Was für eine Community wollen wir eigentlich sein?

Ich selbst habe am letzten Mittwoch die einer Schweigeminute für die Erdbeben- und Tsunami-Opfer zur Diskussion gestellt. Am Freitag dann hat Oli die Idee eines Charity Cups in die Runde geworfen. In beiden Fällen äußerten sich Spieler und stellten Fragen wie 'Brauchen wir das?', 'Können wir als kleine Community überhaupt was ausrichten?' Und wenn wir alle ehrlich sind, wird die Antwort 'Nein!' lauten. Wenn wir eine Schweigeminute einlegen, wird dadurch in Japan nicht ein Mensch mehr oder weniger gerettet werden. Wenn auf einem Turnier 1000€ zusammenkommen und gespendet werden, wird jeder einzelne Japaner wohl nur wenig davon merken (dazu später mehr). Warum machen Menschen dann so etwas? Warum läuft der 1. FC Bayern München im Trauerflor auf? Warum wird vor aktuell jedem größeren Ereignis eine Schweigeminute abgehalten? Ich werde in diesem Artikel Versuchen ein paar Antworten zu geben. Und gleichzeitig hoffe ich aufzeigen zu können, dass uns dies alles als Community sehr wohl etwas angeht.


Und das große Stichwort wurde schon genannt: Community, zu deutsch Gemeinschaft. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Schweigeminute oder ein Charity Cup für die Identitätsbildung unserer Community von immenser Bedeutung sein würde. Allein die Tatsache, dass dies nun in 3 Artikeln thematisiert wird, ist für uns von großer Wichtigkeit (ohne die Artikel hier in irgendeiner Form überhöhen zu wollen).


Amigo hat es bereits vorgemacht und im letzten Dezember zum zweiten Mal die Christmas Charity Cups veranstaltet. Diese hat Amigo mit tollen Preissupport ausgestattet und nicht nur deswegen waren die Turniere bei vielen Spielern sehr beliebt. Viele Spieler hat es gereizt, so einfach etwas gutes tun zu können. Ich bin mir sogar sehr sicher, für viele jüngere Spieler dürfte es sogar das erste Mal gewesen sein, dass sie aktiv etwas gespendet haben. Ich glaube nur die wenigsten hier werden auf normalem Wege schon mal etwas an die Tafel gespendet haben. Beim Charity Cup teilgenommen haben vermutlich aber viele schon mal. Ein spezielles Spendenevent kann also Menschen erreichen, die sich sonst nie mit solch einer Thematik auseinandersetzen.


Der wichtigste Aspekt aber ist es, dass ein solches Event die Spieler auch in gewisser Weise erzieht. Hier lernen Spieler, dass 'Gutes tun' gesellschaftlich gewollt ist. Unsere Gemeinschaft braucht gegenseitige Hilfe. Umso konsequenter ist es, dass in einigen Läden dann auch Spieler wieder nach Hause geschickt wurden, die mit 5 Dosen Tomatenmark vor der Tür standen. Hier geht es um Hilfe und nicht darum, die Hilfsbereitschaft anderer (in diesem Fall der Ladenbesitzer und Amigo) auszunutzen. Auf einem solchen Event lernen Spieler zwangsläufig etwas über soziale Kompetenz und Gemeinschaftsgefühl{{wenn ich Spieler sage meine ich damit nicht nur 10-12jährige Jungs sondern schließe hier auch ganz bewusst ältere Spieler jenseits der 20 ein. Ich könnte an dieser Stelle jetzt einen neurowissenschaftlichen Vortrag über die Ausbildung der Moral beim Menschen halten, lasse das aber lieber sein. Soviel sei verraten: die Bildung der sogenannten moralischen Identität ist erst mit Mitte Zwanzig abgeschlossen.}}. Und eine ähnliche erzieherische Funktion kann eine Schweigeminute einnehmen.


Eine Schweigeminute hat aber noch weitere wichtige Funktionen für unsere Gesellschaft, Gemeinschaft oder Community. Sie 'synchronisiert' das empathische{{Empathie beschreibt das Vermögen, sich in die Gefühlslage anderer Menschen hinein fühlen zu können. Wenn wir beispielsweise einen traurigen Menschen sehen der weint, empfinden wir das Bedürfnis diese Person zu trösten, weil wir ihren Schmerz nachvollziehen können.}} Empfinden der einzelnen Mitglieder. Man wird bei so einer Schweigeminute praktisch dazu 'gezwungen' für die Opfer Mitgefühl zu entwickeln. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass beispielsweise in den Medien auch darüber berichtet wird. Natürlich könnte die Redaktion der Sportschau sagen "Die Schweigeminute hat mit dem Spielverlauf nichts zu tun, die schneiden wir raus!". Aber die Medien haben eben auch eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung, der diese nachgehen müssen. Entsprechend wird über diese Schweigeminute berichtet.


