Das Yu-Gi-Oh! Universum. Unendliche Weiten!


Häufig befindet man sich zwar selbst inmitten dieser schier endlosen Welt, allerdings wagt man nur selten den Blick zur Seite. Klar, man selbst hat viel Spaß mit dem Hobby, aber wie das eigentlich so für andere Spieler ist, überlegt man sich quasi gar nicht. Heute versuche ich mal wieder ein wenig unser aller Auge zu schulen, so dass wir etwas bewusster wahrnehmen können, was das Hobby genau für andere Spieler tun kann und wie es ist, in ihrer Haut zu stecken.



Yu-Gi-Oh! mit Handicaps


Vor ein paar Tagen habe ich eine PN bekommen, da hat mir ein Spieler namens Alex eröffnet, dass er auch mal auf größere Turniere fahren will, um sich dort mit den Größen des Spiels wie Vittorio Wiktor zu messen. Es ist einer seiner größten Träume, allerdings ist er sich nicht sicher, ob er auf den Turnieren nicht Probleme bekommt. Er kämpft nämlich mit einer Behinderung, die es ihm deutlich erschwert, gewisse motorische Tätigkeiten durchzuführen.


Ich muss sagen, da war ich erstmal ganz gut baff. Klar, ich habe auf Turnieren auch schon den ein oder anderen Spieler gesehen, der leider mit so einem Handicap zu kämpfen hatte, doch so wirklich Gedanken, wie das für die Jungs ist, habe ich mir nie gemacht. Nun ist es ja leider so, dass unsere Medien so eine Story gnadenlos ausschlachten würden... da würde dann mit ner Kamera ganz groß drauf gehalten werden, wenn jemand wie Alex mal auf ein Turnier fährt und jeder Spielzug im Off von einer ominösen Stimme kommentiert werden, die das teilweise fast schon ins Lächerliche zieht.


Natürlich wollte ich das nicht so tun und entsprechend habe ich Alex darum gebeten, uns seine Situation ein wenig ausführlicher zu schildern. Er willigte glücklicherweise ein und so können wir jetzt erstmal etwas über ihn erfahren. Aus seinem eigenen Mund wohlgemerkt:


"Ich bin 14 und gehe auf ein Internat in Neckargemünd bei Heidelberg. Seit eines Fehlers im Bau meiner Halswirbelsäule mit 5 Jahren kann ich nicht mehr laufen und habe gewisse motorische Probleme..."


Bitte lasst das vielleicht erstmal auf euch wirken. Ich hatte mal eine Knie-OP und musste danach 2 Wochen mit einer Schiene am Knie durch die Gegend laufen. Man glaubt ja gar nicht, wie toll manche Sachen sind, die man immer für selbstverständlich erachtet... wenn ihr aber nicht mal eine Treppe mit 20 Stufen in weniger als 3 Minuten hoch und runter laufen könnt, so versteht ihr erst wirklich, was ihr an euren gesunden Beinen habt. Und über den Gang zur Toilette will ich erst gar nicht anfangen.

Bei Alex ist es jetzt nicht nur so, dass er nicht mehr laufen kann, nein, er hat leider auch noch motorische Probleme. Das ist also noch mal eine sehr viel größere Einschränkung, die das Leben nicht wirklich leicht macht. Ich schreibe diesen Artikel mit rund 300 Anschlägen pro Minute... allein schon die Vorstellung, dass ich für jedes Wort so lange brauchen würde wie jetzt für einen Absatz schockiert mich nicht schlecht.


Glücklicherweise ist Alex ziemlich cool drauf und sagt von sich selbst, dass er mit seinem Handicap gut zurecht kommt. Das allein verdient schon meinen ganzen Respekt. Ich habe hier auch mal ein Bild von ihm am Start:


Alex beim Spielen

[1]

Wie gesagt, ich finde es super, dass Alex so offen damit umgeht. Er führt mal ein wenig weiter aus und erläutert uns, warum er eigentlich auf eTCG.de aktiv ist:


"Ich bin mit 6 ganz normal eingeschult worden, kurz vorher entdeckte ich auf RTL 2 eine Serie namens... Yu-Gi-Oh!

