Tara hob ihre Hand...und senkte sie danach wieder. Sie machte das ein paar Mal. Sie stand vor einer Zimmertür und konnte sich nicht entscheiden, ob sie klopfen sollte oder nicht. Sie hatten Tara gesagt, dass sie sie besuchen könnte, wenn sie jemals Probleme hätte oder einfach nur jemanden zum Reden bräuchte. Trotzdem zögerte Tara immer noch. Es war schließlich sehr früh am Morgen. Es war unhöflich. Sie hob erneut ihre Hand. Aber sie brauchte jetzt wirklich einen Gesprächspartner. Sie seufzte und wollte gerade anklopfen, als sich die Tür öffnete. Ein Mann mit langen blauen Haaren stand im Türrahmen und lächelte sie an.
"Tara, ich hatte das Gefühl, du würdest bald kommen." sagte er.
"Sartorius." sagte Tara und biss sich auf die Unterlippe. "Es tut mir leid, dich um diese Uhrzeit zu stören, aber ich brauche deinen Ratschlag. Du hast gesagt, ich könnte herkommen, wenn ich einen Rat brauche."
"Natürlich, komm doch rein, Tara." sagte er und trat zur Seite, damit sie hineingehen konnte. "Ich hab schon geahnt, dass du früher oder später hier auftauchen würdest." Tara sah ihn an und setzte sich an einen Tisch. Sie war schon öfters hier gewesen.
"Weil du es vorhergesehen hast?" fragte sie. Sartorius lächelte ein wenig.
"Nein, es ist pures Wissen. Du warst in letzter Zeit so distanziert." antwortete er. "Möchtest du etwas trinken? Tee oder Kaffee? Aster hat mir neulich etwas vom Schwarzmarkt besorgt, zu einem guten Preis."
"Eine Tasse Tee wäre sehr schön, wenn es okay ist." sagte sie. "Es ist schließlich nichts, was du so einfach jeden Tag bekommen kannst."
"Mach dir darüber mal keine Sorgen, etwas zusammen zu Essen und zu Trinken ist die Freude des Lebens." sagte Sartorius, ging hinüber und erhitzte etwas Wasser in einem Kessel.
Er hatte eine kleine Küchenzeile hier drin. Daneben befanden sich zwei Betten, einige Stühle und der Tisch. Tara wusste, dass das Badezimmer am Ende vom Flur lag. Tara schaute sich um.
"Ist Sarina nicht hier?" fragte sie. Sartorius hatte gerade zwei Tassen auf den Küchentisch gestellt und goss das Wasser zusammen mit dem Tee hinein.
"Noch nicht, sie ist bei deinem Vater." sagte er und kam mit dem Tee zu ihr. "In der Kommandozentrale. Irgendwas mit dem Standort des Hauptquartiers schnell wechseln. Anstatt ein paar Monate zu warten, bevor man es versetzt."
Tara nickte. Sie hatten schon lange darüber gesprochen. Sartorius setzte sich auf einen Stuhl vor ihr. Er neigte seinen Kopf ein wenig und sah sie genau an.
"Du siehst nicht glücklich darüber aus, Tara." sagte er. "Du weißt, dass es zu riskant ist, zu lange an einem Ort zu bleiben. Kagemaru und seine Anhänger könnten uns finden. Die Villa, die Aster zur Verfügung hatte, ist der einzige Ort, an dem wir völlig sicher sein können. Alles dank deinem Vater und meiner Schwester." Tara seufzte. Sie wusste das alles. Sie war es jedoch leid, sich zu verstecken.
"Lass mich raten, dein Problem hat etwas damit zu tun, das wir gerade in Asien sind, richtig?" fragte Sartorius langsam. "In der Nähe von ihm und Camulas Schloss, sowie einer Horde von Vampiren." Tara seufzte. Es überraschte sie immer wieder, wie aufmerksam Sartorius sein konnte. Mit oder ohne seine Tarotkarten. Sie nickte langsam.
"Ach ja, die Liebe, die geheimnisvollste Kraft auf der Welt." sagte Sartorius und lächelte. Tara wurde dadurch ein wenig rot. Sie wusste, dass er wusste, dass sie immer noch in einen bestimmten Vampir verliebt war. Das wusste er schon eine ganze Weile.
"Also, brauchst du meine volle Führung oder nur meinen Rat?" fragte er und legte seine Tarotkarten auf den Tisch. "Schließlich kann nicht alles vorausgesagt werden. Du entscheidest selbst, was zu tun ist." Tara seufzte etwas.
