Ist Yu-Gi-Oh! wirklich so kompliziert?

Eigentlich hatte ich mir für heute vorgenommen, einen extrem reißerischen Titel zu wählen, dann im Artikel selbst nach einem kurzen Start weg von dem Thema zu gehen, das man hinter der Überschrift vermutet und so am Ende ganz viel Kritik abzubekommen. Irgendwie ergab es sich dann aber so, dass ich noch mal über den Feedback-Thread von Nimrod Hellfires gutem Artikel über die Floater-Theorie gestolpert bin und da stach eine Aussage hervor, die mir selbst schon mal in ähnlicher Form durch den Kopf gegangen ist:


Original von lostboy-bart:


Den Artikel finde ich gut – auch wenn ich diese Fachbezeichnungen nach 6 Jahren Yu-Gi-Oh! Zockens immer noch für eine nervige Erfindung halte, um Noobs zu ärgern. ^^ [1]


Das ist ein hervorragender Aufhänger für mich für den folgenden Artikel:



Ist Yu-Gi-Oh! wirklich so kompliziert?


Es gab eine Zeit, da fertigte ich rund alle 3 bis 4 Monate eine Coverage an. Dazwischen spielte ich nicht, ich schiedsrichterte nicht, nein, ich verfolgte ein wenig das Forum und das war's. [2]

Auf dem folgenden Turnier, auf dem ich wie gesagt Coverage machte, war das herzlich egal. Gut, da kamen halt mal die Sechs Samurai raus – die hat man sich mal vorher angesehen, mehr oder weniger sofort verstanden, wie das Deck funktioniert, und gut war's. Selbes Spiel mit den Dark World Monstern und vielen weiteren Themendecks. Selbst wenn ich zu Beginn eines Turniers noch nicht 100%ig verstanden hatte, was die Stärke eines Decks ausmacht, so war es mir nach einem Feature Match klar.


Im vergangenen Jahr habe ich Coverage auf einem Turnier gemacht und das erste Mal ein Feature Match mit einem Dandywarrior Deck angelegt. Es war schon relativ schwierig, überhaupt zu kapieren, was auf dem Feld abgeht... Früher wurden deutlich weniger Karten in einem Deck gespielt, denn man konzentrierte sich auf die besten und spielte die 3mal. Und die meisten "besten Karten" waren auch schon 1+ Jahre alt. Heute gibt es so viele Karten, die man nur 1 bis 2 Mal mit rein wirft, bzw. rein werfen darf, dass es für einen Coverage-Schreiber ungleich komplizierter wird.

Doch nur zu verstehen, was auf dem Feld gerade abgeht, ist nur die halbe Miete. Richtig gute Feature Matches kann man eigentlich erst dann anfertigen, wenn man sich auch im Klaren darüber ist, welche Optionen dem Spieler noch zur Verfügung stehen. Davon war ich anfangs wirklich sehr, sehr weit entfernt. Ich führe das später noch mal weiter aus, jetzt gehen wir erstmal auf die allgemeinen Änderungen ein...


Was ich euch sagen will: Damals war es nicht allzu wichtig, voll auf der Höhe zu bleiben, um das Spiel zu begreifen. Sicherlich gab es angriffslustigere und eher defensive Decks und klar konnte man hier und da einen guten Zug eines Spielers besser nachvollziehen, wenn man "tief im Spiel drin" war, allerdings ging es recht mühelos auch ohne diesen ganzen Aufwand. Man blickt auf die Hand, sieht halt noch 2 "Sechs Samurai" Monster und weiß, dass jetzt noch mindestens 2 Runden lang Druck gemacht wird. Hat ein Spieler NUR Monster auf der Hand, hatte er das Spiel quasi verloren...


Heute schreibe ich ab und an mal einen Artikel, in dem ich mich mit einem strategischen Thema befasse, und höre dann hinterher im Feedback-Thread: "Na ja, der soul ist ja schon etwas aus dem Spiel raus." Anfangs dachte ich mir immer: Was wollen denn diese Leute von mir? Die klingen ein wenig so, als wollen sie "Yu-Gi-Oh! als serious business" etablieren. Dabei war es am Ende des Tages doch nur ein weiteres "Trading Card Game." [3]

Doch nein, wenn man dann mal eine Coverage gemacht hat und innerhalb eines Zuges 4 Synchromonster das Spielfeld betreten haben und man noch gerade dabei ist, sich im Kopf zusammen zu basteln, welcher Empfänger für das ERSTE benutzt wurde, während der Spieler zum entscheidenden Angriff ansetzt, muss man sich wohl oder übel eingestehen: Es hat sich etwas getan in dem von uns allen so heiß geliebten Sammelkartenspiel. Yu-Gi-Oh! IST komplexer und komplizierter geworden.