Nun bin ich als Kolumnist auf eTCG und als Redakteur für Amigo auch in einer gewissen Art und Weise ein Medienvertreter. Tatsächlich wird es neben den Kolumnisten auf eTCG nur wenige Menschen geben, die so viele Yu-Gi-Oh! Spieler Woche für Woche mit ihren Worten erreichen. Von daher sehe ich mich mittlerweile (auch meine moralische Identitätsbildung ist mit 26 Jahren noch nicht abgeschlossen) auch selbst in einer gewissen Verantwortung für diese Community. Beispielsweise bin ich mittlerweile der Meinung, dass man Spieler mit einer sagen wir mal 'unkonventionellen Einstellung bezüglich moralischer Fragen' nicht unbedingt zu Stars der Szene aufbauen sollte. Für mich heißt das dann zum Beispiel, dass in der Coverage nicht der coolste und bekannteste Spieler ein Featured Match bekommt, wenn dieser in meinen Augen eine 'eingeschränkte Vorbildfunktion' hat. Gleichzeitig werde ich hier in dieser Kolumne sicherlich keine überführten Cheater rehabilitieren, das 'Abziehen' kleiner Kinder rechtfertigen oder Trashtalk als Beharlichkeit überhöhen{{Es geht hier übrigens nicht darum, Oli in irgendeiner Weise zu bashen. Vielmehr möchte ich aufzeigen, auf was für einem schmalen Grad man sich als Artikelschreiber bewegt. Denn selbstverständlich hat jeder Mensch eine zweite Chance verdient. Darauf basiert unser gesamtes Rechtssystem. Ehrgeiz und Hartnäckigkeit sind auch a priori keine schlechten Eigenschaften.}}. Ich will in dieser Kolumne nicht über irgendwelche Spieler lästern, erzählen wie scheiße sie sind und dass sie keine Ahnung von Yu-Gi-Oh! haben. Dies ist natürlich meine persönliche Meinung und ich erhebe auch gar keinen Anspruch auf Korrektheit dieser Meinung.


Gleichzeitig hoffe ich natürlich auch, die Community in irgendeiner Weise positiv zu beeinflussen. Eine meiner Grundideen dieser Kolumne ist es zum Beispiel, die Spieler auf neue Decks und Möglichkeiten aufmerksam zu machen. Und ich hoffe natürlich, dass meine Kolumne einen positiven Effekt auf die Deckvielfalt hat. Vielleicht ist es aber wirklich an der Zeit, dass sich unsere Community (und damit auch diese Kolumne) mehr mit sozialen und moralischen Fragen beschäftigt. Wenn man sich die Blogs bei Connect anguckt (inbs. die von krabbe1605) scheint auch ein gewisser Bedarf zu herrschen. Auch der aktuelle Gewinnerartikel des Blog-Contests kratzt an dieser Problematik.


Aber ich sehe nicht nur Schreiber in der Verantwortung für unsere Community. Auch Judges und Turnierorganisatoren sind hier gefragt. Vielleicht muss man auch mal die Entscheidung treffen, einen bekannten Cheater oder Betrüger nicht mitspielen zu lassen. Man muss eventuell mal hinterfragen, ob man Leute aufs Turniergelände lassen möchte, welche mit ihren Tauschkarten mehrere 100€ Profit machen wollen.


Letztendlich werden aber wir Spieler selbst entscheiden, was für eine Community wir sein wollen. Wir selbst haben es in der Hand. Gemeinsam können wir Lug, Betrug, Diebstahl, Beleidigungen, unfairem Tauschverhalten Einhalt gebieten. Dazu gehört es dann eben auch, dass ich nicht einfach zugucke, wie einem 8jährigen sein frisch gezogener Pot of Duality für einen Stardust Dragon (mit kleinem Knick!) abgetauscht wird. Ein in solchen Situationen beliebtes Argument ist hier immer: 'Wenn ich den Tausch nicht mache, dann macht's jemand anderes. Was bringt es also, wenn ich das nicht mache?' Zunächst heißt es natürlich: 'Vorbild sein!' Aber letztendlich ist es so wie bei den Opfern in Japan. Es wird nicht ausreichen, wenn wir als Yu-Gi-Oh! Community etwas spenden. Aber wenn der 'Hockey Club Grimmelfingen', die 'Hard Core Biker Rheine' und tausende andere Vereine, Communitys, Privatpersonen und Firmen spenden, dann kommt eine beeindruckende Summe zusammen. Denn erst als Gemeinschaft können wir wirklich etwas bewegen. Genau so können wir unsere Community aber nur dann voranbringen, wenn wir alle gemeinsam an einen Strang ziehen. Dazu brauchen wir aber eine Diskussion, was für eine Community wir sein wollen. Ich welche Richtung wollen wir uns bewegen.


