Ein Spiel der Floodgates


Die deutsche Meisterschaft 2015 ist vorbei und obwohl Nekroz erneut das Event dominiert hat, lässt sich wohl sagen, dass es unter den neuen Karten aus Crossed Souls eine Karte gab, die das Event definierte: Lose 1 Turn. Fast jedes Deck, welches sich nicht selber mit der zerstörte, griff auf die permanente Fallenkarte zurück, um gegen Decks wie Nekroz und Shaddoll zu schlagen. Viele Qliphort Spieler spielten zusätzlich Karten wie Skill Drain oder Rivalry of the Warlords, einige Shaddoll Spieler griffen auf Mistake zurück und in wohl fast jedem Deck wurde Vanity's Emptiness gespielt. Man könnte sagen, es war ein Turnier der Floodgates.


Was sind Floodgates?


Kurz, für alle, denen der Begriff Floodgates bisher noch nicht über den Weg gelaufen ist: Mit Floodgates meint man in der Regel Karten, welche den Gegner komplett aus dem Spiel ausschließen und ihn daran hindern, YuGiOh zu spielen. Sie verhindern, dass der betroffene Spieler seine Karten in irgendeiner Weise sinnvoll benutzen kann. Floodgates sind somit praktisch das "Tor", welches die "Flut" der gegnerischen Karten zurück hält, daher der Name.


Floodgates können abhängig vom aktuellen Format ganz verschiedene Karten sein. Da unser jetziges Format (so wie auch die meisten zuvor) sehr auf Spezialbeschwörungen und Monstereffekte angewiesen ist, sind momentan Karten wie Skill Drain oder Vanity's Emptiness sehr effektive Floodgates. Gegen andere Decks, zum Beispiel Shaddoll, könnten jedoch auch Schatteneinsperrender Spiegel, Makrokosmos oder Nichtfusions-Gebiet spielstarke Floodgates sein.


Der Aufstieg der Floodgates


Warum schreibe ich gerade jetzt einen solchen Artikel? Fakt ist, dass heutzutage so viele Floodgates gespielt werden, wie fast nie zuvor. Blicken wir beispielsweise nur gut ein Jahr zurück, so zeigt sich schon ein ganz anderes Bild: Alpay Engin gewann im Februar 2014 die YCS Berlin, ohne ein einziges Floodgate im Main, nur im Side Deck spielte er Lichteinsperrender Spiegel. Eugen Heidt gewann die EM ohne ein einziges Floodgate zu spielen und selbst viele H.A.T. Builds, ein Deck was sehr viel mehr darauf setzte, den Spielaufbau des Gegners zu stören, verzichteten auf Floodgates. Nur ein paar Monate später änderte sich das Bild dann komplett: Joshua Schmidt und Patrick Hoban, die in Madrid und Toronto beide eine YCS mit Shaddoll gewannen, spielten Vanity's Emptiness in ihren Sides in jeweils dreifacher Ausführung, die Karte war zu diesem Zeitpunkt schon lange die Karte des Formats. Auch in den darauf folgenden Monaten änderte dies sich nicht. Ende März, auf der YCS in Prag, definierte die Fallenkarte wieder das Event. Für Qliphort war sie zusammen mit Skill Drain das Argument für das relativ gute Abschneiden des Decks und selbst Nekroz Spieler griffen in ihrem Side Deck auf Emptiness zurück. Ein paar Monate später ist Vanity's Emptiness auf der DM zwar auf eins limitiert, doch erscheint stattdessen mit Lose 1 Turn eine neue Alternative, die sich in vielen Decks wiederfindet. Das Qliphort, ein Deck was inzwischen fast nur noch aus Beatsticks und Floodgates besteht, mit Decks wie Shaddoll und Nekroz halbwegs mithalten kann, zeigt, wie dominant Floodgates im aktuellen Format sind.


Grunde für diese Entwicklung ist der rasante "Power Creep", durch den die Metadecks nach der EM 2014 deutlich stärker und schneller wurden. Nachdem im Januar 2014 erst die Dragon Ruler limitiert und ein paar Monate später im April auch Mermail Abyssgunde auf eins gesetzt wurde, während gleichzeitig kaum neue spielstarke Decks erschienen, befand sich das Format im Vergleich zu früheren Formaten auf einem sehr schwachen Niveau. Es war sehr langsam, es gab viele Normalbeschwörungen und Karten, welche eine Runde auf dem Feld bleiben mussten, um ihren Effekt zu aktivieren. Es war seit langem mal wieder ein Format, in dem man Karten wie Sieben Werkzeuge des Banditen und Genex Undine spielen konnte, ein Format, für das selbst Geargia, Bujin und Prophecy Decks ohne Spellbook of Judgment nicht zu langsam waren. Kurz gesagt: Kein Format für Floodgates. Ein paar Monate später, mit dem Aufstieg von Burning Abyss und Shadoll, sah dies schon ganz anders aus. Spieler versuchten Normalbeschwörungen in ihren Decks zu minimieren, um sie so schnell und effizient wie möglich zu machen. Anstatt langen Grind Games, in denen manchmal rundenlang nichts passierte, hatte man auf einmal schnelle Spiele, in denen in jeder Runde viele Effekte aktiviert und mehrere Monster spezialbeschworen wurden. Schon immer waren solche Decks sehr viel anfälliger gegen Floodgates, als langsame Decks, wie Qliphort oder früher Geargia und so wurde Vanity's Emptiness zur Karte des Formats.


