Die deutsch-italienische Rivalität

Ihr habt es schon hier und da gehört, ich sage es aber trotzdem noch mal: Die YCS Mailand steht vor der Tür! Das letzte große Yu-Gi-Oh! Event auf europäischem Boden in diesem Jahr und wir verabschieden uns mit einem großen Knaller – die YCS ist die Neuauflage der vielleicht größten Rivalität in der Yu-Gi-Oh! Geschichte!

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das ein "rein deutsches Problem" ist. Aber wir führen mit den meisten unserer Nachbarländer mehr oder weniger heftige Rivalitäten. Es könnte am Fußball liegen, denn dort geht es ja auch immer ganz gut ab... Oder dann doch an irgendeiner deutschen Mentalität... Jedenfalls ist immer besonders was los, wenn es "Deutschland vs. Frankreich", "Deutschland vs. Italien", sogar "Deutschland vs. Holland" und – zumindest beim Fußball – "Deutschland vs. England" heißt. ^[1]

Keine dieser Rivalitäten ist allerdings so heftig wie "Deutschland vs. Italien" und das arbeiten wir nach einem kleinen Exkurs ein wenig auf.

Bevor ich am Ende des Tages als Kriegstreiber verschrieen bin, möchte ich noch loswerden, dass Rivalitäten nicht schlecht für's Spiel sind. Ganz im Gegenteil, eine Rivalität fördert eine Grüppchenbildung, Grüppchenbildung fördert Freundschaft innerhalb der einzelnen Communities, so was zieht neue Spieler an, weil die auch dazu gehören wollen und so wächst und gedeiht schlussendlich die Community.

Viele von euch hatten schon mal hier und da mit dem Gedanken gespielt, das Spiel an den Nagel zu hängen. Meist haben euch dann aber eure Freunde bei der Stange gehalten, bis eure eigene Leidenschaft wieder voll ausgebrochen ist. Hat man keine Freunde, so fehlt genau dieses Element und man hört womöglich mit dem Spiel auf (oder fängt es erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder an).

Noch dazu ist es "ganz normal", ein wenig Stolz für die eigene Nation zu entwickeln und diese zum Sieg führen zu wollen. Solange wir noch bei ein wenig Patriotismus sind, braucht sich hier niemand Gedanken um mögliche Spätfolgen zu machen. Außerdem schreien wir ja bei der Weltmeisterschaft auch für "alle Europäer" und wenn plötzlich bei Pojo ein irgendwas-Spieler auftaucht und behauptet, wie scheiße doch Yu-Gi-Oh! ist, sind sogar weltweit ALLE Yu-Gi-Oh! Spieler geschlossen am Start und erklären ihm, wie falsch er liegt.

Bevor mein Exkurs jetzt noch das Thema "Hero-Building" anschneidet, kehren wir mal wieder zum eigentlichen Thema zurück und blicken ein wenig in die Kristallkugel.

... mit der ersten Europameisterschaft. Diese wurde in Bochum ausgetragen und dort konnten die Italiener erstmals international auf sich aufmerksam machen. Wir hatten während der Coverage sogar einen Länder Breakdown. Wie ihr sehen könnt lag Italien nach Tag 1 schon relativ weit vorne, denn keine andere Nation konnte prozentual so viele Spieler oben in den Rankings etablieren. Am Ende sah das immer noch so aus: Finaler Länder Breakdown. ^[2]

Während des Turniers erzählte mir Edi ganz aufgeregt von Mohamed Ali, den er auch in einem Interview ausgefragt hatte. Edi meinte, dass Mohamed quasi fehlerfrei gespielt hatte und das schon den halben Tag so durchzieht. Da war auch mein Interesse geweckt und die Tatsache, dass Italien 3 Spieler in die Top 8 schickte (Dario Longo, Mohamed Ali und Donato Mancini) sprach quasi Bände.

Zwar lief es auf ein Deutsch-Niederländisches Finale hinaus, doch wie gesagt, das war der Grundstein für eine wunderbare Rivalität.

In Turin konnte man halbwegs gut beobachten, was passiert, wenn aus einer "kleinen Rivalität" etwas sehr viel Asozialeres wird... Hier ging es irgendwann nicht mehr um einen sportlichen Wettkampf, da wäre fast eine Schlägerei ausgebrochen. Gut, die Zeichen standen auch irgendwie alle auf Sturm: Viele deutsche Spieler nahmen einen schier endlosen Weg auf sich, um in Italien mitspielen zu können. ^[3] Das ist schon mal nicht die beste Ausgangssituation, weil einige übermüdet oder eben übermäßig gestresst sind.