Also denkt einmal darüber nach: 'Wie sieht die perfekte Sammelkartenspielcommunity aus?'

Nimrod Hellfire




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Antworten 43

  • Guter Artikel.
    Doch müssen wir als Spieler wirklich Verantwortung wegen des Hobbys auf uns nehmen.
    Ich denke man sollte ein Hobby pflegen um Spaß zu haben.

  • Es gibt keinen "1. FC Bayern München", was du meinst ist die "FC Bayern München AG".
    Ansonsten ziemlich tiefgründiger Artikel, auch wenn du imo den Wert von YuGiOh für viele Spieler überschätzt oder ich ihn unterschätze, kann ja beides sein.

  • Ein toller Artikel, der einen wirklich zum nachdenken anregt. Und in dem Punkt hast du Recht. Sicher bringt den Leuten in Japan eine schweigeminute erstmal nichts, aber so zeigt man Mitgefühl und das es einem nicht am Arsch vorbei geht. auch mit den Spenden. Sicher 1000€ sind erstmal nicht viel. Aber wenn jeder Verein etc. mal 100€ zusammenkratzt kommt eine unvorstellbare Summe heraus.



    Insgesamt super Toll! Ich werde mir noch ein paar Gedanken machen...

  • Nette Szene habt ihr da. Lug, Betrug, Cheaterei... ich würde vorschlagen ihr arbeitet erstmal an eurem äußerem Erscheinungsbild. Ich meine, ihr wisst schon, dass die neunziger Jahre vorbei sind oder? Bei YGO habe ich immer das Gefühl als wäre wieder 1998.


    Ansonsten halte ich einen Charity Cup für heuchlerisch und überzogen. Wenns was zu gewinnen gibt, spielt man des gewinnens wegen mit. Ansonsten spielt man nicht mit. Außerdem glaube ich die Hälfte der Spieler hat von Charity entweder noch nichts gehört, oder ist zu dumm um zu wissen was es bedeutet.

  • Nette Szene habt ihr da. Lug, Betrug, Cheaterei... ich würde vorschlagen ihr arbeitet erstmal an eurem äußerem Erscheinungsbild. Ich meine, ihr wisst schon, dass die neunziger Jahre vorbei sind oder? Bei YGO habe ich immer das Gefühl als wäre wieder 1998.


    Ansonsten halte ich einen Charity Cup für heuchlerisch und überzogen. Wenns was zu gewinnen gibt, spielt man des gewinnens wegen mit. Ansonsten spielt man nicht mit. Außerdem glaube ich die Hälfte der Spieler hat von Charity entweder noch nichts gehört, oder ist zu dumm um zu wissen was es bedeutet.


    Schon Frisch folgerte in Bezugnahme auf das marxistische Theater aus der Belehrbarkeit des Menschen eine Veränderbarkeit der Welt. Problematisch ist nur, dass Selbstzweck, Passivität und Manipulation das einst belehrbare Individuum zu einem bedauernswerten Egoisten machen. Doch das soll doch nicht das Ende unserer Welt bedeuten.
    Ich finde es wirklich genial und wunderbar, wenn die Konsumenten befriedigt werden, beispielsweise durch einen gelungenen Preispool und gleichzeitig etwas gutes für die Welt tun müssen. Jeder kann von so einem Modell nur profitieren. Zwar mag der Ansporn primär den Preisen entspringen, doch das vermindert ja nicht die Hilfe. Heuchlerisch wäre es wohl, wenn das Geld eben nicht den Hilfbedürftigen zugute käme.


    Wirklich bedeutender und wichtiger Artikel. Hat mir persönlich sehr gut gefallen, doch ich vertrete da eine ganz eigene These. Obwohl ich eine so gute und synergetische Community begrüße, habe ich auch Angst vor dieser. Ich fürchte mich vor perfekten Abläufen und problemfreien Wochenenden. Wenn diese Sehnsucht nach einer guten Community gestillt ist, habe ich die Sorge, dass ich ohne diese Sehnsucht den Antrieb verliere. Mangel von zu lösenden Problem ist wohl oftmals Stillstand und Langeweile. Und das macht mir Angst.