Ich war sehr angetan von dieser Serie, weil ich schon damals ein Ägypten-Fan war, gefiel mir das ganze Pharao-, Hiroglyphen-, Milleniums-Gegenstand-Gedönze sehr gut und auch das Spiel gefiel mir. Als ich in die 1. Klasse kam, erfuhr ich, dass man die Karten auch kaufen kann. Ich wünschte mir ein Deck, bekam es und begann zu spielen."


Zu diesem Zeitpunkt lief eigentlich alles noch ganz in Ordnung bei Alex. Zwar war die Krümmung der Halswirbelsäule bekannt, aber die OP sollte erst noch folgen. Da kam es dann leider zu Komplikationen:


"Mit 7 Jahren wurde ich dann wegen der Krümmung operiert, ich war lange im Krankenhaus. Dabei ging was schief, ich musste nochmal operiert werden und war noch länger im Krankenhaus. Als ich nach ca. 8 Monaten Krankenhaus entlassen wurde, konnte ich nicht mehr laufen und meine Hände und Arme nicht mehr so gut bewegen."


Wie gesagt, grobe Scheiße und ich bin wirklich froh, dass Alex das so gut wegsteckt. Dabei geholfen haben ihm natürlich – wie das bei jedem Menschen so ist – die Dinge im Leben, die einem "Halt geben". Also wohl Freunde, Familie und eben auch Hobbies. Eines von ihnen, vielleicht sogar das liebste, ist eben Yu-Gi-Oh!. Darauf geht Alex in seiner Beschreibung glücklicherweise auch noch mal näher ein:


"Während der ganzen Krankenhauszeit und danach hab ich immer Yu-Gi-Oh! gespielt; ich wollte immer besser werden und war dann auch bald einer der besten Spieler in meiner Grundschule. Seit 3 Jahren bin ich nun in dem Internat und seit ca. 1 Jahr bin ich auf eTCG.de. Ich lese hier Coverages, beschäftige mich mit dem Meta und habe ein Schwarzflügel und ein Morphtronic-Deck.

Später will ich auf jeden Fall an Turnieren teilnehmen, andere Profispieler kennenlernen, usw.

Und übrigens freue ich mich, das Meister soul mich interviewt." [2]


Das ist mal wieder so ein Text, der öffnet meiner Ansicht nach wirklich Augen. Dieser Artikel entsteht gerade auf der Zugfahrt von Frankfurt nach Berlin; ich befinde mich also auf der Heimreise vom Finale der eTCG.de Pro Challenge. Ich habe heute den halben Tag über Feature Matches mitgeschrieben und da ging es mitunter auch schon mal ordentlich schnell zu. Da wurden Karten regelrecht über den Tisch geknallt. Ich schrieb so schnell ich konnte und kam trotzdem teilweise kaum mit.

Überlegt euch einfach mal, wie das genau wäre, wenn ihr das nicht mehr könntet. Das ist das eine Ziel des heutigen Artikels: Versetzt euch einfach mal in diese Lage und lernt mal wieder zu schätzen, was ihr eigentlich habt.


Das andere Ziel ist es, noch einmal herauszustellen, was ein Hobby wie Yu-Gi-Oh! für uns alle tun kann. Es ermöglicht uns, Kontakte zu vielen Gleichgesinnten zu knüpfen, aus denen in vielen Fällen auch gute Freunde werden. Wenn es einem Hobby wie Yu-Gi-Oh! gelingt, Grenzen zu sprengen, die sonst der Entwicklung einer Freundschaft im Weg stehen würden – sei das nun

  • räumliche Distanz, die es unwahrscheinlich gemacht hätte, dass ihr eine bestimmte Person überhaupt erst kennengelernt hättet
  • irgendwelche Vorurteile, die euch davon abgehalten hätten, eine Person überhaupt erst anzusprechen
  • das Geschlecht einer Person, das euch anders in Verlegenheit gebracht hätte und von der Kontaktaufnahme abgehalten hätte
  • oder sonst irgendein außergewöhnliches Kriterium

– so hat es echt einen ungeheuren Mehrwert neben dem "ganz normalen Spaß", den ihr auf einem Turnier habt. Dafür kann man dann auch mal den einen oder anderen Euro mehr investieren, denn so was lässt sich nur schwer in Geld aufwiegen.


Last but not least noch mal mein Aufruf an euch, auch Rücksicht zu nehmen, wenn ihr auf einem Turnier mal auf einen Spieler wie Alex trefft. Die Schiedsrichter sind hier üblicherweise recht fit und sorgen beispielsweise durch einen festen Tisch dafür, dass keine unnötigen Wege für Spieler mit kleineren Einschränkungen entstehen.