Heute kann ein Spieler beispielsweise 6 Monster auf der Hand haben und von denen können 3 "wie eine Schnellzauberkarte" eingesetzt werden...


Früher war so eine Hand "tot":


Eine D.D. Crow kann im gegnerischen Zug einen Topf der Trägheit annullieren, eine Effektverschleierin kann ein Comeback des Gegners vereiteln und ein Kampfausblender kann uns noch einen Turn erkaufen, in dem wir ein eigenes Comeback starten. Man kann nicht mehr auf eine Hand schauen, dort 6 Monster erblicken, und automatisch davon ausgehen, dass das Spiel quasi schon vorüber ist.


Ich möchte euch damit an folgende Tatsache heran führen: Schon "immer" gab es Duellanten, die das Spiel "vertheoretisierten". Wenn die an der Seite standen, wurde ein Spiel nicht durch Zufall entschieden, weil gerade Schwarzes Loch von oben kam, sondern durch Skill, weil der Spieler 4 Züge voraus gedacht hatte und wusste, dass er gleich in einen Removal zieht. Es ist sehr, sehr einfach, so was als "Humbug" abzutun. Diese Leute zu ignorieren, vielleicht sogar über sie zu lachen und als Abwehrreaktion zu versuchen, diese in irgendeiner Form bloß zu stellen und sie von mir aus als "Lucker" zu beschimpfen.

Doch vor ca. 4 bis 5 Jahren (oder sind es sogar noch mehr?) häuften sich plötzlich die Turniersiege von einzelnen Spielern. [4] Dass das Spiel komplexer geworden war und es einige Leute einfach besser verstanden hatten, wie man sich den meisten Vorteil erspielt, stand irgendwie nie zur Debatte. Wenige konnten glauben, dass Deckbau und Spielweise einen so viel entscheidenderen Anteil haben konnten als pures Glück.


Wenn man mal ein komplett neues Deck gesehen hatte, wie Adrian Madaj mit seinem ersten Recruiter oder Michel Grüner mit seinem Chain Burn, dann konnte sich die Spielergemeinde noch halbwegs damit abfinden, dass hier jemand einfach einen Schritt voraus war und DESHALB oben stand. In den meisten anderen Fällen, wenn das Rad nicht gerade neu erfunden wurde und ein bekannter Spieler mit einem etablierten Deck vorne stand, wurde "Cheating" in den Raum gerufen und man hatte eine alternative Erklärung gefunden.

Langsam aber sicher scheint ein Umdenken stattzufinden. Klar gibt es immer noch Ausnahmen und Spieler stehen vermeintlich deshalb häufiger oben, weil sie sich mal 2 Karten pro Turn in der Draw Phase gönnen [5]; in vielen Fällen hat es aber tatsächlich etwas damit zu tun, dass man das Spiel einfach besser beherrscht als der Gegenüber.


Gehen wir noch mal zurück, tief in die Praxis. Ein entscheidender Faktor, der zu diesem Phänomen beiträgt, ist das Extra Deck. Früher war das "Fusionsdeck" reichlich nutzlos. Gut, man konnte vielleicht mal Magieforscher auspacken und dann mehr oder weniger das Spiel mit Hilfe des Fusionsdecks gewinnen, doch das war es so ziemlich. Keine allzu riesige Leistung und vor allem keine Interaktion.

Heute kann über mehrere Züge hinweg mit dem Extra Deck interagiert werden. Da kommen Synchromonster raus, es gehen Gladiatorungeheuer-Fusionen rein (um ein paar andere Gladis aus dem Deck zu holen), und und und... man hat das Spiel im Grunde um eine Zone erweitert, die noch mehr Einfluss als beispielsweise der Removed from Game Pile hat.


Diese Dinge spielen alle mit rein und sorgen dafür, dass man das Spiel eben nicht mehr einfach nur drauf los spielen kann, um auf einem Turnier was auszurichten. Zugegeben, es muss nicht gleich die Floater-Theorie sein, die man sich als Gute-Nacht-Lektüre 5 Tage die Woche gegeben hat, um sich auf ein Turnier vorzubereiten. Doch einfach nur ein gewisses Verständnis für Karten- und / oder Ressourcenvorteil, wie man sich diesen erarbeitet und vor allem im Verlauf des Spiels aufrecht erhält, kann schon einen sehr großen Unterschied machen.

