Hatten wir ein gutes Format?


Unser Format neigt sich langsam aber sich dem Ende zu, die neue Banned List ist bereits bekannt und nachdem ich mich in den letzten Ausgaben hauptsächlich mit Previews beschäftigt habe, wird es zu diesem Anlass auch für mich Zeit noch einmal auf das Vergangene zurückzublicken anstatt in Richtung Zukunft zu schauen.


Wie viele Sammelkartenspiele ist YuGiOh durch seine ständigen Erweiterungen in keiner Weise ein statisches Spiel, bestimmte grundlegende Aspekte verändern sich ständig, die Liste der verbotenen und limitierten Karten spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie kann nicht nur dafür sorgen, problematische Karten aus dem Verkehr zu ziehen, sondern beeinflusst das Spiel ganz grundsätzlich. Während beispielsweise Schach immer ein eher langsames Spiel sein wird, ändert sich sich die Art YuGiOh zu spielen mit jeder Liste. Während das Spiel früher noch sehr langsam war und sich über viele Züge erstreckte, scheint der Trend in den vergangenen Jahren in eine schnellere Richtung mit komplizierteren Aktionen und weniger Zügen gegangen zu sein. Ganz natürlich ist bei solch grundlegenden Änderungen auch, dass es Formate gibt, die dem Großteil der Spieler mehr zusagen als andere. Es bleibt ein ständiges Thema, auch wenn ich mich mit Leuten über das Spiel unterhalte: „Was für ein Format werden wir nach der Liste wohl bekommen?“ ist genauso eine dauerhaftes Thema wie die Frage danach, ob wir ein gutes Format hatten - womit wir beim heutigen Artikelthema sind. Doch bevor wir der eigentlichen Frage auf den Grund gehen, muss eine ganz andere geklärt werden:


Was macht ein gutes Format aus?


Logischerweise wird auf Turnieren immer nach der aktuellen Liste gespielt (von Turnieren, auf denen „Sneak Peak“ artig einige Tage vor der neuen Liste schon das neue Formate gespielt wird, mal abgesehen) und auch privat spielen, denke ich, nur wenige alte Formate. Trotzdem gibt es ein Format, das obwohl es schon sehr alt ist, immer wieder ausgegraben wird: Das sogenannte „Goat Format“, welches mit der März Liste 2005 in Kraft trat. Seitdem wurde es von vielen Spielern sehr geschätzt und immer wieder aus der Versenkung geholt. Verantwortlich dafür ist wohl das langsame Tempo und der hohe spielerische Anspruch des Formats. Was also macht ein gutes Format aus, wenn gerade das „Goat Format“ noch immer so beliebt ist? Ich denke es sind hauptsächlich die folgenden Aspekte:


Deckvielfalt:


Deckvielfalt ist zwar nichts, womit das Goat Format auftrumpfen konnte, doch ist es trotzdem ein immer wiederkehrendes Motiv, wenn über Formate und ihre Vorzüge gesprochen wird. Oft genug ist es DER Aspekt, an dem Formate in Punkto Beliebtheit glänzen oder scheitern. Nehmen wir beispielsweise das März Format 2013 (vor Lord of the Tachyon Galaxy). Zwar gab es einige, die Fire Fist spielten, doch war Mermail unangefochten das stärkste Deck, rückblickend betrachtet war es wohl dieses Format, was den bis heute andauernden Mermail Hass in der Community anfeuerte. Ein noch viel besseres Beispiel war das darauf folgende September Format, in dem die Drachenherrscher absolut dominierten (von Samuel Pedigos Überraschungserfolg in Turin einmal abgesehen) und das von vielen Spielern in der Community, soweit ich das mitbekommen habe, absolut verteufelt wurde.


Ein langsames Tempo / keine unfairen Kombos:


Doch scheint Deckvielfalt alleine nicht zu reichen, um die breite Masse der Spieler zufriedenzustellen. Schönes Anschauungsmaterial dafür bietet das März Format 2012, dass mit Dino Rabbit, Inzektor, Wind-Up und Chaos Dragon gleich vier durchaus spielbare Decks hatte und trotzdem viele Spieler (mindestens in meinem Umfeld) dazu bewegte, ein halbes Jahr lang auszusetzen und sich über das Format zu beschweren. Grund dafür war vermutlich das relativ hohe Tempo des Formats gepaart mit den starken/unfairen Kombos, die fast alle der vier Decks im Repertoire hatten. Dino Rabbit hatte „First Turn Laggia“, Wind-Up hatte den „Hand-Loop“, die meisten Inzektor Spieler entdeckten spätestens auf der EM die OTK Möglichkeiten ihres Decks, während Chaos Dragon nach einer Zukunftsfusion im ersten Zug schon fast gewonnen hatte. Dass es jedoch neben diesen vier Decks kaum andere konkurrenzfähige gab, führte lustigerweise dazu, dass einige Spieler sich auf einmal, vermutlich durch ihren Hass auf das Format geprägt, auch über die fehlende Deckvielfalt beschwerten – obwohl diese durchaus vorhanden war.


Hoher spielerischer Anspruch:


Man sollte eigentlich meinen, dass ein hoher spielerischer Anspruch (sprich ein „skilliges“ Format) gerade den aktiven Turnierspielern am wichtigsten ist und obwohl dies immer wieder beteuert wird, sieht die Realität tatsächlich ganz anders aus.