Im Turnier selbst schnitt dann die deutsche Fraktion überdurchschnittlich erfolgreich ab und das galt auch für Italien, so dass die Top 8 am Ende einzig und allein aus Deutschen und Italienern ausgemacht wurden. Lasst es mich mal so direkt sagen: So was ist NICHT gut. Wenn es eine "gemischte Top 8" gibt mit ein wenig mehr Spielern aus 1 bis 2 Nationen, so verteilen sich die Sympathien noch halbwegs. Sind am Ende wirklich nur noch 2 Nationen über, so ist das Überkochen der Emotionen quasi schon vorprogrammiert. Hier noch mal zur Erinnerung ein Link auf die Top 8 Profile Europameisterschaft 2007.

Während Michael Marzoli und Davide Bellocchio das Weiterkommen in einem rein italienischen Match unter sich ausmachten, galt analog dasselbe für Max Hömig und Oliver Schmidt-Voss (in einem rein deutschen Match versteht sich). Die deutsch-italienischen Begegnungen waren Börn Krause vs. Mattia Sarpa sowie Alessandro Nunziato vs. Michel Grüner.

Letztere Partie sorgte für den größten Wirbel auf dem Turnier. Zunächst einmal müsst ihr euch vor Augen halten, dass lediglich die Top 4 das Ticket für den Trip zur Weltmeisterschaft bekamen. Es ging also durchaus um "etwas". Klar ist es eine Leistung, die Top 8 der Europameisterschaft zu erreichen, doch eine Niederlage und es kam dem Spieler so vor, als wäre all die Mühe umsonst gewesen – am Ende geht es eben um das Ticket für die Worlds!

In Deutschland gab es gerade zu dieser Zeit heftigste Diskussionen um gewisse Regelmechaniken. Primär ging es um das Passen von Priorität; lange Rede, kurzer Sinn: Man kann im Battle Step einen Angriff ansagen und Prio passen. Wenn der Gegner nun ebenfalls passt, geht es nicht direkt mit dem Damage Step weiter, sondern man erhält noch einmal Prio. ^[4]

Da der Game State nun neutral ist, kann der Gegner, falls man nun etwas spielt, NICHT MEHR eine Karte aktivieren, die nur als Response auf eine Angriffserklärung gespielt werden kann. Unabhängig davon, ob ihr das verstanden habt, wollte Michel folgenden Skiller-Move machen:

Angriff mit seinem Monster in ein stärkeres (in Angriffsposition liegendes) erklären. Dann Prio passen. Dann Enemy spielen, um das gegnerische Monster zu drehen. Der Gegner kann also entweder vorher eine Saku spielen und auf Nummer sicher gehen oder auf einen Bluff hoffen und nicht auf die Angriffserklärung reagieren (und dann muss er mitansehen, wie sein Monster von Enemy gedreht wird und er wird es im Kampf verlieren, ohne etwas dagegen tun zu können).

Leider ist die italienische Judge-Community "anders" vernetzt als die deutsche. Und noch dazu ist bis heute der Austausch ZWISCHEN den internationalen Judge-Communities nicht der Überknaller, weil immer nur wenig informierte Schiedsrichter die offiziellen Regelungen in die Welt hinaus tragen. Jedenfalls wusste der italienische Head Judge nichts von dieser Regelung, so dass er, nachdem Michel Prio gepasst hatte, entschied, dass das Spiel mit dem Damage Step weiterging. So hatte Michel dann sein Monster mal ins gegnerische Monster geschickt und konnte es nicht mehr drehen. Diese Entscheidung kostete Michel letztlich das Spiel. ^[5]

Diese Situation ist richtig hoch gekocht. Ich stand in der Nähe und wies den Judge ebenfalls darauf hin, dass er falsch liegt. Es hätte fast eine Schlägerei zwischen deutschen und italienischen Spielern gegeben. Die beiden betroffenen Spieler saßen eine gefühlte Ewigkeit da und mussten auf das finale Ruling warten, das quasi "ausdiskutiert" wurde. Alessandro brach in Tränen aus und durfte mal auf Toilette – begleitet von ein paar seiner Freunde, die zuvor alle hinter Michel standen, so dass er gerüchteweise nach seinem Toiletten-Besuch jede Handkarte von Michel kannte.

Kurz und knapp: Die gesamte Geschichte war furchtbar häßlich.

Sie hatte ein Nachspiel auf der Weltmeisterschaft, auf der auch Michel anwesend war, da er, nachdem er sich so "betrogen" gefühlt hatte, kurzerhand die GameBoy Meisterschaft in Deutschland gewonnen hatte. Die deutschen Vertreter beleidigten die italienischen Spieler und spätestens jetzt hatte das wirklich nicht mal den Beigeschmack von einem "sportlichen Wettkampf".

