Angreifen – Schaden – Gewinnen? - Das ist doch langweilig!

“Exodia obliterate!“ Jeder, der die ersten Folgen des Yu-Gi-Oh! Anime gesehen hat, weiß, dass man bei Yu-Gi-Oh! nicht nur durch das Senken der gegnerischen Lebenspunkte ein Duel gewinnen kann. Auch wenn es in den letzten Jahren relativ wenige Decks gab, die erfolgreich diese alternativen Strategien verfolgt haben, waren sie eine lange Zeit ein essentieller Teil des Spiels.

Diese Decks üben auf die Spieler auch einen ganz besonderen Reiz aus. Auch wenn das Exodiadeck nicht besonders stark ist, sieht man immer wieder Spieler, die versuchen, dieses Deck erfolgreich zu spielen. Trotzdem möchte niemand gegen diese Decks spielen. Die Duelle wären langweilig, da man mit seinem Mitspieler gar nicht richtig interagieren würde. Diese Decks würden nur auf einfachen Kombos basieren, die man kaum aufhalten kann. Man hat seine Decks nicht auf diese alternativen Spiele eingestellt und ist deswegen sauer, wenn man gegen sie spielen muss Spätestens seit dem Verbot von Letzter Countdown sind diese Decks fast komplett aus dem Metagame verschwunden.

Im folgenden Artikel möchte ich euch ein paar ausgewählte Strategien vorstellen und schauen, ob Spiele gegen diese Decks wirklich so langweilig sind, wie die meisten Spieler behaupten.


“I summon the unstoppable Exodia“



Das Exodiadeck ist das wohl mit Abstand bekannteste Deck, das versucht auf eine andere Art zu gewinnen. Dies liegt auf der einen Seite daran, dass es eines der der ältesten Decks überhaupt ist, aber auch daran, dass in der Animeserie ein Mythos aufgebaut wurde: Es heißt, dass niemand – vor Yugi – Exodia beschwören konnte. Aus diesem Grund kennt natürlich jeder, der die ersten Episoden der Serie geguckt hat, Exodia und weiß, wie stark dieses Monster ist. Nicht verachten sollte man außerdem, dass das Exodiadeck wohl zu den stärksten dieser Decks gehört. Das Exodiadeck muss keine bestimmten Kombos auf der Hand haben, sondern versucht nur – so schnell wie möglich – die fünf Teile der Exodia zu sammeln. Hierfür gibt es eigentlich zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Entweder der Spieler versucht, direkt die Exodiateile zu suchen (oder in den Friedhof zu befördern), oder man versucht ein Deck zu bauen, das sehr viele Karten ziehen kann. Meistens wurde die zweite Variante gespielt, da es häufig relativ viele starke Draw-Engines gab, die es dem Spieler ermöglichten, in einem Zug, sehr viele Karten zu ziehen.


Besonders stark war dabei die Version, in der Superverjüngung gespielt wurde. Der Spieler versuchte durch Inzahlungnahme und andere Abwurfkarten viele Drachen in einem Zug abzuwerfen, um dann in der End Phase sehr viele Karten zu ziehen. Somit war Superverjüngung schon vor den Drachenherrschern eine spielbare Karte. Außerdem habe ich auch häufig Exodiadecks mit Mystischer Flötenspieler gesehen, da dieses Deck notfalls auch ohne Exodia gewinnen konnte und es relativ viele Level 1-Monster gibt, die das Spiel verlangsamen können.


Richtig erfolgreich war das Exodiadeck dann aber doch selten, da es zu viele Karten gibt, die die Taktik des Decks aushebeln können und da es selten wirklich konstant genug war. Ein Exodiadeck wird meistens direkt aufgeben können, wenn der Gegner Naturia-Ungeheuer beschworen hat. Trotzdem wird das Exodiadeck sicherlich nie so ganz verschwinden, da es sehr viele verschiedene Versionen gibt, die – je nach Metagame – wenigstens kleine Erfolge feiern können. Ich erinnere mich zum Beispiel an das Skill Drain-Exodiadeck, das der ehemalige eTCG-User „gaara ai“ ziemlich erfolgreich gespielt hat.


Warum habe ich denn keine Karte mehr im Deck?


