Kennt ihr dieses Gefühl, wenn euer Gegner einen Zug macht, anschließend gewinnt und ihr euch irgendwie ungerecht behandelt, unter Wert geschlagen oder hilflos fühlt? Wenn euch euer Gegner damals zum Beispiel mit dem „Hand-Loop“ drei bis vier Handkarten klaute, über Rückkehr aus einer anderen Dimension ein eigentlich verlorenes Spiel noch einmal drehte oder euch mit einem Evilswarm Ophion vom ersten Zug an komplett aus dem Spiel ausschloss? „Mein Gegner hatte alles!“ oder Klagen über bestimmte Karten und Kombinationen sind dann oft die typische Reaktion und das, selbst wenn die betroffene Person selbst besser hätte spielen können, durchaus zurecht. Dem gegenüber stehen spannende „Grind Games“, in denen es hin und her ging, Schlag auf Schlag folgte und man nachher, selbst wenn man letztendlich verloren hat, seinem Gegner die Hand gibt und von einem guten Spiel spricht. Hinter alldem steckt etwas viel simpleres und fundamentales als „unfaire Kombos“ - Counter Play.


Was ist Counter Play?


Bevor ich zum eigentlichen Thema komme: Das Konzept des Counter Play habe ich mir keineswegs selber ausgedacht, Riot Games benutzt es beispielsweise auch beim Spieldesign von Leaque of Legends und habe ich mich konkret von „Extra Credits“, ein YouTube Kanal, der sich hauptsächlich mit Game Design auseinandersetzt, inspirieren lassen. Im Kontext mit YuGiOh habe ich dieses Konzept bisher jedoch noch nicht gesehen – obwohl sich seine Folgen gerade hier besonders gut zeigen.


Doch kommen wir zur Sache: Counter Play bezeichnet grundlegend die Idee, dass in einem Mehrspieler Spiel Mechaniken oder Fähigkeiten – im Falle von YuGiOh Karten – nicht nur für den Spieler, der sie benutzt, sondern auch für den Spieler, gegen den sie benutzt werden, interessant sein müssen. Die Anzahl bedeutsamer Entscheidungsmöglichkeiten sollte sich für beide Spieler erhöhen. Schlicht gesagt: Entwirft Konami eine Karte sollte an beide Spieler gedacht werden, den Agierenden und den, der ihm gegenüber sitzt.


In der Praxis wird dies im YuGiOh TCG jedoch kaum umgesetzt. Ich habe keine direkten Einblicke in den Designprozess von neuen Karten, doch wenn ich mir sich die Resultate anschaue, bin ich mir sicher, dass bei Konami der Fokus nicht gerade auf gutem Counter Play liegt. Stattdessen scheint es, wenn man sich das Kartendesign mal genauer anschaut, die TV-Serie und damit die Hauptzielgruppe im Hinterkopf hat, er darauf anzukommen, dass sich eine Karte oder ein Themendeck cool anfühlt. Es macht den Eindruck als seien Optik und Oberflächlichkeiten bei neuen Themendecks oft wichtiger, als tatsächliche Mechaniken, die hinter dem Ganzen stecken. Solange derjenige, der das Deck in der Hand hat, Spaß hat und sich gut beim Spielen fühlt, scheint auf den ersten Blick alles super zu sein, dem Spiel hilft dies jedoch weniger.


Nehmen wir uns beispielsweise die Wind-Up Kombos: Bevor sie komplett kaputt gebannt wurden, waren sie beide ein Paradebeispiel für schlechtes Counter Play. Sicherlich fühlte sich derjenige, der das Deck spielte, super dabei im ersten Zug dem Gegner drei bis vier Handkarten zu klauen oder ihm einen Nmmer 16: Shockmeister hinzulegen, der jeweils andere fühlte sich hingegen schlicht hilflos und frustriert. Einen ähnlichen Effekt haben Karten wie Evilswarm Ophion, indem sie den Gegner daran hindern YuGiOh zu spielen. Zwar war der Ophion an sich nie stark genug, um problematisch zu werden, doch ändert dies nichts am Prinzip. Eine Karte, die den Gegner daran hindert das Spiel zu spielen, für das er gerade zu einer YCS am anderen Ende von Europa geflogen ist, führt weder zu einem Spiel, das beiden Spaß macht, noch hilft es dabei Spieltiefe zu schaffen.


In die gleiche Kerbe schlagen Decks wie Chain Burner, Final Countdown oder Exodia. Erneut ist wohl der einzige Grund, warum sie bisher noch keinen sonderlich stören, dass sie nicht wirklich konkurrenzfähig sind. Ansonsten zeigen wieder perfekt, wie man es nicht machen sollte: Alternative Optionen zum Sieg sind im Büro beim Designen und vielleicht auch für den, der sie nachher spielt, super witzig, doch sieht es für den Gegenüber ganz anders aus. Runde für Runde in ein Angsteinjagendes Gebrüll zu laufen, während der Gegner auf seine Burner Karten, Exodia oder zwanzig Runden wartet, hat nichts mit YuGiOh zu tun und ist alles andere als spaßig. Das man anschließend beim siden kaum weiß, was man eigentlich im Deck behalten soll, da gefühlt die Hälfte der eigenen Karten nutzlos gegen solcherlei Decks sind, zeigt wie wenig sie mit dem eigentlichen Spiel noch in Kontakt stehen.