Das hat selbstverständlich auch nicht das beste Licht auf Michel geworfen, dessen Reaktion zwar nachvollziehbar war, aber deshalb eben nicht weniger falsch.

Man könnte meinen, ich kürze jetzt ab, weil ich schon wieder so viel geschrieben habe, aber tatsächlich ist es meiner Ansicht nach so, dass alles, was danach kam, im Vergleich zu der EM 2007 "harmlos" war. Klar, es gab auch später wieder internationale Turniere, aber nie sind Deutsche und Italiener in derart aufsehenerregender Weise aufeinander getroffen wie bei der EM 2007. Kein Wunder, dass Michel offenbar bis heute nicht vergessen hat, was damals passiert ist und das Thema sogar durch "die Yu-Gi-Oh! Medien" (aka dem YouTube Channel von sixxy) gegangen ist.

Nun wisst ihr, wie die große Rivalität zwischen deutschen und italienischen Spielern ausgebrochen ist. Viele andere Faktoren, beispielsweise die Tatsache, dass es sich bei beiden Communities um die größten in Europa handelt, spielen ebenfalls mit rein.

Ich für meinen Teil kann nur hoffen, dass es diesmal wirklich beim "sportlichen Wettkampf" kommt und wir keine Eskalation wie damals, 2007, erleben werden. Ich drücke selbstverständlich allen deutschen Spielern die Daumen und wünsche mir erneut ein "Traumfinale". ^[6]

soul

Ich packe dann mal meinen Koffer und bin raus, mein Kind,

denn Oli G ist auf der Reise und hat Rückenwind!

Mein Flieger geht in weniger als 3 Stunden und ich muss noch zum Flughafen kommen, es wird also langsam echt mal Zeit...

Absoluter Anti-Trend der Woche ist Cheating in der Coverage. Es ist ja schon ärgerlich genug, dass das im Turnier vorkommt, aber jetzt auch noch in der Coverage?! Gerüchteweise hat mein geschätzter Kollege PJ schon den "ein oder anderen" Artikel VORGESCHRIEBEN. So ein Trickser! Mal sehen, wer am Ende des Turniers die Nase vorn hat und mehr geschrieben haben wird. Die Wettquoten stehen ausnahmsweise 50:50.

Das tolle Hotel hat doch tatsächlich einen Shuttle-Service, so dass es nicht übermäßig kompliziert sein sollte, vom Flughafen zum Hotel zu kommen. Leider macht es mir die Sache derart angenehm, dass ich nicht viel mehr weiß außer die Nummer des Hotels...

Das wird also wieder mal ein Wochenend-Trip in eine weit entfernte Stadt, von der ich genau nichts sehen werde, weil ich das gesamte Wochenende in einem Hotel und / oder einer Halle verbringen werde.

^[1] Sorry England, aber bei Yu-Gi-Oh! gab's bisher relativ wenige Gelegenheiten, wo es am Ende "Deutschland vs. England" hieß. Ich erinnere mich nur an einen Ausflug ein paar Berliner nach London zu einem Turnier, wo irgendwie keiner der Einheimischen wollte, dass Vittorio den Titel "nach Hause holt" und entsprechend ist da ziemlich viel Rivalität ausgebrochen.

^[2] Die übrigen Schweizer und Polen sind clever raus gedroppt, so dass der Länderschnitt super aussieht. Doch erst mit einer gewissen Grundgesamtheit (> 5 Spieler) wird das langsam aussagekräftig.

^[3] Das soll nicht heißen, dass nicht dasselbe für die anderen europäischen Spieler galt, die im Vorjahr nach Bochum gekommen sind!

^[4] Was furchtbar logisch ist. Wenn ich ein Monster beschwöre und Prio passe, mein Gegner keine BTH oder TT spielt und ebenfalls passt, dann geht es auch nicht instant mit der Battle Phase weiter. Vielmehr müssen beide Spieler noch mal auf "neutralen Game State" passen.

Zumindest war das damals so. Fragt die aktuell eingeweihten Regelfragen-Camper, ob das heute immer noch so ist.

^[5] Menschen machen Fehler, das gilt für Spieler wie für Judges. Während Spieler häufig behaupten, sie hätten "nur wegen dem Judge" verloren, ist das längst nicht immer wahr. In diesem Fall kann man sogar als objektiver Beobachter sagen, dass die Entscheidung erheblichen Einfluss hatte und Michel das Spiel wohl sonst zu 80% gewonnen hätte.

^[6] Alternativ kann ich auch mit 4 Deutschen und 4 Italienern in den Top 8 leben, wobei dann alle Deutschen weiterkommen.