"Ich...ich möchte wirklich alles erfahren. Du siehst, dass es mehr als nur Liebe in meinem Leben gibt." sagte sie. Sartorius kicherte ein wenig, nahm die Tarotkarten und fing an zu mischen.
"Außer das die Welt dem Untergang geweiht ist?" fragte er und lächelte. "Willst du es von mir hören oder von den Tarotkarten?" Tara biss sich ein wenig auf die Lippe.
"Jaden." flüsterte sie. Sartorius schloss für eine Minute die Augen.
"Ich tu mal so, als hätte ich das nicht gehört." sagte er. "Dein Vater wäre alles andere als begeistert, wenn ich dir jemals zu viel über ihn verraten würde. Es würde ihm bestimmt nicht gefallen."
"Dann sag bitte Vater nichts davon." sagte Tara und sah ihn mit diesem Hundeblick an. "Das ist mir wirklich wichtig, Sartorius." Der Wahrsager seufzte. "Hmmm, ich kann dich einfach nicht davon abhalten, oder?" fragte er und gab ihr die Karten. "Wähle 5 und lege sie in beliebiger Reihenfolge auf den Tisch."
Tara nickte und legte 5 Karten verdeckt hin. Eine in die Mitte und die 4 anderen drum herum. Sartorius nahm die restlichen Karten zurück und zeigte auf die entsprechenden Karten auf dem Tisch. Er fragte, wieviele Karten er auf sie legen sollte. Die Zahlen ergaben sich so: Zwei Stapeln mit 5 Karten, ein Stapel mit 3 Karten, ein Stapel mit 2 Karten und zu guter Letzt ein Stapel mit nur 1 Karte. Er legte die restlichen Karten neben die entsprechenden Karten und drehte alle Karten um. Die mittlere Karte war "Der Narr" auf der 5 Karten lagen. Die Karte darüber war die "Sternschnuppen" Karte mit nur einer Karte. Die Karte links war die "Die Magd" Karte mit 2 Karten. Die rechte Karte war "Der Dämon" auch mit 5 Karten. Darunter lag die "Der Bogenschütze" Karte. Tara und Sartorius schauten auf die Karten. Besonders auf die Dämonen-Karte.
"Nun, das ist keine Überraschung, dass der Narr und die Sternschnuppe da sind." sagte Sartorius. "Sie symbolisieren dich und Jaden. Andererseits bin ich mir bei den anderen Karten nicht ganz sicher." Tara nickte. Nicht alles war vorhersehbar.
"Könnte der Dämon Camula sein?" fragte Tara. "Sie ist ziemlich verachtenswert, denke ich."
"Könnte sein, aber ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Immerhin ist sie weiblich. Der Dämon bedeutet, dass etwas Schlimmes passieren wird oder wenn es eine Person ist, dann vielleicht aus Titans Königreich. Er macht Experimente mit Dämonen." meinte Sartorius. "Aber mit welcher Karte möchtest du anfangen?" Tara zeigte auf ihre und dann auf Jadens Karte. Sartorius lächelte.
"Das dachte ich mir, Tara." sagt er und drehte die eine Karte um. Es war der Seelenschnitter.
Sartorius runzelte die Stirn und wendete die Karten auf Jadens Karten. Er tat das mit allen Karten auf dem Tisch. Tara schaute den Wahrsager an. Er sah verwirrt aus. Tara hoffte, dass es zumindest eine gute Nachricht gab.
"Du und Jaden, ihr habt euch schon einmal getroffen." sagte Sartorius und starrte auf die Karten. "Nachdem die Welt schwarz wurde. Ich vermute ein geheimes Treffen. Oder ein zufälliges."
Tara biss sich auf die Lippe. Dann nickte sie. Das stimmte. Das war teilweise auch der Grund, warum sie Sartorius's Führung brauchte. So konnte sie herausfinden, was sie tun sollte. Sie hatten sich zufällig getroffen. Aber Jaden hatte sich verändert! Wie alles auf der Welt hatte er sich verändert, aber Tara wusste, dass sie sich ebenfalls verändert hatte. Es war eigentlich unmöglich, aber Jaden erkannte sie und sie erkannte ihn. Er hatte sein Versprechen gehalten. Bevor sich die Welt veränderte, hatte Jaden versprochen, dass, was immer auch geschah, er sie niemals vergessen würde. Tara hatte viele ihrer alten Freunde gesehen, aber Jaden hatte sich an sie erinnert. Sie war so glücklich. Aber er diente ihnen und sie war ein Teil des Widerstands. In gewisser Weise waren sie jetzt Erzfeinde. Sie und die anderen wurden von den Königreichen gesucht. Ehrlich gesagt hätte Jaden sie auf der Stelle töten sollen. Oder sie gefangen nehmen, aber das konnte er nicht. Sie erinnerte sich immer noch an Jaden's Worte aus dieser Zeit.