Jegliche Art von Einzelkarten, welche die Community allgemein als „overpowert“ oder „unfair“ bezeichnet, sind letztendlich auch ein Beispiel von schlechtem Counter Play. Nehmt beispielsweise Karten wie Magiebuch des Urteils, Seelenlast, Rückkehr aus einer anderen Dimensions oder – meine Lieblingskarte – Sixth Sense. All diese Karten haben gemeinsam, dass sie, in der richtigen Situation, Spiele im Alleingang gewinnen können, teilweise komplett unabhängig davon, wie sehr der Gegner vorher im Vorteil war. Erneut: Für den Spieler, der solche Karten „topdeckt“ ist dies super, für seinen Gegner nicht.


Doch gibt es auch Beispiele für gutes Counter Play. Fast alle Decks, die oft Grind Games, sprich längere Spiele mit vielen Zügen, viel Interaktion und Entscheidungsmöglichkeiten, provozieren, fallen unter diese Kategorie. Lässt man ihre Zug eins Kombos außen vor, fallen beispielsweise Mermail und selbst das Wind-Up Deck unter diese Kategorie. Spielte man als guter Spieler in Grind Games gegen ein Mermail oder Wind-Up Deck und wusste, wie sie funktionierten, konnte man sie wesentlich effektiver am Spielaufbau hindern, als jemand, der schlicht ins Blaue schoss. Beispielsweise indem man in der richtigen Situation einen Mermail Abysshecht negierte oder eine Wind-Up Kombo an der empfindlichsten Stelle störte. Selbst das damals verteufelte Dino Rabbit konnte gutes Counter Play produzieren. Fing der Gegner nicht gerade mit Evolzar Laggia und vier Verdeckten an, konnte es ein spannender Tanz sein, in dem der eine versuchte Laggias Effekt zu umspielen, während der Rabbit Spieler diesen im genau richtigen Moment aktivieren wollte.


Dabei muss man immer im Hinterkopf behalten, dass ein zu starkes Deck nicht automatisch schlechtes Counter Play produiert, während andersherum ein Deck nicht nur dadurch, dass es schwach ist, außen vor gelassen werden kann. Chain Burner und Final Countdown waren beide nie omnipräsent und trotzdem frustrierend für jeden, der gegen sie spielte. Balance ist wichtig für das Spiel und gutes Counter Play alleine, reicht keinesfalls, um ein faires Format zu schaffen, doch ist dies ein anderes Thema. Stellt euch bei der Beurteilung eines Decks deshalb einfach ein Mirror Match vor. Da in diesem Fall beide mit den gleichen Karten spielen, kann Balance außer Betracht gelassen werden. Falls euch bestimmte Aspekte des Decks trotzdem noch unfair vorkommen, ist der Grund wahrscheinlich schlechtes Counter Play im Kartendesign. Natürlich ist auch diese Methode nur begrenzt möglich, da beispielsweise ein Evilswarm Ophion den Gegner im Mirror Match kaum einschränkt, während er in anderen Matchups einen ganze anderen Effekt hat, doch ist es mindestens ein Anfang.


Was sind die Folgen von gutem/schlechten Counter Play?


Ich habe diesen Aspekt oben bereits an mehreren Stellen angesprochen, doch möchte ich ihn hier trotzdem noch einmal aufgreifen, um das Ganze auf den Punkt zu bringen.


Counter Play bezeichnet grundlegend die Idee, dass in einem Mehrspieler Spiel Mechaniken oder Fähigkeiten – im Falle von YuGiOh Karten – nicht nur für den Spieler, der sie benutzt, sondern auch für den Spieler, gegen den sie benutzt werden, interessant sein müssen. Die Anzahl bedeutsamer Entscheidungsmöglichkeiten sollte sich für beide Spieler erhöhen.


Wenn man nicht einmal die Möglichkeit hatte einen Wind-Up Loop zu verhindern und vom ersten Zug an im Grunde schon aus dem Spiel ist, ist dies in erster Linie frustrierend. Es führt nicht nur dazu, dass der Betroffene weniger Spaß hat, sondern nimmt dem Spiel zusätzlich an Dynamik. Es reduziert die Anzahl möglicher Entscheidungen und verringert die Tiefe des Spiels Besonders TCGs leben von Interaktion, davon mit den jeweils verfügbaren Karten die richtige Antwort auf den Zug des Gegners zu finden. Nimmt man dem Spiel diesen Aspekt, indem man Dinge wie den Wind-Up Loop kreiert, nimmt man ihm auch einen ganz wesentlichen Teil dessen, was es ausmacht.