Noch sehr viel wichtiger ist allerdings, dass ein Gegner mit dem notwendigen Verständnis an die Sache ran geht und seinen vermeintlichen Vorteil nicht auf unfaire Weise ausnutzt. Denkt daran, was ein Hobby wie Yu-Gi-Oh! für euch alles tut und denkt vor allem daran, dass es für andere Spieler noch mal sehr viel mehr und entsprechend wichtiger sein kann. Das wollt ihr diesen Jungs nicht kaputt machen.


Ich freue mich darauf, Alex auch mal live auf einem Turnier kennenlernen zu dürfen und bin gespannt, wie er sich schlagen wird, wenn er mal gegen eines seiner Vorbilder wie eben Vittorio antreten darf. Möglicherweise beweist er ja dann, dass gewisse Vorurteile keinen Platz im Spiel verloren haben und auch Spieler mit Handicaps ganz vorne mitspielen können. Wünschen würde ich es ihm auf jeden Fall.

Zuletzt noch mal ein Dankeschön für die bereitwilligen Antworten, den Mut, mich überhaupt ursprünglich mit seiner Frage anzuschreiben und eben der Erlaubnis, das Thema auch in meiner wöchentlichen Kolumne zu beleuchten.


Ich bin insbesondere auch auf euer Feedback gespannt. Habt ihr vielleicht sogar gehandicapte Spieler in eurem Freundeskreis, wie sind eure Erfahrungen in dem Bereich und was würdet ihr tun, wenn ihr mit einer solchen Einschränkung leben müsstet?


Gedanken, die man sich wohl schon mal machen kann und die einen selbst auch etwas weiter im Leben bringen können. Man lebt nämlich sehr viel bewusster, wenn man plötzlich zu schätzen weiß, was man eigentlich alles hat.


soul



Trends der Woche


eTCG.de schaltet hoch


Diese Woche geben wir Content-mäßig Vollgas! Neben der gewohnten Kolumne haben wir auch wieder einen Podcast und dazu erstmals das eTCG.de Magazin am Start! Nächste Woche werde ich mich hier wohl mit dem Thema Werbung auf eTCG.de beschäftigen und glaubt mir, auch da gibt es noch mal gute Nachrichten für euch. Die Seite schaltet also wirklich noch mal einen Gang hoch.


Cut!


Absoluter Trend beim Podcasten ist derzeit derbste Schneide-Action. Zwar verzweifelt Harti deshalb, aber der Podcast hört sich halt am Ende einfach besser an. Und außerdem nimmt es ein wenig die Nervosität unserer Gastsprecher, die wissen nämlich, dass sie sich im Zweifel auch mal verhaspeln dürfen.


Tesa Poster-Strips


Ich weiß gar nicht, ob ich Poster-Strips zum Trend oder Anti-Trend der Woche erklären soll. Eigentlich sind sie ja schon ganz gut, nachdem jetzt aber 4 Poster an meinen Wänden gleichzeitig runter kamen, hatte ich gelernt, dass sie eine gewisse Haltbarkeitsdauer haben und danach schlagartig den Dienst verweigern, so dass man nachkaufen muss. Andererseits haben sie jetzt auch so grob 2 Jahre gehalten, also eigentlich nicht sooo verkehrt. Nu ja, immerhin können jetzt Spidey und Venom ihr Duell an meiner Wand fortsetzen. Ich zeig euch das mal:


Meine Wanddeko


(an dieser Stelle muss ich mal wieder einen herzlichen Gruß in Richtung Achim Günzel loswerden – er weiß warum!)




[1] Dieses Bild hatte übrigens den Namen "Alex mit seinen blöden Karten" – ich würde mal schätzen, der Name kam von einem von Alex' Eltern. ;-)


[2] Der letzte Satz stand da natürlich schon und wurde nicht von mir ergänzt.


Antworten 75

  • hey, soul.
    Danke für den großartigen Artikel!
    Und ich möchte an dieser stelle erwähnen, dass ich sehr wohl sehr schnell tippen kann! 8-)
    Alex

  • Also, ich für meine Teil fand den Artikel ziemlich interessant, er eröffnet einfach mal eine ganz neuen Blick auf YGO und damit natürlich auch auf die Spieler. Könnte mir schon vorstellen, dass jemand mit Handicap für den YGO möglicherweise das hauptsächliche Hobby darstellt durchaus auch spielerisch eine extra Klasse sein könnte.