Das Grabwächter-Deck wird jetzt von einigen Spielern kritisiert, die mehrfach dagegen getestet haben. Mehrfach getestet sind hier die Schlüsselwörter – wenn man dem Deck das erste Mal gegenüber tritt, kann man durchaus auf dem falschen Fuß erwischt werden und schließlich verliert man das Game dadurch, bevor man verstanden hat, was besser gewesen wäre. Versteht man beispielsweise die Floater-Theorie, so ist der Überraschungseffekt geringer, da man sofort begreift, was das Deck tun will.


Ich will es bewusst noch einmal sagen: Einfach nur "drauf los spielen" führt heute nicht mehr zum Erfolg. Das ging zuletzt bei der ersten Deutschen Meisterschaft, wo der spätere Meister im nachhinein erkannte, dass er noch jede Menge zu lernen hatte und er sich eingestand, dass sein Sieg wohl etwas glücklich war. [6] Nicht immer bedeutet ein Wissensvorsprung also auch automatisch den Sieg. Doch wir können nicht von der Hand weisen, dass das Spiel in jedem Fall deutlich anspruchsvoller wurde.


Wie seht ihr das? Kommt ihr bei den aktuellen Entwicklungen noch mit? Habt ihr z. B. sofort verstanden, warum Formelsynchron eine spitzenmäßige Karte ist? [7] Wie wünscht ihr euch, dass es mit dem Spiel weitergeht? Haben wir ein Level erreicht, bei dem ihr sagt, das passt vom Anspruch her? Oder soll man noch eine kleine Schippe drauf legen?

Jede Menge Fragen und jede Menge Diskussionsstoff. Ich bin gespannt auf euren Input!



soul



Trends der Woche


HDMI Ausgänge


Mit meinem alten Laptop war es immer voll die Operation, einen Film auf nem ordentlichen Monitor oder einem Beamer zu schauen. Jetzt stecke ich ein HDMI Kabel rein und gut is... absoluter Trend der Woche für mich!


Kopfschmerztabletten


Ich bin eigentlich kein Fan von Pillen, allerdings wurde es diese Woche dann doch etwas zu assi und ich musste mal ein wenig nachhelfen. Jetzt war ich mal wieder einen gesamten Tag die Kopfschmerzen los – das war schon richtig ungewohnt.


Schnee-Chaos


Absoluter Anti-Trend ist der Wintereinbruch und das damit verbundene Schnee-Chaos. Die Berliner Verkehrs-Betriebe stellen sich jedes Jahr so an, als würden sie das erste Mal Schnee sehen und alles hat Verspätung. Auto fahren ist natürlich keine Alternative und Rad fahren ist Selbstmord... irgendwie sind also alle Optionen scheiße, was mir so gar nicht gefällt und in mir die Sehnsucht nach einem Mulligan aufkommen lässt...





[1] Das Zitat wurde von mir vom allerfeinsten "Gossenslang" hoffentlich einigermaßen authentisch in die deutsche Sprache übersetzt... wer Zweifel hat, kann gerne noch mal mit dem Original vergleichen:


"den artikel war find ich gut auch wen ich diese fach bezeichnungen nach 6 jahren jugi zockens immer noch für nerfiege erfindung halte um noops z ergärn ^^"


[2] Mit "das Forum" meine ich: "Die Teile des Forums, die mich etwas mehr interessieren."

Das könnten damals noch etwas mehr Regelfragen als jetzt gewesen sein, der Event-Part ein wenig und ansonsten eigentlich fast nur Yu-Gi-Oh! Allgemein. Ich habe mich noch nie wirklich im YGO Strategie rum getrieben oder im Deckbau. Das ist halbwegs wichtig als Hintergrundinformation, damit mein Punkt RICHTIG rüber kommt.


[3] Außerdem gibt's jede Menge Hater, die mich immer von meinem Ego-Trip runter holen wollen...


Hater's gonna hate...


[4] Zwar gab es zuvor noch nicht so die Mega-Anzahl an Premier Events, doch trotzdem hatte niemand irgendwie die 3er Siegesserie hin gelegt. Klar, einige Spieler waren häufiger vorne mit dabei, aber dass jemand wirklich mehr als einmal pro Jahr ein Turnier gewonnen hat war die klare Ausnahme.


[5] Kleiner zusätzlicher Tipp: Sie spielten keinen Krug der Gier im Deck.


[6] Aus diesem und weiteren Gründen war auch das Abschneiden auf der Weltmeisterschaft nicht ganz der Knaller. Aber wie gesagt, kein Vorwurf. Wenn man einen Monat vor der Worlds das erste Mal von Yata-Garasu hört, dann kann man kaum damit rechnen, dass man das Turnier rocken wird.


[7] Ich gebe ganz ehrlich zu, dass mir das beim ersten Anblick der Karte nicht bewusst war... man muss eben auch was über die Combo-Möglichkeiten wissen.