Ein Blick zurück und ein Blick nach vorne - Teil I

Noch ein Artikel zur neuen Banned und Restricted List. Als hätten Edi in seiner zweiteiligen Beurteilung der Veränderungen und soulwarrior in seiner Deckarten-Analyse noch nicht genug gesagt. Vielleicht haben sie auch genug gesagt. Tatsache ist, dass der Vorgänger dieses Artikels geschrieben wurde, bevor souls Deckartenanalyse nach neuer Banned List erschien und – da ich nicht schlau genug war, mich mit den anderen Kolumnen-Schreibern vorher abzusprechen – dieser Artikel ursprünglich in eine sehr ähnliche Richtung gehen sollte, auch wenn ich ein wenig theoretischer an das Thema herangehen wollte, als soul das mit seiner Auflistung von in Zukunft effektiven Deckarten getan hat. Auch wenn das Thema des ursprünglichen Artikels schon teilweise abgedeckt war, wollte ich den Artikel nicht komplett fallen lassen – also hab ich mich spontan dazu entschlossen, den Artikel ein wenig umzugestalten. Lasst euch überraschen.


Ein Blick zurück: Das Sommerformat 2006


Urgh. So manch einer wird sich gar nicht mehr daran erinnern wollen, sondern am liebsten alles vergessen, was uns die letzten fünf Monate an Yu-Gi-Oh!-Spektakel gebracht haben. Ich will nicht behaupten, dass es mir anders geht. Das Sommerformat 2006 stellte den Zeitraum dar, in dem ich meine bei Weitem größten Niederlagen aushalten musste, mit einem 5:3-Ergebnis bei der Deutschen Meisterschaft und dem noch schlechteren Abschneiden bei der Europameisterschaft, bei der es beim Endstand von 3:4 nicht einmal für Tag 2 reichte. Warum sollte also gerade ich Interesse daran haben, einen Blick zurück auf das vergangene Format werfen? Warum? Was uns die Vergangenheit erzählt, kann uns helfen, die Zukunft besser zu gestalten, ein Spruch, der nicht nur im Yu-Gi-Oh!-Universum gilt, sondern auch im alltäglichen Leben. Doch bevor ich hier zu philosophieren anfange, kehre ich doch besser wieder zum Thema zurück. Wie kann uns die Analyse des vorangegangenen Formates dabei helfen, ein neues zu verstehen und unsere Deckbaumöglichkeiten, sowie Metagameeinschätzungen zu verbessern? Wenn wir betrachten, welche Deckarten das letzte Format dominiert haben und welche Strategien weshalb unterdrückt wurden, eröffnet uns dieses Wissen die Möglichkeit, Rückschlüsse auf das jetzt gültige Format zu ziehen. Welche Deckarten werden durch welche Veränderungen auf der Banned und Restricted List geschwächt, welche Ideen, die im letzten Format erfolgreiche Resultate erzielten, werden geschwächt, welche fallen gar ganz weg? All diese Fragen lassen sich durch genaue Beobachtung der vergangenen Metagames und durch Wissen um den Kartenpool und seine Möglichkeiten beantworten.


Also – auch wenn es wehtut – denken wir zurück an die Monotonie der vergangenen fünf Monate. Alles fing ja noch recht gut an, bis am 7. Mai Emon Ghaneian das Shonen Jump Columbus mit einem Deck rund um drei Chaos Sorcerer und drei Return from the Different Dimension gewann. Dieser Sieg stellte mehr oder weniger den Anfang vom Ende dar. Während beim Erscheinen der Banned List mit der Limitierung von Graceful Charity viele glaubten, dass Dark World auftrumpfen können würde, ging die drawabhängige Deckart rund um die Dark Realms schnell im Durcheinander der Decks um Chaos Sorcerer unter. Der kleine Bruder von Chaos Emperor Dragon – Envoy of the End und Black Luster Soldier – Envoy of the Beginning, die selbst schon Formate beherrscht hatten, begann einen Erfolg nach dem anderen zu feiern. Kaum ein Siegerdeck konnte noch ohne Chaos Sorcerer auskommen.


Es kam, wie es kommen musste – auch die deutsche Meisterschaft wurde von einem Deck gewonnen, das mit drei Chaos Sorcerern und drei Return from the Different Dimension aufwartete. Kurz darauf entwickelte sich immerhin eine Variation des Sorcerer Controls, die mit Creature Swap arbeitete und ihren Höhepunkt bei der Europäischen Meisterschaft fand, als mit Adrian Madaj das Recruiter Chaos rund um die Swarmer Shining Angel, Mystic Tomato und Creature Swap den zweiten Platz belegte. Von diesem Zeitpunkt an gab es also zwei Deckarten, die sich permanenter Beliebtheit erfreuten: Chaos Control mit Return als Winoption und Recruiter Chaos, das bei den Fallen auf Royal Decree setzte, nicht nur, um die angestrebte Feldkontrolle zu wahren, sondern um auch einen Konter für Return from the Different Dimension zu enthalten. Unterbrochen wurden die Siegeszüge dieser Decks nur einige Male – oft von Variationen des Cyber-Stein-OTKs, das zumindest dem Sorcerer Control mit Return standhalten konnte, weil es sich dabei um ein eher langsames Deck handelte, gegen das aggressive Recruiter Chaos aber einen frühen, explosiven Stein-Finish brauchte.