  • Ihr seid echt der Ausdruck von deutscher Emphatie, Nimrod genauso wie soul. Ich mein was für ein Schwachsinn, wir machen einen Charity Cup, wir gehen spenden. Das ist ne richtig tolle Lobby. Beim THW sein und als Bergungshelfer arbeiten, beim Roten Kreuz arbeiten und hinfahren? Nee...


    Und das waren nur suggestive Beispiele. Zumal ein Volk wie das Japanische von vielen Seiten Unterstützung bekommt. Ein anscheinend gut strukturiertes mediales Konzept vorlegen kann und Fachkräfte oder Todesmutige hat die sich dem Problem annehmen. In den Medien ist es ja schon rückläufig, also scheint es ja nichtmehr genug Pulver zum verschießen über das Thema zu geben.


    Spielt mal lieber Aufbauhelfer in einem afrikanischen Land wie Eritrea oder asiatischen wie Birma. Denen geht es seit Jahrzehnten scheiße und die bekommen keinen Charity Cup von den YGO Spielern?


    Ist ein Zufall dass das Card Game ausgerechnet aus Japan kommt, aber wenn ich Fußball spiele denk ich auch nicht an die Menschenrechtverletzung der pakistanischen Kinder die den Ball genäht haben.


    Aber wie gesagt, macht nur weiter mit dieser Idee, ihr Helden.


    PS: der MLPD Wähler über mir hat aber fleißig ausm roten Buch zitiert.


  • Schon Frisch folgerte in Bezugnahme auf das marxistische Theater aus der Belehrbarkeit des Menschen eine Veränderbarkeit der Welt. Problematisch ist nur, dass Selbstzweck, Passivität und Manipulation das einst belehrbare Individuum zu einem bedauernswerten Egoisten machen. Doch das soll doch nicht das Ende unserer Welt bedeuten.
    Ich finde es wirklich genial und wunderbar, wenn die Konsumenten befriedigt werden, beispielsweise durch einen gelungenen Preispool und gleichzeitig etwas gutes für die Welt tun müssen. Jeder kann von so einem Modell nur profitieren. Zwar mag der Ansporn primär den Preisen entspringen, doch das vermindert ja nicht die Hilfe. Heuchlerisch wäre es wohl, wenn das Geld eben nicht den Hilfbedürftigen zugute käme.


    Der Absatz liest sich, als ob da jemand an einem schweren Fall von KTG leidet :D

  • Guter selbst geschriebener Artikel...

  • Erstmal: Ein gut geschriebener Artikel, der sein Ziel nicht verfehlt: zum Nachdenken anzuregen.


    Weiter:

    Dann könnte man denjenigen, die aufrufen für krebsleidende Menschen zu spenden, doch genauso gut vorwerfen, warum sie sich nicht für die HIV-Hilfe einsetzen...Was für ein Unsinn so zu reden.
    Man kann nicht immer und überall helfen und letzten Endes ist es eine rein subjektive Entscheidung, wofür und wie man sich einsetzt. Allein der Wille zu helfen zählt!


    Statt die Hilfsbereiten zu verurteilen (auch wenn viele wohl trotzdem nicht der Hilfe wegen, sondern den Preisen wegen an einem Charity Cup teilnehmen, helfen tuen sie trotzdem), sollte man sich wohl bei den Medien bedanken, die nicht im Ansatz vergleichsweise über Eritrea oder Birma berichten. Ich gehe jeden wette ein, dass mindestens 2/3 der Leser hier nicht einmal etwas darüber weiß, so wie sie es dank den Medien über Japan wissen.

  • Krankheiten wie Aids und HIV werden seit Jahrzehnten erforscht, mit Fördergeldern und Steuergelder (sofern man Steuern zahlen muss, spätestens bei den Eltern wird das mit großer Wahrscheinlichkeit zutreffen). Entwicklungsländern bekommen das Geld meist nichtmal dort, wo sie es hinstecken sollen. Man kann helfen, den Willen haben viele, aber das bringt ja niemanden was der betroffen ist. Der sogenannte "Wille" ist genau das was ich anpranger "viel blablabla und was könnten wir machen" und am Ende sind das die Ersten die weglaufen würden.


    Das über Japan so berichtet wird liegt nunmal stumpf daran, dass es eben Japan ist. Partnerstaat, Wirtschaftsmacht... und dass man nichtmal recherieren muss um was zu in der Presse drucken zu können. Dabei hält man sich in Japan zurück mit dem worüber man berichtet und erklärt es sogar sachlich.


    Und ja bei deiner Wette geh ich mit, ich würde auch nicht viel erwarten, traurig ist das, wenn ich nichtmal dem Artikelschreiber genau diese Überlegung zutraue.

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