ein vielschichtiges Metagame entstanden, in dem mehrere Deckarten über je ein oder zwei starke Karten verfügt hätten und nicht ein Metagame, in dem jeder jede gute Karte blindlings in jedes Deck geworfen hätte. So entstanden Staples, Staples und noch mehr Staples – und auch Nicht-Staples, die dennoch so gut waren, dass man sie in ein Deck einbauen konnte, für das sie ursprünglich gar nicht gedacht waren. So entwickelte sich im Laufe der Zeit das, was wir heute haben: Mehr als 50% eines jeden Decks sehen gleich aus und nur geringster Platz wird einem Thema zur Verfügung stellt. Wer mehr Spezielles verwenden will, muss mit Einbußen in der Flexibilität, muss mit erhöhter Drawaabhängigkeit rechnen. Somit hat sich ein kleiner, anfangs unbemerkter Fehler so entwickelt, dass er heute das komplette Metagame beeinflusst – dem Spiel fehlt es komplett an Bindung an ein Thema.


Themendecks sind nicht schlecht. Auch extreme Themendecks sind nicht schlecht, ihenn mangelt es lediglich an der Flexibilität, die ein Deck, das aus den besten Elementen eines jeden Typs zusammengesetzt ist, aufweist. Dieser Artikel soll weder vom Bau von Themendecks abschrecken, noch soll er darauf hinweisen, dass themenorientierte Decks nicht konkurrenzfähig sind. Sie müssen lediglich mit Einschränkungen leben und dürfen nicht so extrem gebaut sein, dass ihnen die Flexibilität, die Möglichkeit, eine Karte zu jedem notwendigen Zeitpunkt zum Einsatz zu bringen, die Flexibilität, die im Yu-Gi-Oh! TCG so wichtig ist, vollkommen verloren geht.


Einen möglichen Ansatz für ein starkes Themendeck möchte ich euch nächste Woche vorstellen, also seid schon jetzt gespannt.


Grüße,

Gobbo