Damit hat es sich auch schon – und es haben sich die drei Decks herauskristallisiert, die das letzte Format beherrschten, auch wenn Cyber-Stein meist nur durch seine einfache Nutzung im Sorcerer Control bzw. Recruiter Chaos hervorstach, die für schnelle Siege sorgte und im letzten Abschnitt des Formats für nahezu genauso viel Frust sorgte wie die ständige Dominanz von Chaos Sorcerer in der Turnierszene.


Um Aufschluss darüber zu erlangen, wie die Bannings das neu entstehende Metagame beeinflussen, müssen wir uns die Frage stellen, welche Strategien im vergangenen Metagame vorherrschten, welche Spielgeschwindigkeit sie bevorzugten und mit welchen vielseitigen Karten sie aufwarten konnten, die nach der neuen Banned List gar nicht mehr oder nur noch zum Teil zur Verfügung stehen.


Sorcerer Control mit Return from the Different Dimension ist grundsätzlich ein eher langsames Deck, das auf Kartenvorteil hinarbeitet, und dafür auch Rückschläge in der Feldkontrolle hinnimmt, die der Allrounder Chaos Sorcerer wieder ausgleichen kann. Als alternative Winoption zu beständigem Kartenvorteil spielt man Return from the Different Dimension, die im Late Game das Spiel einfach im Alleingang gewinnen kann.


Recruiter Chaos dagegen setzt von vornherein auf überragende Feldkontrolle, die durch die Massen an Swarmern, Cyber Dragons, Zaborgs, Chaos Sorcerer und natürlich die Creature Swaps erlangt wird. So kann im Early Game nicht nur eine Menge an Schaden ausgeteilt werden, sondern auch durch Spirit Reaper, sowie diverse Aktionen mit Creature Swap und Chaos Sorcerer Massen an Kartenvorteil erarbeitet werden, sodass der Gegner weder das Rennen um die Feldkontrolle, noch um den gesamten Kartenvorteil gewinnen kann. Einen zentralen Aspekt stellt hier auch Royal Decree dar, das nicht nur eine Sicherung gegenüber dem Metagame bedeutet, das von Return from the Different Dimension beherrscht wird, sondern auch hilft, die Feldkontrolle zu wahren, indem man keinen störenden Fallen zum Opfer fällt. Insgesamt verfolgt dieses Deck also eine sehr aggressive Spielweise.


Das Cyber-Stein-OTK stellte anfangs ein eher langsames Stall-Deck dar, das so lange auf seine Defensive setzte, bis es mit der Kombination aus Cyber-Stein, Heavy Storm/Giant Trunade und Limiter Removal/Megamorph einen sicheren Sieg erlangte. In einem langsamen Metagame voller Sorcerer Controls stellt diese Strategie kein Problem dar, mit der ansteigenden Beliebtheit des schnellen Recruiter Chaos musste Cyber-Stein allerdings auch auf andere Strategien zurückgreifen. Schnelle Stein-Decks, die statt auf Stall auf Mystic Tomato, die Cyber-Stein früh im Spiel sucht, und Royal Decree zur Absicherung setzten, konnten sich durchsetzen. Auch Decks, die Stein nur als alternative Win-Option mit einer Giant Trunade, einem Megamorph, einem Limiter Removal und zwei Cyber-Steins, sowie anderen Maschinen-Monstern in Form von Cyber Dragon und Dekoichi the Battlechanted Locomotive spielten, entwickelten sich zum Ende des Formates hin. Somit ist das Cyber-Stein-OTK ein lebendes Beispiel dafür, wie sich ein Deck aufgrund des Aufbaus des Metagames verändern kann, um wettkampffähig zu bleiben. Als langsames Stall-Stein konnte es in einem Metagame bestehen, in dem ein Sieg im Late Game normal war. Als sich das Metagame mit zunehmender Beliebtheit des Recruiter Chaos’ wandelte, musste sich das Stein-OTK mitverändern, um auch in einem schnellen aggressiven Metagame erfolgreich bestehen zu können.


Wir hatten also zumindest von den Strategien her fast ein diverses Metagame. Offensiv und zurückhaltend war beides vertreten, wobei das Sorcerer Control seine Spielgeschwindigkeit allerdings meist dem gegnerischen Deck anpassen kann, womit die ausgeglichene Grundgeschwindigkeit leicht ins Offensive kippt. Wo wir jetzt also das vergangene Metagame kurz analysiert haben, wollen wir uns nicht weiter scheuen und einen Blick nach vorne riskieren.


Leider muss dieser allerdings bis nächste Woche warten, da wir anders den Rahmen meiner Kolumne sprengen würden.


Trotzdem würde ich mich schon jetzt über viele Rückmeldungen freuen.



Grüße,

Gobbo