Denn was macht ein Format anspruchsvoll? Ein Format ist dann anspruchsvoll wenn es, egal durch welche Faktoren, komplizierter ist als andere und mehr Raum sowohl für Fehler als auch für besonders gute Züge bietet. Wann ist dies der Fall? Wohl nicht, wenn man simple und kurze Züge hat, über die man aufgrund vorgefertigter Kombos kaum nachdenken muss. Stattdessen wird ein Format kompliziert, wenn entweder lange Züge entstehen, in denen man viele verschiedene Möglichkeiten und Wege hat, die man einschlagen kann, oder, wenn einzelne Fehler so signifikant sein können, dass sie letztendlich das Spiel entscheiden (wie zum Beispiel im Goat-Format).


Als ich im ersten Punkt über Deckvielfalt sprach erwähnte ich bereits zwei Formate (Mermail Format 2013, Dragon Ruler Format Ende 2013), die von der Community besonders negativ aufgenommen und in vielen Kreisen als „unskillig“ bezeichnet wurden. Dabei sind gerade diese Formate ausgezeichnete Beispiele für zwei der komplexesten Formate, die wir jemals hatten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Mermail Mirror Match damals wie heute durch die Fülle an Optionen, die beide Spieler hatten, ein Matchup war, das beinahe immer der bessere Spieler gewann. Es gab kaum vorgefertigte Züge, stattdessen hatte des Deck einen Toolbox Charakter, aus dem wirklich gute Spieler vielmehr herausholen konnten als andere.

Ähnlich sah es auch Ende 2013 aus, als die Dragon Ruler dominierten. Auch hier hatten beide Spieler stets unheimlich viele Optionen, um ihr Spiel aufzubauen. Wer sich nicht auskannte und unvorsichtig war, bekam einen Crimson Blader ab und verlor das Spiel, vorgefertigte Kombos gab es kaum, die einzigen Karten, die das Format aus spielerischer Sicht störten waren Rückkehr aus einer anderen Dimension und Sixth Sense.


Beide Formate waren so anspruchsvoll wie nur wenige andere, beide wurden von der Community verteufelt und als „unskillig“ abgestempelt. Warum? Weil sie keine Deckvielfalt hatten, sehr schnell und mit starken Kombos gespickt waren. Die Leute hatten also gute Gründe, die Formate nicht zu mögen – solange ihnen spielerischer Anspruch egal ist. Jedoch ergab sich ein ganz anderes Phänomen: Besonders die, höflich ausgedrückt, weniger begabten Spieler, die erfahrungsgemäß in der Community immer am lautesten sind, scheiterten auf den großen Turnieren. Woran konnte das wohl liegen? Da besagte Spieler in der Regel auch die sind, die ihre eigenen Leistungen ungern ehrlich reflektieren, konnte es ja unmöglich an dem eigenen Spielvermögen liegen, also wurde die Schuld woanders gesucht – nämlich bei den Decks, die dann (genau wie das ganze Format) „unskillig und scheiße“ waren.


Wie sieht es nun bei dem vergangenem Format aus?


Kommen wir also zurück zu unserer Anfangsfrage: „Hatten wir (unter Berücksichtigung der obigen Aspekte) ein gutes Format? Würde man meine Argumentation konsequent verfolgen, wäre die Antwort eindeutig: Ja! Die Community möchte vor allem zwei Dinge: Deckvielfalt und ein langsames Spiel ohne „unfaire“ Kombos - was das angeht, sind die Leute in diesem Format im Vergleich zu vorherigen voll auf ihre Kosten gekommen. Wir hatten viele verschiedene Decks, auf der EM waren mit Mermail, Geargia, H.A.T., Prophecy, Bujin, Evilswarm und Lightsworn gleich sieben (!) verschiedene Decks in den Top 8, und das Format war außerdem so langsam wie nur wenige zuvor.


...doch war es wirklich anspruchsvoll? Zwar gab es kaum Powerkarten wie Sixth Sense, doch ist ein langsames Format nicht zwangsläufig auch ein anspruchsvolles. Natürlich wird man immer einen gewissen „Grund-Skill“ brauchen, um Turniere zu gewinnen. Wenn ein Spieler weiß, wie er optimal die Backrow des Gegners umspielt und außerdem gute „reads“ hat, wird er mehr Spiele gewinnen, als ein Spieler der dies nicht mit sich bringt. Darüber hinaus war im vergangenen Format bei vielen Decks jedoch nicht viel mehr zu reißen. Nehmen wir uns zum Beispiel das Geargia Mirror Match. Nicht nur, dass Anfangen hier wichtiger als in jedem anderen Matchup, durch fehlendes Fehlerpotenzial, gewann in der Regel auch der Spieler, der schlicht die besseren Karten hatte. Ähnlich sieht es mit Prophecy, Bujin und Evilswarm aus, auch hier machen überwiegend vorgefertigte Kombos das Spiel, was bleibt ist wieder nur besagter „Grund-Skill“. Das einzige Deck, was für mich in Sachen Anspruch wirklich heraussticht, ist wieder das Mermail Deck (siehe oben), darüber hinaus war meiner Meinung nach jedoch wenig zu holen.


Schlusswort


Welche Aspekte machen für euch ein gutes Format aus? Gibt es womöglich noch ganz andere, die ich in diesem Artikel nicht erwähnt habe? Wie würdet ihr das vergangene Format bewerten?


Hinterlasst mir, wie immer, eure Gedanken gerne im Diskussionsthread!


Bis zum nächsten Mal,


~ Scarx




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