  • liebster oli (:


    ein feiner feiner artikel. beim lesen kamen mir viele comment ideen, aber um die auch verständlich rüberzubringen, bräuchte ich sehr sehr lange, da ich eher der leser-typ als der schreiber-typ bin. meinen respekt aber auch an alex, dass er so cool mit seinem handicap umgeht und nicht allein schon vor dem gedanken zurückschreckt, sich überhaupt auf ein turnier zu wagen. aus erfahrung weiß ich, dass manche leute, die noch nicht so lange im rollstuhl sitzen, sich dafür schämen, und dass so manch vermeintlich tolerantem zeitgenossem der rollstuhlfahrer als unangenehm erscheint. das mag im denken so verankert sein, dass alles andersartige nicht von vornherein als ok abgetan werden kann, und gerade deshalb so viel respekt von meiner seite.


    meh (:

  • Super Artikel.


    Das erinnert mich an einen Spieler der auch ein Handicap hatte, welchen ich mal auf ein Turnier gesehen habe, wo ich Coverage gemacht habe. Dort haben die Judges und Spieler so weit ich das beurteilen konnte, sehr gut reagiert und sich halt entsprechend angepasst.


    Ich hoffe du hast weiterhin viel Freude an dem Spiel Alex, vielleicht sehen wir uns ja mal auf einem Turnier (YCS?). :)




    yomifrog

  • hm,
    das dauert wohl noch bissl.
    Die YCS is ja bald.
    Aber ich komme irgendwann mal, da bin ich sicher

  • Guter Artikel.


    Diesen Abschnitt mache ich jetzt zum geschätzen 25. mal weil ich ihn immer wieder umvormuliert habe.



    Es ist schon schlimm das er ein handicap hat und das es durchd ie Operationen sogar schlimmer geworden ist, es ist aber schön zu sehen das er sich davon nicht unterkriegen lässt und trotzdem Spaß am spiel hat


    AlexDelux
    Deinem Post nach zu Urteilen würde ich sagen du bist der im Artikel beschriebene Spieler




    achja


    Das mit Meister soul fand ich irgendwie niedlich :knuff:


    EDIT:


    Nach deinem 2. Psot bin ich mir sogar sicher^^

  • @ prof.dr.phää
    jupp, bin ich!


    Und das mit dem Meister find ich im nachhinein selber bissl komisch

  • Zitat

    Original von AlexDelux
    hm,
    das dauert wohl noch bissl.
    Die YCS is ja bald.
    Aber ich komme irgendwann mal, da bin ich sicher


    ich gehe davon aus, dass du der im artikel erwähnte bist?


    wenn ich so an die turniere zurückdenke, an denen ich mitgewirkt habe, muss ich leider gestehen dass wir wohl keine allzu rollstuhlfreundlichen locations hatten, aber ich denke es wäre definitiv schön dich mal auf einem turnier zu erleben, schon nur um zu sehen wie du "auf dein handicap scheißt". weiter so (:

  • soul, Hut ab!
    Du hast wirklich schwieriges Thema angesprochen und diese sehr gut dargelegt (besonders das man nicht alles für selbstverständlich halten soll).


    Alex, du beweist echt Mut das du dich den Fragen von soul stellst.
    Dafür hast du meinen vollsten Respekt :thx:
    Ich freue mich dir irgendwann mal auf einem Tunier gegenüber zu sitzen.
    thx
    Jesse

  • Ich habe grossen Respekt vor Alex, bzw. davor, dass er den Mut aufgebracht hat, überhaupt den Soul anzuschreiben (nicht weil der Oli so ein Böser ist, sondern weil es wohl doch nicht so ganz ohne ist, einfach jemanden mit grosser Erfahrung anzuschreiben und ihn zu fragen, ob man wegen eines körperlichen Nachteils Probleme bekommt und dann noch offen vor einer doch ziemlich grossen Community darüber zu ,,reden'').


    Der Artikel war toll geschrieben und hat wohl tatsächlich die Leser zum Denken angeregt und, hoffentlich, zu Rücksichtnahme.

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