Wenn man in das Regelbuch schaut, gibt es, – neben dem Reduzieren der gegnerischen Lebenspunkte – noch eine weitere Möglichkeit zu gewinnen. Wenn ein Spieler in seiner Draw Phase keine Karte mehr von seinem Deck ziehen kann, hat er verloren. Wenn man also von der ältesten alternativen Siegbedingung spricht, müsste man also eigentlich das Deck Out nennen. Viele Spieler haben schon unterschiedliche Strategien getestet, um den Gegner seine Deckkarten zu klauen. Es gab Versionen mit Gesicht des Todes und Nadelwurm, die jeweils relativ erfolgreich waren. Meistens waren diese Decks aber nicht schnell genug, sodass sie von ihren Gegnern relativ zügig besiegt wurden. Immerhin gegen die Lightsworns sollte man mit diesen Strategien immer gewinnen können. Ein Deck sollte das aber ändern:



Verwandlungskrug war noch nie eine schlechte Karte. In manchen Situationen konnte ein Spieler mit dieser Karte so viel Vorteil erwirtschaften, sodass er das Spiel nur durch diese Karte gewinnt. Wenn ein Dark-World-Deck Verwandlungskrug auf der Starthand hatte, konnte es außerdem nur sehr schwierig verlieren. Doch der Grund für den Verbot der Karte war sicherlich ein anderes Deck: Empty-Jar nannte sich ein ziemlich konstantes FTK-Deck, das immer wieder auf Turnieren Erfolge feiern konnte. Die Strategie des Decks war ziemlich simpel: Man versuchte das Deck des Gegners in einem Zug zu millen (Karten vom Deck auf den Friedhof senden), indem man Verwandlungskrug immer wieder benutzte. Hierbei haben Karten wie Buch des Mondes geholfen. Da ein Spiel mit diesem Deck relativ lange dauerte, boardete es häufig einige Burner-Karten im zweiten Spiel hinein, um relativ einfach gewinnen zu können.


Was gab und gibt es noch?


Wenn ich alle Möglichkeiten aufzählen würde, wäre der Artikel für euch sicherlich zu lang, deswegen beschränke ich mich auf einige wichtige andere Karten. Last Turn ist beispielsweise verboten wurden, da es zu einfach war, auf diese Weise zu gewinnen. Man musste nur ein Monster auf dem Feld haben, was dem Gegner daran hindert, Spezialbeschwörungen durchzuziehen und man hatte direkt gewonnen. Damals war dies Jaugen, der Spiritist. Auch Letzter Countdown wurde verboten. In der heutigen Zeit gibt es sehr viele Karten, die stallen können, sodass Final Countdown-Decks immer stärker wurden. 3 Waboku, 3 Kampfausblender, 3 Angsteinjagendes Gebrüll und andere Karten können den Gegner genug Züge am Angriff hindern.


Andere Strategien waren nicht besonders erfolgreich. Schicksalstafel konnte man immer zu einfach auskontern und scheiterte daran, dass die Karten das eigene Feld blockiert haben. Vennominaga die Gottheit der giftigen Schlangen hingegen war zu einfach zu entsorgen und zu schwer zu beschwören, um sie kompetitiv zu nutzen. Die relativ neue Karte Jackpot 7 hat das Problem, dass das wohl stärkste Deck, das mit dieser Karte spielen könnte, nicht mehr spielbar ist, da Verwandlungskrug #2 verboten wurde.

Eine relativ neue, interessante Karte ist hingegen Ghostrick Dorklord. Es ist ein Rank 4 Xyz-Monster, das man über jedes andere Ghostrick Xyz-Monster legen kann. Einmal pro Spielzug kann man ein Ghostrick Monster aus der Hand an sie als Xyz-Material hängen. Falls Dorklord dann zehn Materialien besitzt, hat man das Spiel gewonnen. Unter Umständen kann es sicherlich irgendwann eine Strategie geben, die diese Mechanik ausnutzen kann.


Die Frage, die ich mir nun aber stelle ist, warum so viele Spieler diese Decks hassen.


Das braucht doch keinen Skill?