Wie Floodgates das Spiel verändern


Warum erzähle ich euch das Ganze? Persönlich gefiel mir schon immer der strategische Aspekt des Spiels und die Interaktion mit dem Gegenüber. Nun ist es gut möglich, dass es manchen von euch gefällt ein Floodgate umzudecken, die euch anschließend das Spiel im Alleingang gewinnt, doch sehe ich eher die negativen, degenerierenden Aspekte der Floodgates.


Wie bereits erwähnt war für mich immer die Interaktion zwischen Spielern, das Aufeinandereingehen und Kontern gegnerischer Aktionen, ein wesentlicher Teil von YuGiOh. Floodgates jedoch vereinfachen das Spiel stark und nehmen dem Spiel diesen Teil. Solange ein Floodgate auf dem Spielfeld liegt, ist der betroffene Spieler komplett aus dem Spiel ausgeschlossen. Interaktion zwischen den Spieler und das Auskontern gegnerischer Züge ist zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich, weil einer der beiden Spieler schlicht nichts mehr machen kann, während der andere ihn mit simplen Beatsticks stumpf überrennen kann. Es gibt einen Grund dafür, warum sich mittlerweile viele Nekroz Spieler darauf verständigen, in Spiel zwei ihren Djinn Releaser of Rituals rauszuboarden: Er simplifiziert genauso wie alle anderen Floodgates das Spiel und reduziert es auf "entweder du ziehst ein out auf mein Floodgate oder das Spiel ist vorbei".


Noch schlimmer wird es, wenn man gegen Decks spielt, die Floodgates nicht als Techkarte, (wie beispielsweise Nekroz oder Shaddoll) sondern als "win-option" spielen. Gegen solcherlei Decks wird aus YuGiOh ein Spiel der Floodgates: Man gewinnt (i.d.R.), solange man die gegnerischen Floodgates wegbekommt, man verliert (i.d.R.), falls man die gegnerischen Floodgates nicht wegbekommen kann. Dies nimmt dem Spiel insofern seinen Reiz, als dass es nicht mehr auf spielerisches Können ankommt, sondern nur noch darauf seine "outs" für das Floodgate zu ziehen. Nehmen wir beispielsweise Vanity's Emptiness gegen Nekroz: Normalerweise (auch wenn viele Leute in der Community manchmal anderes behaupten) ist Nekroz ein kompliziertes Deck, was viel Raum für Fehler, aber auch viel Raum für gute Spielzüge lässt. Solange jedoch Vanity's Emptiness offen liegt, zum Beispiel im Mirror Match, hat der Betroffene gar nicht mehr die Möglichkeit sein spielerisches Können zu benutzen und gegnerisches Karten zu umspielen, da er schlicht nichts mehr machen kann. Auf der anderen Seite ist es für den Spieler, der die Emptiness offen liegen hat, ebenfalls nicht mehr möglich sich Gedanken um gegnerische Karten und mögliche Züge zu machen, solange er sein Floodgate auf dem Feld halten kann.


Somit führen Floodgates oft dazu, dass nicht mehr spielerisches Können, sondern pures Glück belohnt wird. Hast du ein Floodgate oder nicht? Ziehst du eine Antwort auf mein Floodgate oder nicht? Auf diese simple Fragen können Floodgates ein Match reduzieren. Klar gibt es auch bei Floodgates Spieler, die besser wissen, wie sie ihre Floodgates einsetzen und wie sie gegnerische umspielen. Solange jedoch ein Floodgate offen auf dem Feld liegt und man keine Antwort darauf zieht, wird es fast unmöglich sich aus der Situation herauszuspielen.


Notwendigkeit der Floodgates


Doch machen wir uns nichts vor, selbst, wenn man wollte, könnte man aktuell nicht einfach auf Floodgates verzichten. Alles was nicht Nekroz heißt, wäre den Ritualmonstern mehr oder weniger hilflos ausgeliefert, letztendlich sind wir im aktuellen Format auf Floodgates angewiesen. Solange es ein Deck in ein einem Format gibt, welches so viel Kartenvorteil erwirtschaften kann, dass es gegen sie nichts mehr bringt Karten 1:1 oder 1:2 abzutauschen, werden wir entweder ein 1-Deck Format haben oder auf Floodgates angewiesen sein. Das sah man beispielsweise Ende 2013, als Dragon Ruler (die geschwächte Version, ohne die kleinen Drachen) das absolut dominante Deck war, bis es Samuel Pedigo auf der YCS in Turin mit seinem Geargia Deck, dank Floodgates, überraschend gelang die YCS zu gewinnen. Ohne diese Floodgates wäre ihm die Überraschung wohl kaum gelungen.


Wenn die Prämisse also ist, dass Floodgates nicht gut für das Spiel sind, man sie gleichzeitig braucht, um Decks wie Nekroz in Schach zu halten, bleibt nur noch bei zukünftigen Editionen den "Power Creep" einzudämmen und "faire" Decks zu entwerfen. Faire Decks, die nicht nur durch Karten gestoppt werden können, die sie daran hindern YuGiOh zu spielen. Decks, gegen die man gewinnen kann, indem man Ressourcen abtauscht und die nicht für jede Karte, die sie verlieren, zwei neue bekommen. Wenn ich die Kommentare der Community von früher und heute vergleiche, wären es auch solche Formate, die bei den Spielern ankommen würden.



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Schlusswort


Wie sieht eure Meinung zu Floodgates aus? Was haltet ihr von dem aktuellen Format der Floodgates oder seht ihr die ganze Situation vielleicht völlig anders?


Schreibt eure Kommentare wie immer gerne in den Diskussionsthread!


Bis zum nächsten Mal,


~Scarx


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