Gutes Counter Play hingegen bewirkt das genaue Gegenteil. Hatten beide Spieler eine Chance, hat im Idealfall selbst der Spieler, der letztendlich den Kürzeren zieht, das Gefühl, dass er die Möglichkeit anders zu handeln hatte. Anstatt nach einem Spiel schlicht unfair behandelt zu fühlen, gibt es eine Motivation im nächsten Spiel nicht noch einmal den gleichen Fehler zu machen. Mehr Entscheidungsmöglichkeiten und mehr Interaktion erhöhen zusätzlich die Tiefe des Spiels und ermöglichen mehr Differenzierung durch gutes Spielen statt Glück.


Pessimistisch, wie ich manchmal bin, sehe ich im Spiel momentan mehr negative, statt positive Beispiele, für gut entworfenes Counter Play und kann ich mir kaum vorstellen, dass sich daran zukünftig groß was ändern wird. Dabei wäre es so einfach, schließlich müsste man sich lediglich einmal in die Position des anderen versetzen, anstatt sich nur darauf zu konzentrieren „coole“ Karten für den einen zu produzieren.


Bis zum nächsten Mal,


~Scarx



Antworten 6

  • Der Artikel ist zwar gut geschrieben, gibt mir persönlich aber nichts. Das, was im Artikel steht, hilft mir in keinster Weise weiter, sry.

  • Als Fan von grindgames kann ich mich der Aussage deines Artikels nur anschließen, wünsche mir mehr counterplay, dass, mal ganz nebenbei, nicht nur aus floodgates bestehen sollte

  • guter artikel :daumen:

  • Mir hat der Artikel sehr gut gefallen. Auch wenn sich immer wieder Counter Play wiederholt. Aber was will man sonst schreiben?!^^


    Inhaltlich beleuchtet er genau das, was eigentlich in der Entwicklung des Spiel bzw. der Karten geschehen sollte, aber nicht passiert. Bei Hearthstone z.B. werden Karten verändert wenn sie zu Stark sind. Bei Yugioh werden sie eben gebannt oder limitiert. Aber ich sagte es bereits schon in einem anderen Thread: Die Limitierung oder das Verbot sollte aus Balancing Gründen geschehen und nicht wegen den Verkaufszahlen! Konami kommt auch so an die Absatzzahlen. Da muss man den Spielern nicht die Produkte auch noch aufzwingen! Die nexte Edition klingt für mich wie: "Wenn du Pendelums nicht magst, dann quit YGO!" Solche Aussagen habe ich übrigens schon im Freundeskreis gehört. Manche wollen nicht mehr auf größere Events gehen, da die Pendelmechanik, dann viel zu stark wird.

  • gute idee für den artikel allerdings hinkt der vergleich zu riotgames etwas. generell ist es bei allen elektronischen games leichter counterplay zu fördern weil bestehende karten/champions usw einfach angepasst werden können und auch an älteren sachen durch z.b. skins oder in hearthstone arena umsatz generiert werden kann. der ansatz zum weiterbetreiben des spiels ist einfach ein völlig anderer. dazu kommt noch dass man sobald mehrere spieler zum gewinnen notwendig sind viel mehr auf balance achten kann/muss da eben nicht jeden monat 10 neue champs rauskommen die dann standart sind. bei vielen games haben auch die spieler die möglichkeit zu bannen. bei hs turnieren, bei lol, bei sc2 und bei dota glaube ich auch. wenn du z.b. schaust wies jetzt bei hs war: naxx kam raus, die neuen karten sind gut aber es spielt niemand ein reines naxx deck. weil es ne ergänzung zum bestehenden kartenpool is und kein ersatz. wenn in lol ein champ rauskommt wird geschaut ob und in welche teamcomp er passt. als bestes beispiel kann man aktuell yasuo nennen. in yugi ist es so dass der spieler selber entscheidet was er spielen will und damit + skill über seinen sieg oder niederlage entscheidet. da es die absicht ist ein spiel zu haben bei dem man gewinnen will wird auch dieser aspekt beim spieler hauptsächlich angesprochen. bei elektronischen games kann nachgebessert werden. bei yugi wird ersetzt da nicht nachgebessert werden kann. es sei denn man macht dieses magic format in dem soweit ich weiss immer nur die letzten x editionen überhaupt gespielt werden dürfen. ok im prinzip ist es bei yugi inzwischen auch so aber nicht wegen vorschrift sondern wegen spielstärke.


    kurzum: counterplay wäre nice aber solang der spieler der den windup loop druchzieht auch das nächste brokene themendeck kauft haben 2/3 beteiligten gewonnen. der spielende und der vertreibende.


    gg wp

  • Wunderbarer Artikel, und bin heidenfroh das Extra Credits erwähnt wurde ;)

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