Viele Spieler bezeichnen Spieler dieser Decks als „skillos“, da es relativ einfach sei, diese Decks zu spielen. Wenn man sich die Mechaniken dieser Decks anschaut, sieht man aber doch relativ schnell, dass es meistens ziemlich schwer ist, mit diesen Decks richtig umzugehen. Dies liegt daran, dass diese Decks meistens ihre Ressourcen perfekt ausnutzen müssen, um eine Chance zu haben. Wenn man eine Ressource verschwendet, ist es für diese Decks meistens nicht möglich, das Spiel noch umzudrehen. Ein Qliphort-Deck kann durch den richtigen Topdeck relativ schnell wieder ins Spiel zurückkommen, ein Empty-Jar Deck hingegen hat sofort verloren, wenn man eine Karte zu früh aktiviert hat. Spieler, die noch nie mit diesen Decks gespielt haben, werden in den ersten Spielen meistens überfordert sein und sich fragen, wie andere Spieler nur so viel Glück mit diesen Karten haben können – ohne ihre eigenen Fehler zu hinterfragen. Diese Fehler sind in den „normalen Spielen“ nicht so schwerwiegend.


Trotzdem kann man den Kritikern natürlich in gewisser Weise zustimmen, da die Spiele dieser alternativen Decks meistens relativ ähnlich ablaufen. Ein fleißiger Spieler muss einfach nur alle Kombos des Decks auswendig lernen und wird in 99 von 100 Situationen richtig handeln, da die Entscheidungen nur selten wirklich schwer werden.

Ich glaube, dass der Grund des Hasses wo ganz anders liegt:


Fast, Fun and Exciting?


Wie oft habe ich die drei Wörter in meinen Artikeln wohl schon benutzt? Yu-Gi-Oh! lebt davon, dass es schnell, spaßig und aufregend ist. Menschen spielen dieses Kartenspiel, weil sie den Ausgang der einzelnen Duelle nicht vorhersagen können. Exodia- Empty-Jar- und ähnliche Decks lassen aber vieles von diesen typischen Eigenschaften des Spiels vermissen – beziehungsweise nur auf einer Seite auftauchen. Der Spieler dieser Decks hat meistens sehr viel Spaß, da er häufig länger überlegen muss, welche Karte er wann aktivieren sollte. Sein Gegner hingegen kann diesem Spieler nur zuschauen und sieht, wie er minutenlang Karten aktiviert, auf den Friedhof legt und neue Karten zieht. In gewisser Weise spielen die beiden Spieler gar kein richtiges Spiel mehr, da es keine Interaktionen zwischen ihnen gibt: Der eine Spieler aktiviert Karten und versucht seine Kombo durchzuziehen. Wenn er die falschen Karten nachzieht hat er verloren, wenn er die richtigen Karten zieht gewinnt er. Die Aktionen des Gegners haben nur selten eine Auswirkung auf diesen Ausgang.


Da die Spiele gegen diese Decks meistens auch ziemlich ähnlich aussehen (Karten ziehen, Karten recyclen, u.s.w.) ist es auch nur sehr selten spannend, dem Gegner zuzuschauen, da man ja zum größten Teil schon weiß, was passieren wird. Der Spaß ist in diesen Duellen einfach nicht gleichmäßig verteilt. Ein Spieler hat höchstwahrscheinlich ziemlich viel Spaß, der Andere hingegen ist zum Zusehen verdammt.


Trotzdem sollte man darüber nachdenken, ob man Spieler dieser Decks wirklich immer gleich beleidigen muss. In den meisten Fällen haben sie Gründe, warum sie dieses Deck spielen. Sehr häufig liegt es daran, dass sie nämlich in den „normalen Spielen“ keinen Spaß mehr empfinden, da die Decks der Gegner zu stark sind und immer wieder die gleichen Züge machen. Ist es denn verwerflich, wenn man diesen Spielern zeigen möchte, wie es sich anfühlt, keinen Spaß beim Spielen zu haben?


Fazit


Ich denke, dass diese alternativen Siegbedingungen ein wichtiger Teil unseres Kartenspiels sind. Natürlich macht es auch mir nicht besonders viel Spaß gegen ein Empty-Jar-Deck zu spielen, aber es ist immer wieder schön zu sehen, auf welche verrückten Ideen manche Spieler kommen. Ich denke nämlich, dass diese Strategien die Kreativität fördern können. Manchmal möchte ein Spieler unbedingt durch eine bestimmte Strategie gewinnen und überlegt dann stundenlang, wie dies passieren könnte.

Was haltet ihr von diesen Decks? Habt ihr selber schon so ein Deck gespielt oder seit ihr nur davon genervt, wenn auf eurem Ladenturnier jemand Exodia spielt? Habt ihr selber eventuell schon ein interessantes Deck gebaut? Wie immer freue ich mich über euer Feeback.