"Lauf, Tara! Verschwinde von hier! JETZT! Oh, ich kann nicht glauben, dass ich dich beinahe getötet hätte! Kannst du mir vergeben?"
Tara hatte ihm verziehen. Sie war Sekunden später geflüchtet. Sie musste, wegen des anderen Verfolgers, aber sie hatte nie vergessen, dass er sie entkommen ließ. Sie wollte ihm auch helfen, aber wusste, dass es nicht möglich war.
"Ich werde keine Fragen dazu stellen." sagte Sartorius. "Ein jeder hat seine Geheimnisse und je weniger ich weiß, desto weniger kann ich den anderen erzählen. Aber lass uns mal sehen, was die anderen Karten uns sagen. Es sieht so aus, als läge der Dämon und der Bogenschütze dir näher als der Narr. Keine Ahnung ob das gut oder schlecht ist. Die Magd Karte...hmmm...diese Karte könnte Teilung bedeuten. Entweder gibt es zwei Mägde oder diese Magd hat zwei unbestimmte Schicksale. Eine von ihnen sieht jedoch so aus, als wäre sie dem Narren näher als du." Tara sah ihn verwirrt an.
"Und das bedeutet...?" fragte sie. Sartorius seufzte.
"Es bedeutet, dass du einige großartige Schicksale hast, Tara." sagt er. "Du kennst eine Regel des Widerstands. Sei wachsam und beobachte deine Umgebung. Was auch immer du in der Zukunft entscheidest, du wirst es nicht bereuen, Tara." Tara runzelte die Stirn.
"Was für ein Ratschlag ist denn das?" fragte sie. Sartorius seufzte.
"Ich kann dir wirklich nicht mehr sagen, Tara. Ich will deine Zukunft einfach nicht beeinflussen." sagte er seufzend. "Bitte versteh das." Tara biss sich auf die Lippe. Sie wollte etwas sagen, als ein Klopfen an der Tür zu hören war.
"Sartorius, Sir." konnten sie Atticus von der anderen Seite der Tür sagen hören. "Das Frühstück ist fast fertig, Sir." Sartorius nickte und stand vom Tisch auf.
"Ich komme." rief er zurück. "Oh...und Tara ist hier bei mir, du brauchst sie also nicht wecken zu gehen."
"Gut das zu wissen." konnten sie Atticus murmeln hören. "Dann hab ich Zeit, Aster aufzuwecken. Er ist kein Morgenmensch." Tara lächelte. Das war sowas von wahr.
"Sartorius." sagte sie. Sie musste noch mal mit ihm reden, bevor er aus dem Zimmer ging. "Um noch mal auf die Karten zurück zu kommen. Werde ich Jaden jemals wiedersehen?" Sartorius seufzte.
"Tara, ich weiß nicht, ob..." Tara unterbrach ihn jedoch.
"Antworte mir, ich muss es wissen. Werde ich ihn wiedersehen?" fragte sie entschlossen.
"Du lässt wirklich nicht locker." sagte Sartorius und seufzte wieder. "Na schön. Die Karten sagen, dass du dich höchstwahrscheinlich wieder mit ihm treffen wirst." Tara's Augen leuchteten auf und sie umarmte den Wahrsager stürmisch, was ihn sehr überraschte.
"Oh, vielen vielen Dank." sagte sie und ließ ihn los. "Jetzt fühle ich mich besser. Frühstück, hier komme ich."
Und noch bevor Sartorius sie aufhalten konnte, eilte sie schon aus dem Zimmer und den Gang hinunter in Richtung der Versammlungshalle. Der Wahrsager seufzte und blickte auf die Karten auf dem Tisch. Eine Karte erregte besonders seine Aufmerksamkeit. Die "Seelenschnitter" Karte. Sie könnte zwei Dinge bedeuten. Wiedergeburt oder Tod.
"Tara, pass gut auf dich auf." murmelte er langsam. "Was auch immer für Entscheidungen du in Zukunft treffen wirst, es wird ohne Zweifel große Konsequenzen haben." Dann verließ er auch den Raum.